Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Siebenbürgen.[]

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Siebenbürgen, (ungar. Erdély Orszag, vom ungar. Erdo, Wald,) ansehnliche Landschaft, zwischen Ungarn, der Wallachey und der Moldau, hat 36 deutsche Meilen in der Länge und 33 in der Breite und 1122 ge. QM. Flächeninhalt. Sie ist zwar auf der Ost- und Südseite durchgängig mit hohen Gebirgen (einer Fortsetzung der Karpathen) umgeben, und auch in seinem Innern mit vielen Bergreihen durchzogen; hat aber eben dadurch viele natürliche Festigkeit gegen feindliche Angriffe, ein im Ganzen mildes und gesundes Klima, und ist fruchtbar an Wein, Getreide, Tabak, zahmen Vieh, vorzüglich schönen Pferden und Wild, hat Salzgruben, Gold-, Silber-, Kupfer-, Bley- und Eisenbergwerke, Schwefel, Zinnober, Quecksilber und Gesundbrunnen. Wegen der Höhe des Landes entspringen die Hauptflüsse Siebenbürgens alle in demselben und eilen nach andern Gegenden: die Alt (Aluta) gegen Süden nach der Wallachey zur Donau, der Marosch gegen Westen nach Ungarn in die Theis, der Samosch, gegen Norden nach Ungarn, ebenfalls in die Theis. Sie sind alle schiffbar, und könnten es bey getroffenen Anstalten noch weit mehr werden. Siebenbürgen wurde vormals durch eigene Fürsten beherrscht, unter denen Michael II. Apafi, im J. 1696 sein Land gegen eine jährliche Pension von 12000 fl. an K. Leopolden überließ, dem es auch im Carlowitzer Frieden 1699 verblieb. Im J. 1765 ward dieses Fürstenthum, als ein von andern Kronen ganz unabhängiger und beträchtlicher Staat, von der K. K. Maria Theresia zu einem Großfürstenthum erhoben. Im ganzen Lande befinden sich 11 königl. Freystädte, 63 Marktflecken, 2611 Dörfer und 14 Prädia. An Civileinwohnern zählte man im J. 1786. 1443371, diese Anzahl hat aber seitdem zugenommen, und hiezu kommen noch die an den ganzen Gränzen zerstreuten Militärortschaften, welche im J. 1799. 126771 Seelen enthielten; jezt darf man die ganze Zahl auf 1620000 Seelen annehmen. Die Einwohner bestehen auf 1) Ungarn, welche in die folgenden eilf Gespanschaften oder Komitate getheilt sind: den Ober-Weissenburger, den Unter-Weissenburger, Doboker, Hunyader (nebst dem Hatzeger Thal) Klausenburger, Kraßner, Kokelburger, Inner Solnoker, Mittlern Solnoker, Thordaer u. Sarander. Hiezu kommen noch der Fagarascher u. der Kövarer Distrikt. 2) Zecklern, (lat. Siculi, welche Nachkommen der Petschenegen seyn und deren Name, Szekelyer, soviel als Gränzbewohner oder Hüter bedeuten soll. Sie sind in folgende fünf Hauptstühle oder Distrikte vertheilt: der Aranyoscher, Tschiker (Csiker), Haromszeker, Maroscher und Udwarhelyer. 3) Sachsen, (deren Vorfahren im 12ten Jahrhundert und vielleicht zum Theil noch früher in diese Gegenden gekommen sind. Ihr Land wird das königl. Land der Sachsen genennet und in folgende 9 Stühle und 2 Distrikte eingetheilt: den Hermanstädter, Mediascher, Reißmarkter, Repser, Mühlenbacher, Schäßburger, Groß-Schenker, Sßaßwaroscher oder Brooser und Leschkircher; wozu noch der Kronstädter und der Bispritzer Distrikt kommen. Ausser diesen Gespanschaften und Stühlen sind noch vorhanden die Fiscalgüter, (lat. Loca Taxalia,) die mitten unter jenen liegen, deren Bewohner aber, weder in Ansehung der Jurisdiction, noch der Steuern, unter die gedachten Gespanschaften und Stühle gehören, sondern ihre eigene Gerichtbarkeit und Steuereinrichtung haben, und auf den Landtagen, als ein besonderer Stand, durch eigene Deputirten erscheinen. Nebst den obigen 3 Hauptnationen finden sich nach Leute aus andern Völkern, in Siebenbürgen, die aber als Fremde angesehen werden, und, wenn sie das Bürgerrecht erhalten wollen, sich mit einer der 3 privilegirten Nationen vereinigen müssen. Dergleichen sind 1) Deutsche, 2) Wallachen, 3) Griechen, 4) Armenier, 5) Raitzen oder Servier, nebst einigen wenigen Mährischen, Bulgarischen, Arnautischen und Russischen Familien. Die ehemaligen Slaven (Tot) sind gänzlich ausgegangen oder zu den 3 Hauptnationen getreten. Man findet ferner deutsche und türkische Juden, und Zigeuner oder Völker des Pharao, wie man sie nennt. Diese sind von dreyerley Art; solche, die im Lande herumziehen, solche, die Handwerke treiben und in Häusern, neben den Dörfern wohnen, und endlich solche, die im Sommer unter Filzzelten, im Winter aber in Höhlen wohnen und von Schmiedearbeit, Siebmacherey, Drechseln und Musiciren leben. (Sie haben insgesammt von der K. K. Maria Theresia die Benennung Neue Bauern bekommen. Sie sind ohne Priester und eigentliche Religion und reden wallachisch und eine Art rothwelscher Sprache.) Unter diesen tolerirten Nationen sind die zahlreichsten die Wallachen. Aus diesem Volke waren die meisten Theilhaber an den Unruhen, die unter Horjah's und Klotschka's Anführung ausbrachen und im J. 1785 gedämpft wurden. Ueberhaupt sind die Wallachen die zahlreichsten Bewohner Siebenbürgens; ihnen folgen die Szekler, dann die Sachsen, welche 1790 auf ihren 130 QM. 76548 Familien ausmachten, und endlich die Ungarn. Am fleißigsten und reinlichsten unter allen sind die sogenannten Sachsen; ihre Orte und Häuser haben regelmäßige Anlage und überall zeigt sich bey ihnen Wohlstand und Einfachheit der Sitten, aber auch eine Bedächtlichkeit und Zurückhalten der Gesinnung, welches ihre Lage zur Nothwendigkeit mag gebracht haben. Ihre Schriftsprache ist die hochdeutsche, ihre Mundarten des gemeinen Lebens nähern sich aber mehr dem Plattdeutschen. Ueberall, wo sie wohnen, gedeiht Obst-, Wein- und auch Blumenkultur.

