Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Verschwörungen.[]

Friedrich Johann Lorenz Meyer [1]

[1796]

Ueber den Einfall einer kontrerevoluzionairen Schwärmerei, die Verschwörung Drouet 's und Baboeuf 's, welche, in Rücksicht der vorbestimmten Zeit des Ausbruchs, sonderbar genug, mit der österreichischen Aufkündigung des Waffenstillstandes am Rhein, genau zusammen traf, herrscht noch viele ungewisse Dunkelheit. Nach den bekannt gewordenen Thatsachen zu urtheilen, war der Plan der Verschwörer zu wenig durchdacht und bestimmt, um, selbst wenn er zum Ausbruche gekommen wäre, für die jetzige Verfassung gefährlich geworden zu sein. Die Verschwörer hatten ihren ganzen Plan auf den glücklichen Erfolg, einer Überrumpelung gesetzt, ohne Vereinigungspunkte, so wenig in Paris selbst, als in den Departementern, und ohne Köpfe an ihrer Spitze zu haben, welche der Sache einer allgemeinen Kontrerevoluzion gewachsen wären. Drouet ist ein unbedeutender, kurzsichtiger, mehr gutmüthiger als gefährlicher Schwärmer; Baboeuf ein Unsinniger, der mit dem Kopfe durch die Wand fährt. -- Unendlich mehr, als diese Menschen und ihre Anhänger zu leisten vermochten, ward zur Anlage und zur Ausführung eines Plans erfordert, der die jetzige wachsame und starke Regierung und die Konstituzion umstürzen sollte.

Die Einverständnisse aller neu entdeckten Verschwörungsplane mit dem Auslande, und besonders mit einem Theile der thätigsten Emigranten, sind unleugbar. So entgegengesetzt das Interesse der unruhstiftenden Anarchisten im Innern, und der Emigranten in und ausser Frankreich auch ist, so hoffen doch beide Parteien, durch ihre zusammenwirkende Verbindung, eine jede, ihren Zweck zu erreichen. Die innere Gegenpartei der jetzigen Konstituzion, die Brut von 1793, hofft durch diese vereinte Macht, die anarchische Revoluzions-Regierung wieder herzustellen, und dann mit ihren Verbündeten ein leichtes Spiel zu haben; diese aber sind überzeugt, das die Nazion, bei ihrem Abscheu gegen Anarchie und Schreckensregierung, diese nicht dulden würde, und sehen, in dem baldigen Sturz der Anarchisten, die Wiedereinsetzung ihres Königes.

Einen Vereinigungspunkt der Unruhestifter des Innern mit den Emigranten, hatte die Wachsamkeit der Regierung in einem Schweizer-Kanton entdeckt, wo, unter einem wohlbekannten Schutz, ein geheimes Korrespondenz-Büreau errichtet, und der Briefwechsel nach Frankreich in grösster Thätigkeit gesetzt war. Das Geld zur künftigen Ausführung des Plans, und zu Bestechungen einer Volkspartei, ward in ausgehöhlten Wagenaxen und Deichseln hereingeschafft. Durch den Unterschleif bestechlicher Beamter, wurde die heimliche Rückkehr der Hauptagenten unter den Emigranten nach Frankreich begünstiget, und eine Menge falscher Taufscheine und Pässe zu dieser Absicht ausgefertiget. Dieser Betrug bahnte den Emigranten einen Weg nach Paris, zu mündlichen Konferenzen, und sie kehrten dann ungehindert wieder in die Schweiz zurück, oder sie gingen nach England über. Einige Kommandanten waren gewonnen. "Il est à nous bb), heisst es in einem aufgefangnen Briefe Condé's, an seine Agenten im Innern. Ils sont bons cc) sagt ein andrer Brief, in der lakonischen Geheimsprache, über einige Grenzbeamte. -- Das alles sind keine politische Phantome, welche man selbst in Paris, um die Energie und Wachsamkeit der Regierung herabzuwürdigen, ihr als Erdichtungen zuschreibt: ich sah die Originalbelege dieser Thatsachen an der Quelle selbst. -- Der gestörte Verschwörungsplan, welcher bei dieser entdeckten Korrespondenz zum Grunde lag, sollte im Februar 1796 ausbrechen. Jene Entdeckung selbst aber ward unterdrückt, und bloss die Polizei nahm ihre starken Massregeln, und verdoppelte ihre Wachsamkeit.

bb) Unser ist er.
cc) Sie sind gut.

