Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Mordscenen zu Paris.[]


Der zweyte September 1792. [1]

Hotel de la Force.

Am ersten September kam die Nachricht nach Paris daß die Vestung Verdun gefallen sey und der Feind gegen die Hauptstadt rückte. Sogleich am 2ten wurde das Volk aufgefordert, sich auf dem Märzfeld zu versammeln, um augenblicklich eine Armee von sechzigtausend Mann zu bilden. Der Bürgerrath lies Sturm läuten, Lärmkanonen abfeuren und den Generalmarsch schlagen. Alles strömte zusammen und das erste Opfer der Pöbelwuth waren geschworne Priester, die einem Beschluß der Nationalversammlung gemäß das Vaterland verlassen wollten. Sie wurden ohne Barmherzigkeit hingemordet. Vom Gefängniß der Abtey, wo dies vorgieng, stürmte der Schwarm nach dem benachbarten Karmelitenkloster, wo 185 Priester gefangen saßen. Alle, bis auf achte, die das Glück hatten, zu entkommen, wurden hingerichtet, und 98 im Seminarium zu St. Firmin hatten das gleiche Schicksal. Das Blut floß wie Bäche dahin. --

Carmes du Luxembourg.

Nachdem die Priester ermordet waren, begab sich ein anderer Pöbelhaufe, angeführt von besoldeten Mördern und einige Mitglieder des Bürgerrathes, nach der Abtey St. Germain, um auch die andern Gefangenen zu schlachten. Man errichtete ein sogenanntes Volksgericht, pflanzte einen Tisch auf die Strasse vor dem Gefängniß, an dem die Richter im Schein einiger Fackeln saßen. Den Gefangenen, unter denen sich Prinzessinnen, Minister, Officiere, Schriftsteller u. s. w. befanden, wurden ganz kurze Fragen vorgelegt und stund das Zeichen des Todes im Register bey ihrem Namen, so waren sie ihm auch unvermeidlich geweiht. Zehn bis zwölf Mörder im Hemde, mit aufgerollten Aermeln und weissen Schürzen, die bloßen Säbel in der Hand, umgaben den Tisch und es bedurfte nur eines Winks des Präsidenten, so wurden die armen Schlachtopfer zusammen gehauen. So wie einer hingerichtet war, riefen die Rasenden: "Es lebe die Nation!" Dieses Menschenschlachten fieng am heutigen Tag Nachmittags um 4 Uhr an und dauerte durch die ganze Nacht bis zum andern Morgen um sieben Uhr. Man ruhte nicht eher, als bis alle Gefängnisse völlig geleert waren, und so gab der politische Fanatismus ein eben so schreckliches Mordfest, als in der bekannten Bartholomäusnacht 1572 der religiöse. Aber nicht nur in Paris, sondern auch in andern Städten Frankreichs, wüthete man um diese Zeit auf die nemliche Weise. In Versailles wurden 52 Gefangene, die -- des Hochverraths gegen die Nation angeklagt -- von Orleans dahin gebracht waren -- in Stücke gehauen, auch zu Rheims, zu Lyon xc. xc. die Gefangenen geschlachtet. Es würde ein Leichtes gewesen seyn, alle diese Mordthaten zu hindern, allein die Demagogen, von deren Händen das Volk wie eine Drathpuppe gezogen wurde, wollten sie, und so geschahen diese unerhörten Greuel.


Beytrag zur Geschichte des 2ten und 3ten Septembers (1792).[]


Aus dem Schreiben eines glaubwürdigen Mannes. [2]

Chaumont-sur-Marne, den 3ten April 1796.

