Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Charlottenburg.[]

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Charlottenburg, königliches Lustschloß von 41 Zimmern, nebst einem kostbaren Garten und einer neuangelegten Stadt von 323 Häusern und 2,346 Einwohnern im Jahr 1791, eine kleine Meile von Berlin, an der Spree gelegen, dahin man durch den Thiergarten fährt. Man findet hier eine Schmelztiegelfabrik und eine Leinwand- und Kattunbleiche. Es hieß sonst Lützenburg, von dem dabey liegenden Dörfchen Lützen; aber die erste Königin von Preussen, Sophie Charlotte, hat es zu ihrer Lust aufbauen und nach ihrem Namen benennen lassen. Bey der den 9. Oct. 1760 erfolgten Eroberung v. Berlin durch ein Kaiserl. Königl. und Rußis. Corps hat dieses Lustschloß, besonders aber das allda befindliche Antiquitätenkabinet des verstorbenen Cardinals Polignac, welches König Friedrich II. in Paris für 50,000 Livres kaufen ließ, sehr gelitten.


Von Reisende.[]

Jean-Philippe Graffenauer.[]

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[1807]

Durch den Thiergarten führt eine treffliche Chaussee nach Charlottenburg, eine starke halbe Meile von Berlin. Den Weg dahin legt man gewöhnlich in zwanzig Minuten auf den kleinen Wagen zurück, die immer am Brandenburger Thore halten.

Charlottenburg ist ein freundliches Städtchen, wo man im Sommer recht behaglich wohnt. Es giebt hier hübsche Häuser; den Fremden interessirt aber vorzüglich das königliche Schloß, und der daran stoßende große Park. Das Schloß ward im Jahre 1696 nach dem Plan des berühmten Lenotre zu bauen angefangen, der auch der Riß zu den Tuilerien und vielen andern Gärten entworfen hat. Vorher lag hier nur Liezow, ein kleines Dorf. Zu Anfange des achtzehnten Jahrhunderts ließ Friedrich der Erste das Schloß erweitern, und nannte es, seiner Gemahlin Sophie Charlotte zu Ehren, Charlottenburg. Allmählig verwandelte sich das Dorf in eine kleine niedliche Stadt.

Das Schloß, in welchem man das alte und neue unterscheidet, ist ein vortreffliches, sehr weitläufiges Gebäude. Das neue Schloß besteht aus zwey Flügeln, die das alte einschließen; auf dem letzten steht ein ansehnlicher Thurm. Das Innere des Gebäudes ist geschmackvoll dekorirt; die Zimmer des Königs und der Königin zeichnen sich durch edle Simplicität aus. In einem Zimmer wird japanisches Porcellan aufbewahrt, und in der Schloß-Kapelle bewundert man einen al fresco gemalten Plafond, der Glauben, Liebe und Hoffnung vorstellt.

Im Garten ist eine zahlreiche, gut erhaltene Orangerie. Hinter dem Schlosse hat man eine freundliche Aussicht über die Spree. Vor einer Hecke von Hagebuchen, die das neue Schloß entlang läuft, stehen die Marmorbüsten der zwölf ersten römischen Kaiser und ihrer Gemahlinnen, auf Piedestalen nach Antiken gearbeitet. Weiterhin sieht man die marmorne Bild-Säule Königs Friedrichs des Ersten.

Das kleine chinesische Haus, welches im Garten an der Spree liegt, ist allerliebst. Von der Gallerie, die es umgiebt, sieht man in den klaren Fluß herunter; rechts ist eine Zugbrücke, links überschaut man einen Theil des Gartens und der Spree, die sich ins Gebüsch verliert; vor sich hat man Wälder, Wiesen und Gärten.

In einer andern Gegend des Gartens ist ein kleiner Pavillon erbaut, mit einem Belvedere, von welchem man weit umher sehen kann. Der Charlottenburger Garten hat viele romantische Anlagen, Labyrinthe, Bassins, eiserne Brücken, Spatziergänge u. s. w.

Im Sommer, und vorzüglich an Sonn- und Festtagen, machen die Einwohner Berlins viele Lustpartien nach Charlottenburg. Zu beiden Seiten des dahin führenden, mit Bäumen eingefaßten Weges, sieht man viele Kaffeehäuser und Belustigungs-Oerter, vor deren Thüren Tische und Bänke stehen; hier versammelt sich die schöne Welt Berlins, und ergötzt sich unter dem Schatten der Bäume.


Das Lager bey Charlottenburg.[]

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*) Da nach den Relationen aller Personen, welche die übrigen Campements der Kaiserl. Franz. Truppen im Preußischen sahen, diese mit jenem, bis auf unwesentliche Kleinigkeiten ganz gleichförmig sind, so kann diese Schilderung als Gemälde aller Lager in Preußen gelten.

Auf dem Platze, wo gegenwärtig die Französischen Truppen campiren, stand früher Getraide, daß, als der Bau begann, zum Theil abgemäht, zum Theil zertreten wurden den Ackerbesitzern ist indessen die einstige vollkommene Vergütung ihres Verlustes zugesagt. Zudem trägt dieses Sandgefilde nur spärlich; weniger wurde also hier vernichtet als in Schlesien, wo auf fünf verschiedenen Punkten die Fluren abgemäht werden mußten, als der Lagerbau begann. Bei Stettin wurde zu diesem Zweck ein großer Theil des Waldes abgehauen.

