Vereinigte Belgische Staaten (1790).
Zeitungsnachrichten.[]
1790.[]
[Januar]
- Brüssel vom 11ten dieses [1]
Am 7ten dieses war der grose Tag, wo die Stände aller Provinzen versammelt waren, und wo sie ihre Unabhängigkeit feyerlich erklären liessen. Dieser Tag ward mit lauter frohlockenden Ceremonien und Komplimenten begangen. Am 8ten war also eine Union oder Vereinigung zwischen den Herzogthümern: von Geldern, Brabant, Limburg, Luxemburg, und den Grafschaften: Flandern, Henegau, Namur; dann zwischen dem Markisat von Antwerpen, und den Herrschaften von Mecheln und Tournai gesiegelt: unter dem Titel einer conföderirten Republick. -- Der Erzbischof von Mecheln ist zum Präsidenten der versammelten Stände; der berühmte Van der Noot zum ersten Minister; der Grospönitentiarius von Antwerpen zum Staats-Sekretair ernannt worden.
Aber wie haben die Stände die Provinz Luxemburg in ihre Vereinigung einschalten können, da sie ihnen noch nicht unterwürfig ist? -- Vermuthlich ist es so ein Titel, wie die Bischöfe in Partibus haben.
Aber das Schloß von Antwerpen ist auch noch in kayserlichen Händen? -- Der Kommendant dieses Schlosses hält sich, und trotzt dieser ganzen zusammengepappten Republick. Die Antwerper müssen ihm so gar Lebensmittel schicken, wenn er sie darum bedroht.
Die Repräsententen also dieser neuen Republick haben an die Provinz Limburg den Befehl geschickt, daß sie unabhängig wäre. Es werden auch patriotische Truppen in dieser Provinz geschickt werden. Die Stände haben schon in Lüttich um den Durchmarsch angesucht, und er ist ihnen bewilliget worden. -- Eine Gefälligkeit erfordert die andere. -- Die Münsterischen Truppen werden also aus dieser Provinz ausmarschieren.
Unterdessen sehen alle wahre Patrioten den Tand dieser Republick sehr wohl ein, so lang sie keine Festung, oder einen haltbaren Platz in Besitz haben. -- Ohne Luxemburg ist diese Republick ein offenes Feld, worin jeder nach Belieben eindringen kann. Aber die Holländer, ihre Nachbaren, scheinen die Brabänter von dieser Verlegenheit zu sichern. Dann alle holländische Festungen sollen ihnen zu Diensten seyn. Aus dieser Absicht werden an den Grenzen alle feste Plätze Hollands verbessert, und mit Garnison verstärkt.
- Brüssel vom 17ten dieses [2]
Van der Noot hat an die Provinz Limburg geschrieben, daß er dahin Truppen schicke. Er wird in diesem Schreiben Excellenz genannt. -- O König Theodor von Korsika! du hast dich Majestät genannt, und starbst in einer Bierschenke zu London! -- heut mir, morgen dir.
Man schricht in Brabant von einer Kontrarevolution -- für den Kayser. Dies kann also in den neugebackenen Excellenzien ein wenig theodorisiren.
- Wien vom 20sten dieses. [3]
Man sagt, daß General D'Alton, und der Minister Trautmannsdorf durch ein Handbillet vom Kayser nach Brüssel geschickt worden seyn, wo sie beide von allen dem, was sie gethan haben, zu Brüssel den Ständen Rechenschaft geben, und von dieser Behörde ihr Urtheil bekommen sollen. -- Doch dies sind Sagen, die man nicht bürgen kann.
- Brüssel vom 26sten dieses [4]
Gestern hielt der General Van der Mersch seinen öffentlichen Einzug zu Brüssel. Man hat ihn mit allgemeinem Frohlocken aufgenommen.
Unterdessen herrscht viele Uneinigkeit unter den Brabäntern. Aber wenn die Rede von Kayserlichen Regierung ist, vereinigt sich alles zusammen, und man schreyet: wir sind frei!
Am 23sten wäre bald ein Auflauf entstanden. Van der Mersch will nur besoldete Soldaten, und keine Volontairs haben, weil diese letztern nicht folgen, und keine Subordination halten wollen. Dies hat viele so aufgebracht, daß sie dem Van der Mersch öffentlich gedrohet, ihn von der Generalschaft abzusetzen.
- Haag vom 27sten Januar. [5]
Die Angelegenheiten, die sich auf Brabant beziehen, werden hier mit dem grösten Geheimniß abgehandelt. Viele dringen darauf, eine Allianz mit Brabant zu schliessen. Aber noch herrscht, selbst unter den Staaten, ein groser Theil der holländischen, olim viel lermenden Patrioten, die sich bewegen, und alles in Bewegung setzen, damit sich Holland mit Brabant nicht alliire. Dies hat seine eigene Deutung, und jeder wird einsehen, warum ein Patriot gegen den anderen nicht auch patriotisch gesinnt ist.
- Brüssel vom 29sten Januar.