-- -- In der Nacht vom 26sten auf den 27sten August 1792 ward ich in Paris arretirt, und nach der Mairie gebracht. Gegen eilf Uhr des Morgens ward ich in ein Büreau geführt, worinn sich die Bürger Sergent und Panis befanden. Nach einem kurzen Verhör führte man mich nach der Abtey, und setzte mich in dasselbe Zimmer, wo der ehemalige Präsident Molé von Champlatraux, mein alter und ehrwürdiger Freund saß. Sonntag am 2ten September gegen Mittag erlaubte mir die Frau des Kerkermeisters in den Saal des Conseils hinunterzugehen. Gleich darauf kam der Bürger Maillard, den man nachher den handfesten Raufer (tape-fort et tape-dru) nannte, von zwey Menschen mit langen Säbeln, und großen Schnurbärten begleitet. Kaum hatte er mich bemerkt, so gab er Befehl, mich in meinen Kerker zurückzubringen zu lassen. Ich wußte damals nicht, wer er war, und worin seine Gewalt bestand; auch konnte ich mich nicht enthalten, ihm mein Erstaunen über die harte Art zu bezeigen, womit er mich behandelte; seine Antwort war, daß er mich bald wiedersehen würde. Wie groß war in der That meine Verwunderung und mein Entsetzen, als ich ihn in der folgenden Nacht, mit der Gewalt eines Oberrichters des Volks bekleidet sahe! Ich war noch mehr verwundert, als er mir im Namen eben dieses Volkes das Leben rettete. Diese Handlung war für mich ein Grund der Erkenntlichkeit, der mich einige Zeit nachher bewog, die Gelegenheit zu suchen, ihn zu sehen. Er wohnte damals auf dem Greve-Platz, im Hause eines Bäckers, dem Stadthause gegenüber. Er fand sich durch meinen Besuch geschmeichelt, und rühmte sich, mir das Leben gerettet zu haben. Er that noch mehr, und wollte mich zwey seiner Agenten kennen lehren, denen er sein Vorhaben, mich zu retten, anvertraut hatte. Hierauf vertraute er mir, daß Sergent und Panis ihn bey den Mitgliedern des Sicherheitsausschusses anzuschwärzen gesucht haben; daß er aber zwey Original-Actenstücke besäße, die ihn gegen jede Untersuchung schützten. In der That theilte er mir zwey Befehle mit, die folgendermaßen abgefaßt waren:

1.
„Im Namen des Volks."
„Meine Cameraden!"

„Es wird euch hiemit befohlen, alle Gefangene in der Abtey ohne Unterschied zu richten, mit Ausnahme des Abbe Lenfant, den Ihr an einen sichern Ort bringen werdet."

„Im Stadthause am 2ten September."
„Unterzeichnet:"
Panis, Sergent, Administratoren."
Mehée, Secretaire greffier."
2.
„Im Namen des Volks"
„Meine Cameraden!"

„Es wird Euch hiemit aufgetragen, die Leichname wegbringen, und alle Blutflecken abwaschen und reinigen zu lassen, vornehmlich in den Höfen, den Zimmern, und auf den Treppen der Abtey. Zu diesem Behuf werdet Ihr Todengräber, Fuhrleute, Arbeiter xc. annehmen."

Im Stadthause vom 2ten September.
Sergent, Panis, Administratoren."
Meheée, Secretaire greffier." *)
*) Dieser Mehée war Chef de Bureau beym Minister der auswärtigen Angelegenheiten, bis zum 22sten Germinal, wo er endlich seinen Abschied forderte, und erhielt, um sich vor den Tribunalen, wegen seiner Theilnahme an den Septembrisirungen, richten zu lassen; übrigens leugnet er in einer neulichen Affiche diese Theilnahme, und behauptet, daß er nicht mit Panis und Sergent habe unterschreiben können, indem diese in der Mairie, er hingegen im Gemeinderath gewesen sey. Anmerk. d. Eins.


Von Reisende.[]

J. Moore. [3]

Am 2ten September.

. . . . .

Als ich auf die Gasse kam, liefen Menschen eilfertig und ängstlich auf und nieder. An allen Ecken standen Menschen. Einer sagte im Allgemeinen, es sey ein Eilbote mit sehr schlechten Nachrichten angekommen. Ein andrer versicherte, Verdün sey verrathen, wie Longvi, und der Feind rücke vorwärts. Andre schüttelten den Kopf, und sagten, man müsse die Verräther in Paris fürchten, nicht die erklärten Feinde an den Gränzen.