Bei der Enthüllung der Verschwörung Drouet 's und seiner Mitschuldigen, fand man mehrere hundert-tausend Abdrücke einer Proklamazion, die mit dem nicht unzweideutigen Ausruf: Les tyrans ne sont plus dd) anfing; rothe Fahnen, mit der Inschrift: Peuple, reprends tes droits! ee) -- Die Verschwörer versammelten sich täglich, jedesmal nur eine Stunde, und in einem andern Hause, bald im Mittelpunkte der Stadt, bald in dieser, bald in jener Vorstadt, um durch diese Sprünge von einem Theile der Stadt zu einem andern weit entfernten, ihre Spur zu verstecken. Der wachsame Polizei-Minister hatte sie doch entdeckt, und folgte ihr von einem Tage zum andern. Er wusste den Tag und die Stunde des projektirten Ausbruchs der Revolte. Die Glocke, womit beim Anbruche jedes Tages ein Polizeidiener in allen Sekzionen das gewöhnliche Zeichen zur Wegräumung des Gassenunraths giebt, war zum Signal des Ausbruchs bestimmt, und sollte die Mitverschwornen auf ihren Posten rufen; und das war, bei der unfehlbaren Allgemeinheit dieses Zeichens, wodurch also die Polizei selbst, unwillkührlich, den von den Verschwörern beabsichtigten Umsturz der Regierung herbeigerufen hätte, nicht über berechnet. -- Bei der Karakteristik des Ministers Cochon, habe ich seinen kühnen, aber von dem Direktorium nicht bewilligten Plan, um sich aller Theilhaber des Komplotts zu bemächtigen, mitgetheilt.

dd) Die Tyrannen sind nicht mehr.
ee) Volk, nimm deine Rechte wieder!

Der Eindruck, den die Entdeckung dieser Verschwörung in Paris selbst hervorbrachte, war unbedeutend, und viel geringer als selbst im Auslande, und als man sich dort von Paris einbildete. Die ungeheure Grösse der Stadt, wo man in dem einen Theil, auch den lärmendsten Auflauf, der in einem andern vorgeht, oft erst aus den Zeitungen erfährt; der Leichtsinn der Pariser; die Gleichgültigkeit des einen, und die Ungläubigkeit des andern Theils des, aller solchen Auftritte herzlich überdrüssigen Volks; und die Beruhigung des stillen Bürgers, bei den starken Massregeln der Regierung gegen die Ruhestörer, sind die Ursachen der geringen Sensazion, welche die ganze Sache in Paris machte. Man las und hörte davon, als von einer gewöhnlichen Tagesneuigkeit, und in wenig Tagen war gar nicht mehr davon die Rede. Die Kolporteure der Zeitungen allein, schrien die Nachrichten der weitern Entwickelung des Verschwörungsplans aus, und die Zeitungsblätter, welche diese enthielten, wurden in den Kaffeehäusern entweder ganz überschlagen oder nur mit flüchtigem Blicke gemustert.

Die vorläufigen Stimmen über Drouet 's Strafe, waren sehr getheilt. Er würde wahrscheinlich zur Deportazion verurtheilt worden sein, -- wenn man ihm, mit noch grössrer Mässigung, weil der Schwärmer für unschädlich gehalten ward, in seinem Gefängnisse, nicht vielleicht selbst eine Öffnung zur Flucht gelassen hätte.

