Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Utrecht.[]

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Utrecht, liegt am alten Rhein, 3 Meilen von Arnheim, ist groß, wohl gebaut und volkreich. 1634 wurde eine Universität daselbst errichtet, und 1636 eingeweiht. Sie heißt die Provincialakademie von Utrecht, und steht unter dem Stadtmagistrat. Das Rectorat wechselt hier alle Jahre. 1768 ward das hiesige neuerbaute anatomische Theater eingeweiht. Gegenwärtig lehren an der Universität 2 Professoren der Jurisprudenz, 3 der Medicin, 4 der Theologie und 6 der Philosophie, nebst 2 Lektoren. Zu der Stadt gelangt man durch lauter Baumalleen, Lusthäuser und Gärten. Vorzüglich verdient die schöne Mailbahn bewundert zu werden, welche 4 große gleichlaufende mit Reihen von Bäumen besetzte Gänge hat, in deren Mitte der Kugelschlag 1150 Schritte lang ist. Die vier Vorstädte enthalten manche schöne Gebäude, Obst- und Lustgärten. Ueber die 2 Kanäle, die neue Graft, und die Vaert gehen 36 steinerne Brücken. Einwohner zählte man im J. 1796. 32294. Von den 7 holländisch-reformirten Kirchen ist der Dom zu St. Martin die vornehmste. Die reformirte-französische Gemeine hat die Peterskirche, und die hier wohnenden Engländer haben einen abgesonderten Theil der Marienkirche zu ihren Versammlungen. Ausserdem haben die Remonstranten, die Lutheraner und die Mennoniten, jede Parthey eine Kirche, auch die Katholiken haben verschiedene Kirchen. Die akademische öffentliche Bibliothek steht im Chor der Johanniskirche, und giebt der zu Leiden an Menge und Kostbarkeit der gedruckten Bücher wenig nach. Das von rothen Backsteinen ausgeführte Pabsthaus soll der aus dieser Stadt gebürtig gewesene Pabst Hadrian VI. haben erbauen lassen. In der neuen Stiftung werden 12 Waisen frey unterhalten, und in allen Wissenschaften, Künsten und Metiers unterrichtet. Es sind auch hier Tuch- und Wollenzeuchmanufakturen, Seidenfabriken, ingleichen die von Myllische Maschine zu Abwindung der Seide, ferner andere Werkhäuser, wo Gewehr und Fingerhüte, nebst andern künstlichen Sachen, verfertigt werden, sehenswerth. Der größere Theil dieser Fabriken ist durch die letzte Revolution sehr herunter gekommen, und die kostbare hier befindliche Baumwollenspinnerey ganz zu Grunde gegangen. Das vormalige hiesige katholische Erzbißthum ist nach der Reformation zwar unterdrückt, aber doch die 40 Domherrenstellen beybehalten worden, deren eine bey dem Verkauf oft 6 bis 7000 holländische Gulden kostete. Man findet auch noch einen katholischen Erzbischof, mit einem Capitel von 8 Personen, hier: es sind jedoch alle Jansenisten, welche von andern Katholiken nicht als ächt erkannt werden. Im J. 1763 hielten sie hier eine Synode. Im J. 1762 ließ K. Ludwig XIV. von Frankreich, da er Meister von Utrecht war, den öffentlichen kathol. Gottesdienst einführen, welcher aber im folgenden Jahr, da die Franzosen abzogen, wieder ein Ende hatte. Der zu Utrecht residirende deutsche Ordensbaillif, wurde aus den Eingebornen erwählt, und hatte samt den hiesigen Ordensgütern mit dem Hoch- und Deutschmeister weiter keine Verbindung. Ein immerwährendes Andenken behält die Stadt Utrecht auch durch die 1579 in dem großen Saale der itzigen Akademie errichtete Union der 7 vereinigten Provinzen, und durch den 1713 hier geschlossenen Frieden.


HUA Utrecht


Von Reisende.[]

Samuel Christop Wagener.[]

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[1793]

Was übrigens die Stadt selbst betrift, aus welcher ich Dir heute schreibe: so ist sie ziemlich alt. Schon den Römern, die vor Christi Geburt mit den Deutschen Krieg führten, war sie bekannt. Sie nannten sie Trajectum ad Rhenum, oder Ultrajectum, woraus nachmals ihr jetziger Name, Ultrecht, entstanden zu sein scheint. Sie liegt in einer sehr fruchtbaren, angenehmen Gegend am alten Rhein, der sich hier in zwei Arme theilt, die beide die Stadt in ihrer Länge durchfließen, und sich hierauf wieder vereinigen. Die Stadt ist nicht bevestigt, aber volkreich und ziemlich groß; man gebraucht anderthalb Stunden, um sie zu umgehen.

