Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Westphalen.[]

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Westphalen wurde im Mittelalter alles Land genannt, das sich zwischen Weser, Rhein und Ems erstreckt, dagegen das Land zwischen Elbe und Weser den Namen Ostphalen führte. Letzterer Name ging im Laufe der Zeit unter; erstrer erhielt sich und ging in der Folge theils auf den westphälischen Kreis, theils auf das Sauerland oder das Herzogthum Engern über.


1. Das Herzogthum Westphalen.[]

Es machte in der Vorzeit einen Theil des großen Herzogthums Sachsen aus und hieß damals noch Sauerland, eine Name, der sich noch jetzt im Munde des gemeinen Mannes erhält. Als 1179 der mächtige Welfe, Heinrich der Löwe, in die Acht erklärt wurde, riß das Erzstift Cöln dieses Land an sich und erhielt er vom Reiche unter dem Namen Westphalen zur Lehn, worauf dieser Name auf das Land überging. Cöln behielt es bis zur Auflösung des Erzstiftes 1802, worauf dieses Land durch den Deputationsreceß in die Entschädigungsschale des Hauses Hessen-Darmstadt geworfen, aber 1815 von demselben an Preußen abgetreten wurde, welches es mit seiner Provinz Westphalen und zwar mit dem Regierungsbezirk Arnsberg verband.
Bei seiner Abtretung 1815 enthielt es 72 Q. M. mit 134,715 Einw. in 18 Aemtern, 25 Städten und 539 Marktflecken und Dörfern.


2. Der westphälische Kreis.[]

Der westphälische Kreis enthielt nicht bloß das Land zwischen Weser, Rhein und Ems, sondern auch mehrere große Ländermassen, welches als Zubehör von Cöln zum churrheinischen Kreise gerechnet wurde. Seiner am Rheine gelegenen Zubehörungen wegen führte er kanzleimäßig auch den Namen des niederrheinisch-westphälischen Kreises.
Er gehörte zu den größern Kreisen des vormaligen deutschen Reichs, und zählte unter seine Mitglieder: die Bischöfe von Münster, Paderborn, Osnabrück, Lüttich und Corvey, die Herzoge von Jülich, Cleve, Berg und Oldenburg, die Fürsten von Minden, Verden und Ostfriesland, die Grafen von Oldenburg, Ravensberg, Mark, Hoya, Diepholz, Schauenburg, Lippe, Bentheim, Teklenburg, Lingen, Steinfurt, Rittberg, und viele kleinere geistliche und weltliche Herrschaften.


