Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Holland vor der dermaligen Revolution.[]

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Die Sieben vereinigten Staaten waren vorher Provinzen der grossen spanischen Monarchie und wurden nach der damaligen Politik des Cabinets behandelt; so gar die Inquisition, diese Feindin der Vernunft und menschlichen Freiheit, wurde eingeführet. Da sich das Volk hierauf empörte und anfieng sich in den Besitz seiner Rechte zu setzen: so stellte sich Wilhelm der Erste, Prinz von Oranien, an seine, des Volks, Spitze und half ihm die Freiheit erkämpfen. Heldenmüthig und mit Gefahr des Lebens vertheidigte Prinz Wilhelm und einige seiner Verwandten, die Grafen von Nassau, die Sache der Niederländer. Ihre Tapferkeit würde nicht gesiegt haben, wenn des Prinzen Klugheit und standhafter Muth nicht vorgeleuchtet und die Mittel ersonnen hätte, wie sie ihre Freiheit behaupten und ein selbstständiger Staat werden konnten.

Im Jahr 1579 kam zu Utrecht die Vereinigung der sieben vereinigten Provinzen zu Stande. Sie vereinigten sich zwar zu Einem Staat, aber jede einzelne Provinz behielt sich doch die höchste Gewalt, innerhalb ihrer Grenzen auszuüben, vor. Es sind also sieben souveraine Staaten, welche in einem eng verflochtenen Staatenbunde leben. Hier wurde der erste Grund zu den Holländischen Unruhen gelegt.

Wir wollen die Sache näher beleuchten.

Der holländische Freistaat bestehet aus Sieben unabhängigen Staaten. Jeder hat seine eigene Verfassung; jeder übet innerhalb seiner Grenzen die Hoheitsrechte aus. Diese Staaten leben in einem gemeinschaftlichen Staatenbund vereint, und bilden also in dieser Rücksicht nur Einen Staat.

Jede Provinz hat ihre Provinzialstaaten, welche die Regierung in derselben besorgen; und in der Versammlung der Generalstaaten, hat jede Provinz Eine Stimme, wozu sie aber mehrere Deputirte, jedoch auf ihre eigene Kosten, abschicken kann. Da nun die Generalstaaten-Versammlung gewöhniglich aus vierzig, oft fünfzig Gliedern besteht, und nur Sieben Stimmen, für jede Provinz Eine, in der Staatenversammlung abgelegt werden, so haben jederzeit mehrere Deputirten nur Eine Stimme.

Jedes neue Gesetz oder neue Einrichtung, welche die Generalstaaten entwerfen, kann erst gesetzliche Kraft erhalten oder ausgeführet werden, wenn es durch die sämtlichen vereinigten Provinzen ist gebilliget worden. Dass dieses einen ungewöhnlich trägen Gang, selbst bei den wichtigsten Vorfallen und Projekten, veranlasset, ist leicht abzusehen. Bis eine solche Materie in allen Provinzen ventilirt ist und die erforderlichen Gelder verwilligt sind, gehet viele Zeit verlohren; ja die Sache selbst, so nützlich sie auch an und für sich selbst ist, unterbleibt oft, weil diese oder jene Provinz glauben mag, dass eine andere vorzüglichen Nutzen und Gewinn davon zu erwarten und nur deshalb die Sache vorgeschlagen habe. Dieses verhindert die Operationen bei Kriegen und stöhret das Geschäft bei Friedensunterhandlungen.

Da nun das Stimmenrecht in jeder Provinz, wieder von verschiedenen Städten und Corporationen, abhängt: so ist es klar einzusehen, wie viele Discussionen es geben muss, so oft über eine wichtige Sache die Frage ist.

In handelnden Staaten ist das Interesse der Staatsbürger einer immerwährenden Rivalität unterworfen. Daher die Verschiedenheit bei jeder Abstimmung.