In der Nationalversammlung suchte Herr Vergniaud, mit seiner gewöhnlichen Beredsamkeit, die Unruhe der Bürger zu beschwichtigen. Seine Rede wandte sich offenbar an die Zuhörer auf den Gallerien. Des Feindes Plan sey, die befestigten Plätze hinter sich zu lassen, und so eilig als möglich auf Paris los zu gehn. Dies werde ihm zum Verderben gereichen. Die französische Armee werde ihm in den Rücken gehen, 60000 Mann aus der Hauptstadt ihm entgegen, denn werde er umringt, ausgehungert, und niedergemacht. Um es aber ganz unmöglich zu machen, daß Paris ein Unfall wiederfahre, müsse man die Verschanzungen rund umher fertig machen, den Eifer der Bürger anfeuern, und, wie er vorschlage, zwölf Mitglieder der National-Versammlung täglich anstellen, die Arbeiter, nicht durch eitle Reden, sondern durch ihr Beispiel, zu ermuntern. Diese Mitglieder müßten selbst Spaten und Hacke zur Hand nehmen, und an den Verschanzungen arbeiten. Dies ward sogleich beschlossen, nebst einer Armee von 60000 Mann, die sobald als möglich aufgebracht werden, und nach Chalons vorrücken soll: unterdes die Einwohner, die in der Hauptstadt zurück bleiben, an den Verschanzungen arbeiten sollen.

Die Unruhe wird durch einen umständlichen Bericht vermehrt, den man drucken lassen, und sorgfältig verbreitet, was der Kaiser und der König von Preußen übereingekommen sind, ihre Truppen auf ihrem Zuge durch Frankreich, und bei ihrer Ankunft in Paris, vornehmen zu lassen.

Diesem Bericht zu Folge, haben viele Leute von großem Einfluß angeboten, sich mit dem einbrechenden Heer zu vereinigen. Man hat ihnen aber angedeutet, sie mögten jeder in seiner Provinz bleiben, wo sie ihrer Parthei am besten dienen können, und nur dann zur Armee stoßen, die sie jetzt verführen, mit sich bringen können. Die Armee wird, wie sie näher kommt, Detachements abschickten, um solche Verbindungen zu erleichtern. Kommen aber die vereinigten deutschen Truppen nahe vor Paris, so sollen die Franzosen unter dem Prinzen von Conde zurück bleiben, um die Zufuhr zu sichern, und die Provinzen in Gehorsam zu erhalten. Unterdessen wollen die Deutschen Paris einschließen, das sich aus Hungersnoth bald ergeben muß.

Alsdann wird man alle Einwohner auf die Ebene von Saint Denis führen, wo jeder zehnte Mann, ohne Unterschied, auf der Stelle hingerichtet wird, denn die ausgezeichnetesten Patrioten sucht man vorher aus, und flicht sie aufs Rad. Der Weiber und Kinder aber schont man, vierzig oder funfzig Fischweiber ausgenommen, die man den Tod der Vaterlandsfreunde sterben läßt, um dem schönen Geschlecht dadurch eine Warnung zu geben, sich künftig nicht mehr mit Revolutionen abzugeben.

Diese angebliche Berichte aus Deutschland sind offenbar in Paris geschmiedet, ich weiß nicht, zu welcher Absicht, aber doch machen sie vielen Leute Kummer, und vermehren die allgemeine Unruhe.

Mittags um Ein Uhr. Ich schrieb, man löste Kanonen, und läutete die Sturmglocke. Leute stürzten mit der Nachricht herein: die Preußen hätten Chalons weggenommen, und wären auf geraden Wege nach Paris. Ihre Husaren und leichte Reiterei ebne alles vor ihnen her, und befinde sich schon innerhalb zehn Stunden vor Paris. Wir bewiesen, wie unwahrscheinlich das sey, man antwortete uns aber: Daran kann gewiß kein Zweifel seyn, sonst ließe der Stadtrath nicht die Lärmkanonen abfeuern, und keine Sturmglocke läuten.

Was ist denn aus Luckners Armee geworden? Die wird doch keine Husaren durchlassen? Die Nachricht kann nicht wahr seyn.

Sie muß wahr seyn: denn die Kanonen werden abgefeuert, und die Sturmglocke geläutet.

Diese Art Beweis zu führen, hör' ich von allen Seiten. Und weil niemand einen vernünftigen Grund anzugeben wußte, warum man die Kanonen abfeure, und die Sturmglocke läute, so schloß man daraus, die Preußen wären nur zehn Stunden weit von Paris entfernt, und jeder neue Kanonenschuß, oder Glockenschlag, diente zur Bestätigung dieses Glaubens.

Fünf Uhr Nachmittags. In diesem Augenblicke verübt man im Gefängniß der Abtei, hart am Hotel, wo ich dies schreibe, die empörendsten Frevel! Dergleichen haben die Jahrbücher der Bosheit noch nicht aufzuweisen.