3. Das Königreich Westphalen.[]

Der Frieden zu Tilsit hatte den Kaiser Napoleon zum Herrn aller preußischen Staaten diesseits der Elbe gemacht, so wie er die Länder der Churfürsten von Hessen und Hannover und des Herzogs von Braunschweig besetzt hielt und sich durch das Recht der Waffen zueignete. Noch lag es nicht in seiner Absicht, die Gränzen des Kaiserreichs über den Rhein zu erweitern, es gefiel ihm daher, aus einem Theile dieser Länder einen Filialstaat seines Reichs zu bilden, und so entstand das Königreich Westphalen, welches mit den sämmtlichen braunschweig-wolfenbüttelschen Ländern, den churhes. Ländern, mit Ausnahme von Hanau und Katzenelnbogen, mit den preußischen Provinzen Magdeburg diesseits der Elbe, Halberstadt mit Hohnstein, Hildesheim mit Goslar, Mansfeld, Quedlinburg, Eichsfeld mit Treffurt, Mühlhausen und Nordhausen, Stolberg-Wernigerode, Paderborn, Minden und Ravensberg, den hannöverischen Provinzen Göttingen, Grubenhagen mit Hohnstein und Elbingerode, und Osnabrück, dem nassau-oranischen Fürstenthume Korvey und der Grafschaft Rittberg ausgestattet wurde. Sein Flächeninhalt betrug 692 ⅛ Q. M., die Volksmenge 1,946,343 Individuen.
Der 15. Nov. 1807 war der Schöpfungstag des jungen Staats. Napoleon gab ihm in seinem Bruder Hieronymus, einem 24jährigen Jüngling, seinen ersten Beherrscher, und eine Constitution, die zwar, ganz der französischen nachgebildet und alle alte Formen über den Haufen werfend, doch das Glück der Unterthanen hätte begründen können, wenn man sich fest auf sie gestützt hätte. Hieronymus erschien am 7ten Dec. in seiner Residenz Cassel, und trat die Regierung des Reichs, aber leider nicht als König, sondern, wie man nur zu bald kennen lernte, als bloßer französischer Präfect an.
Die Lage des neuen Königreichs war nicht weniger als glänzend; alle Provinzen, woraus es zusammengesetzt wurde, waren durch das methodische Plünderungssystem der Franzosen mehr oder weniger ausgesogen und manche ganz er schöpft; dazu kam, daß der Kaiser sich zur Belohnung seiner Militäre die Hälfte aller Domänen reservirt, daß er die Haltung einer Besatzung von 12,500 Mann in Magdeburg ausbedungen hatte, die Westphalen nicht allein beköstigen, sondern auch besolden und kleiden mußte, und daß außerdem noch gewisse Redevanten an Frankreich bezahlt werden sollten. Es konnte daher nicht fehlen, daß sogleich die Finanzen in die größte Verlegenheit gerathen mußten, besonders da alle Cassen leer waren, alles neu geschaffen und überdies eine Armee neu gebildet werden sollte.
Es war ein Glück für das Reich, daß gleich anfangs an seine Spitze die ausgezeichnetsten Köpfe Westphalens traten und Gewicht genug bekamen, um den jungen unerfahrnen Monarchen zu leiten, und so ging das Ding anfangs ziemlich leidlich, und trotz der ungeheuern Verluste, die die Provinzen erfahren hatten, und trotz der unermeßlichen Geldbedürfnisse, die schnell herbeigeschafft werden mußten, sah man sich doch in Stande, eine ziemliche Einrichtung treffen und in kurzer Zeit eine Armee von 16,000 Mann aufstellen zu können.
Die neuen Formen, die nun in allen Provinzen eingeführt wurden, der neue Rechtsgang, den die französischen Gesetzbücher bewirkten, und überhaupt alle die Neuerungen, die man mit der neuen Regierung bekam, waren zwar nicht geeignet, ihren Credit bei dem Volke zu gründen, doch gewöhnte man sich bald daran, und fand sein Schicksal selbst erträglicher, als das der Nachbarländer. Die Abgaben waren zwar drückend, aber doch nicht unerschwinglich, und leichter vertheilt, als sie je gewesen; die neue Verfassung sicherte der größern Volksmasse Vortheile und Gerechtsame zu, die sie nur zu bald kennen und würdigen lernten. So verschwanden nach und nach die Vorurtheile, die man gegen dieselbe anfangs hatte, und die Regierung gewann bald eine große Festigkeit und Sicherheit.
Der prachtvolle Hof und die unsinnige Verschwendung des Königs schadeten im Ganzen nichts, da der König seine bestimmte Civilliste und außerdem noch als französischer Prinz eine Million Franken zu verzehren hatte; es konnte daher der Nation gleich seyn, wie er damit wirthschaftete und es mußte ihr sogar lieb seyn, daß er solche im Lande ließ und dadurch das Geld in Umlauf brachte. Uebrigens konnte er, durch die Constitution gebunden, wenig böses wirken, und der Wille so viel Gutes zu thun, als in seinen Kräften stand, war gewiß nicht zu verkennen.
Die ersten Zeiten seiner Regierung gingen auch so ziemlich glücklich hin; aber im J. 1809 entstanden, durch den österreichischen Krieg mit Frankreich veranlaßt, innere Unruhen; auf der östlichen Seite des Reichs brachen unter Schills Anführung feindliche Streifcorps in die Provinzen an der Elbe, im Süden entstand bei Marburg ein Bauernaufstand, und selbst die Residenz wurde nur durch ein Ungefähr von einer weit aussehenden Verschwörung gerettet. Dies gab Gelegenheit zu einigen harten Maßregeln und zur weitern Ausbildung der hohen Polizei, die nun als ein Schreckgespenst zwischen den Herrscher und das Volk trat. Der König sah sich auf die Vorstellungen Frankreichs gezwungen, sein Militär unverhältnißmäßig zu vermehren und es bis zur Stärke von mehr als 30,000 Mann zu bringen. Dies machte die Conscription nun äußerst lästig und vermehrte die Ausgaben, wofür so wenig der Finanzminister, als die zum zweiten und zum letztenmale herbeigerufenen Reichsstände Rath wußten. Man griff zwar zu einigen verzweiflungsvollen Mitteln, zur Verschleuderung einiger Domänen, wobei vielleicht zu leichtsinnig zu Werke gegangen wurde, und nahm zur Herabsetzung der Staatsschuld seine Zuflucht; aber alles dies half nur der augenblicklichen Noth ab, und das Uebel wurde zusehends größer.
Doch schien das Königreich für diese seine Anstrengungen dadurch einen Ersatz zu erhalten, daß im J. 1810 das ganze Hannöverische damit vereinigt wurde. Kaum hatte man indeß davon Besitz ergriffen, als eine andere Verfügung des Kaisers den größten Theil Westphalen wieder nahm, und selbst von seinen alten Provinzen Osnabrück, Minden und einen Theil von Ravensberg trennte und mit dem großen Kaiserreich vereinigte. Es half nichts, daß der König diese Maßregeln zu Paris persönlich zu hintertreiben versuchte; er sah sich vielmehr genöthigt, nun auch die harten Colonialgesetze in ihrer ganzen Strenge im Umfange seines Landes in Ausübung zu bringen, worunter man jedoch im Ganzen in Westphalen weniger litt, als im übrigen Deutschland, da überall mit großer Schonung zu Werke gegangen wurde, und die Douanen dem Handel wenige Hindernisse in den Weg legten.
1812 stellte sich der König an die Spitze seiner Armee, und führte sie nach Polen, er selbst mußte zwar früher dieselbe verlassen und in sein Reich zurückkehren, aber das wirklich schöne, mehr als 24,000 Mann starke Herr fand mit den französischen seinen Untergang jenseits des Niemen, und nur unbedeutende Trümmer kehrten in ihr Vaterland zurück.
Schnell wurde hierauf ein neues Heer organisirt, und 12,000 Westphalen begleiteten den Kaiser 1813 von neuem nach Sachsen, aber gleich nach den ersten Unfällen, die den Kaiser in Schlesien trafen, gingen zwei Cavallerieregimenter davon zu den Preußen über.
Schon vor der Schlacht von Leipzig vertrieb Czernitscheff den König aus seiner Residenz, und lös'te zwei Infanterie- und zwei Cavallerieregimenter vor den Thoren von Cassel auf, nahm auch selbst, doch nur auf drei Tage, Cassel in Besitz. Nach seinem Abzuge kam zwar der König in Begleitung eines französischen Truppencorps dahin zurück, aber nur, um daselbst die Nachricht von der Völkerschlacht bei Leipzig zu vernehmen, und dann seine Residenz und sein Land auf immer zu verlassen, nachdem er vorher noch alles, was sich in den Schlössern befand und selbst einen Theil der Schätze des Museums ausgeleert und wegführen lassen.
Zwei Tage nach seinem Abzuge trafen die Russen zu Cassel wieder ein, und in wenigen Tagen war das ganze Königreich aus einander geflogen und allenthalben die alten Regierungen wieder eingesetzt. Das am 15ten Novbr. 1807 gegründete Königreich war am 20sten Oct. 1813 nicht mehr!