Bei der anscheinend strengen Massregel des Direktoriums, nach der entdeckten Verschwörung, alle vormaligen Mitglieder der revoluzionairen Ausschüsse und Gerichte, und auch alle Fremden aus Paris zu entfernen, war es, in Rücksicht des Exils der letztern, vielleicht nur auf mehrere Hundert verdächtiger und intriguanter Menschen angesehen, welche unter verschiedenen Masken in Paris lebten. Dahin gehörten unter andern eine Menge Engländer, die sich alle für Amerikaner ausgeben. Auf diese ging besonders das Verbannungsdekret, welches so viele ruhige Fremde mit traf. "Was ist zu thun? antwortete mir Sieyes, als ich gerade an dem Tage, da das Dekret gegeben ward, zu ihn kam, und über die harte Massregel sprach: -- einige Schurken haben sie veranlasst, und viele ehrliche Leute leiden darunter." -- Das Gesetz ward anfangs mit Strenge vollzogen. Der erste Schrecken wirkte; die sich schuldig fühlten, entflohen, und ein grosser Theil unbefangner Fremden, verliess Paris, aus Furcht, arretirt zu werden. Acht Tage nach der Bekanntmachung des Gesetzes, hatten sich in dem Büreau des Polizei-Ministers, und bei dem Direktorium selbst, zwei und sechzigtausend Fremde, mit der Bitte, von dem Gesetz ausgenommen zu werden, und in Paris bleiben zu dürfen, gemeldet; aber nicht der zehnte Theil von diesen Sollizitanten, deren Anliegen genau untersucht ward, hatte eine bejahende Antwort erhalten. Wer sie bekam, verfügte sich, mit einem Vorschreiben des Ministerial- und das Zentral-Büreau von Paris, wo die Fremdenkarte mit einem Bon, pour rester à Paris, versehen ward. -- Dieses Zentralbüreau sandte an alle, in Paris zurückgebliebene Ausländer, nach einer alphabetischen Liste, die bei dem Büreau über alle Fremden gehalten wird, jedem, ohne Ausnahme, einen gedruckten Brief, mit seinem ausgefüllten Namen, zu, worin er, unter Androhung der in dem Gesetze bestimmten Strafe der Deportazion, erinnert ward, dem Gesetze zu gehorchen, und sich aus Paris zu entfernen. -- Ich erhielt durch den Minister der auswärtigen Angelegenheiten, ohne weitre Untersuchung, die Erlaubniss des Direktoriums, in Paris bleiben zu dürfen. -- Die dringendsten Verwendungen der auswärtigen Gesandten für diesen oder jenen Fremden, wurden oft abgeschlagen. Denen, die sonst als unverdächtig erkannt waren, aber aus andern Ursachen von dem Gesetze nicht ausgenommen werden konnten, ward ihre baldige Rückkehr dadurch unter der Hand erleichtert, dass sie aus dem, zehn französische Meilen von Paris entfernten Orte des Exils, eine Bescheinigung ihres dortigen Aufenthalts einiger Tage, von der Munizipalität nach Paris brachten; worauf sie dann, ohne weitre Schwierigkeiten, wieder aufgenommen wurden.

Viele Fremden geriethen bei dieser Gelegenheit, in die schmutzigen Hände einer eignen Klasse von Beutelschneidern, eines Ungeziefers, das sich in Paris auf die Haut jedes ehrlichen Mannes setzt, und besonders auf alle ankommende Fremde lauert, welche Geschäfte mit der Regierung zu betreiben haben, um ihnen Geld anzunehmen. Ehe diese Fremden das Land kennen lernen, und durch persönliche nähere Bekanntschaft mit den Direktoren und ihren Ministern, die Offenheit der edlen Männer in Geschäftsverhandlungen erfahren, drängen sich diese betrügerischen Buben an sie, um, durch Vorspiegelung ihres Einflusses bei der Regierung, ihren Fang zu machen. Bei dem Fremdendekret fanden sie eine reiche Erndte. In Vorausbezahlungen, wie sich das von selbst verstand, nahmen sie vielen gutmüthigen Fremden ihre vorherbedungnen Taxen ab, und versprachen dafür, durch ihren persönlichen Einfluss bei den Direktoren und Ministern, ihnen die Erlaubniss, in Paris zu bleiben, zu verschaffen. -- Diese aber erfolgte nicht, und die Betrüger verschwanden.

Um diesem Unwesen zu steuern, ward der Direktor Carnot bewogen, gewissen Menschen, die sich damals eines Einflusses auf ihn zu rühmen wagten, mit edlem Unwillen, in einem offiziellen Blatt, öffentlich zu widersprechen. -- Ehre dem Manne, welcher in dem, ihm von der Nazion anvertrauten erhabenen Staatsamte, mit dieser redlichen Offenheit handelt!


Ueber die neuesten Verschwörungen in Paris.[]

Von La Cretelle d. J. [2]

Geschrieben den 12ten Sept. 1796.

