Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Entscheidungstag der dreitägigen Schlacht von Leipzig.[]


Der 18. October 1813.

PortretBernadotteSchwarzenbergBlücher400

Carl Johann. Schwarzenberg. Blücher.

Dreimal hunderttausend zu einem und demselben Zweck eng verbundene Krieger der verschiedensten Völker standen am 18. October 1813 im Entscheidungskampf um Selbstständigkeit ihrer Regierungen auf den Schlachtfeldern Leipzigs. 180,000 standen unter den Fahnen des Franzosenkaisers mehr für die eigene Soldatenehre als die Zwecke des Treibers, der sie führte, kampflustig. Tausende von Geschützen waren zwischen den beiderseitigen Massen und Reihen eingetheilt.

Dem unentschiedenen Kampf am 16. folgte ein Ruhetag als Vorbereitungstag für den wichtigen, grossen 18.

Mit dem Andenken desselben werden die Namen Schwarzenberg, Blücher, Barclay de Tolly ewig fortleben. Unter ihnen wurden an diesem Tage so viele Namen hochberühmt, dass es unmöglich ist, selbst nur die wichtigsten hier aufzunehmen. Es galt die Ehre der Nationen, darum setzte jeder willig das Leben ein.

Von Mitternacht, Aufgang und Mittag eingeschlossen hatte Napoleon nur gegen Westen eine einzige mögliche Rückzugslinie übrig. Diese schlug er auch ein, nachdem sich unter unbeschreiblichen Kraftanstrengungen Sein Heer beinahe verblutet hatte, von welchem über 15,000 Todte auf dem Schlachtfelde lagen, und 30,000 Verwundete, 15,000 Entwaffnete und 20,000 Kranke, die in den Spitälern Leipzigs schmachteten, in die Gewalt der Verbündeten geriethen. Unter ihnen waren 8 Verwundete, 24 gefangene Generäle, 4 waren getödtet. Mit dem Verlust von 50,000 Mann, 1,800 Offizieren und 21 Generälen hatten die Allirten den grossen Sieg blutig erkauft.

Während der Schlacht noch traten Sachsen und Würtemberger aus den Reihen, in denen sie weder freye Wahl noch Anhänglichkeit an den fremden Zwingherrn gebannt hielt.

Der heilige Hügel von Probst-Heida erhielt welthistorische Merkwürdigkeit von dem grossen Augenblick, wo Schwarzenberg den Hohen Verbündeten Völkerfürsten die Bestätigung des glänzenden Sieges am Abende des entsetzlichen Tages brachte.


Die Schlacht bei Leipzig.[]


Noch nie waren in neuern Zeiten so viele Völker bei einer Schlacht vereinigt als bei der Schlacht von Leipzig. Russen, Schweden, Teutsche, Ungarn, Baschkiren, Kalmücken, Tataren, Böhmen, Italiäner, Franzosen, Engländer, Polen und mehrere andere Völker der österreichischen Monarchie nahmen Antheil. Die Freiheit und die Selbstständigkeit der europäischen Staaten stand auf dem Spiele, und alles, was der Menschheit theuer ist, ist durch sie gerettet worden. Die höchsten Güter der Nationen waren ein Spiel einer gränzenlosen Willkühr worden, und durch die Schlacht bei Leipzig muß das Recht und das Gesetz wieder den Rang und die Würde erhalten, welche ihnen gebührt.


Neopolem.


Die 3 tägige grosse Völkerschlacht bei Leipzig.
Den 18n Octbr. 1813 waren die drei verbündeten Monarchen selbst auf der Höhe von Wachau Zeugen der Tapferkeit ihrer Heere.

Der Plan der verbündeten Mächte scheint anfänglich dahin gegangen zu seyn, die französische Armee gänzlich von Frankreich abzuschneiden, und sie wieder an die Elbe zu werfen, um sie daselbst aufzureiben; daher kam ein bedeutendes Corps unter Giulay von Marktranstädt her, rückte gegen Lindenau vor und versperrte den Franzosen jeden Rückzug über Weißenfels und Merseburg; daher kam Blücher von Halle und Schkeuditz her, und machte es ihnen unmöglich, sich auf dieser Seite nach Magdeburg zu ziehen. Am 16. stand den Franzosen kein anderer Ausweg offen als nach Torgau, wenn sie sich nicht nach Leipzig werfen und sich von da aus durchschlagen wollten. In diesem Falle würde vielleicht Leipzig gänzlich zerstört worden seyn. Als man aber in der Schlacht am 16. fand, daß die Franzosen noch sehr zahlreich waren, und daß sie sich tapfer wehrten, öffnete man den 18. ihnen einen Rückweg durch Lindenau nach Weißenfels. Die Oesterreicher zogen sich früh Morgens von Lindenau an der Elster hinauf bis Großzschocher und weiter hinauf zurück, weil man hoffen konnte, der französische Armee auf ihrem Rückzuge bis über den Rhein an mehrern Oertern zuvor zu kommen, ihr noch großen Abbruch zu thun, ja sie vielleicht noch völlig zu vernichten. Hätte man ihr an diesem Tage nicht diesen Ausweg eröffnet, so wäre sie völlig eingeschlossen gewesen; sie würde sich nach Leipzig geworfen, sich daselbst vertheidigt und diese Stadt in eine Ruine verwandelt haben. Zum Glück Leipzigs aber stand den Franzosen am 18. der Rückzug nach Weißenfels frei.

