Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Krieg und Aufruhr in Tyrol und Vorarlberg (1809).[]

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Krieg und Aufruhr in Tyrol und Vorarlbergischen, vom Ausbruche desselben bis zur ersten scheinbaren Unterwerfung.[]


Den unmenschlichsten Charakter nahm gleich Anfangs der Krieg in Tyrol an. Gegenseitige Wuth schien mit jedem Tage zu wachsen, und nirgends bewährte die traurige Erfahrung sich deutlicher als hier; daß Grausamkeit nur Grausamkeit erzeuge.

Chasteler drang am 9. April durch das Pusterthal ins Land; die salzburgischen Jäger und einige Bataillone Infanterie, mit Steigeisen versehen, setzten sich durch das Zillerthal mit ihm in Verbindung. Die Tyroler griffen nun gegen die Baiern zu den Waffen. Die Baiern zogen sich am rechten Eisackufer immer fechtend zurück. Der Rückzug ging fort nach Sterzing, und die Baiern wurden jetzt noch durch 3600 Mann französischer Truppen verstärkt; dennoch erlagen sie der Uebermacht. Sandwirth Hofer drang mit den Bauern aus Passeyer und Sarentheim; Chasteler mit den östreichischen Linientruppen und Landwehr-Bataillonen andererseits vor. Im Ober- und Unterinnthale ergriff das Landvolk die Waffen; die in Innsbruck liegenden baierischen Truppen zogen den Insurgenten entgegen; wurden aber von den Bauern zurückgetrieben. Die Insurgenten dringen in Tyrols Hauptstadt; der baierische Oberst Dietfurt findet hier im wüthenden Gefechte den Tod; General Kinkel geräth in Gefangenschaft, und am 14. April übernimmt hier der östreichische Major Teimer den Oberbefehl über die Insurgenten.

Die Baiern hatten sich vor den fanatisirten Landstürmern nach Kufstein, des Landes Hauptfestung, gezogen. Die Garnison machten nur 590 Köpfe aus. Am 17. April wurde bereits die Festung aufgefordert; allein der Commandant, d'Aigner, wies alle Aufforderungen mit harten Drohungen zurück. Oestreicher und Tyroler in Gemeinschaft, berennen nun diese Festung; Chasteler selbst fordert den Kommandanten zur Uebergabe auf, und erhält ebenfalls abschlägige Antwort.

Die Tyroler organisiren inzwischen eifrigst ihren Landsturm. Jetzt verkündet auch der Insurgenten Stimme von Tyrols Felsen den Vorarlbergern Freyheit und Erlösung. Der nachbarliche Zuruf erscholl am 22. April. Der Zuruf fand folgsame Herzen. In die benachbarten baierischen und wirtembergischen Provinzen brachen nun die wilden Haufen, und Baierns und Wirtembergs Herrscher mußten ungewöhnliche Streitkräfte zur Abwehrung des verheerenden Stroms in Thätigkeit setzen. Freywillige Jäger und Nationalgarden traten unter die Waffen. Zwey tausend Tyroler Insurgenten hatten bereits Füßen besetzt. Am 11. May erschienen 1500 Mann in Memmingen, wo alle königliche Kassen in ihre Hände fielen. Zu gleicher Zeit nahm Sennewirth Riedmüller von Pludenz, mit 900 der Seinigen, ein baierisches Depot in Semardingen, und entfernte sich schnell, als General Pickard heranrückte. Lindau ward von den Vorarlbergern am 15. May genommen.

Ernstliche Maaßregel gegen Tyrol in Thätigkeit zu setzen, gebot schon des Landes militärische Wichtigkeit; denn gewänn der Aufruhr wirklich dauernde Konsistenz, so wären des großen Heeres Flanken und Rücken gefährlich bedroht. Danzig erließ demnach von Salzburg aus, am 1. May, einen Aufruf an das empörte Volk, worin er es zur Ergebung ermahnt, andern Falls aber mit dem Untergange ihres Vaterlands drohet. Allein war vermochte die warnende Stimme gegen ein fanatisches, auf schon erkämpfte Siege stolzes Volk, das überdieß noch absichtlich durch falsche Nachrichten über den Gang der Kriegsereignisse getäuscht war?