4. Die Provinz Westphalen.[]

Die Provinzen, die Preußen in dem ehemaligen westphälischen Kreise besitzt, nur mit Ausnahme der Herzogthümer Cleve und Berg und der Abteien Essen und Werden. Sie ist unter drei Regierungsbezirke vertheilt;
a) Münster mit den Kreisen Münster, Teklenburg, Warendorf, Beckum, Lüdinghausen, Kösfeld, Recklinghausen, Borken, Ahaus und Steinfurt.
b) Minden mit den Kreisen Stadt Minden, Land Minden, Rahden, Bünda, Herford Bielefeld, Halle, Wiedenbrück, Paderborn, Büren, Warburg, Höxter und Brakel, und
c) Arensberg mit den Kreisen Hamm, Soest, Dortmund, Bockum, Hagen, Altena, Iserlon, Arensberg, Lippstadt, Brilon, Medebach, Bilstein, Witgenstein und Siegen, zusammen 356 h Q. Meile mit 991,899 Einw.


Von Reisenden.[]

Carl Gottlob Küttner.

[1794]

[2]

Drey und Dreyßigster Brief.

Westphalen.

Rotterdam.

Sieben Tage haben wir zwischen Nieuport und Rotterdam auf der Straße zugebracht, ohne und irgendwo anders, als wider unsern Willen, aufzuhalten. Und dabey mußten wir noch ein paarmahl bis spät in die Nacht reisen, welches in diesem Lande, auf diesen Straßen und in dieser Jahreszeit äußerst unangenehm ist. Und dagegen ist keine Hülfe, man müßte denn die Tagesreise bisweilen um 1, 2 oder 3 Uhr enden wollen. Auf einigen Stationen haben wir über acht Stunden auf der Straße zugebracht; kommt man um 1, 2 oder 3 Uhr an, so wird man zuerst eine Stunde aufgehalten, und dann dringen die noch übrigen acht Stunden Sie spät in die Nacht. Begegnet einem Reisenden in der Nacht ein Zufall, so sehe ich kein anderes Mittel, als daß er auf der Straße übernachten muß, denn in diesem elenden Westphalen habe ich bisweilen oft in mehreren Stunden kein Dorf, und in gewissen Strichen nicht ein Haus gesehen.