Wir sind Zeitgenossen von einer Gattung von Menschen, die auf der Erde neu zu seyn scheint. Da sie die Allmacht des Verbrechens in Händen hatten, konnte nichts ihnen Einhalt thun, nichts sie befriedigen. Oft wurden sie uneinig unter sich über die Theilung der Macht, und schickten sich einander aufs Blutgerüst. In dem Augenblicke, da ihre Verbrechen nicht sowohl gestraft, als gehemmt wurden, entstand unter ihnen ein neuer Bund; die ersten Strahlen des Vertrauens und der Sicherheit der Rechtschaffenen fiengen an, ihre Quaal zu machen; sie hatten keinen andern Gedanken, als uns die Ruhe zu rauben, die wir hoften; sie erregten einen Aufruhr nach dem andern. Auf dem Augenblicke in den Gefängnissen versammelt, waren sie mit nichts anderm beschäftigt, als ihre Banden fester zu knüpfen, ihre Bosheit zu bestärken; sie wurden entlassen, um Blut zu vergiessen. Durch unglückliche Umstände begünstigt, gelangten sie zu dem Zeitpuncte des Regierens: ihre Grundsätze herrschten, und, immer gefürchtet, wußten sie sich Gehör zu verschaffen. Die Stellen boten sich ihnen an; aher diese Stellen waren ihnen nicht genug, weil es nicht die ersten waren. Ueberdieß mordete man nicht, reichte nicht ihrem gierigen Munde Blut; eine solche Herrschaft schien ihnen freudenlos. Sie verschworen sich gegen die Regierung. Aber wie? Nie war eine so tief angelegte Verschwörung in die Köpfe und Herzen verdorbener Menschen gekommen? Ihre Verbindung war auf einen fast unauflösbaren Plan gebaut. Sie unterwarfen sich unsichtbaren Häuptern, bewafneten sich mit Vorsicht gegen sich selbst, und verziehen sich unter einander, sogar ihr Mißtrauen. Noch einmal war es jedoch möglich, einen Theil ihrer Complotte zu enthüllen; aber nicht sie von Grund aus zu zerstören. Gracchus Baboeuf und mehrere andere wurden verhaftet. Als man uns den Plan dieser Verschwörung zeigte, war unsere erste Regung die, ihn als den Roman der Bosheit zu betrachten; da wir ihn aber näher untersuchten, entdeckten wir mit Schauder, daß man uns mit einem unter unsern Füssen verborgenen Vulcan bekannt gemacht hatte, ohne uns zu sagen, wo und wenn er ausbrechen und die Erde zerreissen würde.

Gracchus Baboeuf sagte in seinem Verhör: "Ihr könnt mich und einige meiner Verbündeten treffen, aber Ihr werdet dadurch nicht meine Parthey erreichen; sie lebt noch ganz; sie lebt, mich zu rächen, und Euch, die Ihr mich zu richten wagt, zu vertilgen."

War dieser Baboeuf, der so sprach, ein Unsinniger, ein prahlender Verbrecher? hat der Erfolg seine Drohungen widerlegt? Nein; nie fand ein Großer der Erde in seinem Gefängnisse so entschlossene Freunde, als dieser abscheuliche Betrüger, der von Verbrechen zu Verbrechen so lange fortgeschritten war, bis er ein Haupt dieser Bösewichter wurde.

Alle Bemühungen vereinigten sich anfangs dahin, Drouet der Anklageacte zu entziehen: eine mächtige Parthey erhebt sich für ihn selbst im Schooße der Beyden Räthe; schon hoft man, daß dieser Angeklagte die Regierung selbst darüber anklagen werde, daß sie ihn habe verhaften lassen. Indessen behalten doch die Rechtschaffenen das Uebergewicht, und Drouet wird angeklagt.

Ihr glaubt nun seine Anhänger beschämt, verhaftet? Stündlich schleichen sie um die Gefängnisse herum, in welchen ihre Mitverschwornen eingesperrt sind; es gelingt ihnen, einzudringen. Am 10ten August kommen sie, während der Zubereitungen zu einem Feste, in Drouets Gefängniß, stoßen den Gefangenwärter mit einem Dolche zurück; sie werden entdeckt; sie ziehen sich zurück.

Wahrscheinlich wird nun aber Drouet das Entwischen unmöglich seyn? Man wird die Vorsicht gegen ihn verdoppeln? Nach acht Tagen geht Drouet, der Himmel weiß, unter welchem Schutze, ruhig aus der Abtey; und hinterläßt zum Scheine Werkzeuge zur Flucht, die, wie man fand, dazu untauglich waren.

Kaum ist Drouet frey, so bedroht er den Rath, dessen Mitglied er ist, er spricht zu ihm, wie der Richter zu Schuldigen, die er verhört; täglich redet er in Journalen, wie der Schiedsrichter unsers Schicksals; Ruhe und Sicherheit verschwinden.