Der Pöbel, den man hier Volk nennt, welcher aber keinen Nahmen verdient, mit dem man irgend etwas bezeichnen kann, was mit der menschlichen Natur in einiger Verbindung steht, eine Rotte Ungeheuer ist in die Abtei gebrochen, und ermordet die Gefangenen.

Neun Uhr Nachts. Sie arbeiten seit vielen Stunden an dieser Höllenarbeit. Die Abtei ist voll Gefangener. Außer denen, die vorher dort waren, hat man seit dem 10ten August viele hingeschickt. Manche auf unbedeutenden Argwohn. Verschiedene arme Geistliche aus keiner andern Ursache, als weil sie Geistliche sind. Viele Bürger sind, wie man mit versichert, neuerdings angehalten und dorthin gebracht, weil die einzelnen Menschen, die jetzt den Pariser Gemeinderath ausmachen, Privathaß und Groll gegen sie haben.

Wäre aber auch der größte Grund da, sie allesamt für Verbrecher zu halten, wie doch keinem Menschen zu thun möglich ist, so läßt sich dadurch diese Verletzung der Gerechtigkeit, Menschlichkeit, und Staatstreue nicht entschuldigen. Ein Gefängniß sollte der allerheiligste Zufluchtsort seyn. Die Entweihung desselben ist ruchloser und boshafter, als die Entweihung der Kirche und des Altars. Denn das Gefängniß enthält Menschen, die eines Verbrechens wegen angeklagt worden, bis ihre Schuld oder Unschuld dargethan werden kann. Während dieser Untersuchung stehen sie unter der Obhut der Regierung, und treuen Gewahrsam des Staats. Bei dieser Gelegenheit hat man mehr als gewöhnlichen Grund, vorauszusetzen, daß sich unter den Gefangenen viel unschuldige Personen befinden, weil sie in Eile und Verwirrung, auf geringfügigen Verdacht, und wahrscheinlich oft aus Privatfeindschaft, Gefangene wurden. Und alle diese werden ohne Unterschied nieder gemetzelt.

Ist dies das Werk eines wüthenden, betrogenen Pöbels?

Warum bleiben die Bürger dieser volkreichen Hauptstadt gelassene Zuschauer, eines so schrecklichen Frevels?

Ist es möglich, daß dieß die Erfüllung eines vor zwei oder drei Wochen angelegten Plans ist? Verhafte man deswegen so willkührlich? Verbreitete man falsche Nachrichten von Verrath und vorhabendem Aufruhr und Blutvergießen unter das Volk, um es aufzubringen? Bedient man sich eines Gerüchts schlechter Neuigkeiten von der Gränze, um Kanonen ablösen und Sturmglocken läuten zu lassen, damit die Besorgniß sich vermehre, und das geschreckte Publikum geduldig zusehe, indessen eine Rotte gedungener Banditen die abschlachtet, welche Haß, Rache, oder Furcht, zum Tode bestimmt haben, denen aber Gesetz und Gerechtigkeit nichts anhaben konnten?

Es ist jetzt Mitternacht vorbei, und das Blutbad dauert immer fort. Allmächtiger Gott!

Am 3ten September.

Die nemlichen Schreckens Auftritte, die gestern Nachmittag anfingen, gehen in der Abtei ununterbrochen vorwärts; und so im Hotel de la Force, in der Conciergerie, dem Chatelet, in allen Pariser Gefängnissen, und selbst in Bicetre, welches eine Stunde außerhalb der Stadt liegt.

Ueberall treibt man nichts als Gemetzel. Dem Volk erzählt man folgendes Mährchen.


Quellen.[]

  1. Neues historisches Handbuch auf alle Tage im Jahr mit besonderer Rücksicht auf die Ereignisse der neuesten Zeiten von Wagenseil Königl. baier. Kreißrath. Augsburg und Leipzig in der Jenisch und Stageschen Buchhandlung.
  2. Minerva. Ein Journal historischen und politischen Inhalts. Herausgegeben von J. W. v. Archenholz. Hamburg 1796.
  3. Dr. Johann Moore's Tagebuch während eines Aufenthalts in Frankreich, vom Anfange des August bis Mitte Decembers 1792. Nebst einer Erzählung der merkwürdigsten Pariser Ereignisse von diesem Zeitpunkt an, bis auf den Tod des letztverstorbenen Königs von Frankreich. Aus dem Englischen übersetzt. Berlin, 1794. in der Vossischen Buchhandlung.
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