Toul.[]
Toul,[1] eine sehr alte Stadt, die Hauptstadt einer ehemaligen kleinen Grafschaft dieses Namens, mitten in Lothringen, nachher eine Reichsstadt, welche mit Metz und Verdün zugleich an Frankreich kam. Sie liegt an der Mosel, über welche eine schöne steinerne Brücke führt, in einem mit Weinbergen umgebenen Thale, und hat etwa 8000 Einwohner. Der kleine Fluß Aingressin, welcher durch die Stadt hinfließt, hat für sie manchen Vortheil, und dient vorzüglich auch zur Reinlichkeit derselben.
1700 wurden ihre alten Mauern geschleift, bei welcher Gelegenheit die Stadt selbst um ein ansehnliches vergrösert wurde, welcher neuer Theil auch ganz regelmäsig gebauet ist. Um diese Zeit bekam Toul auch neue Vestungswerke, aber ihre Lage im Thal zwischen hohen Bergen möchte freilich, wenn sie belagert werden sollte, ihre Vertheidigung eben so sehr erschweren, als ihre Einnahme erleichtern.
Der hiesige Bischof erkannte wie die Bischöffe von Verdün und Metz den Kurfürsten von Trier für seinen Erzbischof. Die Kathedralkirche ist gros und schön, und die funfzig Domherren des hiesigen Kapitels hatten ansehnliche Einkünfte.
Von Reisende.[]
Ludwig Rhesa.
- [1813]
Laon, den 12. März. 1814.
Nach zweitägigem Aufenthalte in Nancy setzten wir unsre Reise nach Chalons fort. Die Chaussee nach Paris ist eine der schönsten Wege in der Welt. Alle 3 Lieues findet man eine Poststation, und ein gutes Gasthaus. Wie in den Städten, so auch in den Dörfern Frankreichs steht über jeder Thür, der Name und die Handthierung des Eigenthümers vom Hause, mit großen Buchstaben aufgezeichnet, welches eine sehr nützliche Einrichtung ist, die vieles Nachfragen erspart. Wenn ein Haus zu verkaufen oder zu vermiethen ist, so wird dies gleichfalls mit großen Buchstaben an die Wand geschrieben. Wir lasen auf vielen Häusern die Aufschrift: Maison à vendre, deren Einwohner entflohen waren, um sie den Soldaten Preis zu geben. Wegen der häufigen Truppendurchzüge hatte man allenthalben Fenster und Thüren verschlossen, welches den Dörfern ein todtes Ansehn gewährte. Am 24sten Febr. langten wir in Toul an, einer Stadt von 12000 Einwohnern, die ein dreifach höheres Alter hat als Nancy. Man sieht ihr ehrwürdiges Alter an der Bauart der Häuser, den engen und schiefen Gassen, und besonders an der bejahrten Kathedralkirche, die schon über 1200 Jahre gestanden hat. Sie ist im altgothischen Styl gebauet, mit einem sehr hohen Gewölbe, das von riesenmäßigen Säulen getragen wird. Die Farben auf den Glasfenstern sind noch so frisch, als ob sie heute aufgetragen wären. Das Portal ist mit Buntwerk fast überladen. Die Stadt selbst ist ehemals befestigt gewesen, und noch itzt mit Wall und Graben umgeben. Man fährt über drei Brücken, ehe man ans Thor gelangt. Zum dritten Male stehen wir an den Ufern der Mosel, welche wir schon bei Coblenz und Trier durch romantische Rebenhügel sich hinschlängeln sahen. Auch hier, nahe am Fuß der Voghesen, hat sie schon ein gelbrothes Gewässer, welches von ihrer Wiege an ihr zum Erbtheil geworden ist. Mein Wirth war ein pensionirter Major, der die Feldzüge in Aegypten, Italien und Preußen mitgemacht hatte. Er schätzte sich sehr glücklich, nicht nach Rußland gegangen zu seyn, weil er alsdann nie sein Vaterland wiedergesehen hätte. Von Napoleon erzählte er manche harte Züge; unter andern, daß einst ein ägyptisches Weib um das Leben ihres Gatten bittend, sich mit ihrem Kinde vor ihm niedergeworfen, er aber mit dem Pferde, ihren Thränen nicht achtend, über die fortgesprengt sey. In dem Hause des Kommandanten traf ich fünf spanische Offiziere an, mit denen ich mich, weil sie der lateinischen Sprache kundig waren, über die Angelegenheiten ihres Vaterlandes unterhalten konnte. Sie sprachen mit vieler Achtung von Wellington, und hangen mit ganzer Seele an ihrem alten König.
Von Toul fuhren wir nach Ligny, im ehemaligen Herzogthum Bar.
Quellen.[]
- ↑ Geschichte und Beschreibung der französischen Niederlande des Elsasses und Lothringens. Leipzig bei J. A. Barth. 1794