Der Augenblick naht, wo Grachus Baboeuf und seine Mitverschwornen nach Vendome gebracht werden sollen; und siehe da, eine neue Verschwörung. Man giebt allen Bösewichtern das Signal; in verschiedenen Quartieren geschehen Schüsse; die Verschwornen kommen zusammen; sie wollen das Volk durch ein neues Schauspiel täuschen und schrecken; sie hängen weiße Fahnen aus; sie hoffen, daß ihre Feinde ihrer Verbrechen schuldig erscheinen, und einem allgemeinen Gemetzel preis gegeben werden sollen. Aber der Policeyminister wacht; das Volk bleibt unbeweglich; zufällige Umstände verrathen sie. Sie werden mit weissen Fahnen ertappt; einer von ihnen wird durch die Explosion der Büchse, die er abgeschossen hatte, getödtet.

Sie sind also nun dem Gelächter, dem Schimpfe preisgegeben und dem Scheine nach unfähig zu schaden. Leere Täuschung! Sie lächeln über unsern Leichtsinn, und denken auf eine neue Verschwörung. Alles scheint sie zu begünstigen; man berathschlagt unbesonnener weise über eine Amnestie, die ihre Banden mit mehrern Räubern, mehrern Mördern vermehren soll. Aber was ist Ungestraftheit für solche Menschen? Daseyn ist nichts; sich rächen ist alles; das Leben ist eine Quaal für sie.

Unterdessen scheinen ehrvergessene Journalisten ihnen ihre Feinde zu bezeichnen. Sie klagen die Majorität der beyden Räthe an; sie erneuern die schon ehedem so fürchterlich gewordenen, so abscheulichen Fabeln von einem österreichschen Ausschusse. Doch scheitert ihr Vorhaben, weil sie es aus allzugroßer Ungeduld beschleunigen. Im Finstern schleichen sie sich unter die Soldaten, und suchen diese zu verführen, Theil an ihren Verbrechen zu nehmen. Sie suchen sie zu bewegen, mit ihnen gegen alle constituirten Autoritäten, gegen alle rechtlich denkende Männer zu marschiren. Unwillig über diesen Vorschlag, fallen die Soldaten über die her, tödten mehrere, nehmen andere gefangen.

Sie sollen nun gerichtet werden; so lange es aber nicht dahin kommt, daß man ihre Associationen zerstört, die schändlichen öffentlichen Beamten, die Verbindungen mit ihnen unterhalten, von ihren Stellen entfernt; so lange man von Amnestie für verbrecherische Ungeheuer spricht: wo wird ihre Wuth nur noch mehr gereitzt, ihre Macht nur noch vermehrt werden. Unter vielen Versuchen können der Kühnheit und der Wuth doch einigen gelingen. Man lasse ihnen einen Tag; und jede Minute wird mit Tod und Verwüstung bezeichnet seyn.


Fortsetzung.

Geschrieben den 15ten September.

Röderer hat die Frage untersucht: wie man über die letzte Verschwörung denken solle? Er findet, daß einige Journalisten darüber zu scherzhaft, und ich zu ernst gesprochen habe. Diese Verschwörung sagt er, mußte mißglücken; warum sollte man also Bestürzung darüber bezeugen? Ich antworte Röderer, daß ich weniger über diesen Versuch an sich, als vielmehr über die fortschreitende Kühnheit der Bösewichter bestürzt war. Selbst für große Verbrechen muß man eine bequeme Gelegenheit ergreifen. Die geschickten Verschwörer bereiten sie vor; die kühnen veranlassen sie zuweilen durch öftere Versuche. Ueberdieß sind die Menschen, die wir zu bekämpfen haben, von der Art, daß sie, wenn das Glück derselben die Einbildungskraft mit dem fürchterlichsten Unheile schreckt, selbst bey ihrer Niederlage sich mit Schlachtopfern umringen.

Sie bedürfen keiner funfzehnmonatlichen Herrschaft; funfzehn Stunden sind ihnen hinreichend, sich zu rächen.

Es sind verächtliche Machinatoren, sagt Röderer. Man lese noch einmal den Plan ihrer Organisation, wie er in Grachus Baboeufs Papieren gefunden wurde; und man wird vielleicht ausrufen: der Roman des Verbrechens. Man wird ihn tief angelegt, aber unausführbar finden. Man sehe indessen auf die nachherigen Begebenheiten; alles beweißt, daß die vorgelegte Organisation noch unter ihnen existirt. Nach ihren zahlreichen Niederlagen, mit Ketten beladen, zerstreut, bleiben sie noch organisirt und verbunden.