Die Franzosen waren in dieser Schlacht etwa 160 bis 180,000 Mann stark. Die verbündeten Mächte aber waren bedeutend stärker. Beinahe alle Truppen der französischen Armee kamen ins Feuer, ein großer Theil der Truppen der verbündeten Heere aber nahm keinen Antheil an der Schlacht. Allein sobald sie entschieden war, brach derselbe sogleich zur Verfolgung des Feindes auf und fügte diesem großen Nachtheil zu. Napoleon hatte den Vortheil der Stellung für sich; er betrachtete Leipzig als seinen Mittelpunkt, von dem aus er wirkte, und von wo er sich nach jedem Theile, wo es nöthig war, sogleich hin verfügen konnte. Er hatte eine kürzere Operationslinie, da hingegen die der Alliirten ungeheuer groß war. Diese rückten in einem großen Kreise heran, den sie nach der Schlacht am 16. verengten, und der am Abend des 18. noch weit kleiner worden war: denn Napoleon war jetzt bloß auf Connewitz, Stötteritz, die Straßenhäuser, Reudnitz, Crottendorf und Volkmarsdorf eingeschränkt. Gegen Norden von der Stadt standen die Preußen ganz nahe am äußern hallischen Thore.

Napoleon machte den Alliirten den 16. October gegen Süden hin jeden Fuß Landes mit der größten Hartnäckigkeit streitig, und die verbündeten Truppen hatten am Abend dieses Tages auf dieser Seite nur wenig Terrain gewonnen, allein sie hatten ihn doch so weit gebracht, daß er sich den Montag des Morgens bis nach Connewitz und Probsthaide zurückzog. Bedeutende Nachtheile aber erlitt das Corps unter dem Marschall Marmont. Dieses stand den Sonnabend Vormittags noch über Lindenthal, Breitenfeld und Wetteritsch hinaus, hatte aber keine Hauptstärke bei Möckern, etwa fünf Viertelstunden von Leipzig gegen Nordwesten, aufgestellt. Vormittags war auf dieser Seite alles still, allein gegen ein Uhr sah man Preussen anrücken, die französischen vorwärts stehenden Truppen zurückschlagen, und um drei Uhr begann ein heftiges Gefecht bei Möckern, das sich mit der Niederlage der Franzosen endigte, die sich gegen Abend bis nach Gohlis und Eutritsch zurückzogen. Zu Mittage langten Truppen auf der Allee am Randstädter Thore an, welche zum äußern hallischen Thore hereinkamen, und zum Teil zum Petersthore hinauszogen. Vor ihnen sprengte Marschall Ney her. Wahrscheinlich war dies das Corps, welches unberufener Weise dem Kaiser Napoleon zu Hülfe eilen wollte, weil es noch nicht da kanoniren hörte, wo es herkam. Man kann hieraus sehen, daß die französischen Heerführer sehr schlecht von dem Anrücken ihrer Gegner unterrichtet waren. Hier in Leipzig wußte man, daß Blücher anrücke, und daß der Kronprinz von Schweden auch nicht weit entfernt sey.


Neopolem.


Ansicht des Peters-Thores zu Leipzig den 19 Octbr. 1813

Zwischen Plagwitz, Schönau und Lindenau behielt das Gefecht lange Zeit die nämliche Stelle, nur bereitete es sich gleich anfänglich bis über Leutsch an der Luppe hinunter aus, über welche einzelne Tirailleurs drangen und sich bis fast in der Nähe des Kuhturmes zeigten, allein sie wurden wieder zurückgetrieben. Es hatte anfänglich den Anschein, als würden die Oesterreicher von dieser Seite vordringen und den Franzosen bei Lindenau in den Rücken kommen, allein dies geschah nicht. Um fünf Uhr mußten sich die Franzosen auf Lindenau zurückziehen, wo die finstre Nacht dem Kampfe ein Ende machte.

Nach zwei Uhr kamen einige Estaffeten nach Leipzig und verkündeten Siegesnachrichten. Ein teutscher Prinz ritt durch mehrere Straßen der Stadt, schwenkte den Hut, und schrie vive l'empereur. Nicht lange darauf mußte mit den Glocken geläutet werden. Die Oesterreicher hatten sich auf ihrem linken Flügel etwas zurückziehen müssen, allein während man sich mit der Verbreitung dieser Siegesnachrichten beschäftigte und der Kaiser Napoleon nach der Stadt ritt, um dem Marschall Marmont beizustehen, rückten sie wieder vor, und gewannen mehr Terrain als zuvor.

Am 16. Octob. wurde der Kaiser Napoleon etwas näher an Leipzig hingedrückt, und seine Operationslinie eingeengt. Mit Einbruch der Nacht hörte der Kanonendonner auf, und der Kaiser Napoleon kehrte in sein Hauptquartier nach Reudnitz zurück. Was er an diesem Tage durch den Kampf nicht erreicht hatte, das wollte er den 17. durch Unterhandlungen gewinnen: der Herzog von Bassano reisete zu Mittage ins Hauptquartier der Verbündeten und machte das Anerbieten, Leipzig zu räumen, im Falle man die Truppen ruhig abziehen ließe. Der Kaiser Napoleon wollte seine Armee hinter der Saale aufstellen, und von da aus Friedensunterhandlungen eröffnen. Den 17. suchten französischen Behörden alles Pulver in der Stadt auf, kauften Salpeter und fragten, ob es keine Pulvermühle in der Nähe gebe, um Pulver zuzubereiten. Es drohete Mangel an Munition einzutreten, und diesem wollte man dadurch vorbeugen.

