Englands jetzige und künftige Lage, von merkantilischer Seite.[]
- [1808]
Der beständige Kornmangel in England ist sehr erklärbar, wenn man bedenkt, daß die Britten große Liebhaber des Fleisches sind, die Kunst feinstes Vieh zu erziehen, bei ihnen durch Prämien unterstützt, und zur Wissenschaft erhoben wird, folglich die Kulturder Wiesen und Triften in eben dem Grade zunehmen mußte, als der Ackerbau bei dem leicht von Außen hergezogenen Getreide in Verfall gerieth. Im Jahre 1795 kaufte man auswärts für 72 Millionen Franks, und von Jahre 1795 bis 1803 wurde für 720 Millionen Franks, aus dem Auslande eingeführt. Der größte Theil des Getreides war vom Baltischen und schwarzen Meere, und aus benachbarten Gegenden durch Schleichhandel herbeigeschaft. Gegenwärtig steht der Preis des Korns sehr hoch, und muß jetzt, wo alle diese Quellen versiegt sind, nothwendig noch höher steigen. Auch Ale und Porter, dieses nothwendige Nahrungsmittel des gemeinen Mannes in England, hat oft schon seine Epoche gehabt, wo es durch das Ausland seine nöthige Ingredienzen haben mußte. So war man noch im Jahre 1799 und 1800 genöthigt, wegen Hopfenmangel sich ansehnliche Quantitäten aus Braunschweig kommen zu lassen. Der gemeine Mann muß höchst unzufrieden seyn, wenn ihm der geliebte Französische Branntewein und der Holländische Genever sparsam zugemessen wird, und der Reichere noch mehr, wenn es keinen Port, Scherry, Mallaga, Klaret und Champagner mehr für ihn giebt. So unberechbar die Folgen der Entbehrung im Allgemeinen seyn müssen, so unendlich sind sie auch für den handelnden Theil, von dessen Wohlstand allein die Möglichkeit abhängt, die Finanzen und den Staat selbst zu erhalten. Man werfe nur einen Blick auf die Manufakturen und Fabriken, deren Anzahl man auf 750 angiebt. Die Seidenfabriken werden in Stocken gerathen, und den Tuchfabriken droht gleiches Schicksal, da die Spanische und Sächsische Wolle zur Zubereitung der feinsten Kasimire unentbehrlich ist. Die Leinwandfabriken werden allmählig eingehen, denn aller Flachs, den England hervorbringt, rührt von ausländischen Saamen her, den Holland und die Ostseeküsten zuführen, da der Englische nur zum Oelschlagen für tauglich befunden worden. Welche neue Quelle wird den Stahlfabriken entzogen, wenn das Nordische Eisen fehlen wird, denn bis jetzt war es unmöglich, aus Englischen Eisen Stahl zu gewinnen, und doch ernährt die Stahlarbeit allein auf 400000 Menschen. Bekannt ist es, daß Englands so gerühmte Lederfabriken Häute bedürfen, die ihnen aus Buenos Ayres, aus Holland und über Hamburg zugeführt wurden; aber selbst auch ihre Gerbereien können ohne Birken- und Eichenrinden nicht bestehen, die ihnen ebenfalls das Ausland hab. -- Fehlte es auch selbst an Materialien nicht, wohin nun mit dem verarbeiteten Stoff? England zog großen Gewinn von seinen Zuckerraffinerien. Im Jahre 1805 wurden allein 260451 Zentner von raffinirten Zucker, verführt. Dieser ganze Erwerbzweig hat aufgehört. Und nun die zahllosen Baumwollenfabriken, die nach Nemnichs Angabe, 800000 Menschen, also beinahe den sechszehnten Theil der Bevölkerung beschäftigen. Was soll aus diesem allen werden, wenn die Fabrikate werthlos und ohne Aussicht auf Konsumtion in den Magazinen aufgehäuft bleiben müssen? Aber selbst auch der Schiffbau, auf den ein so ansehnlicher Theil der Größe des Handels und der Marine beruht, muß bald in Verfall kommen. Nicht allein der Holzmangel selbst, der durch die Sperre des Nordens erwirkt wird, ist in Anschlag zu bringen, sondern auch der Mangel an schon bearbeiteten Holz, nämlich an Diehlen. Diese wurden bis jetzt aus dem Baltischen Meere geliefert, weil der ausserordentliche Arbeitslohn sie zu kostspielich machte. So leidet also England von allen Seiten Mangel, und die Lage ist wirklich von der Art, daß die Engländer nicht im Stande sind, diesen Zustand lange auszuhalten, ohne sich selbst nicht gänzlich zu Grunde zu richten.
Quellen.[]
- ↑ Neues Politisches Journal oder: Der Kriegsbote. Hamburg, Büreau für Litteratur, 1808.