Treckschuyten.[]
[1]
Die gewöhnlichste Art in Holland zu reisen, und die wohlfeilste, ist mit Treckschuyten und Beurtschiffen. Die Treckschuyten sind längliche Fahrzeuge, von einem Pferd gezogen und mit einem 7 Fuß hohen Häuschen. Dieses Häuschen hat zwey Räume, wovon der hintere und kleinere der Roef genannt wird; in dem größern oder dem Raum halten sich die gemeinen Leute auf, weil die Plätze da wohlfeiler sind, auch wird das Gepäcke dahin gebracht. Im Roef sitzen die vornehmern Passagiere, oder welche mehr an sich wenden wollen. Das Pferd, das jede Stunde seine Meile lauft, wird von einem Burschen, het dagertje, der Jäger genannt, geritten; bey jedem Pferdewechsel zahlt man einen Deut, oder den achten Theil eines Stübers diesem Burschen: ein Stüber heißt schon sehr reichlich geben. Im großen Raum kostet die Meile 9 Stüber, im Roef aber weit mehr. Wer das Roef alleine haben will, muß es einige Stunden vorher bestellen. Hat man nur einen Platz, so büßt man ihn ein, sobald ein Dritter das ganze Roef miethet. Steht einer allein für alle acht Plätze, so kann er das Roef weit wohlfeiler haben. Von Rotterdam nach dem Haag, durch Delft, fahren täglich 16 solche Treckschuyten hin und zurück. jedes darf im Roef 8 und im Raum 30 Personen mit sich nehmen. Sie haben Nummern, diese Schiffe, und fahren nach der Folge derselben.
Von Reisende.[]
Ralph Fell.[]
- [1800]
Unser Missgeschick auf der vorigen Reise hielt uns nicht ab, von neuen ein Treckschuyt zu besteigen, und ich muss Dir jetzt eine Reisemethode beschreiben, welche sich durch drei vortreffliche Eigenschaften, Wohlfeilheit, Pünktlichkeit und Sicherheit empfiehlt; denn Stürme, wie ich sie erfuhr, ereignen sich wohl nur einmal in jedem Jahrhunderte, und wüthet kein Orkan, so ist auf diesen Böten gar keine Gefahr zu besorgen.
Ein Treckschuyt ist ein bedecktes in zwei Zimmer abgetheiltes Boot, von denen das hintere, -- der Roef -- mehr Bequemlichkeiten als das vordere darbietet. In jenem haben nach Verhältniss der Grösse des Boots zwischen acht bis zwölf, in diesem zwischen vierzig bis funfzig Personen Raum. Dieses Fahrzeug wird von einem einzigen Pferde gezogen, und legt in jeder Stunde so pünktlich vier englische Meilen zurück, dass das Volk in Holland gewöhnlich die Entfernung eines Orts vom andern nicht nach Meilen, wie in England, sondern nach der Dauer der Fahrt berechnet. Der Preis für einen Platz im Roef oder Kabinet ist ohngefähr zwei Groschen für die Stunde, und ist es nicht zu sehr mit Passagieren angefüllt, so lässt sich, man müsste denn gern sehr schnell fortkommen wollen, keine angenehmere Reiseart denken. In diesem Zimmer befinden sich gewöhnlich vier Fenster, ein Tisch in der Mitte, und an den Seiten mit weichen Kissen bedeckte Sitze; ausserdem ist das Kabinet nach der Phantasie seines Schiffers oder Eigenthümers mit Gemälden oder Spiegeln verziert.
