Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Spandau.[]


Spandau,[1] Stadt am Fluß Havel, wo die Spree hinein fällt, in der Mittelmark Brandenburg, 2 Meilen von Berlin. Sie hat 2 lutherische, 1 reformirte und 1 katholische Kirche und eine Stadtschule, ist befestigt, hat drey Vorstädte, 516 Häuser und 5518 Einwohner, nach der Zählung im Jahr 1797 waren aber nur 3966, die zum Civilstande gehörten. Der Feldbau und die Manufakturen sind von weniger Bedeutung; aber die Stadt hat ein großes Zucht- und Spinnhaus, und eine vortreffliche Gewehrfabrike, in welcher für die ganze Preussische Armee die Läufe der Schießgewehre geschmiedet, gebohrt und aus dem Groben geschliffen, nachher aber zu Potsdam ausgearbeitet, geschäftet und mit Schlössern versehen werden. Auch die Bayonnette und Ladestöcke, ingleichen Klingen und Kürasse werden hier verfertigt. Die Festung ausserhalb der Stadt, so Kurfürst Joachim II. angelegt, ist ein regulaires Viereck mit 4 großen, 40 Schuh hohen, mit Backsteinen gemauerten Bollwerken und guten Casematten. Sie dient auch zur Bewahrung der Staatsgefangenen.


Von Reisende.[]


Spandau . . . . [2]

Die Stadt Spandau liegt ungefähr anderthalb kleine Meilen von Berlin. Wenn man aus Charlottenburg kommt, führt der Weg einen Hügel herauf, auf dessen Spitze zwey Windmühlen stehen. Von hier aus übersieht man eine dürre und sandige Ebene; man kann nur mit Mühe im Wege bleiben, weil man ihn vor Sande nicht sieht. Wenn man durch diese, eine Viertelmeile lange Staubwüste gedrungen ist, tritt man in einen Wald, von welchem man einen Winkel durchschneidet. Bald kommt man wieder ins Freie und auf eine große feste Chaussee, die bis nach Spandau führt, dessen Kirchthürme man in der Ferne liegen sieht.

Spandau ist eine ziemlich bedeutende Festung, der ihre Lage dabey sehr zu Statten kommt, da die Spree und Havel dicht an ihren Mauern zusammenfließen. Neuerdings haben französische Truppen an den Festungswerken gearbeitet, und sie mit Pallisaden versehen. Die Citadelle, deren Wälle die Havel bespült, ist sehr befestigt. Sie ward im Jahre 1583 erbaut, und bis jetzt zum Staatsgefängnisse gebraucht. Im Innern derselben ist ein großer viereckigter Platz, der von Magazinen, Kasernen, dem Zeughaus und Gefängnissen umgeben ist. Hier steht auch ein hoher, runder, mit Schießscharten versehener Thurm, worin gräßliche unterirdische Gefängnisse sind. Der Kommandant bewohnt ein recht hübsches Haus.

Spandau ist nicht groß; es kann ungefähr drey bis vier Tausend Einwohner haben. Die Straßen laufen meistentheils gerade und parallel; einige Häuser haben ein gefälliges Aeußeres; doch fehlt es auch nicht an alten, schlecht gebauten Wohnungen.

In Spandau sind drey Kirchen, eine reformirte, und zwey lutherische, von denen die eine, die Nikolai-Kirche, jetzt als Heu-Magazin benutzt wird. Zwey geräumige Kasernen hat man in Hospitäler verwandelt.

Das Zuchthaus ist ein weitläuftiges Gebäude, das beynahe eine ganze Straße entlang läuft. Hier sind ungefähr dreyhundert Züchtlinge eingeschlossen, die zur Erhaltung ihres Lebens-Unterhalts arbeiten müssen. Größtentheils beschäftigt man sie mit Baumwoll-Spinnen. Man hat dazu vortreffliche englische Maschinen, in welchen hundert achtzig Faden neben einander laufen, so daß in zehn Minuten von jedem Faden zwey Ellen abgesponnen werden können, was überhaupt dreyhundert achtzig Ellen ausmacht.

Die Stadt hat vier Vorstädte, die Oranienburger, die Potsdamer oder den Kietz, wo nichts als Fischer wohnen, die Stresower-Vorstadt und den Plan bey der Citadelle, wo die Gewehr-Manufaktur angelegt ist. Sie besteht seit 1723, ist sehr geräumig, und gleicht einer kleinen Stadt. Die Arbeiter, die aus Lüttich herstammen, wohnen hier mit ihren Familien; der König hat ihnen eine katholische Kirche bauen lassen.

