Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Freies Deutsches Hochstift Frankfurt


Wetzlar.[]

[1]
Wezlar, ehemals eine freie Reichsstadt, seit 1814 zur preußischen Provinz Niederrhein, Regierungsbezirk Coblenz gehörig, liegt in der Wetterau (s. d. Art.) an der Lahn, 6 Meilen von Frankfurt am Main, an einer Bergkette in einer sehr angenehmen Gegend. Im Jahr 1693 wurde das, seit 1806 völlig aufgelös'te Reichskammergericht hieher verlegt. Die Sustentation der entlassenen Personen dieses Tribunals, deren Anzahl gegen 1000 war, veranlaßte mancherlei Unterhandlungen und Schriften. Durch den Reichsdeputationshauptschluß vom 25sten Febr. 1803 wurde die Stadt, nebst ihrem kleinen Gebiete, unter dem Titel einer Grafschaft dem damaligen Reichserzkanzler, nachmaligem Großherzog von Frankfurt, zugetheilt, der 1808 eine Rechtsschule daselbst errichtete. Im J. 1814 kam die Stadt mit ihrem Gebiet unter preußische Hoheit. Auf den Anhöhen bei Wetzlar fiel am 15ten Juni 1796 ein Gefecht zwischen einem combinirten österreichisch-sächsischen Corps unter Werneck und den französischen Republikanern unter Lefevre vor, in welchem die letztern zurückgedrängt wurden.


Schreiben aus Wetzlar, im Febr. 1808.[]

[2]

Die grössern Weltangelegenheiten haben die Aufmerksamkeit des Publikums von unsrer, für Deutschland vormals so wichtigen, Stadt abgeleitet. Leider ist der Wohlstand unsrer Stadt jetzt mit der Auflösung des Reichskammergerichts aufgelöset, falls nicht die weise Hand unsers allverehrten Souveräns uns dafür einen Ersatz giebt, so weit derselbe möglich ist. Mögte Wetzlar der Sitz irgend einer Central-Anstalt des neuen Germanischen Bundes werden! Mögte ein künftiges Oberbundes Tribunal uns wieder beglücken! Dies ist der Wunsch eines jeden Wetzlares, dies der Wunsch, den unser treflicher Stadtdirector Multzer mit uns theilt. Von den Mitgliedern des Kammergerichts sind bereits der Graf Reigersberg und die Herren von Gruben, v. Linden, v. Leuth, v. Seckendorf, v. Neuroth, v. Ullheimer, v. Branka, v. d. Becke, von Riedesel und v. Neuroth als Minister, Geheime Staatsräthe, Gesandte, Präsidenten, Vice-Präsidenten und Directoren in die Dienste verschiedener Bundesfürsten getreten und von den noch hiesigen übrigen Mitgliedern werden die mehrsten ihnen nach und nach folgen und so sehen wir einer noch grössern Nahrungslosigkeit entgegen, welche ein allgemeines Sinken des Preises der Häuser und liegenden Gründe, veranlaßt hat und noch mehr veranlassen wird; welche Aussichten für Handwerker u. s. w.! Unsre treffliche Armen-Anstalt, würdig näher gekannt zu werden, was schon im Begriff zu sinken, hätte sie die Großmuth der Frau v. Albini, Wittwe des Reichskammergerichtsbeisitzers und Mutter des berühmten Ministers, nicht dadurch für Jahrhunderte gesichert, daß sie derselben ihr sehr beträchtliches Vermögen vermachte.

Auch die Prokuratoren und Advocaten des Reichskammergerichts dürften nach und nach unsre Stadt verlassen und anderweitig Praxis suchen und bei ihren Kenntnissen finden. Bisher hofften sie derselben zwar durch eine Pension überhoben zu werden; allein sie gründeten dieselbe auf den Plan, daß deren Werth Mitgliedern des Kammergerichts abgezogen werden sollte. Allein die Deutschen Fürsten sind über das Unrecht dieses Plans einverstanden und denken zu gerecht, als daß sie den ehemaligen Reichs-Justiz-Dienern dasjenige entziehen könnten, was allen Deutschen Staatsdienern, den geringsten Staatsdienern, gebührt. Alle haben daher den Mitgliedern des Reichs-Kammergerichts den lebenslänglichen Fortgenuß ihrer vollen Besoldung durch baare Zahlung oder angemessene Anstellung zugesichert, worüber das hohe Gericht täglich die beruhigendste Zusicherungen erhält. Insbesondere hat DeutschlandsFürstlicherSolon, unser Karl Dalberg, neuliche Versuche einiger Procuratoren, auf Kosten der Kammergerichts Mitglieder Dienste zu erhalten, für widerrechtlich erklärt und verworfen. Selbst der Kaiser Napoleon hat, wie der Moniteur uns sagt, die Fortzahlung der Gehalte der Mitglieder des Kammergerichts für une dette sacrée des Souverains de l'Allemagne erklärt, wobei der Moniteur sich umständlich über jenen Plan der Procuratoren ausläßt, ihn verwirft und erklärt, daß Advocaten und Procuratoren keine Staatsdiener sind, wie dies auch in ganz Deutschland so gehalten wird. Wie aber, dessen ungeachtet, ein gewisser Procurator seine Pläne immer fortsetzte, obgleich er endlich nicht damit glückte, so haben die Assessoren des vormaligen Kammergerichts, die Herren v. Camps und v. Stein in einer kürzlich erschienenen Abhandlung bewiesen, daß einem Advocaten eines aufgehobenen Gerichts keine andere Entschädigung vom Staat gebühre, als die Erlaubniß, seine Advocatur bei einem andern Gerichte fortzusetzen, wobei dies aus der Reichs- und Kammergerichts Verfassung insonderheit bewiesen und ausgeführt ist, daß es so und nicht anders stets in Deutschland gehalten sey.

Wetzlar ist übrigens noch jetzt der Sammelplatz achtungswerther Schriftsteller, welche theils wegen ehemaliger Amtsverhältnisse, theils aus freyer Wahl diesen Ort zu dem ihres Aufenthalts wählten.


Quellen.[]

  1. Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
  2. Politisches Journal nebst Anzeige von gelehrten und andern Sachen. Jahrgang 1808.


Literatur.[]

  • Geschichte und topographische Beschreibung der Kaiserl. freyen Reichsstadt Wetzlar. von F. W. Freyherrn von Ulmenstein. Mit Kupfern und Vignetten. Hadamar. 1802.
  • Friedrich Wilhelm Freyherrn von Ulmenstein, Fürstl. Nassau-Weilburgischen Regierungsraths, Geschichte und Topographische Beschreibung der Stadt Wetzlar. Dritter Theil, welcher die Topographie der Stadt enthält. Wetzlar, gedruckt mit Stockischen Schriften. 1810.
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