Um 10 Uhr Vormittags den 17. machte die Reiterei der verbündeten Armee zwischen Eutritsch, Leipzig und Schönfeld einen Angriff auf die Franzosen und ihre Batterien, und warf beide schnell über die Partha und Schönfeld hinüber, wo die Franzosen den 17. stehen blieben. In der Gegend von Wachau fielen an diesem Tage bloß einige Kanonenschüsse. Die verbündeten Mächte zogen am 17. große Streitkräfte an sich, und der Kaiser Napoleon sammelte alles, was noch die Waffen tragen konnte. Man bemerkte unter den Franzosen eine große Verlegenheit; ihre Gesichter hatten sich noch mehr verlängert als gewöhnlich, und sie sahen gewaltig düster und mürrisch aus. Aus dem Ausfalle der Schlacht am gestrigen Tage zog man keine guten Folgerungen für die Zukunft; man wußte, daß man umringt war, und daß man immer enger eingeschlossen wurde. Es fehlte an Lebensmitteln, die Bande der Disciplin waren erschlafft, die Einwohner hatte man gemißhandelt, und die ganze Gegend ausgeplündert. Groß war die Furcht vor den Preußen und allen verbündeten Truppen, noch größer aber vor den Kosaken, die als das Auge der Armee alles ausspäheten und allenthalben waren. Die Anzahl der Verwundeten war groß, und gar keine Aussicht zur Rettung. Siegte man, so mußte man verhungern, wenn man stehen blieb; wurde man geschlagen, so war das Loos, das der Armee bevorstand, noch trauriger. Von allen Seiten verfolgt, ohne hinreichende Munition, ohne Reiterei sah man nichts als unvermeidlichen Untergang. Diese Gedanken plagten wahrscheinlich viele von den Soldaten, welche nachzudenken gewohnt waren. Allein auffallend blieb es immer, daß kein Franzose einen mitleidigen Blick auf die Verwundeten warf, die in Schaaren fortdauernd zu allen Thoren hereinkamen. Sie thaten entweder, als ob sie ihnen gar nichts angiengen, oder sie blickten sie bloß im Vorbeigehen an. An Anstalten, welche die Franzosen selbst zur Heilung und Verpflegung getroffen hätten, war gar nicht zu denken. Der verwundete französische Soldat wird, von seinen Landsleuten als ein Werkzeug betrachtet, das man nicht weiter brauchen kann, und das man verächtlich wegwirft.

Die Aufstellung der französischen Armee war den 18. des Morgens vorwärts Connewitz, Probsthaide, Holzhausen, Engelsdorf, Heiterblick und an der Partha bis nach Schönfeld hinunter. Gegen Süden und Südosten von der Stadt begann der Kanonendonner um acht Uhr, nach Neun Uhr näherte er sich, besonders in der Gegend von Probsthaide her. Um diese Zeit begann auch schon der Rückzug des Gepäcks durch die Vorstädte hinaus vor das Randstädter Thor. Viel Reiterei und Fußvolk befand sich dabei, und alles war in der größten Unordnung. Schon gegen eilf Uhr bemerkte man, daß sich die Franzosen rechts von Probsthaide etwas zurückgezogen hatten. Es fehlte ihnen besonders an Reiterei, und diejenige, die sie hatten, war in den schlechtesten Umständen. Gegen Norden von der Stadt wurde von halb zwölf Uhr an unmittelbar in der Nähe derselben bloß tiraillirt, allein gegen Nordosten und Osten war Nachmittags das Gefecht seht heftig, und die Franzosen wurden aus allen ihren Stellungen nach und nach vertrieben, und immer weiter nach der Stadt zurückgeschlagen. Abends waren sie bloß auf die nächsten Umgebungen der Stadt, auf Connewitz, Stötteritz, die Straßenhäußer, Reudnitz u. s. w. eingeschränkt.

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Der Rückzug begann in der Nacht nach der Stadt, und wurde mit dem frühesten weiter fortgesetzt. Es blieb dem Kaiser Napoleon kein anderer Ausweg übrig, als über Lindenau, von welchem sich die Osterreicher den 18. Morgens an der Elster zurückgezogen hatten. Nach Lindenau führt bloß eine Chaussee auf einem Damme über einige kleine Brücken. Neben der Chaussee können weder Menschen noch weniger Wagen fort. Für eine Armee, die sich eilends zurückzieht, war diese Weg viel zu eng, und der Rückzug mußte daher natürlich mit vielen unangenehmen Folgen für die französische Armee verbunden seyn, und je früher Leipzig erobert wurde, desto größer waren die Nachtheile. Wären die verbündeten Heere nicht durch das Abbrechen einiger Brücken verhindert worden, den Franzosen sogleich in Menge nachzusetzen, so wäre der Verlust der Franzosen bei Leipzig noch weit größer gewesen. So aber wurden die Franzosen von der Stadt aus den 19. bloß durch einige Tirailleurs verfolgt, und da die Bäume und das Locale das Tirailliren sehr begünstigte, so gieng das Vorrücken sehr langsam, und die Franzosen behaupteten sich durch das Abbrechen der Brücke bei Lindenau begünstigt in der Nacht des 19. noch in diesem Dorfe. Die französische Armee befand sich um 3 Uhr Nachmittags zwischen Lindenau und Schönau, worauf sie aufbrach und den Weg nach Markranstädt einschlug.

Der Kaiser Napoleon war in der Nacht vom 18. zum 19. in der Stadt; früh nach 9 Uhr den 19. besuchte er den König von Sachsen, und als er zum innern Randstädterthore wegen der Menge von Truppen und Gepäck nicht hinaus kommen konnten, kehrte er nach dem innern Petersthore zurück. Als er durch dasselbe hinaus war, schien es, als ob er links um die Allee reiten wollte, allein in diesem Augenblicke verkündete der stärkere Kanonendonner die Annäherung des Feindes; sogleich lenkte er rechts um, und sprengte zum Randstädterthore hinaus; kaum war er durch dasselbe hindurch, so wurde die Brücke bei der kleinen Funkenburg gesprengt. Wahrscheinlich war dies auf seinen Befehl geschehen, indem er fürchtete, die Alliirten möchten ihm auf dem Fuße nachfolgen.

