Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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S. Gallen.[]

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S. Gallen, volkreiche und wohlgebaute Hauptstadt des Cantons St. Gallen, am Flüßchen Steinach, reformirter Religion. Sie hat 7 Thore, und mit den 3 Vorstädten über 1400 Häuser, und 9,500, innerhalb der Ringmauern aber 7500 Einwohn. Die 6 Kirchen, das Gymnasium, die Stadtbibliothek und das schöne Rathhaus sind sehenswerth; und das Arsenal und Hospital haben eine gute Einrichtung. Die Stadt ist der Mittelpunkt alles Gewerbs und Handels der ganzen umliegenden Landschaft. Was in derselben gesponnen und gewebt wird, erhält hier seine völlige Appretur, und wird durch die zahlreiche und wohlhabende Kaufmannschaft versendet. 8 große Bleichen, Maschinenwerke, Druckereyen in und zunächst um die Stadt dienen zu dieser Absicht, so wie die zahlreichen Stickerinnen, welche geschmackvolle und feine Arbeit liefern. Die Hauptgeschäffte werden mit feinen Musselinen, Zizen und andern Baumwollenstoffen und dann mit der Leinwand gemacht; aber auch der Transitohandel und die Speditionsgeschäffte, sind von Erheblichkeit. Die ehemalige berühmte Benediktinerabtey

S. Gallen, ist mit der Stadt in einerley Mauern eingeschlossen. Der gefürstete Abt aber hatte in der Stadt nichts zu befehlen, sondern sein Gebiet war mit einer hohen Mauer besonders umfaßt. Hier ist zu besehen das Münster, mit den Gebeinen St. Galli und anderer Heiligen, die St. Othmarskirche, die sogenannte Pfalz oder Residenz des Abts, das Gebäude der Capitularen, und die mit vielen raren Handschriften versehene Bibliothek. Der Abt war ein deutscher Reichsfürst, ohne jedoch zu den Reichsbedürfnissen etwas beyzutragen. Die Besizungen dieser fürstl. Abtey bestunden ausser mehrern in Helvetien und Schwaben zerstreuten Gütern, 1) aus der Alten Landschaft oder dem Strich Landes zunächst um die Stadt St. Gallen her, und 2) aus der Grafschaft Toggenburg, wo aber die Vorrechte des Landesherrn durch die Privilegien der Einwohner sehr eingeschränkt waren. Beide Theile haben auf einem Flächenraum von 19 QM. gegen 95,000 Einwohner. Diese vorzüglich in der Alten Landschaft starke Bevölkerung kommt zum Theil von der Fruchtbarkeit des Landes, welches Getreide, Obst, Hanf und Flachs reichlich hervorbringt, auch eine ansehnliche Viehzucht, folglich Butter, Käse xc. zur Ausfuhr hat; noch mehr aber von der über jedes Dorf verbreiteten Betriebsamkeit für Manufakturarbeiten. Ueberall wird Flachs und Baumwolle, meist mit großer Feinheit gesponnen, Leinwand, Kotton, Musseline verfertigt, und dann in der Stadt gebleicht, ganz in das Reine gebracht und versendet. Die hiesigen Arbeiten übertreffen an innerer Güte die englischen Baumwollenstoffe und die schlesische Leinwand. Die Einwohner der Alten Landschaft bekennen sich zur kathol. Kirche; in Toggenburg haben sie gleiche Rechte mit den zahlreichen reformirten Gemeinen. -- Die Stadt St. Gallen sowohl als die Abtey, gehörten unter die zugewandten Orte der helvetischen Eidgenossenschaft; und das Domkapitel des leztern bestund aus 67 Capitularen, 7 Profess. und 20 Conversbrüdern. Durch die helvetische Revolution im Jahr 1798 verlor der gefürstete Abt seine Besitzungen, und nach mancherley Veränderungen wurden sie nebst der Stadt 1803 als selbstständiger helvetischer Canton St. Gallen erklärt; zu welchem man noch das Rheinthal, die Herrschaften Uznach, Gaster, Rappenschweil, Sargans und Sax fügte; so daß jezt der Canton Appenzell ringsum von dem Canton St. Gallen eingeschlossen ist, und der leztere auf 46 QM. wenigstens 152,000 Einwohner zählt. Er besteht seit 1803 aus den 8 Distrikten Stadt St. Gallen, Rorschach, Gossau, das untere Toggenburg, das obere Toggenburg, das Rheinthal, Sargans und Uznach. Diese Distrikte enthalten 44 Kreise, die höchste Macht ist in den Händen des großen Raths von 150 Mitgliedern; er sammelt sich jährlich am 1ten May, und seine Sitzungen dauern dieses Monat hindurch. Aus seiner Mitte wählt er 9 Personen, oder den kleinen Rath, welcher die Geschäfte im ganzen Jahre besorgt und dem vom Volke gewählten größern Rathe verantwortlich ist. -- Zu einem Contingent von 15,203 Mann stellt der Canton 1315 Mann Soldaten.


Quellen.[]

  1. Geographisch- Historisch- Statistisches Zeitungs-Lexikon von Wolfgang Jäger, Professor der Geschichte zu Landshut. Landshut, bei Philipp Krüll, Universitätsbuchhändler. 1811.
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