Chronik des Monaths April zu Wien.[]
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Samstag d. 1. Nachricht von der eiligen Vorrückung des Feindes. Die Franzosen sind in Brück an der Muhr.
Sonntag d. 2. Bey Hofe wird angefangen einzupacken.
Montag d. 3. Sperrung der Banco-Zettel-Casse.
Dienstag d. 4. Gänzlicher Mangel an klingender Münze. Außerordentliche Zufuhr von Mehl und Hafer.
Mittwoch d. 5. Die ganze Stadt spricht, es sey Friede.
Donnerstag d. 6. Erstes Circulare. Allgemeiner Aufruf. Die Bürger versammeln sich.
Freytag d. 7. Zweytes Circulare. Daß alle Fremde Wien binnen drey Tagen verlassen sollen.
Samstag d. 8. Drittes Circulare. Wegen Gültigkeit der Banco-Zettel Erwartung des mit Friedensvorschlägen an Buonaparte abgesendeten Generals Meerfeld. Abends, viertes Circulare. Das die Witwen der vor dem Feinde bleibenden Bürger pensionsfähig seyn sollen.
Sonntag d. 9. Meerfeld ist Morgens halb neun Uhr angekommen. Allgemeine Freude darüber. Man sprach von einem Waffenstillstande. Die Bewaffnung geht lebhaft fort. Das Corps der Studenten 1800, und jenes der Kaufmannsdiener 1400 Mann stark, sind heute unter kriegerischer Musik durch die Stadt, und in die k. k. Burg gezogen. Fünftes Circulare. Alle Feuer-Gewehre werden in Requisition gesetzt. Abends kam Nachricht von einem in Tyrol erfochtenen Siege. Die Gemüther werden ruhiger.
Montag d. 10. Die Rüstungen dauern fort. Wien wird in Vertheidigungsstand gesetzt. Alle Wälle und Vorwerke werden mit Canonen besetzt. Die Zufuhr von Mehl ist unaussprechlich. Das Universitäts-Gebäude, die k. k. Sommer- und Winter-Reitschule, der Schottenhof, die Redouten-Säle, und alle Klöster werden damit angefüllt.
Dienstag d. 11. Frühe versammelten sich die Studenten, die Kaufmannsdiener und verschiedene Bürger-Abtheilungen auf dem Glacis, wo sie der Kaiser unter lautem Vivatrufen in Augenschein nahm. Neue Nachrichten von den in Tyrol erfochtenen Siegen. Sechstes Circulare. Aufruf zu einem Corps berittener Freywilliger, die sich und ihre Pferde selbst verpflegen. Fürst Johann von Lichtenstein ist Commandeur desselben.
Mittwoch d. 12. Der bedeckte Weg wird mit Pallisaden besetzt. Ganze Haufen von Bauern zogen mit allerhand Waffen durch die Stadt, und thaten Freudenschüsse. Erzherzog Carl ist heute Abend angekommen. Siebentes Circulare. Aufforderung, alle entbehrliche Leinwäsche, Leintücher, Hemden, Bettdecken, Kotzen, Matratzen, Polster, Strohsäcke u. s. w. auch alle vorräthige Lumpen zu Charpien, ins Augustiner Closter zu liefern.
Donnerstag d. 13. Die ganze bewaffnete Masse ist auf 370000 Mann angewachsen. Morgens sollte die Universität ausmarschiren, sie hat sich aber, weil noch nicht alle Individuen equipirt sind, Frist bis künftigen Montag ausgebeten. Achtes Circulare. Die zahlreiche Cavallerie, die um Wien zusammengezogen wird, zu versorgen und zu verpflegen, sind alle vorhandenen Vorräthe von Heu und Gerstenstroh in Requisition genommen, und auf die Verheimlichung derselben schwere Verantwortung und Strafe gesetzt. Neuntes Circulare. Sr. Majestät geben den Hauseigenthümern in der Stadt und den Vorstädten die Versicherung, daß sie jede durch Vertheidigungsanstalten, oder durch den Feind an den Wohngebäuden entstehende Beschädigung sogleich nach Hergestelltem Frieden aus ihrem Privatvermögen ersetzen werden.
Freytag d. 14. Das Hauptquartier ist in Wien. Der Flügel-Adjutant St. Vincent hat die Verlängerung des Waffenstillstandes auf sechs Tage überbracht. Die Studenten der Universität erscheinen uniformirt. Grau mit grünen Aufschläge, auf der Brust mit einem schwarz und gelben Bande im Knopfloch, worauf mit goldenen Buchstaben steht: Alles für Kaiser und Vaterland. Eben so sind die Kaufmannsdiener und ein großer Theil der Bürgermasse gekleidet. Zehntes Circulare. Alle Reit- und Zugpferde, Leiter- und Baumwagen sind in Requisition gesetzt. Die niederösterreichischen Stände fangen zu werben an.