Die Bewegung eines Treckschuyts ist so gleichförmig, dass man darin sehr bequem lesen und schreiben kann. Aus den Fenstern geniesst man einer angenehmen Aussicht auf das Land, auf zahlreiche Dorfschaften und Landsitze, die die Kanäle begrenzen, und beständig begegnet man Schiffen, die theils zum Vergnügen, theils Geschäfte wegen hin und her fahren. Die Treckschuyten sind die Diligencen in Holland. Von den ansehnlichsten Städten der Republik gehen sie jede Stunde nach verschiedenen Richtungen ab, und da sie genau zur festgesetzten Zeit am Orte ihrer Bestimmung ankommen, so finden dort Reisende, die weiter zu gehen wünschen, sogleich Böte zu ihrem Empfang bereit. Vermittelst dieser nützlichen Fahrzeuge findet ein schneller Verkehr zwischen den entferntesten Theilen der Republik Statt, und wegen ihrer ausserordentlichen Wohlfeilheit können auch die Armsten daran Theil nehmen. Für einen Holländer ist ein Treckschuyt das angenehmste Fahrzeug, das sich denken lässt. Hier raucht oder schläft er, wie er gerade Lust hat, und wird weder durch die Bewegung des Schiffs erschüttert, noch durch die Schnelligkeit der Fahrt beunruhigt. Er weiss bis auf den Pfennig, welche Summe ihm die Reise kosten wird, und kann mit gleicher Pünktlichkeit berechnen, wenn er sie vollendet hat. Ist seine Reise lang, so versieht er sich entweder mit einem kleinen Mundvorrath, oder erkauft ein einfaches Mittagsmahl, da wo das Boot einige Minuten lang still hält. Dann braucht er nicht einmal an's Ufer zu gehen, um seine Mahlzeit zu verzehren, sondern es wird ihm sogleich in möglichster Eile mit allen Erfrischungen, die er verlangt und die das Haus zu geben vermag, ins Boot gebracht. Ist dies geschehen, wozu nie mehr als fünf Minuten Zeit erfordert werden, so segelt der Treckschuyt unverzüglich ab.
Von Reisende.
Dr. Johann Friedrich Droysen.[]
- [1801]
Amsterdam, den 25sten Jun. 1801..
Nach einem Aufenthalte von beynahe zwey Tagen fuhren wir mit der Treckschyte von Utrecht ab; diese Art zu reisen hat viel Angenehmes und Eigenthümliches, ich muß sie Ihnen näher beschreiben. Denken Sie sich, lieber Freund, ein langes Fahrzeug, wie eine Gondel bedeckt, inwendig in zwey Zimmer durch eine Wand abgetheilet, rund um mit Bänken und Polstern versehen; das kleinere bessere Zimmer mit Tisch und Spiegel möblirt; so haben Sie eine so genannte Trekschyte vor Augen. Sie wollen mit ihrer Gesellschaft allein seyn, so miethen Sie das kleine Zimmer, Roef genannt, können auf der ganzen Reise schlafen, spielen, lesen und schreiben, wenn Sie wollen. Im zweyten Zimmer ist es gewöhnlich voll von Reisenden aller Art, nur die ärmste Klasse sitzt oben auf. Für die Fahrt bezahlen Sie bis Amsterdam 14½ Stüver, etwa 7 Gr., für fünf Meilen, für Ihren Koffer eben so viel, und für das Roef, das Sie einige Tage vorher bestellen müssen 52 Stüver. Der Schiffer versorgt Sie überdieß noch wohl mit irdenen Pfeifen und hält Ihnen Torfkohlen zum Anzünden der Pfeifen.
Vor diesem Fahrzeuge ist ein Pferd an einem Mastbaum gespannt, der etwa 10 Fuß hoch ist und bey Durchgehen unter einer Brücke niedergelassen werden kann; dieß Pferd von einem Knaben geführt, bringt Sie von Station zu Station in raschem Trott. Das lange Seil, an welchem das Pferd zieht, wird bey Wendungen von hohen eingegrabenen Wallfischknochen, die mit senkrecht stehenden Walzen versehen sind, aufgefangen, und durch Hülfe des Steuers wird das Schiff gebückt. Das einzige Unbequeme dabey ist der Transport des Gepäckes, wobey man sich denn auch für die Holländische Gewinnsucht zu hüthen hat, accordiren Sie den Träger nicht, so fordert er Ihnen so viel Gulden ab, als er sonst Stüver erhält; die Schiffer stehen aber gewöhnlich eben so hoch mit ihren Preisen aus die Träger, und man wird immer angeführt, und muß oft unglaublich viel für den Transport auf wenige Schritte bezahlen. Der Holländer weiß dieß und trägt seine Habseligkeiten selbst in einem kleinen bunten, manschesternen Beutel.