Die errungene Revolution hat dreyerley Gesinnungen in unserem freien Lande hervorgebracht. Die erste besteht aus der Geistlichkeit, und hat den Erzbischof von Mecheln an der Spitze. Die zweyte besteht aus dem hohen Adel, und hat den Herzog von Aremberg zum Haupt. Die dritte hat sich nach den französischen Municipalitäten gemodelt, und hat die Burger, oder den dritten Stand zum Verfechter. Die erste will die civile Freiheit, aber eine blinde Anhängigkeit vom Römischen Hofe. Die zweyte wünschte eine Aristokratie, wie zu Venedig. Die dritte schreiet um die französische Gesetzgebung. Diese verschiedene Forderungen stossen sich an; reiben sich, und dadurch entstehen in allen Operationen dreyerlei Wege, die sich durchkreutzen. Van der Mersch hält mit dem Adel, und Van der Noot mit der Burgerschaft. Der letztere soll vor einigen Tagen eine hitzige Unterredung mit seinem Beschützer -- dem Fürsten von Aremberg gehabt haben.
Ueberhaupt, sagen die vernünftigen Patrioten, muß die Quelle unserer Revolution in dem Scheldezwist gesucht werden. Damals hofften wir, aus unseren Provinzen ein anderes Holland zu machen, und wir haben und getäuscht. -- Darauf kam der Tausch unserer Provinzen gegen Bayern. -- Und dies hat unsern Stolz, den wir an die grose Krone Oesterreichs genagelt, sehr niedergerissen. Seit dieser Epoche waren unsere Herzen gleichgültig, und -- bei den nachfolgenden Verneuerungen des Kaysers -- ganz empört. Der Groll kochte so lang, bis man ihn endlich bei Thurnhut und bei Gent aufgetischt hat, und nun ist er da nach dem Geschmack des Volks, wer wird eine so gute Speise vom Tische abwerfen?
- Aus Holland vom 27sten Jan. [6]
Seit der Unterzeichnung der Unionsakte durch die Generalstände der belgischen Provinzen, welche dem souverainen Kongresse die Vorstellung der ganzen Souverainität überträgt und ein gemeinschaftliches Band zwischen den Provinzen selbst knüpfet, ist im Haag ein Kourrier bei den brabäntischen Deputirten angekommen, der ihnen die Unionsakte und auch zugleich ein Schreiben mitbrachte, worin sie den blosen Deputirten zu Breda residirenden Ausschusses, und hernach der Stände von Brabant, nunmehr zu Deputirten des Generalkongresses ernannt worden. Obgleich diese Formalität nicht weniger, als die Formirung der Generalstände nöthig war, um mit den fremden Mächten, und namentlich über die Unabhängigkeit des Kongresses traktiren zu können, und diese Deputirten auch seit dem öftere Konferenzen mit den Mitgliedern der Administration und einigen fremden Ministern gehabt haben, so erhellet doch, daß man in dem Haag, in Ansehung dieser Anerkennung der Unabhängigkeit mit der grösten Vorsicht und Klugkeit zu Werke gehen wird. Indessen scheint es doch auch, daß eine gewisse Begebenheit, die man in Deutschland erwartet, groses Licht über gesagten Gegenstand verbreiten, und in dieser Rücksicht eine merkwürdige Epoche werden könnte. Diesem schreibt man auch die Verzögerung der Abreise des englischen Ministers, Herrn Fitzherbert, zu, die bereits in der Mitte laufenden Monats hätte erfolgen sollen und aufgeschoben worden ist, weil Lord Aukland, vormals Herr Eden, zur Abreise von London noch nicht bereit ist, obgleich die Abreise gesagten Ministers, der schon in wichtigen Dingen gebraucht worden ist, durch ganz andere Ursachen, verzögert werden mag.
[Februar]
- Brüssel vom 2ten Febr. [7]
Am 29sten Januar hat der französische Gesandte zu Brüssel den Ständen eine Note übergeben, wo er im Namen der französischen Nation und des Königs erklärt, daß Frankreich niemals zulassen werde, das holländische, braunschweigische, und andere fremde Truppen ins Brabant einrücken, wie es die Stände vorhaben, weil sie um 12,000 Mann fremder Truppen in ihren Sold anzunehmen, ersuchten. Sollten also fremde Truppen in Brabant kommen, so würde Frankreich gleich 50 tausend Franzosen beordern, und in Brabant einrücken lassen müssen. Dies ist eine sonderbare Neuigkeit, die Bedenken macht.
- Brüssel vom 8ten dieses. [8]
Der Herzog von Ursel hat wieder die Präsidentenstelle des Kriegsdepartements angetretten. Dann man sagt, die Eingeweyhten der brabäntischen Politik hätten diesen Herzog in das Geheimniß, welches sie mit fremden Mächten durch Allianzen bedeckt halten müssen, eingeführt, und ihm entdeckt, wie stark und tief in der Politik die belgische Freyheit stecke.