Samstag d. 15. An den Verschanzungen rund um Wien wird Tag und Nacht gearbeitet. Viele tausend Männer und Weiber sind bey diesen Arbeiten angestellt. Sie erhalten Wein und Brot, und lösen sich einander ab. Die Erzherzoge und Erzherzoginnen, so wie die königliche französischen Prinzessinn sind heute nach Prag abgereiset. Nachricht von der Wiedereroberung Fiume's durch den Obersten Casimir, wodurch Buonaparte sehr in die Klemme geräth.
Sonntag d. 16. Das verschanzte Lager am Wiener Berg ist heute von 30,000 Mann bezogen worden, ein Artillerietrain von 300 Canonen ist angekommen, alle Straßen in den Vorstädten liegen voll Soldaten, an der Donau, im Prater, in der Brigitten-Au werden Redouten und Verschanzungen aufgeworfen. Zwey officielle Nachrichten von der gänzlichen Vertreibung der Franzosen aus Tyrol.
Montag d. 17. Des Kaisers Kinder sind nach Ofen gebracht worden. Die Universität, die Freywilligen zu Pferde, das Corps der Kaufmannsdiener und verschiedene Abtheilung der Bürgermasse, sind mit ihren Fahnen auf das Glacis gezogen und haben der Soldaten-Eid abgelegt. Worauf die Einweihung der Fahnen vor sich gieng, deren die meisten die Aufschrift hatten: Für Religion, Kaiser und Vaterland. Die Kaiserinn hat an einer jeden derselben ein reiches Band mit eigenen Händen befestiget. Nach Endigung dieser Feyerlichkeit sind alle Corps an die Orte ihrer Bestimmung abmarschirt.
Dienstag 18. Nichts merkwürdiges.
Mittwoch d. 19. Es rücken immer mehr Regimenter ins Lager. Die Arbeit an den Verschanzungen wird mit gleicher Thätigkeit betrieben, und auf der andern Seite wächst die Hoffnung zum Frieden.
Donnerstag d. 20. Erzherzog Carl ist zu dem Corps, das bey Linz steht, abgegangen.
Freytag d. 21. Nachricht von der Wiedereroberung Triests durch den Obersten Casimir. Die Friedensgerüchte dauern fort.
Samstag d. 22. Die gewisse, obgleich noch nicht officielle Nachricht von der am achtzehnten geschehenen Unterzeichnung der Friedenspräliminarien verbreitet sich.
Sonntag d. 23. Die ständischen Freywilligen erscheinen zum erstenmahl montirt, weiße Röcke roth aufgeschlagen, blaue Westen und eben solche lange Beinkleider, mit einem roth und weißen Band an der Brust und den Worten: Für Kaiser und Vaterland streiten die niederösterreichischen Stände.
Montag. d. 24. Niemand zweifelt mehr an der Unterzeichnung der Präliminarien. Die auf der Donau eingeschifften Hof-Galla-Wagen sind heute schon wieder ausgeschifft und zurückgebracht worden. Die Arbeiten dauern fort.
Dienstag d. 25. Die Zurüstungen dauern fort, als ob der Feind immer näher käme. Die Officiere haben eine Gratis-Gage erhalten, um sich Feld-Equipage anzuschaffen. Die ständtischen Freywilligen haben Ordre erhalten zu marschiren.
Mittwoch d. 26. Lucchesini ist rappelirt.
Donnerstag d. 27. Nachricht von der Niederlage unserer Corps an der Sieg.

FRANZ II. RÖM.KAI.ERZHERZOG ZU OESTERREICH.
Freytag d. 28. Oeffentliche Bekanntmachung und der Unterzeichnung der Präliminarien zu einem rühmlichen und der österreichischen Nation-würdigen Frieden. Auflösung des allgemeinen Aufgebotes, und Entlassung der Freywilligen. "Seine Majestät" -- so heißt es in der Kundmachung -- "werden durch eine auf diese Begebenheit eigens zu prägende Münze, ihren, und des gemeinschaftlichen Vaterlandes Dank verewigen und gestatten; daß jeder, der bey den gegenwärtigen Aufgebote freywillig in Waffen auszog, dieß ehrenvolle Denkmal seiner Tapferkeit und Fürstentreue Zeitlebens an der Brust trage. Allerhöchst dieselben versehen sich dabey, daß das Landvolk zu seiner Arbeit, die Studierenden in ihre Schulen, die Gewerbsleute zu ihren Arbeiten also gleich zurückkehren, und durch Fleiß, Folgsamkeit und Sitten sich eben so auszeichnen werden, wie sie sich durch ihre ruhmvolle Bewaffnung die Hochachtung des ganzen Welt erworben haben u. s. w."
Samstag d. 29. Entlassung das landständischen Corps.
Sonntag d. 30. Der ungeheuere Mehlvorrath wird wieder nach und nach fortgeschafft. -- Die Flüchtlinge kehren zurück, und die Ruhe ist wieder hergestellt. *)
- *) Ungern theilen wir aus Mangel an Raum, die schönen Reden und Sendschreiben nicht mit, die den edlen Prinzen von Wirtemberg, dem Grafen Saurau und die Wiener Bürgerschaft so unendlich ehren.
Quellen.[]
- ↑ Revolutions-Almanach von 1798. Göttingen, bey Johann Christian Dieterich.