Zeyst.[]
Zeyst (Zeist), ein Dorf mit mehr als 1200 Einwohnern und einem schönen Schlosse in der niederländischen Provinz Utrecht, eine Stunde von der Stadt Utrecht entfernt. Das Dorf liegt in einer sehr angenehmen Gegend, wo sich viele Gärten und schönen Promenaden finden. Es gehörte ehemals dem gräflich nassauischen Hause, wurde aber 1752 an einen Kaufmann in Amsterdam verkauft, der es der Brüdergemeine zu Anlegung einer Colonie einräumte. Die Herrnhuther haben nun hier große Brüder- und Schwesterhäuser und andere Gebäude angelegt, und treiben einen beträchtlichen Handel mit verschiedenen, auch weiblichen Arbeiten von vorzüglicher Schönheit und Güte, die in jenen Häusern verfertigt werden.
Von Reisende.[]
J. G. A. Kirchhof.[]
- [1790]
- Zeist.
Ich bedaure sehr, daß ich nicht in Zeist gewesen bin, und die Herrnhuter nicht besucht habe. Die ledigen Personen unter ihnen haben unter dem Namen der Brüder und Schwestern ihre eigenen Häuser. In die Wohnzimmer der Schwestern kann man nicht kommen. Weun man auf die Waaren, welche dort feil stehen, bieten will, so legt sie der herumführende Bruder stillschweigend wieder an ihren Ort. Die Waaren sind sehr theuer. Dies bemerke ich gegen Sander, welcher das Gegentheil behauptet. Dieser Reisebeschreiber ist überhaupt voll zum Theil lächerlicher Fehler, und man hat seinen Namen noch nach seinem Tode durch den Druck seines Journals entehrt, worin nichts polirt, sondern alles von dem Jüngling, dem jeder Gegenstand neu, und jede Sage Wahrheit war, roh durch einander aufgeschrieben ist.
Die Silber- Eisen- und Stahlarbeiten sollen sehr schöne seyn. Man ist fast verpflichtet, etwas zu kaufen, wenn man die Waaren sehen will. Die Herrnhuter leben bekanntlich in Gemeinschaft der Güter; daher ist es auch einerley, wer die Fremden herum führt, das für die Waaren gelösete Geld wird in Schubläden geworfen, die alle ein Schüssel öffnet. Trinkgelder nehmen sie nicht. Die Herrnhuter sind ruhige Bürger des Staats.
Von Reisende.
D. August Hermann Niemeyer.[]
- [1806]
Morgens gegen sieben Uhr trafen wir in Zeyst, zwey Stunden vor Utrecht ein.
Zeyst ist unstreitig eine der schönsten Colonieen der Brüdergemeinde. Diese Gesellschaft, in welcher seit dem J. 1727, wo Herrnhut gegründet ward, die ausgewanderten evangelisch-mährischen Brüder unter dem Schutz und der Leitung des Grafen von Zinzendorf wieder auflebten, hatte seit 1737 auch in Holland festen Fuß gefaßt. Im J. 1745 ward, weil man Herrendyk bey Ysselstein zum Anbau einer Colonie zu unbequem fand, der Ort von dem Grafen Moritz von Dohna, welcher mit der zweyten Tochter des Grafen vermählt war, erkauft, und gar bald entstanden zwischen dem Schloß und dem Dorf, zu welchem lachende Felder, Alleen und Landhäuser führen, die seitdem immer erweiterten Quarrees, ganz nach dem Plan und der äußeren und inneren Einrichtung, welche man in allen Gemeindeorten, nur größer oder kleiner, wieder findet. Auch hier wie überall -- theils Privatwohnungen für Handwerker und Künstler, theils ein großes Gebäude mit zwölf Laden oder Winkeln, wie man es hier nennt, für den Verkauf der verschiedenen Handelsartikel, dann Brüder- und Schwesterhäuser, und ein großer Versammlungssaal, in dem bekannten einfachen Geschmack, der jeden Schmuck verschmäht, und nichts als Angemessenheit zum Zweck im Auge hat. Auch aus dieser vollkommenen Gleichheit, geht die Eintracht hervor, welche die Mitglieder dieser merkwürdigen und so weit verbreiteten Gesellschaft verbindet, sie auch gewissermaßen überall zu Hause seyn, und die häufigen Veränderungen des Wohnorts weniger als andre empfinden läßt. Der ehrwürdige Prediger der Gemeinde, der uns führte, Herr Fabricius, steht itzt als Bischof bey der Aeltesten-Conferenz, welche gegenwärtig ihren Sitz in Herrnhut hat.
Man erinnert uns in Zeyst, das nicht sehr entfernte große Lager zu besuchen, wo man an fünftausend Franzosen und Holländer, anfangs unter Marmont, versammelt hatte, wohl in der Absicht die beiden Nationen mehr zu verbrüdern. Es glich, erzählten Reisende die eben davon zurückkamen, ganz einer militairischen Colonie. Da wechselten Zelte, Baracken, Magazine, Schmieden, zum Theil mit Gärten umgebene Zeltwohnungen für die Generale, Kaffee- und Schauspielhäuser.
Schon war auch die große Pyramide, in Gestalt der ägyptischen, hundert acht und vierzig rheinländische Fuß hoch bis zum Gipfel, und mit prunkenden Inschriften zur Ehre Napoleons, von den Händen der -- wie ein Reisender sich ausdrückt -- glücklichen Krieger vollendet, die unter seinen Fahnen für die Freiheit der Völker gekämpft hatten. Wir fühlten keinen Zug nach diesem Denkmal der Unterjochung eines freyen Volkes, und eilten um einen vollen Tag für Utrecht zu gewinnen.
Zeitungsnachrichten.[]
- [1806]
Holland.
Die Kaiserlichen Leibgarden zu Pferde sind zum Zeyster Lager aufgebrochen. Die Garde zu Fuß wird sich in kurzer Zeit nach Soestdick begeben. Der General Michaud ist Obergeneral der Armee, welche bis auf 30,000 Mann verstärkt werden soll. Die Truppen liegen in Baraken. Man arbeitet Tag und Nacht in den Zeughäusern und Magazinen zu Delft, von wo ein Theil der zahlreichen dortliegenden Truppen nach Zeyst aufgebrochen war. Die Stadt Gröningen ist, wie es heißt, in Belagerungsstand erklärt worden. Die im Helder, Vlie und Texel liegenden Truppen sind dahin beordert worden, um einen Cordon an der Gränze von Gröningen bis Coevörden zu ziehen.
Quellen.[]
- ↑ Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
- ↑ Reise nach Holland im Jahre 1790. J. G. A. Kirchhof. Oldenburg, gedruckt und verlegt von Gerhard Stalling. 1792.
- ↑ Beobachtungen auf einer Reise durch einen Theil von Westphalen und Holland. Nebst Erinnerungen an denkwürdige Lebenserfahrungen und Zeitgenossen in den letzten funfzig Jahren. Von D. August Hermann Niemeyer. Halle, in der Buchhandlung des Waisenhauses. 1823.
- ↑ Wiener Zeitung. Nro 85. Mittewoche, den 22. October 1806.