Die Zerrüttung der französischen Armee war nach der Schlacht am 18. sehr groß und wurde es noch mehr durch den Verlust, den sie in Leipzig erlitt, wo gewiß 15,000 Mann verloren gegangen sind. In der Nähe des äußern Petersthores und des Petersschießgrabens gaben sich viele französische Garden und eine sehr große Anzahl von Polen gefangen.

Den Kaiser Napoleon schien nach der Wiedererneuerung der Feindseligkeiten nach dem Waffenstillstande vieles Ungemach zu verfolgen. Von der Zeit an war fast stets schlechtes Wetter. Es regnet beinahe beständig, die Wege wurden dadurch verdorben, die Menschen litten und die Pferde fielen um, oder wurden unbrauchbar. Mit dem französischen Verheerungssystem stellte sich auch sogleich Mangel an Lebensmitteln und Futter für das Vieh ein. Alles wurde fortgeschleppt, und doch litt man Hunger, weil man alles verheerte. Die Communication im Rücken und in der Flanke war fast stets unterbrochen. Die Kosaken fiengen Couriere, Lebensmittel und einzelne Trupps Soldaten auf, und da man nicht gehörig recognosciren konnte, so wußte man nicht, was um die Armee herum vorfiel.

Am 18ten war die allgemeine Disposition zur Schlacht ungefähr folgende:

Die große vereinigte Armee, welche durch die Ankunft des Generals en Chef, Freiherr von Bennigsen, mit einem Theil seiner Armee, indem er die Hälfte vor Dresden hatte stehen lassen, um 36,000 Mann am Abend vorher war verstärkt worden, wurde in 3 Hauptteile getheilt.

1) Der rechte Flügel unter dem Befehl des Generals en Chef Bennigsen, bestehend aus einem Theil der Armee von Pohlen, dem österreichischen Armeecorps von Klenau, der österreichischen leichten Division von Bubna und dem Kosakencorps unter dem Hettmann Platoff.

2) Das Centrum unter dem Befehl des General en Chef Barclay de Tolly, bestehend aus dem preußischen Armeecorps von Kleist, dem russischen Armeecorps von Wittgenstein, und den sämmtlichen russischen und preußischen Garden.

3) Der linke Flügel unter dem Befehl des General-Feldzeugmeisters Fürsten von Hessen-Homburg, bestehend aus den Divisionen Bianchi, Alois Lichtenstein, Weissenwolf, Nostitz, und einem großen Reservecorps. Eine leichte Division unter dem Befehl des General Giulay wurde auf dem linken Ufer der Elster bei Lindenau aufgestellt, um den Rückzug des Feindes, der, wie man aus sichern Nachrichten wußte, auf Weißenfels gehen würde, wenn nicht zu hindern, doch zu erschweren. Der Kronprinz von Schweden und der General von Blücher sollten an verschiedenen Punkten über die Partha gehen, und ihre Communication mit dem rechten Flügel der vereinigten großen Armee suchen. Das rechte Flügelcorps sollte den linken Flügel des Feindes angreifen und umgehen und so der Verbindung mit den Kronprinzen von Schweden entgegen kommen. Das Centrum sollte seinen Hauptangriff auf Libertwolkwitz und Wachau richten. Der linke Flügel das Plateau zwischen Dösen und Lösnig besetzt behalten, und nach den Umständen über Connewitz vordringen. Die Ausfürung dieser einfachen Disposition war folgendermaßen:

Um 7 Uhr den 18. October bei schönem Wstter standen alle schlagenden Armee schon unter den Waffen, und die vereinigte Armee war im Begriff der Disposition gemäß zu handeln, als der Bericht einlief, der Feind habe seine vordere Stellung verlassen, und sich mehr rückwärts concentrirt, da er vermuthlich von den Bewegungen des Kronprinzen von Schweden und der Generals von Blücher Nachricht bekommen hatte, und seine Gefahr für den linken Flügel einsah. In der Disposition wurde dadurch wenig geändert, der rechte Flügel verkürzte seine beschlossene Umgehung, und der linke Flügel wie das Centrum nahmen die nur schwach vertheidigten vorderen Positionen ein, worauf alle Theile ihren Angriff fortsetzten. Der linke Flügel griff Connewitz und das Centrum Probsthaide mit wechselndem Glücke an. Der rechte Flügel unternahm seine Flankenangriff, wobei General Klenau Zuckelhausen und Holzhausen eroberte, welches letztere Dorf er aber wieder verlor, und nur durch die Unterstützung einer russischen Infanterie-Division wieder eroberte, und gegen die wüthenden Angriffe des 11. französischen Armeecorps unter Macdonald behauptete.