Das Lager bei Charlottenburg auf dem Wege von dort nach Spandau nimmt eine Länge von circa einer Viertelmeile ein. Es besteht aus kleinen Baraken, die 20 Fuß Breite und 24 Länge haben mögen; sie sind im untern Theile aus schwachen Balken zusammengefügt, im Fachwerk mit Holzstangen gefüllt, mit Lehm beworfen und außerhalb mit Kalk angestrichen. Ein Bretterdach bedeckt die Hütte, in deren Vorderwand eine Thür, und an jeder Seite derselben ein Fenster befindlich ist; auch die Seitenwände haben ein solches kleines Fenster. Das Innere ist ein einziger ganzer Raum ohne Wände und Unterabtheilungen. Jede Barake hat Raum für 20 Mann, die auf langen, in zwei Abtheilungen an den Seitenwänden errichteten, mit Stroh beschütteten, Pritschen schlafen, die Hütten sehen den neuen Giebelhäuschen des Landmannes ähnlich.

Der Haupttheil des Lager ist eine regelmäßige Straße von zwei Linien Baraken, die von Süden, wo der rechte Flügel ist, nach Norden geht; in einer Reihe, und also in der Hälfte der Straße zählt man 190 Baraken, so daß das Ganze 380 beträgt. Eine Gasse von circa 10 Fuß trennt eine Hütte von der andern, eine größere scheidet die Compagnien, die breitere die Bataillons, und die breiteste die Regimenter. Diese Hütten sind die Wohnungen der Gemeinen, von denen immer eine Compagnie sechs Gebäude inne hat. Für jede Compagnie ist in einer festen Distanz hinter der Hauptstraße ein Gebäude aufgeführt, das zur Küche und zum Speisezimmer der Gemeinen dient, und die nemliche Länge einnimmt, auf der 3 Baracken stehn. Es unterscheidet sich von den gewöhnlichen Hütten dadurch, daß es in der Länge, oder im Vergleich zu jenen, in der Queere steht. Neben diesen, deren Zahl 64 ist, findet man die Zieh-Brunnen, von denen immer einer auf ein Regiment gerechnet ist.

Nun folgt wieder eine Straße, und hier sieht man die Reihe Baraken für die Subaltern Offiziere (die Staabsoffiziere sind zu Charlottenburg einquartirt) und endlich die Reihe Baraken für Unter-Offiziere, Musiker u. dgl. Diese zwei Reihen, ungefähr 128 gleichförmige Gebäude an der Zahl, bilden den Rücken des Campements.

Der rechte und linke Flügel lehnt sich an einen Wald, der übrigens sich amphitheatralisch im Rücken des Lagers ausbreitet, so daß man im Centrum von diesem zum Walde 4 bis 500 Schritte zählt. Hier, am Eingange des Waldes, findet man Hütten von Brettern und Strauchwerk und Zelte für Restaurateurs, Marquetender, Offizier-Equipagen u. s. w. auch halten sich hier die Landleute für den Dienst der Truppen mit dem requirirten Fuhrwerk und Zugvieh auf.

Die Fronte sieht nach Charlottenburg und also nach Osten. Vor derselben steht in einiger Entfernung von jeder vordern Barake ein sogenannter Gewehrmantel (Gestell zum Aufbewahren der Schießgewehre) mit verschiedenen Farben, nach dem Geschmack des Regiments, das diese Gestelle inne hat, bemalt. Jede Compagnie hat drei derselben zum Gebrauch. Der Fuß des Gestelles steht auf Rasen, der in Form einer Bank gelegt ist. Auf der obern Fläche säen und Pflanzen Klee, Erbsen und Blumen, so daß diese grünen Puncte im Contrast mit den weißen Hütten, vor denen sie Linienrecht stehen, eine gefällige Abwechselung schaffen. Am Giebel der Baraken, über die Thüre, siegt man die Wahrzeichen der Gattung von Kriegern, die sie bewohnen, Granaten, Kanonenkugeln, Waldhörner; die Musketiere bezeichnet ein Stern mit fünf Strahlen; hie und da prangt der Kaiserliche Adler, den Blitz von sich schleudernd.

Vor der Fronte im Centrum und auf jedem Flügel steht ein, an der obern Hälfte mit Strauchwerk bekleideter Baum, der wie ein Mastbaum gestaltet ist, von dessen Spitze die wimpelartige dreifarbige Fahne mit dem goldenen Adler weht. Am untern Theil des Baumes sind auf einem Bretterstück die gemalten Kriegsattribute sichtbar. Fahnen und Piquen, Kanonen und Trommeln und in der Mitte lieset man den Namen des Campements: Napoleonsburg.