Wrede rückte seiner Division gegen den Lofer- und Strubpaß vor. Der Versuch am 10. May, das Defilee zu umgehen, misglückte wegen der steilen Felsen und des vielen Schnees im Gebirge. Nach langem Widerstande wurden beyde Pässe genommen. Muthig drang Graf von Berchem mit Bataillonen in die feindlichen Verschanzungen; viele bewaffnete Insurgenten wurden niedergemacht, und die andern versprengt; des Landes Bollwerk war genommen. Zu gleicher Zeit hatte Deroy mit seiner Division sich von Rosenheim aus in Bewegung gesetzt. Die Tyroler vertheidigten jede Höhe; am heftigsten war der Widerstand bey der abgebrochenen Brücke am Kieferbache; allein das überlegene Artilleriefeuer der Baiern trieb endlich die Tyroler zurück. Von Höhe zu Höhe vordringend kam Deroy gegen Abend in Kufsteins Höhe. Kufstein ward entsetzt; die Besatzung empfing ihre Kampfgefährten mit dem schmetternden Zurufe: es lebe Maximilian Joseph! Den folgenden Tag rückte Danzig mit Wredens Division, von Weidering vor, überall von den Insurgenten aufgehalten, über Elmau, und ward bey Söll und Wörgel von Oestreichern unter Chasteler und von Insurgentenhaufen angegriffen. Von beyden Seiten wurde mit der größten Erbitterung gefochten. Endlich blieb der Sieg den Baiern, welche 12 Stücke Geschütz und mehrere Fahnen erbeuteten, 2000 Oestreicher gefangen nahmen, und die Flüchtigen auf der Ebene von Egendorf bis über Rattenberg verfolgten. Am 15. May mußte Wrede gegen Schwatz vordringen. Jeder Schritt kostete Blut. Beym Uebergange über den Fluß Zill ward der Widerstand heftiger; die Baiern verlohren viele brave Officiere. Bey Rothholz verdoppelte sich das Feuer; nur Haubitzgranaten verscheuchten das Insurgenten-Volk. Vor Schwatz standen auf der Ebene die Oestreicher, 3 Bataillone stark, von etwas Reiterey und Insurgenten-Haufen unterstützt. Die Baiern beschoßen mit zahlreicher Artillerie den Feind, der sich hinein nach Schwatz warf, und verzweiflungsvoll aus den Häusern feuerte. Schwatz ward nach wiederholten Stürmen von den Baiern eingenommen; die Blut- und Mordscenen in der Stadt waren schrecklich; die Wuth der Soldaten ohne Gränzen. Die Stadt ward eine Beute des unaufhaltsam wüthenden Brandes.

Am 17. May Abends, ward ein Stillstand des Mordens auf 36 Stunden bewilligt. Nach Ablauf dieser Frist rückte Wredens Division auf dem linken, und Deroys Division, bey welcher sich der Oberfeldherr befand, auf dem rechten Innufer vor. Am 19. Abends rückten die Baiern, Wrede an ihrer Spitze, wieder in Innsbruck ein. Den Abgeordneten der Stadt, die entgegen kamen, ward Schonung und Gnade für die verführten Unglücklichen zugesichert. Kraftvolle Worte sprach Wrede zu den Ueberwundenen; es erscholl nun ein lautes Vivat für Baierns König *). Danzig und Wrede zogen, am 24. May, von Innsbruck nach Salzburg ab; Deroy allein blieb mit 6000 Mann und 18 Kanonen daselbst zurück.

*) Wrede unterbrach die Jauchzenden, und sagte: "Ruft nicht Vivat, Tyroler! es geht euch nicht von Herzen! nach Jahren erst, wenn ihr euren guten König ganz kennen werdet, dann erst könnt ihr, aus dem Herzen, Ihm ein Lebehoch rufen!"

Letzte Kriegsbegebenheiten in Tyrol und im Vorarlbergischen.[]


Tyrols Unterwerfung war nur scheinbar, nicht aber ernstlich gemeint. Schon am 25. May wurde Deroy, welcher mit seiner Division in Innsbruck zurückgeblieben, von einem großen Haufen Insurgenten, in Verbindung mit etwa 600 Mann östreichischer Infanterie und 3 Kanonen, heftig angegriffen. Die baierischen Vorposten mußten der Uebermacht weichen; erkämpften zwar einige ihrer Positionen wieder; allein in den nächsten Tagen zogen über den Brenner immer stärkere Insurgentenhaufen heran, so, daß am 29. May ihre Zahl bereits auf 18000 Mann angewachsen war.