Es ist wahr, von je Mehreren Seiten eine Sache beleuchtet wird, desto mehr wird sie ins Licht gesetzt. Die Einrichtung mit den General- und Provinzialstaaten lässt sich also in dieser Absicht vertheidigen. Aber wie, wenn eine dem ganzen Freistaate nützliche Anstalt von Wichtigkeit in Vorschlag gebracht wird, und dieser und jener im Ansehen stehende Deputirte bei den Provinzialstaaten, hält sie für sein oder seiner Familie Privatinteresse nicht vortheilhaft; wird er da nicht alles anwenden, um seine Provinz dahin zu bringen, dass sie verneinend votirt? und wenn sich nun dieses zu gleicher Zeit in mehrern Provinzen zutrüge, soll deswegen der allgemein nützliche Vorschlag unausgeführet bleiben? Jeder wird diese letzte Frage verneinen; aber dich geschieht es, wenn es dem Statthalter nicht gelingt, eine Vereinigung zu Stande zu bringen; zumalen da nach der Constitution es erforderlich ist, dass bei wichtigen Geschäften nicht die Mehrheit der Stimmen, sondern Einstimmigkeit entscheidet.

In solchen Fällen, wo die Provinzen unter sich nicht einig werden können, welches sehr oft geschieht, da der Ausdruck der Constitution: wichtige Geschäfte, oder Angelegenheiten, zu unbestimmt ist, und den Geschäftsgang hemmt; da derjenige, welcher diffentirt, sich hinter die Constitution steckt, und den Fall als wichtig oder nichts wichtig auslegt, sucht der Statthalter die Vereinigung zu bewürken. Ist er glücklich, und der in Frage stehende Vorschlag wird ausgeführet; so hat der Fürst für seine dabei gehabte Mühe und vaterländische Absicht, weiter keinen Dank -- als dass er von den diffentirenden Deputirten, die ihren Privatvortheil durchzusetzen, verfehlet haben, nunmehro angefeindet wird! Diese suchen nun die guten Absichten des Statthalters in ein verkehrtes Licht zu setzen und wenden alle Mittel an, im sich Anhänger zu verschaffen. Schreier werden gedungen und dem schwachköpfigten Theil wird eine Brille auf die Nase gesetzt, durch die sie nichts sehen, als was die Feinde der Statthalterwürde sie wollen sehen lassen.

Dieses ist die in der Wahrheit begründete Ursache fast alle Unruhen in dem Freistaate. Daher kommt es dann aber auch, dass bei allen und jeden Unruhen, ohne Ausnahme, jederzeit so viele durchaus ehrliche und kluge Männer, die Theil an der Regierung haben, auf der Oranischen Seite sind, und dass es das Volk grösstentheils immer ist. Das Volk, oder die Nation, nicht die, welche in ihrem Namen zu reden, sich kürzlich angemasset haben, urtheilet richtig und weiss, dass ohne die Statthalterwürde seine Rechte von andern schon lange wären usurpirt worden. Eine solche Staatenverbindung kann auf die Länge durchaus nicht bestehen, wenn nicht ein gemeinschaftlicher Vereinigungspunkt die Einzelnen Staaten verbindet. Diese Vereinigungspunkt in dem niederländischen Freistaate, sind die Generalstaaten und der Erbstatthalter. Da aber die Glieder der Generalstaaten nur nach dem Willen ihrer Provinzen stimmen können; so sollte hierinnen die Verfassung einige Modificationen erhalten, wodurch auch zugleich der Statthalter in den Stand gesetzt würde bei solchen strittigen Fällen, die besten Mittel in Verbindung mit den Generalstaaten zu wählen. Je blühender der Freistaat ist, je vortheilhafter ist es für den Erbstatthalter; es wäre also für die Haltbarkeit des Staats gesorgt gewesen, wenn ihm in Fällen, wo es dessen Wohl erfordert, ein entscheidenderes Wort zu sprechen, besonders in Rücksicht der ausübenden Gewalt, eingeräumt wäre. Die Geschichte, diese wahrheitsliebende Lehrerin, beweisst es ganz deutlich, dass die Statthalterwürde unentbehrlich ist. Wenn Holland keine Statthalter hatte, so war die Rolle, welche der Freistaat spielte, klein und glanzlos; ausser in einigen Fällen, wo verschiedene Regierungsglieder das Ansehen eines Statthalters usurpirt hatten; welches letztere für die Statthalterschaft alles beweiset und sie dem Batavischen Volk als sehr wichtig darstellen sollte.