Getreide, Wein xc. baut der Siebenbürge wenig mehr als zu seinem eigenen Bedürfnisse nöthig ist; aber der gute Tabak, die Rindvieh- und die bei den Wallachen stark betriebene Schafzucht liefern Artikel zur Ausfuhr, so wie die schöne Race von hier gezogenen meist leichten Pferden, und die ausgebreitete Bienenzucht. Auch von dem Ueberflusse des Salzes wird viel verführt, und Siebernbürgens Goldbergwerke übertreffen alle übrigen in Europa an reicher Ausbeute. Die Manufakturen sind bey weitem für das Bedürfniß des Landes nicht hinreichend und haben ihren Sitz einzig in den Sächsischen Städten und einigen Szekler Stühlen. Sie liefern weisse und gefärbte Leinwand, Tuch, Wollen- und Baumwollenzeuche, Hüte, Leder und einige andere minder bedeutende Gegenstände. Die Handlung nach der Wallachey und andere Türkische Länder ist von Bedeutung, aber fast ausschließend in den Händen der Griechen, Raizen und Armenier.

Unter die Vorrechte des siebenbürgischen Adels gehört dieses, daß sie zugleich als ungarische Edelleute betrachtet werden und sich, nach Gefallen, in Ungarn niederlassen können; (welches bey dem ungarischen Adel, in Absicht auf Siebenbürgen, nicht statt findet ;) sie sind ferner frey von Steuern und gespanschaftlichem Gerichtszwang, und man rechnet daher zu den adelichen Personen auch alle Geistliche, bis auf die Mönche und Landpfarrer. Der Adelstand haftet auf gewissen Aemtern, Ländereyen und Familien, und wird auch durch Adoption und Veräusserung adelicher Güter auf andere vorher unadeliche gebracht. Die Baronen und Grafen (welche auch Magnaten heißen) sind nur im Range von den übrigen Edelleute verschieden. Eine niedrigere Classe des Adels muß gewisse Steuern und Dienste leisten. In diese gehören die Armalisten, d. i. diejenigen Edelleute, welche keine Unterthanen, öfters auch keinen Edelsiz haben, die Bürger der freyen königlichen Städte und die landesherrlichen Jagdbedienten.

Unadeliche sind die Bürger der übrigen Städte, die freygelassenen Unterthanen und die Jobbagyok oder Leibeigenen. (Der Name dieser letztern, lat. Iobagyones, soll daher kommen, weil ihre Vorfahren, bey einem Aufgeboth, in Kriegszeiten, nicht erschienen und lieber zu Hause ihrer Bequemlichkeit pflegten: (Im Ungar. heißt Iob, besser, und Agy, das Bette, sie fanden es für besser, im Bette zu bleiben;) weswegen sie und ihre Nachkommen für Leibeigene erklärt wurden. Die Leibeigenschaft dieser Leute sowohl, als der bürgerliche Unterschied der Nationen in Siebenbürgen ist von K. Joseph II. aufgehoben worden.

