Von Bastille bis Waterloo. Wiki

Senat.[]

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Senat, Volks- auch Reichssenat genannt, ist seinem Wesen nach eine die Einheit zwischen Volk und Staat, oder zwischen der Regierung und den Regierten, vermittelnde, durch den Staatsvertrag errichtete, in ihrer gesetzmäßigen Thätigkeit aber politisch selbständige oberste Behörde, deren Mitglieder verfassungsmäßig ernannt oder gewählt werden. Jene Vermittelung besteht 1. in der selbstständigen Volksvertretung, 2. in ihrer Aufsicht auf das Ganze, die sie rathgebend, theilnehmend an der Gesetzgebung, und als Hüter der Verfassung ausüben. Der Geschichte nach gibt es aber auch Senate in unumschränkt monarchischen Staaten. Hier vermitteln sie ebenfalls die Einheit zwischen dem Volke und dem Selbstherrscher, hängen aber von der Ernennung des letztern ab; so wie ihr Daseyn und ihre Wirksamkeit auf dem Herkommen, und nicht auf einem Grundvertrage beruhen.

Das Alte Rom.[]

Den römischen Senat, den ersten Stand im Staate (ordo senatorius), schuf Romulus. Hundert der ältesten, einflußreichsten Patricier, d. i. Stammfürsten, Familienhäupter, bildeten ihn. Die Zahl wurde nach Aufnahme der Sabiner verdoppelt. Sie vermittelten die Handhabung der Justiz- und Polizeigewalt des Königs, so wie die Leistung der Heerpflicht durch ihren Einfluß im Volke. Ihr Ansehn hielt dem königlichen die Waage. Um seinen Anhang im Senate zu vermehren, fügte Tarquin der Aeltere hundert neue Senatoren aus dem Volke hinzu; sie bildeten die königliche Partei im Senate. In der Folge stieg ihre Zahl durch Aufnahme und Wahl - daher patres conscripti - auch von Plebejern, vorzüglich während der Bürgerkriege, und durch Cäsars Politik, bis auf 1000. Augustus verminderte daher den Senat bis auf 600 Mitglieder. Die Wahl des Senats (lectio) wurde mit der Censur verbunden. Ein Censor verlas bei jedem Lustrum die Namen der Senatoren; den würdigsten unter ihnen zuerst, und dieser hieß dann princeps senatus. Die unwürdigen wurden durch bloßes Weglassen des Namens ausgeschlossen. Die Ritterschaft, ordo equestris, war die eigentliche Pflanzschule des Senats. Ein Senator mußte in der Schätzung (Census) zur Zeit der Republik ein Vermögen von 25,000, zur Zeit des Augustus von 37,500 Thlrn. besitzen. Die obersten Behörden der Regierung versammelten den Senat, welcher die von ihnen vorgetragenen Sachen punktweise nach der Stimmenmehrheit entschied; doch hieß nur der einfache Beschluß ein Senatusconsultum; widersprach ein Tribun dem Beschluß, oder war der Senat nicht vollzählig, so galt er nur als ein Senatsgutachten (senatus auctoritas), und wurde dem Volke vorgelegt. Die Volkstribune konnten jeden Vortrag im Senate durch ihr Machtwort veto rückgängig machen. Vor den Senat gehörten alle Staatsverwaltungssachen, außer die vom Volk abhängigen, die Wahl der Staatsbeamten, die Gesetzgebung und die Frage über Krieg und Frieden. Auch führte der Senat die Aufsicht über das Staatsvermögen. Zur Zeit der Republik hieß der Inbegriff der Rechte des Senats: auctoritas, Ansehen, der des Volks: potestas, Gewalt; jener beschloß, decernebat, dieses befahl, jubebat. Doch blieb das Ansehn des Senats auch dann noch, als er den Volksbeschlüssen (plebiscita) unterworfen wurde, groß genug; und in den von ihm anhängigen Sachen galten seine Beschlüsse, Scta, als Gesetze. Unter den Kaisern verlor der römischen Senat seine politische Wichtigkeit; doch hießen noch seit Tiber bis auf Constantin den Großen, viele kaiserliche Gesetze, die der Senat auf Befehl des Kaisers abfaßte, Senatus consulta; sie traten an die Stelle des Volksgesetze, leges. Der Senat war aber bald so unterwürfig, daß er über die von den Kaisern in Reden oder Briefen gemachten Anträge oft gar nicht berathschlagte, sondern sie durch Beifallszuruf, Acclamatio, billigte.