Die Statthalterwürde ist in dem Gesetz und mehreren beschwornen Verträgen gegründet; so lange sie also bestehet, fallen alle Begierden nach solchen Usurpationen dieser erblichen Würde hinweg; dadurch wird gar vieles Unheil vermieden und der Staat gegen Ruin bringende Zwistigkeiten gesichert. Dem Erbstatthalter ist eine Provinz und das Wohl derselben, so angelegen als die andere. Das würde aber ganz anders sich verhalten, wenn ein Demagoge seine Stelle an sich reissen könnte. Die Provinz von der er deputirt wäre, würde vorzüglich die Begünstigte werden; es würden dadurch Streitigkeiten entstehen, welche die Festigkeit des Staatenbunds tief erschütterten. Wenn auch keine völlige Dissolution sogleich erfolgte; so würde sie doch in der Folge nicht ausbleiben, und nun wäre das Glück des Staats ruiniret.

Von den innern Unruhen machen die auswärtigen Mächte Gebrauch, der Handel sinkt und kehrt zuletzt in ein trauriges Nichts zurück. Bei der constitutionsmäsigen alten Verfassung entstanden und herrschten ewige Missverständnisse unter den einzelnen Provinzen, welche nur durch die sorgfältigste Verwendung des Erbstatthalters konnten beigelegt werden; wohin sollte wohl der Staat schon lange gekommen seyn, wenn er keinen andern Vereinigungspunkt als die Generalstaaten -- wenn er keinen Statthalter gehabt hätte?

Da die vereinigten Staaten eine handelnde Seemacht sind, so sollten sie billig auf die Erhaltung ihrer Kriegsschiffe alle Aufmerksamkeit wenden. Die Anlage dazu existirt -- die Ausführung aber ist zu erwarten.

Die Angelegenheiten der Marine, werden durch fünf Admiralitäts-Collegien besorgt. Diese schlagen den Provinzen vor, wie viel Schiffe, und von welchem Rang, zu erbauen sind, und wie hoch sich die erforderlichen Kosten belaufen. Wenn dieses geschehen ist, so verwilligen -- nicht der Erbstatthalter -- nicht die Generalstaaten -- sondern die einzelnen Provinzen, die behufigen Gelder.

Aus dem letzten deutschen Reichskriege weiss man, wie es mit den Contingenten geht; jeder mächtigere Stand stimmt, verspricht, stellt oder zahlet aber nichts. So gehet es auch mit diesen Schiffsbau-Geldern. Im Jahr 1741. thaten die Admiralitäts-Collegien einen Vorschlag zu Verbesserung der Flotte und verlangten die nöthigen Gelder; die Sache wurde theils declinirt, theils verwilligt; endlich, auf vielfache Verwendung Wilhelms IV, der Vormundschaft, und des darauf folgenden dermaligen Statthalters, wohl verwilliget, aber nicht bezahlet. Im Jahr 1771. waren die Gelder bei weitem noch nicht gezahlt; wenig oder nichts.

Die Wahrheit des so eben Erzehlten, bezeugen mehrere glaubwürdige holländische Schriftsteller.

Wer wird nun wohl noch den verläumderischen Aussprengungen beitretten können, als habe der Erbstatthalter, dieser gütige liebevolle Fürst, die Flotten absichtlich vernachlässiget? -- Das Gegentheils liegt hier klar zu Tage! Auch den Admiralitäts-Collegien ist die Schuld nicht beizumessen; diese thaten ihre Pflicht -- die Provinzen zauderten.

Es ist ein schändlicher Zug in dem Charakter der Undankbarkeit, wenn geleistete wichtige Dienste nicht belohnet werden; schändlicher aber noch: wenn sie ganz und gar vergessen werden.

So blühend der Handel Hollands von je her war, mit so vielen Schwierigkeiten hatte er doch immer zu kämpfen. Die ungeheuren Sandbänke den Küsten entlang, beschweren das Einlaufen der Schiffe. Die verschlossene Schelde sicherte bisher dem batavischen Volk seinen Handel, und hinderte das Aufblühen von Antwerpen und den andern Städten dieses Flusses.

