Splügen..[]
Splügen, Flecken in Graubünden, im obern Bund, in dem sogenannten Rheinwald, wovon der sehr hohe Splügerberg den Namen hat, über welchen die gewöhnliche Strasse aus Bündten nach Como in Italien führt.
Splügen.[]
Splügen (der Berg) Speluga, Ursus, Colmen del Orso, in der Zentral-Kette von Graubündten, und die Scheide zwischen dem nordischen und südlichen Himmel.
Weg über den Splügen. Ueber dieses Gebirge geht die betretenste Strasse aus Deutschland durch Graubündten nach Italien. Erst seit dem XIII. Jahrhundert ist der Pass über den Splügen und Bernhardino geöfnet und benutzt worden; denn vor dieser Zeit gieng die gewohnte Strasse über den Septimer. Von Chur über den Splügen nach Chiavenna sind es 18 St., über den Septimer 21 St. Von dem Dorfe Splügen längs dem Hausle-Bach auf die Höhe des Splügen zu dem dortigen Wirthshause 3 St. Hier hängt eine Glocke, welche bey starkem Schneegestöber geläutet wird, um den Reisenden die Richtung des Weges anzuzeigen, welches auch durch eingesteckte Stangen, Stazas genannt, geschieht. Der zu Zeiten vom Schneegestöber eigentlich gefährliche Weg geht von dem Wirthshause durch die schreckliche Kardinell, welche die Schöllenen auf dem Gothard an Schauerlichem nahe kömmt, neben der wüthenden Lira hin, nach Isola 2 St. Hier ist das Wirthshaus besser, wie auf dem Splügen. Dann geht es durchs Jakobs-Thal bis nach St. Maria noch 2 St. abwärts, und von hier bis Chiavenna 1 St. Auf der Emmet-Alp liegt ein kleiner See, und von dem Splügen führt durchs kleine Emmet-Thal ein Pfad ins Averser- und Ferrera-Thal. -- Die französische Reserve-Armee unter General Macdonald zog im J. 1800 vom 27. November bis 1. Dezember über den Splügen und verlor durch Lauinen viele Leute und Pferde.
Pflanzen. Daphne cneorum, am Wege. Rumex (acetosa) maxima, auf schattigen Alpen. Veronica aphylla, bellidioides und saxatilis. Poa disticha. Primula integrifolia. Phyteuma Scheuchzeri. Centaurea rhapontica, an der Südseite.
Geognost. Beschaffenheit. Man s. zuerst den Art. Rhein-Wald-Thal. An der Nordseite des Splügen herrscht Gneiss und Glimmerschiefer. Auf der Höhe, wo die Landstrasse darüber geht, sehr schöner weisser salinischer Marmor, der in Platten von 3/4 Zoll bricht, und zwischen Glimmerschiefer von SW. nach NO. streicht. An der Südseite des Splügen Hornblende und Spuren von Serpentin; tiefer ins Jakobs-Thal Granit in schrecklicher Zertrümmerung. Dieselbe Zerstörung der Granitfelsen siehet man im Plurser- und Ferrera-Thal. Auf dem Splügen findet man sehr helle und auch braune Krystalle.
Weg über den Splügen.[]
Um aus Deutschland durch Bündten nach Mailand oder Venedig zu reisen, ist dieses der kürzeste Weg. Er geht über Chur. Man kommt nach Chur aus Deutschland, von Lindau oder Feldkirch, durch den berühmten Luciensteig. Gewöhnlich veraccordirt man sich, wegen der Losten der ganzen Reise, so wie wegen der Mahlzeiten und Nachtlager, an den sogenannten Lindauer oder Mayländer Boten, deren zwey sind, von welchen einer alle Wochen die Reise einmal macht. Dieses ist die bequemste, wohlfeilste und sicherste Reiseart. Zu Chur fangen zwey Wege an, die zu Chiavenne zusammentreffen. Der obere Weg geht über den Septmerberg, und durchs Bregelerthal; der untere Weg ist die, hier beschrieben, Poststraße. Von Tusis aus gelangt man zur Via mala, wo man vom Rande der Brücke in die schwarze Tiefe hinabschauen und auf das dumpfe Tosen des Rheins lauschen muß, der hier einen Kessel bildet und durch eine enge Ritze im Felsen weiter abfließt. Zwey Stunden dauert die Via mala und öfnet sich ins Schamserthal. Der Rheinwald prangt mit schönen Tannen, worunter man sonst eine zeigte, die 25 Ellen im Umfange hatte. Im Dorfe Splügen übernachtet man. Von hier fängt die eigentliche Bergerklimmung bis zu einem einzelnen Wirthshause an. Von Isola reiset man durchs Jacobsthal nach Chiavenna, wo statt Schnee und Bergtrümmern, grünende Hügel mit Wein, Zypressen, Pfirsich- und Mandelbäumen des Wanderers Auge erquicken. Von Chiavenna mache man einen Abstecher nach der Stelle, wo Plürs verschüttet liegt, nach den nahen Topfsteingruben und dem Wasserfall Aqua Fraggia.) In Splügen ist das gute Wirthshaus zum weißen Kreuz und dicht dabey steht der cisalpinische, erste Gränzpfahl, durch den Revolutionskrieg, der auch in diesen schauerlichen Klüften wüthete, (man lese Ségur's Gemälde seines Zugs mit Macdonald's Heercolonne im Jahr 1800, bey Schnee und Eis, über dieses Gebirge, wo eine Menge Menschen und Pferde aufgerieben wurden) ist alles so umgekehrt, daß ein Reisender zwischen Chur und Chiavenna, wo sonst so viele Wirthshäuser und Schenken standen, kaum hier und da Obdach und Bewirthung antreffen konnte. Allein schon hat der Friede angefangen, viele dieser alten Wunden zu heilen.