Vor jedem dieser Bäume sind Kanonen aufgepflanzt; der ganze Artilleriepark aber befindet sich auf einer Anhöhe, ungefähr 400 Schritte von und vor dem Centrum der Lagerfronte

Bei den Gewehrmanteln gehen die Schildwachen auf und ab, 300 Schritte vor der Fronte steht die Schildwache mit ihren Hütten von Strauchwerk und noch 300 Schritte weiter hinaus, unweit Charlottenburg, ist die letzte äußerste Wachtlinie sichtbar. In dem Raum zwischen beiden Außenwachen exerciren gewöhnlich die Truppen früh und Nachmittags.

Zu den Verschönerungen gehört folgendes: Von der Mitte des Lagers aus geht von der Fronte die Anhöhe hinauf eine Doppelallee von Tannenbäumen -- die man im nähen Walde fällte und hier einsetzte; -- sie umschließen eine neuerrichtete größere Barake, die man das Ballhaus nennt. Eine zweite Allee von niederen Tannensträuchern führt den Hügel hinan, von dem man das Lager, Charlottenburg und die ganze Gegend übersieht. Dieses Ballhaus wurde am 11ten d. M. -- wie mau sagt zum Geburtstage des Herzogs von Belluno (Marschalls Victor) -- eingeweiht. In einem Viereck, vor dem Lager, nahe dem mittelsten Baum und zwischen diesem und dem Ballhause steht ein prächtiges orientalisches Zelt, unter dem man auf einem Altar die mit Lorbeern gekrönte Büste Napoleons erblickt. (Dieses Zelt, das Ballhaus und die Doppelallee ist zur bevorstehenden Feier des Geburtstages des Kaisers, am 15ten d. M. schnell errichtet; an diesem Tage soll das Zelt und das ganze Lager erleuchtet seyn.) Außerdem ist jede kleine Barake mit Tannenbäumen umpflanzt; an jeder der vier Ecken steht ein Baum. Die Küchen sind von mehreren Bäumen umgeben, so daß das Ganze Alleen durch das Lager hinab bildet. In der Lagerstraße zwischen den Hütten der Offiziere und Unteroffiziere ist gleichfalls eine Doppelreihe von Bäumen eingesetzt.

Der Bau wie die Verzierung ist größtenteils von den Soldaten vollendet, die man immer beschäftigt sieht; ihre Zeit ist zwischen Wachdienst, Exerciren, Patrouillemachen, Bau Arbeit und Besorgung der Küche getheilt, und doch sah man wol nie fröhlichere Krieger als diese. Es gewährt dem Bürger ein Vergnügen, als Zuschauer durch das Lager zu gehen, wo für Jedermann die höchste Sicherheit ist; hier sieht man die Soldaten Ball spielen, dort nach dem Ton einer Violone tanzen, da ein Wettrennen und wieder dort Fechtübung halten, und vielleicht kamen sie erst vor einer Viertelstunde vom Manövre zurück; man nimmt aus dem Campement die Ueberzeugung mit, daß diesen Menschen keine Unbequemlichkeit, keine Entbehrung, keine Mühe unerträglich und nichts unmöglich ist.

Die Zahl der campirenden Truppen ist gegenwärtig, da seit einigen Tagen zwei Regimenter nach Wesel abmarschirt sind, schwerlich viel über 4000 Mann; stärker an Zahl dürften jene bei Havelberg und Neu-Ruppin, bei Stettin und Stargard und bei Mewe, die stärksten aber die Schlesischen bei Glogau, Schweidnitz, Neisse, Brieg und Breslau seyn.

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Am 14ten August erhielt plötzlich das im Brandenburgischen stehende 1ste Corps der Kaiserl. Franz. Armee unter dem Befehl des Herzogs von Belluno (Marschall Victor) Marschordre. Es ging in den folgenden Tagen sowohl von Berlin als aus den Lagern ab, so daß am 18ten die Berlinische Bürgergarde die Wachen bezog. Der Herzog selbst reiste nebst Familie am 20sten von Charlottenburg ab und der Marschall Soult -- (wie es heißt Herzog von Dalmatien) -- übernahm das Gouvernement. Ein großer Theil des Soultschen Corps, welches dem Vernehmen nach, zuerst nach Berlin gehen sollte, schlug dann den nächsten Weg durch Frankfurt an der Oder nach Sachsen ein. Allgemein sagte man, daß die gänzliche Räumung des Preußischen Staates, bis auf die Festungen Stettin, Küstrin, Glogau und Neisse nun erfolgen werde.


Quellen.[]

  1. Geographisch- Historisch- Statistisches Zeitungs-Lexikon von Wolfgang Jäger, Professor zu Altdorf. Nürnberg, bey Ernst Christoph Grattenauer 1805.
  2. Meine Berufsreise durch Deutschland, Preußen und das Herzogthum Warschau, in den Jahren 1805, 1806, 1807 und 1808. Von J. P. Graffenauer, Doktor der Arzneygelahrtheit, vormaligem Arzte bey der großen französischen Armee, mehrerer gelehrten Gesellschaften Mitgliede. Chemnitz, bey Carl Maucke. 1811.
  3. Politisches Journal nebst Anzeige von gelehrten und andern Sachen. Jahrgang 1808.
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