Der General Bubna von diesem Flügel, welcher von Wachau aus über Brandis dirigirt war, erschien sehr zur rechten Zeit auf dem Wege von Zweenfurth und drang mit großer Tapferkeit gegen die Chaussee von Wurzen vor, auf welcher und über dieselbe hinaus der Hettmann General Platoff in diesem Augenblicke mit großer Schnelligkeit vorrückend erschien. Eine kleine Avantgarde von der Cavallerie-Armee von Polen unter dem General Strogonoff von der Cavallerie des General Tschaplitz und Creutz unterstützt, füllten die große Lücke aus, welche für die nicht so rasch der Flankenbewegung des rechten Flügels folgen könnende Infanteriedivision unter dem Befehl des General Doktorof zwischen dem Corps von Klenau und Bubna geblieben war. Sobald diese aber ankam, nahm das Gefecht des rechten Flügels eine noch ernstere Gestalt an, und die Dörfer Ober- und Nieder-Nauendorf ¹) wurden mit der höchsten Tapferkeit genommen, wobei der General Paschkewitz aufs neue seinen Soldatenruhm bewährte. Diesen glorreichen Fortschritten des rechten Flügels Schranken zu setzen, unternahmen die feindlichen Cavallerie-Generale Sebastiani und Ruther einen wüthenden Angriff auf die Cavallerie dieses Flügels; doch ohne den gewünschten Erfolg, wobei sie durch eine auf Befehl des Generals von Oppermann durch den Garden-Capitän Bolkofskol aufgestellte Batterie in die Flanke mit außerordentlichem Verlust beschlossen wurden, der besonders durch die tödtliche Verwundung des Generals Sebastiani unersetzlich wurde, und diese Cavallerie auch den ganzen Schlachttag abhielt, offensiv zu agiren. In dem günstigen Zeitpunkte, wo sich der linke Flügel und das Centrum in ihren eingenommenen Positionen gegen die Hauptmacht des Kaisers Napoleon mit unerschütterlicher Tapferkeit hielten, und mit Verzweiflung um den Besitz der Dörfer Connewitz und Stötteritz schlugen, und der rechte Flügel immer mehr Terrain über Mölkau, Stünz, Sellerhausen, Kohlgarten und Paunsdorf gewann, erhielt der General Bennigsen die Nachricht von der Annäherung des Kronprinzen von Schweden, und General Blücher theilte dieselbe sogleich dem Centrum mit, und trug dem preußischen Major von Wedel auf, die Verbindung der Armee des Kronprinzen aufzusuchen, welche durch die rasche Schwenkung des Hettmann Platoff auf dem äußersten rechten Flügel und durch die tapfere Vertheidigung von Paunsdorf durch General Bubna möglich gemacht wurde. Der Kronprinz von Schweden mit seinen vereinigten Truppen schritt von diesem Augenblicke an unaufhaltsam zwischen der Partha, welche er bei Taucha überschritten hatte, und der große Straße von Wurzen vor, indem der General Blücher, ihn unterstützend, die Partha auf dem rechten Ufer abwärts marschirte, so daß der eigentliche rechte Flügel der vereinigten großen Armee nun zum Centrum der allgemeinen Operation wurde, und seine Truppen zwischen Zuckelhausen und der großen Straße näher vereinigen konnte. Ein glücklicher Umstand begünstigte noch mehr die ruhmvollen Anstrengungen des rechten Flügels, indem 2 wirtenbergische Cavallerieregimenter und 9 Bataillone Sachsen nebst 28 Kanonen übergiengen, und man dieses Geschütz, woran bei der Verspätung der Reserve-Munition der polnischen Armee Mangel war, sogleich gegen die Feinde wenden konnte. War es dem Centrum und linken Flügel der vereinigten Armee gleich nicht möglich größere offensive Vortheile zu erringen, so verschafften dieselbe doch dem siegreichen rechten Flügel durch ihre tapfere Beharrlichkeit in ihrer Position Erleichterung bei seiner Arbeit.

¹) Zweinaundorf.

Der General Giulay, auf dem linken Ufer der Elster zu schwach, sich den zurückziehenden Colonnen der Feinde auf der Straße von Weißenfels zu widersetzen, wurde von dem General Bertrand angegriffen, und bis Großschocher zurückgedrängt, gieng jedoch gegen Abend wieder bis Plagwitz vor. Durch die Standhaftigkeit des Centrums und linken Flügels eben so wie durch das rasche Vorrücken des Kronprinzen von Schweden, welcher das Dorf Schönfeld durch ein preußisches Bataillon erstürmen ließ, war es dem General Bennigsen möglich, seinen Sieg weiter zu benutzen, und sogar bis über Zwey-Nauendorf Truppen vorzuschicken, so daß auf der Mitte seines Flügels nichts als die Mauern von Leipzig zu übersteigen blieben, obgleich links noch Stötteritz vor der Fronte des Generals Klenau vom Feinde besetzt blieb, welches aber natürlich in der Nacht, eben so wie die andern Dörfer vor der Stadt, von dem Feinde verlassen werden mußte.

Wir liefern hier nunmehro die officiellen Berichte von dieser merkwürdigen Schlacht *), welche ein Ganzes ausmachen, indem sie einander vervollständigen. Den französischen Bericht, der keck aller Wahrheit Hohn spricht, begleiten wir mit einigen Anmerkungen, die wir aus dem entlehnen, was wir selbst gesehen oder vernommen haben.

*) Die russische und englischen Berichte kennt man bis jetzt noch nicht.

Neopolem.


Deutschlands Rettung vom fremden Joch, durch die 3 tägige grosse Völckerschlacht bei Leipzig und Liebert-Wolkewitz den 16 Octbr. 1813; geliefert von denen Feld-Marschalls Schwarzenberg u. Blücher.

Oesterreichischer Bericht.[]


Hauptquartier Rötha, den 19. Octob. 1813.

Der Kaiser Napoleon hatte am 15. dieses Monats seine ganze Macht bei Leipzig versammelt, seinen rechten Flügel bei Connewitz, das Centrum bei Probsthayda und den linken Flügel bei Stötteritz aufgestellt, und vor der Fronte die Dörfer Dölitz, Wachau und Holzhausen stark besetzt. Gegen die Armee des Generals der Cavallerie von Blücher hatte er 2 bis 3 Armeecorps, worunter sich auch ein Theil der Garde befand, aufgestellt. Das Corps des General Regnier, welches durch Detaschements von andern Corps verstärkt wurde, war an diesem Tage noch bei Wittenberg, wo es die Elbe passirt hatte, um auf dem rechten Ufer Demonstrationen gegen Roßlau zu unternehmen. Es wurde beschlossen, den Feind mit der Hauptarmee und mit der Armee des General Blücher, welches bei Schkeuditz angekommen war, den 16. Morgens anzugreifen.