Die Stände in Siebenbürgen werden, in Rücksicht auf die Nationen, in Ungarn, Szekler und Sachsen, in Ansehung der Religion, in Katholiken, Reformirte, Evangelische und Unitarier, und in Absicht auf den Charakter, in Prälaten, Magnaten und Edelleute eingetheilt. Die Landtage werden zu Hermannstadt gehalten, und jeder Verschriebener muß 200 fl. zur Strafe zahlen, wenn er nicht erscheint. (Die Magnaten der Szekler haben das Vorrecht, das sie nicht verschrieben werden dürfen.) Die Stände haben, in Vereinigung mit dem Landesherrn, die Macht, Gesetze zu geben und abzuschaffen, Steuern zu erheben und Ausländer unter die Bürger aufzunehmen. Alle übrigen Hoheitsrechte übt der Landesherr allein aus; dazu gehört das Recht Krieg zu führen und Frieden zu schließen, das Münzrecht, das Recht Pfründen zu vergeben, die Einkünfte der eröfneten zu ziehen, Dispensationen in Ehesachen zu ertheilen, über protestantische Eheprocesse das höchste Urtheil zu sprechen, Standeserhöhungen vorzunehmen und das Erbgut ausgestorbener Familien zur Kammer zu schlagen. Die hohe Siebenbürgische Hofkanzley, welche die landesherrlichen Edicte ausfertigt, ist zu Wien, und hat weder mit der ungarischen, noch österreichischen Kanzley eine Verbindung; sie besteht aus einem Hofkanzler, mehrern Hofräthen und Räthen. Das hohe Goubernium, welches die öffentlichen Geschäfte, im Namen des Landesherrn, besorgt, ist zu Clausenburg. Es besteht aus dem Landesgouverneur als Präses, und 12 referirenden Goubernialräthen. Zur Verwaltung der Kameralgegenstände ist seit 1790 das Thesaurariat errichtet, welches einen Präsidenten mit 3 Räthen hat, und von der Hofkammer zu Wien abhängt. Die Königliche Tafel, welche ihren Siz zu Neumarkt hat, ist Justizstelle in zweyter Instanz; man kann von derselben an das Goubernium appelliren. -- Die Revenuen das Landesherrn bestehen, in der Contribution (jährlich 1300000 Gulden) aus den Mauthgefallen, Zehnten, Bergwerkszehnten, dem Salzregale und den Domänengütern; im Ganzen etwas über 5 Millionen Gulden.

In dem Großfürstenthum sind 4 privilegirte Religionen: 1) Die Katholische, zu der sich einige Ungarn, mehrere Szekler und sehr wenig Sachsen bekennen. Die Wallachen sind grossentheils und die Armenier alle mit ihr vereinigt. Der katholischen Pfarrer sind 148. 2) Die Reformirte, welcher theils Ungarn, theils Szekler zugethan sind. Sie hat ohngefähr 500 Pfarrer. 3) Die Evangelische oder Lutherische, zu deren Gliedern die meisten Sachsen und einige wenige Ungarn gehören. 4) Die Socinianische oder Religion der Unitarier, (Antitrinitarier, welche im göttlichen Wesen keine 3 Personen annehmen,) die unter den Ungarn und Szeklern Anhänger hat. Die Griechen, ein Theil der Wallachen, die Bulgarier und Raitzen sind von der griechischen Religion und nicht mit der katholischen Kirche vereinigt, und werden nur geduldet.

Ausser dem österreichischen Kriegsvolk, das in Siebenbürgen liegt, und aus 2 Regimentern Infanterie, 1 Dragoner- und 1 Husaren-Reg. besteht, sind seit dem J. 1762 fünf Regimentsbezirke für die Gränzmilitz abgesondert worden, welche 2 Szekler Infanterie-Regimenter, 1 Szekler Husaren-Reg. und 2 Wallachische Infanterie-Reg. stellen und unterhalten. Die Ortschaften, welche zu dieser Miliz gehören, liegen längst der Ost- und Südseite Siebenbürgens zerstreut; die Bevölkerung derselben wurde bey der allgemeinen Volkszahl des Landes mit bemerkt. Sie sind nach deutscher Art eingerichtet, versehen die Gränzwachen, bekommen Ober- und Untergewehr, Sold aber nur so lange, als sie dienen.


Zeitungsnachrichten.[]

[1812]

Wien, den 19ten September. [2]

Aus Siebenbürgen wird Folgendes geschrieben: Die Landstraßen werden überall auf das Eifrigste ausgebessert, eine große Menge von Heu, Hafer und Mehl wird zusammengehäuft, die Pässe gegen die Wallachey werden mit starken Schanzen umgeben, aber aus Ungarn ist noch kein Militär bey uns eingerückt.


Quellen.[]

  1. Geographisch- Historisch- Statistisches Zeitungs-Lexikon von Wolfgang Jäger, Professor der Geschichte zu Landshut. Landshut, bei Philipp Krüll, Universitätsbuchhändler. 1811.
  2. Allgemeine deutsche Zeitung für Rußland. No. 236. Dienstag, den 1/13. Oktober 1812.
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