Das Land ist mehrentheils im höchsten Grade elend, und gelegentlich habe ich ganze Stunden lang keine Spur von Anbau irgend einer Art sehen können, so weit meine Augen mich trugen. Doch muß ich einige kleine Striche hiervon ausnehmen, besonders in der Grafschaften Tecklenburg und Lingen, und denn die Gegend um das Städtchen Bentheim, welche überaus artig ist.

Von Bentheim aus wird man gar bald gewahr, daß man sich den Niederlanden nähert, und ich bemerkte den ganz besondern Stil von Häusern, in denen ich Holland wieder erkannte. Die Reinlichkeit und Ordnung nimmt nun auch wieder zu; aber die Menschenrace, mit der man zu thun hat, ist so widrig, daß mir doch der plumpe Westphälinger noch lieber ist.

Was das Land betrifft, so haben die Provinzen von Oberyssel und einem Stücke von Geldern nichts von dem Anbaue, der die Provinzen von Holland und Utrecht so vortheilhaft auszeichnet. Im Ganzen habe ich es wenig besser gefunden, als den grössern Theil von Westphalen, und die Straßen sind vollkommen eben so schlecht.

Auf dem ganzen langen Wege zwischen Hannover und Deventer, kommen Sie auch nicht auf eine einzige beträchtliche Stadt, Sie müßten denn Osnabrück dafür anerkennen. In diesem letztern Orte fängt der Holländische Postfuß an, d. h. Sie müssen für jede Stunde jedes Pferd mit einem Holländischen Gulden bezahlen, und für das Curierpferd noch mehr. Haben Sie dieses nicht im Voraus gewußt, oder haben Sie vergessen, sich zu Hannover mit Holländischen Silber zu versehen, so treibt man mit Ihnen auf dem ganzen Wege einen abscheulichen Wucher. Nirgends, auch wenn ich die Rechnungen in den Wirthshäusern bezahlte, bin ich den Dukaten höher angeworden, als zu 5 Gulden 5, ob ich schon wußte, daß er zu der Zeit 5 Gulden 14 und drüber in allen grossen Städten der Niederlande galt. Auf Louisd'or mußten wir Verhältnißmäßig noch mehr verlieren.

Indessen muß ich doch zur Ehre von Westphalen und dieses Theil der Niederlande sagen, daß die Wirthshäuser weit besser sind, als ich sie nach den Beschreibungen, die mir viele Reisende davon gemacht hatten, erwartete. Die zu Osnabrück, Ibbenbühren und Deventer, sind sehr anständig, und die zu Nienburg, Suhlingen, Delten und Vorthuysen keinesweges schlecht.

In dem niedlichen und reinlichen Utrecht hielten wir und diesesmahl gar nicht auf, und selbst von Rotterdam haben wir, auf einer frühern Reise so viel gesehen, daß wir nicht hier geblieben seyn würden, wenn das Packetboot heute segelte.


Zeitungsnachrichten.[]

[1806]

[3]

Preussen.

Der Westphälische Argus versichert wiederholt, der Gen. v. Blücher habe zu Münster öffentlich erklärt, daß sein König gar keine Länderabtretungen oder Austauschungen mehr machen wolle. Dasselbe Blatt giebt den gegenwärtigen Bestand der Preussischen Armee auf 237,068 Mann an. Im Jahre 1777 betrug derselbe 202,806 Mann.

Auch die Königl. Kammer zu Münster hat durch die öffentlichen Blätter folgendes publiciren lassen: "Die Kön. Kriegs- und Domainen-Kammer ist authorisirt, den sämmtlichen Einwohnern der Provinzen ihres Departements die berühigende Versicherung zu ertheilen: Daß an Abtretung irgend einer der Königl. Westphälischen Provinzen nie gedacht worden ist, und daß des Königs Majestät nie ein Dorf davon abtreten werden. Wornach das Publikum alle von Uebelgesinnten verbreiteten Gerüchte gehörig zu würdigen wissen wird. Münster den 4. September 1806.

Königl. Preuss. Kriegs- und Domainenkammer. Müller. v. Druffel. Scheffer."


Quellen.[]

  1. Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
  2. Wanderungen durch die Niederlande, Deutschland, die Schweiz und Italien in den Jahren 1793 und 1794. Leipzig, 1796. bei Voß und Kompagnie.
  3. Wiener Zeitung. Nro 78. Sonnabend, den 27. September 1806.
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