General Blücher drang von Schkeuditz über den Parthabach gegen Leipzig vor. Feldzeugmeister Graf Giulay rückte von Lützen gegen Lindenau; der General der Cavallerie Graf Meerveldt und das österreichische Reservecorps von Pegau über Zwenkau in der Richtung von Connewitz; der General der Cavallerie Graf Wittgenstein mit dem Corps des Generallieutenant von Kleist, und der General der Cavallerie Graf Klenau aus seiner Stellung über Gröbern und Gossa gegen Libertwolkwitz.

Der Angriff der Hauptarmee begann gegen 8 Uhr früh. Der Feind entwickelte eine Streitkraft von 140 bis 150,000 Mann, er schien besonders unsern rechten Flügel debordiren zu wollen, und zeigte bei Libertwolkwitz sehr große Cavalleriemassen.

Die Schlacht begann auf beiden Punkten mit einer äußerst heftigen Kanonade. Mehr als 1000 Feuerschlünde spielten gegen einander.

Der Angriff von Connewitz war in der Fronte nicht ausführbar, weil der Feind die Brücke und den Damm mit viel Geschütz und Infanterie vertheidigte, und das Terrain es unmöglich machte, Geschütz dagegen aufzuführen. Sobald man sah, daß derselbe mehrere große Angriffscolonnen gegen das Centrum mit dem äußersten rechten Flügel in Bewegung setzte, ließ der en Chef commandirender Feldmarschall Fürst von Schwarzenberg das ganze österreichische Reservecorps unter dem General der Cavallerie, Erbprinzen von Hessen-Homburg, über Gaschwitz und Deuben auf das rechte Ufer der Pleiße übersetzen und vor Gröbern aufmarschieren.

Der General der Cavallerie Graf Wittgenstein, der Generallieutenant von Kleist, und der General der Cavallerie Graf Klenau wiesen alle Angriffe des Feindes zurück. Der General en Chef Barclay de Tolly unterstützte das Centrum mit dem Grenadiercorps und einigen Cavallerieregimentern der Garde. Bei dieser Gelegenheit eroberte das Kleistsche Corps 5 Kanonen.

In dem Augenblicke als die Tete der österreichischen Reservecavallerie unter F. M. L. Grafen Nostitz aus Gröbern debouchirte, war es dem Feinde gelungen, auf dem linken Flügel, mit einer großen Cavalleriemasse, unterstützt von mehreren Quarées Infanterie, bis nahe an Gröbern vorzudringen. Der F. M. L. Graf Nostitz verlor keinen Augenblick; er stürzte sich mit seiner Cavallerie auf die feindliche, warf sie über den Haufen, hieb in mehrere Quarrées ein, und zersprengte sie gänzlich. Der Erbprinz von Hessen-Homburg rückte mit der Division des F. M. L. Bianchi, welche gleich nach der Cavallerie aus Gröbern debouchirt war, bis auf die Höhe von Markkleeberg vor. Der F. M. L. Bianchi dirigirte das Feuer seiner Artillerie in die Flanke der feindlichen Linien, schlug sie zurück und eroberte 5 Kanonen.

Der Feind unternahm nun mit einer außerordentlichen Kühnheit einen Angriff auf den rechten Flügel; seine Absicht war, ihn vom Centrum zu trennen. Die Generale der Cavallerie von Wittgenstein und Graf Klenau empfiengen ihn abermals mit der größten Kaltblütigkeit, und selbst, als er mit seiner Cavallerie-Colonne bis nahe vor Gossa vorgedrungen war, behaupteten die russischen Grenadiere ihre Stellung unerschütterlich. Das wohl dirigirte Feuer der Artillerie und eine glänzende Attake des Garde-Kosaken-Regiments, unter Anführung des General-Adjutanten Sr. Maj. des Kaiser aller Reussen, General Grafen Orlow-Denizow, zwang den Feind wieder zum Rückzuge bis hinter Wachau. Der en Chef commandirende Feldmarschall befahl nun eine allgemeine Vorrückung, um ganz Meister des Plateaus von Wachau zu werden. Die russischen Garden und die österreichische Grenadierdivision Weissenwolf wurden zur Unterstützung dieses Angriffes bestimmt, wodurch der Feind weit über seine erste Aufstellung zurückgedrängt wurde.

Der General der Cavallerie, Graf Meerveldt, hatte den Auftrag, den Uebergang über die Pleiße im Rücken des feindlichen rechten Flügels bei dem Dorfe Connewitz zu forciren. Gegen Abend gelang es dem bemeldeten General der Cavallerie nach den äußersten Anstrengungen, über den Fluß zu setzen. Eine große feindliche Uebermacht brachte jedoch das übergesetzte Bataillon zum Weichen. Das Pferd des General von Meerveldt wurde getödtet; er selbst erhielt eine leichte Schußwunde und wurde gefangen. Der F. M. L. Fürst Aloys Lichtenstein behauptete den ganzen Tag mit einem Theile des meerveldtschen Corps seine Stellung gegen die heftigsten Angriffe. Der F. Z. M. Graf Giulay drang bei Lindenau, woselbst der Feind, durch das Terrain begünstigt, den hartnäckigsten Widerstand leistete, vor, und eroberte hierbei zwei Kanonen.