Sonst aber ist diese Art zu reisen äußerst angenehm. Ueberall begegneten uns auf unserer Fahrt bey Amsterdam eine Menge Fahrzeuge aller Art, die in dem Canal, der nun noch ziemlich gut und nicht stinkend war, auf diese Weise fortgezogen wurden. Der Canal führte uns mitten durch Utrecht und durch die schönsten vor der Stadt gelegenen Gärten und Landhäuser, oder so genannte Buiten Platsen (Außenplätze). Die erste Stunde vor Utrecht ist in dieser Rücksicht berühmt, hier liegen die schönsten Gebäude mit ihren kleinen Pavillons am Ufer des Canals, die mehrentheils Amsterdammer Kaufleuten gehören, denn es ist Mode, seine Gärtenplätze von seinem Wohnorte, so weit wie möglich, entfernt zu haben. In diesen Erhohlungsplätzen, die sich selten durch geschmackvolle Baukunst und hervorstechende Größe auszeichnen, und gewöhnlich nur auf einem kleinen Terrain ein gutes Wohnhaus und einen kleinen Pavillon, oder Chinesisches Häuschen hart am Canal besitzen, und die natürlich ebenfalls mit Inschriften versehen sind, sitzt der Holländer mit seiner irdenen Pfeife und Schlafrock ganze Tage, und divertirt sich an den Vorüberfahrenden. -- Neben dem Canal läuft die Landstraße, aufs beste unterhalten und gepflastert, oder von Klinkern gemauert, oder von Schutt gemacht, gegen den Staub durch stetes Besprengen aus dem Canal gesichert, fort. Die Aussicht verändert sich hier alle Augenblicke, indem nicht nur die Gartenhäuser unter sich mannigfaltig abwechseln, sondern auch oft die ganze Scene durch ein großes Dorf, oder ein fette Wiese verändert wird, das Einnehmen und Aussteigen der Reisenden, das Rufen der sich begegnenden Schiffer, die frohe Gesellschaft auf dem Schiffe selbst, alles dieß zusammengenommen macht die Fahrt wirklich sehr reitzend.
Bey Nieuvesluis, einer kleinen Festung in der großen Ebene, verließen wir den bis jetzt befahrenen Canal, die Vecht genannt und fuhren die Amstel hinab, die der großen vor uns gelegenen Stadt den Nahmen gibt. Amsterdam nimmt einen ungeheuren Raum am Horizonte ein, und hat durch die ungeheure Menge von Windmühlen und die vielen hohen Schorsteine, die in der Ferne so vielen kleinen Thürmen gleichen, ein ganz eigenthümliches Aeußeres, wir fuhren unter der schönen Amstelbrücke durch vor die Hausthür unsers Wirthshauses, das Rondeel.
Von Reisende.
D. August Hermann Niemeyer.[]
[4]
Fahrt auf der Trekschuyt von Maersen nach Amsterdam.
- (Aus dem Tagebuch.)
Zum ersten Mal versuchen wir, wie es sich auf den leichten Fahrzeugen reiset, auf welchen, da bekanntlich das Land, zumal die Provinz Holland, mit einer Menge schiffbarer von einer Stadt zur andern geführten Kanäle durchschnitten ist, sich täglich viele Hunderte in den verschiedensten Richtungen bewegen, gesichert vor dem beschwerlichen Wechsel besserer oder schlechterer Landstraßen, und fast auf die Minute ihrer Ankunft und ihrer Rückkunft gewiß.
Die Bewegung ist so sanft, manche Gegenstände wiederholen sich dem Auge so oft, daß man sich, wenn der Reiz der Neuheit vorüber ist, wenn das Gespräch stockt, oder nicht etwa nach kurz vor der Abfahrt eilig abgemachten ermüdenden Geschäften, die weichen Polster zur Ruhe einladen, dem Lesen und Schreiben mit der größten Bequemlichkeit überlassen kann.
Die Trekschuyt, welches Morgens um acht Uhr aus Utrecht abgegangen war, hielt um zehn Uhr in Maersen an. Seit sie uns aufgenommen hat, sind wir ganz sicher Nachmittags um Drey und ein Viertel in Amsterdam ans Land zu stoßen. Mehr dem Auge, wenn es Neues erblickt, als dem Gefühl glauben wir, daß wir fortgleiten. Reizende Umgebungen des Ufers ziehen im bunten Wechsel vor uns vorüber. Man ist einverstanden, daß unter allen Wasserfahrten in Holland gerade unsre heutige die schönste ist. Friedliche Dörfer, welche kleinen wohlhabenden Flecken gleichen, reiche Triften, muntres Menschengewühl in den stattlichen Wirthshäusern, je näher der Hauptstadt, desto reichere Besitzungen, wechseln mit wohl unterhaltenen, freylich hier und da allzu peinlich beschnittenen und zugestutzten Baumreihen.
Was eine Trekschuyt, wie sie gestaltet, wie die Fahrt auf ihr geordnet ist, dürfte sehr vielen die dieß lesen werden, längst bekannt seyn. Doch vielleicht nicht Allen -- und für diese darf eine kurze Beschreibung und Abbildung (S. 87) hier wohl eine Stelle finden.