Nun griffen sie das bey Innsbruck stehende Corps mit verdoppeltem Nachdrucke an, und richteten von Bergen auf die im Thale stehenden Baiern ein mörderisches Stutzenfeuer. Zu gleicher Zeit attakirte ein zahlreicher, von regulärem östreichischen Militär unterstützter, Haufen das baierische Detaschement an der Haltbrücke, und nöthigte es zum Rückzuge, während ein anderer Haufen das baierische Corps, welches unter des Brigadiers, Max Grafen von Arco, den Paß in der Scharnitz besetzt hielt, von dort zu vertreiben sich anstrengte. Authentische Nachrichten versicherten; daß das ganze bisher ruhiggebliebene Oberinnthal, von Finstermünz bis ans Ende der Herrschaft Kufstein, und so auch die Gegend um Schwatz und Rattenberg, unter den Waffen stehen. Der baierischen Truppen war also jede Komunication mit den altbaierischen Provinzen auf allen Seiten abgeschnitten; an Zufuhr von Lebensmitteln nicht zu denken; aus den noch besetzten Gegenden, zur Unterhaltung der Truppen, gar nichts zu ziehen, und der Abgang an Munition auf keine Weise zu ersetzen. Deroy war also genöthigt, sich zurückzuziehen.

Major Teimer, östreichischer Kommandant in Tyrol, forderte Deroy auf, sich zu ergeben. Deroy setzte aber seiner beschwerlichen Rückzug fort. Jetzt fand er die Innbrücken zu Hall, Volters, Schwatz und Rattenberg zerstört; die, zur Herstellung derselben aufgeforderten, Einwohner beantworteten die Aufforderungen mit Flintenschüssen aus Büchsen und Felsenschluchten. Der baierischen Division blieb nichts übrig, als auf dem linken Innufer, durch unwegsame Gebirge und Waldungen, und verfolgt vom Feinde, ihren Marsch fortzusetzen. Doch gelang es Deroy, beym Flecken Rosenheim endlich eine feste Stellung zu nehmen, welche die Insurgenten von Incursionen gegen München abhalten konnte.

Nach Deroys Abzuge blieb Arcos Stellung in Mittenwald ganz isolirt. Die Stärke des Corps desselben bestand aus 787 Mann Infanterie, 140 Mann Kavallerie, 13 Officieren, 18 Kanoniers mit 2 sechspfünder Kanonen. Mit Wuth warfen sich jetzt die Tyroler, von der Scharnitz her, auf dieses Corps; mit genauer Noth entkam dasselbe nach Kochel, am See gleiches Namens. Schon damals spielte Andreas Hofer, Sandwirth von Passeyer, als Insurgentenchef, eine große Rolle.

Im Vorarlbergischen haus'te zu gleicher Zeit Dr. Schneider. Während dieser hier die Verwaltung führte, streiften die bewaffneten Haufen gegen Lindau, und hatten mehrere blutige Gefechte mit den Baiern, Wirtembergern und Franzosen bey Kempten. Riedmüller war der Hauptanführer. Oft zurückgetrieben, kamen sie auch öfter wieder, und Wirtembergs König sah sich genöthigt, des Landes Streitkräfte zu verdreyfachen. Des Königs eigene Garde rückte aus; Furcht und Schrecken hatten alle Gegenden am Bodensee ergriffen.

Indeß stürmten die Tyroler nach Murnau, Mittenwald, Wiesbach, Tölz u. s. w.; erpreßten Geld und Waffen; trieben ganze Heerden von Schlachtvieh fort, und requirirten gewaltsam. Bauern und Zimmerleute zur Schanzarbeit in der Scharnitz. Es war höchste Noth, Altbaiern gegen diese Gräuel zu schützen. Deroy, von Rosenheim über München und Wolfrathshausen vorgeschritten, ließ daher Murnau durch ein starkes Detaschement besetzen; General Vincenti marschirte nach Benedictbeuern, und Arco hatte seine Stellung zwischen Kochel und Walchensee. Ganze Schaaren von Freywilligen aus verschiedenen Städten Baierns gesellen sich zu den Linientruppen. Heftig ward von den Insurgenten der Festung Kufstein zugesetzt. Deroy mußte Anstalten treffen, diesen wichtigen Ort, sollte er nicht fallen, mit allem Nöthigen zu versehen. Glücklich ward auch Kufstein verproviantiret, und die kranke Mannschaft auf Schiffen nach Wasserburg gebracht.

Die heftigsten Gefechte fanden, am Ende des Junius bis zur Mitte des Julius, statt, bey Lindau, Kempten, Kochel und Murnau. Vor erstgenannter Stadt erschienen 2000 Vorarlberger, und drangen in die Stadt; wurden aber mit bedeutendem Verluste zurückgeschlagen. Nicht minder heftig war der Kampf bey Kempten und Kochel; am heftigsten aber bey Murnau, wo Arco am 18. July die wüthend andringenden Tyroler, mit großem Verluste, zurückwarf, und Hauptmann Baur den Rückzug mit vorzüglicher Tapferkeit und Einsicht leitete. Die baierische Regierung versäumte zwar nichts, die Verblendeten zur Vernunft und Ruhe zurück zu führen; aber Alles war vergeblich.