Der General der Cavallerie von Blücher schlug seiner Seits den Feind, vertreib denselben aus Möckern, und eroberte einen Adler von der Marinegarde und 30 Kanonen, und machte 2000 Gefangene.

Die Nacht machte für diesen Tag der Schlacht ein Ende.

Der General der Cavallerie, Freiherr von Bennigsen, welcher nach Hinterlassung eines hinlänglichen Armeecorps vor Dresden zur Hauptarmee in Anmarsch war, konnte der größten Anstrengungen ungeachtet am folgenden Tage den 17. nicht weiter als bis Colditz und der F. Z. M. Graf Colloredo, der den Weg über Freiberg und Chemnitz genommen hatte, nur bis Borna kommen.

Der Kronprinz von Schweden, welcher bei Cöthen stand, überzeugte sich, daß die Bewegungen des Generals Regnier bloße Demonstrationen waren; er entschloß sich daher, sich mit dem General von Blücher zu vereinigen, um entweder dieses feindliche Armeecorps abzuschneiden, oder, im Fall es sich mit der französischen Hauptarmee vereinigen sollte, selbst an dem allgemeinen Angriff in den Ebenen von Leipzig Theil zu nehmen, und rückte zu diesem Ende, noch an diesem Tage, bis in die Gegend von Halle vor.

Der Umstand, daß am 17. die Armee des Kronprinzen von Schweden, das Armeecorps des General von Bennigsen, und die Armeeabtheilung des F. Z. M. Grafen Colloredo noch so weit von der Hauptarmee entfernt waren, um thätigen Antheil an der Schlacht zu nehmen, bestimmte den en Chef commandirenden General Fürsten von Schwarzenberg, den folgenden Tag zum erneuerten Angriffe abzuwarten. Am Abend des 17. traf der Kronprinz von Schweden in Taucha, der General der Cavallerie Freiherr von Bennigsen in Naunhof, und der F. Z. M. Graf Colloredo bei der Hauptarmee selbst ein.

Am 18. früh war die feindliche Hauptmacht von Connewitz über Dösen vorwärts Wachau gegen Fuchshayn und Seiffertshayn in Schlachtordnung aufmarschirt, und hatte Armeecorps gegen den General von Blücher und den Kronprinzen von Schweden aufgestellt. Leipzig hielt der Feind fortan stak besetzt. Um 8 Uhr früh begann der Angriff der Hauptarmee in 3 Colonnen. Die Absicht war, den Feind gegen Leipzig zu drängen, zu welchem Ende der en Chef commandirende Feldmarschall Fürst von Schwarzenberg die rechtsgehende Colonne der Armeecorps der Generale der Cavallerie Freiherrn von Bennigsen und Grafen von Klenau bestimmte. Die zweite Colonne unter dem Oberbefehl des Generals en Chef Barclay de Tolly, wurde aus den Corps des Generals der Cavallerie Grafen von Wittgenstein, und des Generallieutenants von Kleist gebildet, und hatte zur Reserve die gesammten russischen und preußischen Garden. Die dritte Colonne unter dem General der Cavallerie Erbprinzen von Hessen-Homburg formirte die Divisionen Bianchi, Fürst Aloys Lichtenstein, Graf Weissenwolf, und Graf Nostitz. Als Reserve dieser Colonne folgte der F. Z. M. Graf Colloredo mit seiner Armeeabtheilung.

Die erste Colonne rückte von Seifertshayn in der Richtung gegen Holzhausen; die Zweite von Gossa gegen die Höhen von Wachau, während eine Dritte das Plateau zwischen Dösen und Lösnig besetzt hielt.

Der Feind bot alles Mögliche auf, um dem Vorrücken unserer Angriffscolonnen Schranken zu setzen. Doch nichts konnte der Tapferkeit der verbündeten Truppen widerstehen. Er wurde aus einer Stellung in die andere zurückgedrängt, so daß er mit einbrechender Nacht auf die Stellung von Connewitz über Probsthaide gegen Zweinaundorf beschränkt wurde. Der Feind ward von dem rechten Flügel sehr gedrängt, wobei ihm 7 Kanonen abgenommen wurden.

Der Kronprinz von Schweden vertrieb den vor ihm stehenden Feind, und rückte bis Paunsdorf vor, während der General der Cavallerie von Blücher mit mehreren Abtheilungen seiner Armee über die Partha folgte.

Zwei würtenbergische Cavallerieregimenter unter dem General Norman, zwei sächsische Cavallerieregimenter und sieben sächsische Füselierbataillone mit 4 Batterien zu 26 Feuerschlünden unter den Befehlen des Generals von Rüssel traten an diesem Tage aus den feindlichen Reihen, und schlossen sich ganz ausgerüstet an die Armee der Alliirten an, um gemeinschaftlich mit ihnen die Sache Teutschlands zu verfechten.

Bereits gegen 10 Uhr früh begann die französische Armee ihren Rückzug auf den Straßen von Weißenfels und Merseburg, den sie diesen Tag und die folgende Nacht ununterbrochen fortsetzte. Da es unmöglich war, auf das linke Ufer der Elster so viele Truppen zu bringen als nöthig gewesen wären, um den Feind bei seinem Debouchiren aus Lindenau mit gutem Erfolge anzugreifen, so erhielt der F. Z. M. Graf Giulay den Befehl, sich mit seiner Armeeabtheilung gegen Pegau zu ziehen, und den Feind bloß mit seinen leichten Truppen harceliren zu lassen.