Nur ein Umstand hat uns bisher vor der Wuth dieser Leute gerettet; dieser, daß sie sich an ihr ehemaliges Glück erinnern, und immer die nämlichen Mittel versuchen. Was soll aus uns werden, wenn sie mit allen ihren Eigenschaften zu großen Verschwörer noch eine verbänden -- Geduld!

Drey Jahre hindurch wurden ihre Verschwörungen mit lauter Stimme gemacht; sie schrieben sie. Viele Ehrgeizige verachteten sie, bedienten sich ihrer und wurden die Schlachtopfer derselben. Jetzt wollen sie Leute, die von den niedrigsten Rücksichten geleitet werden, ihrer als Werkzeuge bedienen; sie bewilligen ihnen Schutz; sie versprechen ihnen Stellen; sie beehren sie mit dem Titel von Republikanern; sie überschwemmen jedes ihrer Verbrechen mit Amnestien; sie reitzen ihre Wuth; sie gehen mit ihnen in ruhigen Tagen, und trennen sich von ihnen in stürmischen Zeitpuncten. –

Wiederfährt ihnen ein Unglück, so sehen sie sich von jenen Leuten am ersten Tage desavouirt, am zweyten entschuldigt; am dritten gerühmt; man hat Mitleid mit ihrem Patriotismus. Aber warum gehen sie nicht noch weiter in ihrer Wuth? Der Grund liegt darin, sie erhalten uns durch diese Mittel in einem Zustande der Unruhe; und diese Revolutions-Männer sind ohne diese Unruhe nichts. Wenn ihre Excesse noch nicht offenbar sind: so wälzen sie die Schuld sogleich auf eine Faction von Royalisten, und ermangeln nicht, mit diesem Namen alle Freunde der Ordnung und der Constitution zu bezeichnen. Scheitert endlich das Complot ganz: so geben sie sich alle Mühe, die Schuldigen zu retten. Man muß gestehen, daß man schwerlich bequemer und sicherer conspiriren könnte.

Sie sehen, Röderer! daß die Parthey der Wüthenden durch hundert Banden mit einer geschicktern und furchtsamern Parthey zusammenhängt. Mehr als einmal haben sie die Kunstgriffe der Häupter der letztern Parthey enthüllt. Verstehe ich Sie recht: so verdienen die letztern die mehreste Aufmerksamkeit. Aber was wissen wir von den beyden Factionen, die uns nach dem nämlichen Ziele zu streben scheinen? Welche hintergeht die andere? Marat, Danton, Robespierre wurden lange nur als die Werkzeuge geschickter Männer betrachtet; und doch ließen sie, in den ersten Tagen ihrer Herrschaft, die hinrichten, die sich ihrer zu bedienen geglaubt hatte.

Der Erfolg veredelt alles und täuscht zuweilen auch den Klugen. Sie selbst, Röderer, scheinen mit Marat über Grcachus Baboeuf zu setzen. Fürchtete ich nicht die Zeit damit zu verlieren, wenn ich gleich verabscheuungswürdige Bösewichter in ihre besondern Classen brächte: so würde ich geneigt seyn, Gracchus Baboeuf gegen diese allzugroße Verachtung in Schutz zu nehmen. Die Revolution hat uns nur allzusehr gelehrt, in Hinsicht auf Verbrechen und Bösewichter nichts geringschätzig zu behandeln.

Ich fürchte daher, fürchte oft organisirte Bösewichter, die für masquirte Bösewichter arbeiten. Es fehlt ihnen, sagen Sie, an einem bekannten Haupte. Alle Revolutions-Bewegungen geschehen aber, ohne ein bekanntes Haupt zu haben; zuweilen vermuthete man nur ein Haupt. -- Doch ich eile zu Ihrem Schlusse, den ich gänzlich unterschreibe, und hier wiederhole:

Ich halte es für eine erwiesene Wahrheit, für eine Wahrheit, deren Verbreitung nützlich seyn dürfte, daß, so lange es in Paris Brod und in Frankreich keine Jacobiner-Gesellschaft mehr geben wird, keine Verschwörung gelingen könne; die Regierung müßte sie denn selbst wollen. **ch.


Quellen.[]

  1. *Fragmente aus Paris im IVten Jahr der französischen Republik von Friedrich Johann Lorenz Meyer Dr. Domherrn in Hamburg. Hamburg bei Karl Ernst Bohn 1797
  2. Minerva. Ein Journal historischen und politischen Inhalts. Herausgegeben von J. W. v. Archenholz. Hamburg 1796.
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