Man denke sich also ein längliches Fahrzeug, ganz ähnlich unsern kleinen Elb- und Saalkähnen, oder den größeren Gondeln, wie sie die Alster bey Hamburg oder den Rhein befahren, ohngefähr dreißig Fuß lang, sechs bis sieben Fuß breit. Den größten Theil nehmen zwey mit plattem Dach bedeckte Zimmer ein. Der Raum in dem größten ist der Aufnahme von minder wohlhabenden Reisenden, ein Nebenverschlag der Aufbewahrung des Gepäcks bestimmt; der kleinere, oder das Roef (Ruff) hat Doppelthüren, und ist geräumig genug, um acht Personen auf den beyden einander gegenüber stehenden mit einzelnen Polstern versehenen Bänken aufzunehmen. Von beyden Seiten hat es Glasfenster; der Thür gegenüber einen Tisch, Spiegel, Wandleuchter und andere kleine Geräthschaften, unter denen auch das wohlbekannte Quispel-Dorjes (ein porzellanenes Spucknäpfchen) nicht fehlen darf. Das Steuerruder liegt am Ende des Roefs; am andern Ende steht der Mast, über dessen Spitze ein langes Seil, oben am Roef befestigt wird, welches bis an das Ufer reichte und woran das den Kanal entlang laufende Pferd gespannt wird. Auf das Pferd setzt sich dann der Postillion oder Jäger -- meist ein junger Bursche. Daher die gewöhnliche diminutive Benennung het Jagerge.
Um das Verdeck vor Sonnenhitze und Regen zu schützen, pflegt es mit einem mit Muschelschaalen gemischten Guß überzogen zu seyn. Das Pferd läuft stündlich gerade eine deutsche Meile. Während des dann eintretenden Wechsels, hat man Zeit ans Ufer und in ein wohl versehenes Gasthaus zu gehen. Bey dem häufigen Abgeben von Packeten, oder dem Abgehen und Ankommen einzelner Reisenden, ist dazu überhaupt noch öfter Gelegenheit.
Fast unbeweglich, mit der ganzen Kälte, Ruhe und Theilnehmungslosigkeit, wie sie dem Seemann eigen ist, steht am Steuerruder im weiten Rock, einer Stutzperücke, blauen Strümpfen, großen Schuhschnallen, auch, damit die Pfeife nie ausgehe, ein kleines Torfbecken neben sich, der Kapitain, und sammelt gegen das Ende der Fahrt das Fährgeld in seinen kleinen ledernen Beutel. Selten läßt er sich in lange Gespräche ein. Kein Wunder daß er immer phlegmatischer werden muß, da ihm auf seiner einförmigen Fahrt nie etwas Ungewöhnliches begegnet, er alle Gegenstände, von denen er täglich vorübergleitet, kennt, diese fast zur Minute wieder vor seine Augen zurückkehren, in seinem Geschäft aber nicht die mindeste Anstrengung liegt. Doch leidet darunter eine gewisse einfach-gefällige Höflichkeit nicht, und die größte Rechtlichkeit wird diesen Schiffern allgemein nachgerühmt. Die Bezahlung ist äußerst billig. So bezahlten wir so eben für zwey Personen eine fünf Stunden dauernde Fahrt mit 2 Flr. 12 Stüb. (1 Rthlr. 16 Gr.) wobey das Gepäck mit einbegriffen war.
Quellen.[]
- ↑ Der Passagier auf der Reise in Deutschland und einigen angränzenden Ländern, vorzüglich in Hinsicht auf seine Belehrung, Bequemlichkeit und Sicherheit. Ein Reisehandbuch für Jedermann vom Kriegsrath Reichard, auch Verfasser des Guide des voyageurs en Europe. Berlin, 1806. bey den Gebrüdern Gädicke.
- ↑ Fell's Reise durch die Batavische Republik Aus dem Englischen übersetzt, und mit Anmerkungen begleitet von D. Karl Murhard. Leipzig, bei C. H. Reclam. 1805.
- ↑ Dr. Johann Friedrich Droysen's Bemerkungen gesammelt auf einer Reise durch Holland und einen Theil Frankreichs im Sommer 1801. Göttingen bey Heinrich Dieterich. 1802.
- ↑ Beobachtungen auf einer Reise durch einen Theil von Westphalen und Holland. Nebst Erinnerungen an denkwürdige Lebenserfahrungen und Zeitgenossen in den letzten funfzig Jahren. Von D. August Hermann Niemeyer. Halle, in der Buchhandlung des Waisenhauses. 1823.