Es war daher kein geringer Schrekken, welchen der Kaiser Joseph II. im Jahr 1784. den Holländern einjagte, als er Miene machte, die Schelde mit Gewalt zu eröffnen und den Freistatt mit Krieg zu überziehen drohete. Die Stellung, welche der Erbstatthalter dazumal die niederländische Armee nehmen liess, diese, einen grossen Feldherrn zu erkennen gebende Disposition, setzte die Kaiserliche Armee so ausser allem Vortheil, dass ihr die Lust zum Vordringen benommen wurde. Die darauf erfolgten Unterhandlungen, welche der grosse Einfluss, welchen der Erbstatthalter an allen europäischen Höfen, durch seine erhabenen Verwandtschaften hat, durchaus begünstigte, und die er sich so sehr angelegen seyn liess, wendete die drohende Gefahr vollends ab. Die Schelde blieb verschlossen; kein Schiff durfte ein- noch ausgehen.

Den Ruhm, welchen der Erbstatthalter sich in dieser kritischen Lage erwarb, konnte ihm der Neid nicht rauben, obgleich das Dankgefühl, das in dem Busen der erkenntlichen Bataver brannte, nur im Stillen dem Verdienste zu opfern vermochte.

Zu dieser Zeit waren die Verführer des Volks nur eine kurze Zeit und dem Schein nach, ausser Thätigkeit gesetzt.

Unter den Verführern waren Verführte und wurden wieder Verführer; so täuschte einer den andern. Jeder glaubte in den Tagen der Zukunft zu höheren Ehrenstellen zu kommen, dadurch Gewalt an sich zu reissen, und seine unlauteren Begierden zu befriedigen. Der Herrschsüchtige sehnte sich nach Macht; nicht um dich freier und glücklicher zu machen, gutmüthiges Volk! sondern um dich zu unterdrücken; seine Willkühr sollte die Norm deiner Freiheit enthalten; seine Vorschläge würden Vorschriften, und seine Wünsche despotische Befehle geworden seyn.

Der revolutionssüchtige Geizige wollte nicht dich -- nein! er wollte sich selbst bereichern.

Um diese, im Finstern geschmiedeten Plane ausführen zu können, fehlte es an öffentlichen Aemtern, so wie solche gewünscht wurden; da sie sich den Erbstatthalter hierbei im Wege glaubten, und sich vor dessen aufrichtigen, vaterlandsliebenden Gesinnungen fürchten mussten: so suchten sie Anhänger zu bekommen, und bedienten sich dazu aller der Mittel, die dahin abzwecken konnten.

Catalina war der Lehrmeister dieser Männer; der Plan war derselbe, nur dass in Ansicht der Anlage einige Modification statt findet, die dem veränderten Zeitalter, nicht dem Charakter der handelden Personen, beizumessen ist.

Wie sich diese intendirte Revolution einigte, ist bekannt; die kleine Zahl der Verführer knirschte -- die grosse Menge der Verführten schämte sich ihrer Leichtgläubigkeit und -- doch lasst und hinwegblicken von diesen Auftritten, welche das sonst so dankbare batavische Volk nachher bereuet hat -- das Volk, nicht diejenigen, welche unter französischem Beistand, dermalen die höchste Gewalt an sich gerissen haben.

Kurz nach der Revolution von 1787. sprach ich selbst einen von den Gegnern des Erbstatthalters und fragte ihn:

"Sind sie persönlich durch den Erbstatthalter beleidiget worden?"

Nein!

"Aus welchen Gründen hassen Sie denn diesen liebenswürdigen Fürsten?"

Gründe habe ich keine.

"Müssen Sie nicht gestehen, dass ohne die Statthalterwürde der Genius der niederländischen Freiheit vielleicht schon lange mit Asträa zurückgekehret, der Staat zertrennt oder das Eigenthum eines angrenzenden Monarchen wäre?"

Das ist sehr wahr; ohne Statthalter kann unser Freistaat nicht bestehen, und würde ohne diese Würde nicht bis jetzt bestanden haben.

"Und Sie waren bei dieser Ueberzeugung gegen den Statthalter? die Hand auf die Brust: warum?"

Aufrichtig! ich bin reich und war begierig eine öffentliche Rolle zu spielen; die Anführer und Lenker benutzten meine schwache Seite, versprachen mir Ehrenstellen -- und ich liess mich verführen.

"Ha, bravo! -- aber Ehre dem Ehre gebühret!"


Quellen.[]

  1. Holland vor und nach der Revolution in Beziehung mit der Statthalterwürde betrachtet. Frankfurt am Main in der Hermannschen Buchhandlung 1795.
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