Unter den sieben holländisch reformirten Kirchen, welche hier sind, ist die dem heiligen Martin gewidmete Domkirche, welche mitten in der Stadt stehet, die vornehmste, und doch ist sie nur das Chor der alten Kirche, deren größester Theil, im Jahre 1674, durch einen schrecklichen Windsturm verwüstet wurde. Dieser niedergestürzte Theil der Domkirche stand zwischen jenem Chore, und dem darzu gehörigen sehr hohen Thurm, der nun isolirt dasteht. Von einem der Pfeiler dieser Domkirche erzählt man, daß man die Gründung derselben im Jahr 1099 nicht eher einen vesten Grund daselbst habe bekommen können, als bis man den dort befindlichen Quell mit einer sehr großen Anzahl Ochsenhäuten endlich glücklich verstopft habe. Zum Andenken an diese erfinderische und eigenthümliche Grundlegung eines so schweren Gebäudes ist an diesem Pfeiler ein noch jetzt sichtbarer Ochse mit folgender Unterschrift ausgehauen:

Accipe, posteritati quod post tua secula narres,
Taurinis cutibus fundo solidata columna est.

Im Chor der hiesigen Johanniskirche ist die Bibliothek der im Jahr 1636 gestifteten Universität zu Utrecht.

In einem Zimmer der Marienkirche werden allerlei Alterthümer und Seltenheiten aufbewahret. Unter andern zeigt man daselbst noch zwei heidnische zu Utrecht vormals angebetete Götzenbilder von Erz. Desgleichen auch ein Hemde, an welchem man keine Nath entdekken kann. Man ist noch immer schaamloseinfältig genug, dasselbe für das Unterhemde auszugeben, welches Jungfer Maria bei ihrer unbefleckten Empfängniß angehabt habe. Wann wird man doch aufhören, dergleichen entehrendes katholisches Pfaffengeschwätz gläubig nachzubeten! -- !

In der Johanniskirche haden die in Utrecht wohnenden Engländer in ihrer Muttersprache ihre Gottesverehrungen. Die Peterskirche ist der französischen Gemeinde dazu eingeräumt worden. Alle diese Kirchen sind, nebst dem alten Münster oder der Salvatorskirche, Kapitelskirchen. Ferner haben auch die Lutheraner hier eine Kirche, und die Remonstranten eine, und die Mennoniten eine. Die Römischkatholischen aber haben deren mehrere. Das Haupt der jansenistischen Katholiken hat hier unter dem Namen eines Erzbischofs von Utrecht seinen Sitz. Auch ist hier ein deutsches Haus, oder der Sitz des Landkommenthurs von des deutschen Ritterordens Balley Utrecht. Zum Besten der Studirenden ist hier ein medizinischer Kräutergarten, und dicht an der Stadt ein angenehmer Spatziergang -- die Maillebahn genannt -- welche aus sieben graden, und über zweitausend Schritte langen Alleen von großen Lindenbäumen besteht.

In der neuern Geschichte ist die Stadt Utrecht im Jahre 1579 durch die Vereinigung der sieben Provinzen der Niederlande rühmlichst bekannt worden, so wie auch im Jahre 1712 durch die berühmte Friedenszusammenkunft, deren Erfolg die bekannten Friedensschlüsse von 1713 und 1714 waren.


Von Reisende.

Ralph Fell.[]

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[1800]

Den folgenden Tag nahmen wir, vielleicht auf immer, von der Hauptstadt Hollands Abschied. Von Amsterdam nach Utrecht reisten wir im Treckschuyt und waren so glücklich, auf dem ganzen Wege Plätze im Roef zu bekommen.

Wir brachten neun Stunden auf der Fahrt zu und erreichten Utrecht sehr ermüdet und erschöpft. Auf beiden Seiten des Kanals von Amsterdam bis Utrecht befinden sich fast ununterbrochene Reihen von schönen Häusern, Landsitzen und Gärten, die nach holländischem Geschmack mit grotestken Tempeln, Statuen, Teichen, chinesischen Brücken und Alleen besetzt sind, deren Bäume man zum Theil in tausend verschiedene Formen geschnitten hat. Das Land, das wir durchreisten, schien ausserordentlich bevölkert und vortrefflich angebaut. Auch bemerkten wir hier weniger Wasser, als an andern Orten; nicht deswegen, weil diese Gegend höher liegt, sondern weil hier die Mühlen, wodurch es in die Kanäle gepumpt wird, zahlreicher vorhanden sind und das Wasser besser ableiten.