In jeder Manufaktur bohrt und schmiedet man Flinten, Degen-Klingen, Bajonnette, Kürasse u. s. w. Seit dem Einmarsch der französischen Truppen stockt das ganze Unternehmen, die Arbeiter werden nicht bezahlt, und leiden die größte Noth.

Ein hiesiger sehr geschickter Künstler hat in dieser Manufaktur eine Erschütterungs-Maschine verfertigt, die von einem Rade in Bewegung gesetzt wird, das das Wasser zum Gebrauch der Manufaktur treibt. Wer sich jener Maschine bedient, fühlt in allen Theilen des Körpers eine zitternde Bewegung und Erschütterung, die man, je nach dem man die Maschine richtet, verstärken und vermindern kann. Diese künstliche Erschütterung soll Hypochondristen sehr zuträglich, und überhaupt bey allen Krankheiten, die in schlechter Verdauung oder in Stockungen des Bluts ihren Grund haben, von wesentlichem Nutzen seyn.

Der Aufenthalt in Spandau hat wenig Annehmlichkeiten, man wird aber durch die umliegende Gegend entschädigt, die mannichfaltige Vorzüge hat. Die Ufer der Havel gewähren abwechselnde malerische Ansichten. Pichelsberg ist der Lieblings-Spatziergang der Spandauer. Es ist ein Hügel an der Havel, eine Viertel-Meile von der Stadt, auf welchem ein Lusthaus, mit einer Gallerie umgeben, erbaut ist. Nach den Dörfern Pichelsdorf und Werder führen angenehme Spatziergänge. Dem letztern gegenüber liegt die neu entstandene Insel in der Havel, von welcher in mehreren Zeitschriften die Rede gewesen ist. Diese Insel, die ich besucht habe, ist funfzig Fuß lang, und zwölf bis funfzehn Fuß breit; ihre Oberfläche ist noch elastisch und zittert, wenn man stark mit dem Fuße darauf tritt. Sie ist mit Muschelschaalen bedeckt, zeigt aber nur wenig Spuren von Vegetation. Am 17ten April 1807 um ein Uhr Nachmittags, ward sie auf ein Mal nach einem starken Gewitter sichtbar. Mehrere in der nähe wohnende Personen wollen einige Augenblicke vorher ein starkes unterirdisches Getöse gehört haben. Das Wasser ist hier sehr tief; daher nannten die Fischer die Stelle, wo die Insel entstanden ist, schon vorher den Sack. Die Holzflöße, welche dort lagen, wurden von der Insel aufgehoben und seitwärts gedrängt. Die Veranlassung zur Entstehung derselben ist schwer auszumitteln; vielleicht liegt sie in die unterirdischen Elekricität. Soviel ist ausgemacht, daß die Insel nichts weiter, als eine große Erdscholle ist, die der Strom losgespült, die mit dem Gewitter verbundene Erderschütterung fortgerissen, und in perpendikulärer Richtung über die Oberfläche des Wassers weggeführt hat. Die benachbarten Einwohner haben die Osterinsel genannt, weil sie gerade am ersten Ostertage zum Vorschein kam.

Tegel ist ein Dorf, das eine Meile von Spandau sehr angenehm an einem See liegt, den die Havel bildet. Man hat hier bedeutende Pflanzungen ausländischer Bäume und Sträucher angelegt. Die [[Familie von Humboldt]], welcher Tegel gehört, besitzt hier ein hübsches Landhaus, wo der berühmte Naturforscher und Reisende von Humboldt geboren ward. Im Sommer macht man von Berlin und Spandau aus viele Lustfahrten nach Tegel, wohin man von Spandau zu Wasser auf der Havel kommen kann. Der Tegelsche See ist sehr fischreich; vorzüglich findet man hier den Sandart, den die Deutschen hier Zander (perca lucio perca L) nennen, einen großen schönen Fisch, der zwischen dem Hechte und Barsche in der Mitte zu stehen scheint. Sein weißes, zartes Fleisch verschafft ihm einen Platz auf den besten Tafeln.


Quellen.[]

  1. Geographisch- Historisch- Statistisches Zeitungs-Lexikon von Wolfgang Jäger, Professor der Geschichte zu Landshut. Landshut, bei Philipp Krüll, Universitätsbuchhändler. 1811.
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