Zug der Franzosen über den Splügen.[]
Der 27. November 1800.
Eine Unternehmung, die an das Unmögliche zu gränzen schien, war der Marsch des General Macdonald mit 10,000 Franzosen von Chur über den Splügen nach Chiavenna im November 1800. Wer die Schrecknisse der winterlichen Natur in einer wilden Gebirgsgegend kennt, wird die ganze Grösse der Schwierigkeiten fassen, welche sich dieser Truppe entgegenthürmten, als sie es wagte, das höchste und daher unwirthlichste Gebirge der Schweiz, diesen europäischen Hauptrücken, in dem rauesten und gefährlichsten Theile des Spätjahrs, wo Lawinen, Nebel und Schneewolken jedem Reisenden beinahe sicheres Verderben drohen, zu übersteigen. Merkwürdig und grossartig, wie einst jener Hannibal über die Alpen, bleibt dieser Zug, welcher nur der höchsten Entschlossenheit und Ausdauer gelingen konnte.
General Laboissiére führte die erste Abtheilung des Corps, 3 Reiterregimenter. Am 27. Novemb. trat er den Marsch auf den Splügen an. Am Abende des Tages riss sich vom Westwind erschüttert eine Lawine los, begrub 30 Dragoner, und trennte den Generalen von seinen übrigen Truppen. Diese mussten in das Thal an dem Fuss des Berges zurückkehren. Drey Tage lang wüthete ein schrecklicher Orkan, dessen in herabstürzten Lawinen sich beurkundende Spuren alle Wege deckten, und jede Verbindung hemmten.
Mit unbeschreiblicher Anstrengung und Betriebsamkeit liessen Macdonald und Dumas am 1. December von neuem die Bahn ebnen, und eine kleine Abtheilung über den Splügen gehen. Dieser folgten am 2. und 3. Decemb. andere Abtheilungen, und endlich am 5. die Hauptcolonne unter Vandamme, Macdonald und seinem Generalstab. Gerade diesem letzten Heerestheil thürmte sich auf der Höhe des Splügens in einer Gletscherenge eine ungeheure Schneewand entgegen, und drohte ihm Vernichtung. Da wirkte das Beispiel des Feldherrn und der übrigen Generäle, die selbst Pike und Schaufel zur Hand nahmen, um durch ihr Beispiel die Mannschaft, welche der Schrecken entmuthet hatte, zu der unmöglich scheinenden Arbeit anzueifern, die hier allein retten konnte. Es gelang nach langer anhaltender Mühe, den Schneeberg durchzugraben, und die Geretteten eilten in möglichster Hast nach Isola in Sicherheit.
Dieser Zug bleibt als das Werk einer unbeugsamen ausdauerndem Willenskraft, ein würdiger Gegenstand der Aufmerksamkeit jedes Militairs.
Quellen und Literatur.[]
- J. G. Ebel, M. D. Anleitung auf die nützlichste und genussvollste Art die Schweitz zu bereisen. Zürich bey Orell, Füssli und Compagnie. 1804.
- Der Passagier auf der Reise in Deutschland und einigen angränzenden Ländern, vorzüglich in Hinsicht auf seine Belehrung, Bequemlichkeit und Sicherheit. Ein Reisehandbuch für Jedermann vom Kriegsrath Reichard, auch Verfasser des Guide des voyageurs en Europe. Berlin, 1806. bey den Gebrüdern Gädicke.
- Geographisch- Historisch- Statistisches Zeitungs-Lexikon von Wolfgang Jäger, Professor der Geschichte zu Landshut. Landshut, bei Philipp Krüll, Universitätsbuchhändler. 1811.
- Historischer Militair-Almanach des 16. 17. 18. und 19. Jahrhunderts. Mit besonderer Hinsicht auf das letztere, und den oesterreichischen Kaiserstaat. Mit 15 Portraits, für Freunde der neueren und neuesten Kriegsgeschichte von Johann Ritter von Rittersberg. Prag bei C. W. Enders 1825.