Utrecht ist eine der angenehmsten Städte in der batavischen Republik und etwas grösser als der Haag. Der anmuthige Lage und gesunden Luft wegen wird Utrecht von vielen Personen zum Wohnort gewählt, die durch den Handel ihr Glück gemacht haben und Willens sind, ihr unruhiges Geschäftsleben gegen die sanften Freuden der Ruhe zu vertauschen. Hierzu lässt sich kein besserer Ort denken als Utrecht.

Die Strassen dieser Stadt sind breit und geräumig, auch herrscht hier dieselbe Reinlichkeit, welche die vorzüglichsten Städte Hollands auszeichnet. Sie war ehemals eine ansehnliche Festung, aber zum Glück für die Einwohner sind ihre Werke nicht mehr im Stande, dem Angriffe eines Feindes zu widerstehen.

Im Jahre 1672 ergab sie sich an Ludwig den vierzehnten, ohne sich zu vertheidigen, und länger als ein Jahr war Utrecht der Schauplatz der Triumphe dieses stolzen Monarchen. Er befahl den Soldaten, die schöne Maillebahn zu schonen, die durch sieben Reihen Bäume beschattet wird und beinahe eine englische Meile lang ist. Diese Gnade wurde von bestochenen Dichtern damaliger Zeit besungen, aber den Einwohnern dieser Stadt wurde dagegen eine Kontribuzion von zweimalhundert tausend Pfund Sterling auferlegt.

Im Jahre 1787 ergab sich Utrecht ohne Widerstand an die Preussen, ohngeachtet sieben tausend Mann regulärer Truppen in der Stadt lagen und ihre Bewohner gegen den Prinzen von Oranien, dessen Sache die preussischen Waffen unterstützten, die heftigste Erbitterung hegten. Es wurde bei dieser Gelegenheit dem Gouverneur derselben, dem Rheingrafen von Salm, Verrätherei zur Last gelegt; denn so überzeugt man auch war, dass die Stadt den Preussen nicht lange würde widerstanden haben, so hielt man es doch für feig und schimpflich, bei der starken Garnison und jener Stimmung der Einwohner sie ohne Schwerdstreich zu übergeben. Der Charakter des Grafen, der die Garnison kommandirte, rechtfertigte den Verdacht der Verrätherei.

Bei Annäherung der französischen Armee im Jahre 1795 öffnete Utrecht sogleich die Thore und die republikanischen Truppen wurden wie Freunde und Befreier empfangen. Nirgends in den vereinigten Staaten war die Stimmung des Volks den Franzosen günstiger als hier, und der schweren Auflagen ungeachtet, die sie bezahlen mussten, hegen die Einwohner dieser Stadt noch immer die lebhafteste Zuneigung zu den Franzosen.

Die Universität zu Utrecht hat durch den Krieg mehr als die Leidner gelitten und zählt jetzt kaum noch funfzig Studenten. Die Leidner Akademie hat von jeher den Vorrang vor der Utrechter behauptet, theils in Ansehung der Gelehrsamkeit und des Rufs ihrer Professoren, wodurch viele Studenten hingezogen wurden, theils in Hinsicht ihrer gelehrten Anstalten, öffentlichen Bibliotheken, botanischen Gärten und des anatomischen Theaters. Der Utrechter Universität wird besondere Anhänglichkeit an die französischen Grundsätze, so wie der Leidner vorzüglich Begünstigung des alten Systems zugeschrieben, ohngeachtet letzere durch eine Deputazion Studirender den provisorischen Repräsentanten Hollands zur Veränderung der Regierungsform Glück wünschen liess.

Von Utrecht fuhr ich auf dem Postwagen nach Nimwegen.


Von Reisende.

August Hermann Niemeyer.[]

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[1806]

Schon in dem letzten Dorf vor Utrecht fangen die Landhäuser an den Weg zu verschönern. Er gleicht einer fortlaufenden Allee. Eine Reihe gefälliger Privatwohnungen kündigt Größe und Wohlstand der Stadt an, welche in der niederländischen Geschichte mehr als eine eigenthümliche Merkwürdigkeit behält; schon als Universität, nicht minder aber wegen der in ihr (1579) geschlossenen Union, durch welche die fünf nördlichen Provinzen, Holland, Geldern, Seeland, Frießland und Utrecht sich von Spaniens Zwingherrschaft unabhängig erklärten, der sich auch bald Gröningen und Oberyssel anschlossen. So ward der Freystaat von Holland begründet.