§. 6.[]

Indeß mußten die östreichischen Truppen, dem geschlossenen Waffenstillstande gemäß, Tyrol wirklich räumen. Allein die Insurgenten begaben sich noch immer nicht zur Ruhe. Um endlich dem Aufruhre ein Ende zu machen, und da die baierischen Truppen gegen Oestreich, wegen des nahen Friedens, nicht mehr nöthig seyn schienen: ward der Entschluß gefaßt, mit verstärkten Kräften in Tyrol einzudringen. Diesem zufolge brach Wrede mit seiner Division von Linz und Wels auf; gieng über Salzburg und Traunstein, und kam am 18. Octob., bey St. Johann, auf der Strasse nach Innsbruck, an. Die Division des Kronprinzen, welche bisher in Salzburg gestanden, rückte von da am 17. Oct., in Loser ein; und Deroys Division ging von Kufstein vor; kam am 28. Oktob. zu Wörgel an, und stand dadurch in Verbindung mit den Truppen unter Wrede. Die Uebermacht, und besonders die Menge des baierischen Geschützes, brach beym ersten Anblicke den Muth der Insurgenten. Die Salzburger und Pinzgauer hatten sich schon unterworfen; auch die Bewohner der vordern Thäler Tyrols kehrten in ihre Hütten zurück. Aber nicht so war es im Innern des Landes. Hofer stand da an der Spitze; sein festes unangreifbares Lager blieb auf dem Brenner; den Iselberg hatte er noch besetzt, und im Passe Lueg trotzten noch einige hundert unerschüterte Männer.

Als der Kronprinz mit den Generalen Drouet und Wrede gegen Innsbruck herankam: fand er die Innbrücke abgetragen. Es kostete erst harten Kampf, solche zu passiren, und die Insurgenten nach dem Isel zu vertreiben. Während der Kronprinz zu Innsbruck den Frieden feyerlich bekannt machen ließ, setzte die französisch-italienische Armee ihren Marsch durch Krain nach Tyrol fort. Eugen forderte die Tyroler zur Unterwerfung in Napoleons Namen auf. Viele unterwarfen sich; mehrere hielten den Isel besetzt; riefen ihre Nachbarn zu den Waffen, und drohten Innsbruck in einen Aschenhaufen zu verwandeln.

Geheimnißvoll ward daher die Bestürmung des Isels beschlossen. Unter dem heftigsten Kanonenfeuer begann am 1. Novemb. der Sturm auf den Isel. Dieser Berg ward genommen; die Tyroler fliehen in Unordnung; alles feindliche Geschütz fällt in der Sieger Hände. Selbst Hofer schien sich jetzt zur Unterwerfung zu neigen. Von Seiten des Generalkommandos erging nun eine Bekanntmachung; daß jeder Tyroler, welcher24 Stunden nach dieser Promulgation mit den Waffen ergriffen würde, als Straßenräuber betrachtet und hingerichtet, auch jedes Dorf niedergebrannt werden sollte, dessen Bewohner sich Beleidigungen gegen Militärs zu Schulden kommen lassen.

Der harte Befehl entflammte von neuem die Wuth der rohen Gemüther; Hofer rief wiederholten Malen zu den Waffen. Allein Tyrols Kraft war gebrochen; Baiern und Franzosen standen mitten im Lande. Barguay d'Hilliers und Broussier ließen zu Lienz, Brunnecken, Sillian, Innichen, Töblach u. s. f. tapfer hängen und füsiliren; selbst Geistliche wurden zum Todte verurtheilt. Hofer war verschwunden; es fügte sich endlich Alles unter die Gewalt, und Maximilian Joseph verzieh gerne. Die tyroler Geißeln wurden gegen Auslieferung gefangener Soldaten und Civilbeamten frey gegeben. Tyrol schien nun beruhigt; die Gewalt, nicht die Ueberzeugung hatte gesiegt.


Wien Museum


[Ein Transport Tyroler Gefangenen am ChiemSee.]


Quellen.[]

  1. Kriegsgeschichte der Baiern von der ältesten bis auf die gegenwärtigen Zeiten. Von Jos. Ant. Eisenmann, Professor der Geschichte und Geographie am königl. baier. Kadeten-Corps. München 1813, in Commission bey Joseph Lindauer. Gedruckt bey J. G. J. Seybold.
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