Rußland.[]

Mit dem römischen Senate unter den Kaisern läßt sich weniger der russische, als der ehemalige französische Reichssenat vergleichen. Jener, vom Kaiser Alexander den 1sten Januar 1810 errichtete dirigirende Reichsrath (Oberconseil) besteht aus zweiunddreißig Mitgliedern und vier Präsidenten, welche sämmtlich vom Kaiser ernannt werden. Als Organ des Kaiserlichen Willens hat er einen ausgebreiteten Wirkungskreis, kann aber den Willen des unumschränkt regierenden Kaisers nicht beschränken. Er ist gleichsam die Mittelsperson zwischen dem Monarchen und den Unterthanen, da alle Reichsgeschäfte durch ihn gehen. Nur mit den auswärtigen Angelegenheiten, so wie mit Krieg und Frieden hat er nichts zu thun. Sein Geschäftskreis ist in vier Departements getheilt: 1. die Section der Gesetzgebung; 2. die der höchsten Instanz in geistlichen und weltlichen Justizsachen; 3. die der Kriegsmacht zu Wasser und zu Lande; 4. die der innern Staatswirthschaft. Bei allen vier Departements zugleich ist ein Reichssecretär angestellt, der Oberdirector der Kanzlei und zugleich das Organ der gegenseitigen Mittheilungen zwischen dem Monarchen und dem dirigirenden Reichsrathe ist. Der Kaiser führt den Vorsitz selbst, oder in seiner Abwesenheit das von ihm bestimmte Mitglied. Dem Reichsrathe werden alle Gesetze, Verordnungen und Einrichtungen im Entwurfe mitgetheilt, von ihm geprüft, und hierauf dem Kaiser zur Vollziehung vorgelegt. Mit dem Reichsrathe sind noch drei Commissionen verbunden, zur Abfassung der Gesetze, für die Bittschriften, und für die Reichskanzlei.

Frankreich.[]

Der ehemalige französische Reichssenat hieß Erhaltungssenat, Senat conservateur. Nachdem Bonaparte durch die Revolution vom 18ten Brumaire (9ten November 1799) an die Spitze der Regierung getreten war, ließ er eine neue (die vierte) Constitution entwerfen, die vom 22sten Frimaire (13ten December 1799), welche außer den drei Consuln, dem Tribunate und dem gesetzgebenden Körper, jenen Erhaltungssenat einsetzte, der aus 80, wenigstens 40 Jahre alten Mitgliedern bestand, die nach den Vorschlägen des ersten Consuls, der Tribunats und des gesetzgebenden Körpers sich selbst wählten, die Verfassung erhalten, deßhalb alle Beschlüsse des gesetzgebenden Corps untersuchen, und die Consuln, Tribunen und Gesetzgeber aus den von den Departementen eingeschickten Wahllisten wählen, auch zu den erledigten Stellen aus den von den übrigen drei Theilen des Staatskörpers vorgeschlagenen drei Individuen eins ernennen sollten. Jeder Senator, dessen Stelle lebenslänglich war, hatte eine jährliche Einnahme von 25,000 Franken; später stieg sie, ohne die Senatorien, bis auf 36,000 Fr. Diese Versammlung wurde bald ein Werkzeug in den Händen des ersten Consuls, um die Verfassung der Republik in eine Monarchie umzuwandeln. Dies geschah, als der Senat das ihm aus dem Staatsrathe Bonaparte's zugeschickte Senatusconsultum, das die französische Constitution neu organisirte, sofort genehmigte. Dieses die Verfassung ausbildende Staatsgrundgesetz -- denn dies dachte man sich unter einem französischen Senatusconsultum -- vom 15ten August 1801 erklärte die Würde der Consuln für lebenslänglich, und machte den Senat vom ersten Consul abhängig, der die Mitglieder desselben größtentheils zu ernennen oder auszuwählen das Recht erhielt, dieselben auch zu Ministern, Gesandten u. s. w. bestimmen konnte. Doch sollte der erste Consul dem Senate von allen Verträgen, ehe er sie bekannt machte, Nachricht geben. Bonaparte ließ sich hierauf den 21sten August als Präsident des Senats von den Senatoren den Eid der Treue schwören. Die Zahl der Senatoren sollte damals nur bis auf 120 steigen. Hierauf wurden durch ein Senatusconsultum vom 4ten Januar 1803 in jedem Appellationsgerichtsbezirk eine Senatorie errichtet, die in einem Schlosse mit einem jährlichen Einkommen von 20 - 25,000 Frk. aus Nationalgütern bestand. Der erste Consul vergab sie auf Lebenszeit an Mitglieder des Senats. Solcher Senatorien waren 32. In der letzten Zeit bestand der Senat aus den französisch kaiserlichen Prinzen, den Reichswürdeträgern und 136 Mitgliedern. Er bildete aus seiner Mitte zwei Commissionen, für die persönliche Freiheit und für die Preßfreiheit, welche aber der Willkür des Kaisers keinen Einhalt thaten. Es ist übrigens bekannt, daß der französische Senat, so wie er Bonaparten durch das Senatusconsultum vom 18ten Mai 1804 zum Kaiser erklärt hatte, ihn wiederum durch den Beschluß vom 3ten April 1814 des Throns für verlustig erklärte. Die neue Constitution, welche Ludwig XVIII. den Franzosen gab, hob den Senat auf. An seine Stelle trat die Kammer der Pairs.


Quellen.[]

  1. *Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.

Literatur.[]