Utrecht ist hell und freundlich. Es hat wenig Prachtgebäude, aber durch wohlerhaltene Bepflanzung einladende Plätze. Die Straßen sind bey der bedeutend verminderten Volkszahl ziemlich still. Mehr noch war dieß gerade wohl damals der Fall, da die Studierenden, wegen der Ferien abwesend waren. Doch gab man ihre Zahl nicht über zweyhundert an. Die vor dem Thor liegende Maillebahn -- jenen aus sieben geraden, an zweytausend Schritt langen Baumreihen gebildeten Spaziergang -- fand schon Ludwig der Vierzehnte, als er, eine kurze Zeit siegreich, in die Provinz einzog, so schön, daß er ihre Schonung seinem Heere zur strengen Pflicht machte.

Ich traf für gelehrte Bekanntschaften hier, wie überall in Holland, keinen glücklichen Zeitpunct. Fast alle Professoren waren auf Reisen oder auf ihren Landsitzen. Desto dankbarer gedenk ich der ausnehmenden Gefälligkeit, des anwesenden gelehrten Theologen, Professor Heringa. Gemäßigt in seiner Denkart und seinem Urtheil, lebendig im Gespräch, ist er recht der Mann, mit dem man, weil er den andern Theil hört, gar bald zu einem regen Ideenwechsel gelangt, der, ohne bloß höfliche Nachgiebigkeit, oft in Verständigung über das Streitige, oder, wo Einigung der Meinungen nicht gelingen will, doch in gegenseitiger Billigkeit endet.

Mit großer mir höchst erfreulicher Offenheit, sprach er auch über meine theologischen Schriften, bald beyfällig, bald tadelnd, früheres mit späterem, recht wie ein sorgfältiger Beobachter des Zeitgeistes, vergleichend. In der Kenntniß, der jedem von uns Beyden fremden Sprache, standen wir ungefähr auf einer Stufe. Keiner vermochte die des Andern zu sprechen, jeder verstand sie durch langsame und deutliche Ausrede. Kein Holländer ist mir nach ihm vorgekommen, den ich so leicht, so fast ohne Ausnahme begriffen hätte. Nach einigen Stunden, die in seinem Hause unsrer gemeinschaftlichen Wissenschaft gewidmet wurden, schenkte er den ganzen übrigen Tag mir und meiner Begleiterin, um uns mit allem Sehenswerthen bekannt zu machen. Im Grunde ist des Localmerkwürigen wenig. Wir sahen einige Kirchen, Buchhandlungen und die schöneren Theile der Stadt. In dem Universitätsgebäude gränzt unmittelbar an den Promotionssaal die Consilienstube, wo sich der Senat zur Berathung der allgemeinen Angelegenheiten -- wobey man sich hier stets der lateinischen Sprache bedient -- versammelt; alles höchst würdig, durch Reinlichkeit und Nettigkeit der Geräthschaften gefällig. Auch große Namen werden hier ins Andenken zurückgerufen. Denn die Wände bedecken die Bildnisse der Männer, die einst die Zierde dieser hohen Schule waren. Ueber jedem ließt man in goldener Schrift, den Namen, das Vaterland, das Geburts- oder Todesjahr. Wer nicht unbekannt ist mit dem Verdienst der Weßeling, Grävius, Witsius, Burman, Leusden u. A., und weiß, was sie in ihrer Zeit für die Wissenschaft thaten -- wird er nicht gern gerade da, wo auch ihre Stimme einst gehört ward, vor ihren zum Theil sehr ehrwürdigen und kunstreich dargestellten Gestalten verweilen?


Quellen.[]

  1. Geographisch- Historisch- Statistisches Zeitungs-Lexikon von Wolfgang Jäger, Professor der Geschichte zu Landshut. Landshut, bei Philipp Krüll, Universitätsbuchhändler. 1811.
  2. Ueber den Feldzug der Preußen gegen die Nordarmee der Neufranken im Jahr 1793. Von einem Beobachter, welcher die jetzigen Feldzüge der verbündeten deutschen Heere mitmacht. Stendal, bei Franzen und Grosse, 1795.
  3. Fell's Reise durch die Batavische Republik Aus dem Englischen übersetzt, und mit Anmerkungen begleitet von D. Karl Murhard. Leipzig, bei C. H. Reclam. 1805.
  4. Beobachtungen auf Reisen in und außer Deutschland. Nebst Erinnerungen an denkwürdige Lebenserfahrungen und Zeitgenossen in den letzten funfzig Jahren. Von D. August Hermann Niemeyer. Dritter Band. Reise durch einen Theil von Westphalen und Holland im Jahr 1806. Halle, in der Buchhandlung des Waisenhauses. 1823.
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