Die Stände haben sich gestern beifallen lassen zu publiciren, daß die Volontairs von Brüssel, und alles alldort liegende Militair den Ständen einen Eid der Treue ablegen mußten. Dies hat die Burgerkompagnien, die man Serment nennt, ausserordentlich aufgebracht. Dann die Burgerschaft will die Stände nicht als Souverains erkennen.
Der Burger Capitain Baron von Walkiers hat seiner Burgerkompagnie einen Eid selbst verfaßt, wo die Vurger nur schwören für die Freyheit zu sterben, und nicht für die Stände. -- Das ist eine Verwirrung.
Briefe aus
- Herve vom 15ten dieses [9]
bestätigen die Uneinigkeit der brabäntischen Empörten. Vorgestern waren die Limburger Stände zu Henri Chapelle versammlet. Es kamen Brabänter Abgesandte mit Truppen in die Versammlung, und verlangten von den Ständen, daß sie sich zu der brabäntischen Empörung entschiiessen und schlagen sollen. Die Limburger Stände gaben zur Antwort, daß sie keine Ursache zu klagen über den Kayser haben. Im Gegentheil, daß er ihnen mehr Vorzüge zugestanden, als sie unter der Regierung von Maria Theresia hatten; daß er in ihrer Provinz gute und nützliche Veränderungen gemacht; daß, wenn die Brabänter sie mit Gewalt zu ihrem Anhang zwingen wollten, sie sich zwar nicht wehren könnten, aber daß sie ihre Pflicht, und das Verlangen des Volks erfüllen müßten, und daß sie hiemit erklären, daß sie in das brabäntische Begehren mit ihrem Willen nicht einstimmen werden, und daß sie die brabänter Ständer für gerecht genug halten, ein Volk wider seinem Willen in einen Pflichtlosen Ungehorsam gegen seinem Beherrscher, mit welchem es alle Ursache hat, zufrieden zu seyn, zwingen zu wollen.
Die Limburger Stände schickten zugleich zwey Deputirte nach Brüssel, um den Brabänter Ständen ihre Entschliessung mitzutheilen, und um zu vernehmen, ob man sie ruhig lassen wolle oder nicht.
- Brüssel vom 11ten dieses. [10]
Der Herzog von Aremberg macht sich einen ausserordentlichen Anhang in den Niederlanden. Er ist für die Volks und nicht für Ständische Regierung. -- Gestern ist er zu Pferde gewesen; 2000 Volontairs haben ihn begleitet. -- Die Stände haben ihm angetragen, den gewöhnlichen Eid auszusprechen. Er hat es abgeschlagen, und rief das Volk zusammen. Kommet mit mir, sprach er, in mein Haus, ich werde euch zeigen, daß meine Vorfahrer allezeit zur Gunst des Volks geschworen haben, und nicht zur Gunst der Stände. -- Nun sitzen die Stände da, und Niemand weis, was aus uns werden wird.
Unsere Armee ist noch unthätig. -- Die Kapitulation von Antwerpen ist so zweydeutig eingerichtet daß der Kommandant erst am 29sten Merz ausziehen werde, wenn kein Hilf kommt. Unsere vorsoldatirte Bürger und Baueren exerciren, sind aber auch schon des Soldatenspiels müde. Es wird fast nichts gearbeitet; jeder will patriotisiren. -- Also bis auf weitere Ordre; wir höre, daß Kroaten kommen sollen.
Es wohnte unweit Namur ein Eremit, der im Ruf der Heiligkeit bei den Baueren steht. Er soll prophezeyet haben, daß der Kayser am 16ten dieses sterben, und daß [[Leopold II. (HRR)}Leopold]] mit groser Macht die Niederlande erobern wird. Diese Prophezeyung war nicht nach dem Geschmack der Patrioten; sie haben seine Einsiedlerey zerstört, und den Propheten mit seiner Heiligkeit weggejagt. Nemo propheta in Patria.
Quellen.[]
- ↑ Fünfte Beilage zu politischen Gesprächen der Todten. Freytag den 15ten Januar 1790.
- ↑ Siebente Beilage zu politischen Gesprächen der Todten. Samstag den 23sten Januar 1790.
- ↑ Geheimer Brief-Wechsel zwischen den Lebendigen und den Todten. No. 4. 27. Januar. 1790.
- ↑ Neunte Beilage zu Politischen Gesprächen der Todten. Freytag den 30ten Januar 1790.
- ↑ Geheimer Brief-Wechsel zwischen den Lebendigen und den Todten. No. 54. 3. Februar. 1790.
- ↑ Eilfte Beilage zu Politischen Gesprächen der Todten. Samstag den 6ten Februar 1790.
- ↑ Eilfte Beilage zu Politischen Gesprächen der Todten. Samstag den 6ten Februar 1790.
- ↑ Dreyzehnte Beilage zu politischen Gesprächen der Todten. Samstag den 13ten Februar. 1790.
- ↑ Politische Gespräche der Todten über die Begebenheiten des 1790sten Jahrs. Nro. 8. Freytag den 19ten Februar.
- ↑ Fünfzehnte Beilage zu politischen Gesprächen der Todten. Samstag den 20sten Februar 1790.