Am 19. mit Tagesanbruch behauptete der Feind nur noch Zweinaundorf, und die Windmühle vor den Straßenhäusern *) gegen Connewitz Der allgemeine Angriff wurde um 7 Uhr früh erneuert, und der Feind nach Leipzig geworfen. Hier suchte er Zeit zu gewinnen, um seine Truppen, Artillerie und Armeegepäck zu retten, zu welchem Ende er Parlementärs schickte, und den Antrag machte, den Rest der sächsischen Truppen unter der Bedingung zu überliefern, daß die Stadt mit der Beschießung verschont, und der französischen Garnison mit allem noch in derselben befindlichen französischen Armeegut freier Abzug gestattet würde.

Dieser Antrag wurde abgeschlagen. Die Alliirten hatten sich bereits der Vorstädte bemächtigt; der Feind wollte jedoch fortan die Stadt vertheidigen; die Alliirten drangen trotz seines Feuers in dieselbe ein; die auf dem Platze aufmarschirten Sachsen kehrten zugleich ihre Waffen gegen die Franzosen; ein badensches Infanterieregiment folgte den Beispiele der Sachsen; das Handgemenge wurde allgemein; der Feind gerieth in eine beispiellose Verwirrung; jeder einzelne dachte nunmehr an seine eigene Rettung, und die Alliirten wurden Meister der Stadt.

Die Folgen der so tief durchdachten als glücklich ausgeführten Operationen, welche auf die Vereinigung aller alliirten Armeen auf einem Punkte gegen die feindliche Uebermacht berechnet waren, sind in diesen drei glorreichen Tagen die Eroberung von mehr als 250 Kanonen, und bei 900 Munitionswagen. An Gefangenen sind bis jetzt mehr als 8000 eingebracht. Unter diesen befinden sich die drei Armeecorps-Commandanten, die Generale Lauriston, Regnier und Bertrand, nebst noch zehn andern Generalen.

Der am 16. dieses zum französischen Reichsmarschall ernannte Fürst Poniatowsky, da er sich nicht mehr über die Brücke flüchten konnte, wollte sich durch die Elster retten, fand jedoch, der Aussage seiner in Gefangenschaft gerathenen Adjutanten zu Folge, seinen Tod in dem Flusse.

Biblioteka Narodowa w Warszawie.

Noch diesen Abend verließen auch polnische Infanterieregimenter die feindlichen Fahnen, und giengen zu den Alliirten über.

Das Schlachtfeld von drei Stunden Länge, und eben so viel Breite, auf welchem für die Sache Teutschlands und der Ruhe Europas beinahe drei volle tage über gekämpft wurde, ist dergestalt mit feindlichen Leichen bedeckt, daß man den Verlust, welchen die französische Armee auf allen Seiten erlitten hat, auf wenigstens 40,000 Mann rechnen kann. Der Verlust der verbündeten Armeen beläuft sich im Ganzen an Todten und Verwundeten höchstens auf 10,000 Mann.

Die drei verbündeten Monarchen waren gestern, als am entscheidenden Tage, auf den Höhen von Wachau und Probsthaide Zeugen der außerordentlichen Tapferkeit ihrer Truppen.

Se. k. k. Maj. haben auf dem Schlachtfelde selbst dem en Chef commandirenden Feldmarschall, Fürsten von Schwarzenberg, das Großkreuz des Maria-Theresia-Ordens, Se. Maj der Kaiser von Rußland demselben den St. Georgen-Orden erster Classe, und Se. Maj. der König von Preußen ihm den schwarzen Adler-Orden zu verleihen geruhet.

Dem General der Cavallerie von Blücher, welcher durch seine im Laufe des gegenwärtigen Feldzugs mit seltener Klugheit und Entschlossenheit geleisteten sehr beschwerlichen Operationen so viel zu den glücklichen Resultaten dieser Schlacht beigetragen hat, haben Se. k. k. Majestät ebenfalls das Großkreuz des Maria-Theresia-Ordens und dessen General-Quartiermeister, dem General von Gneisenau das Commandeurkreuz desselben Ordens zu verleihen geruhet.

Der en Chef commandirende General-Feldmarschall behält sich vor, Sr. k. k. Majestät diejenigen Herren Generale, Staabs- und Oberoffiziere, welche sich an diesen glorreichen Tagen besonders ausgezeichnet haben, noch vor Einreichung der ausführlichen Relation namhaft zu machen.

Sämmtliche Armeen sind in Bewegung, um dem Feinde auf dem Fuße zu folgen.


Neopolem.


[Deutschlands Rettung vom fremden Joch durch die 3 tägige grosse Völkerschlacht bei Leipzig.]

Bericht des Generals von Blücher über die Schlacht bei Leipzig, am 16. 17. 18. und 19ten.[]


Leipzig, den 20. October 1813.

Nachdem die schlesische Armee ihre Verbindungen mit der des Kronprinzen von Schweden befestigt und die nöthigen Brücken bei Halle geschlagen hatte, brach sie am 15ten October nach Schkeuditz auf.

Der Feind stand in unbekannter Stärke bei Radefeld und Lindenthal.

Auf den 16. October war ein allgemeiner Angriff auf die feindliche Stellung angeordnet. Die große Armee marschirte auf der Straße von Borna gegen Leipzig; General Graf von Giulay drang von Lützen über Markranstädt vor. Um 1 Uhr griff die schlesische Armee an. Der Graf von Langeron delogirte den Feind von Radefeld, und rückte gegen Breitenfeld auf Großwetteritz. Der General von York nahm das Dorf Lindenthal, und trieb den Feind gegen Leipzig. Hier zeigten sich bedeutende feindliche Massen, welche sich zwischen Eutritsch und Möckern aufstellten. Dieser letzte Ort war von feindlicher Infanterie besetzt. Er wurde genommen und wieder verloren. Der Feind fuhr 40 Kanonen auf einem Punkt auf, mit denen er seine fechtende Infanterie unterstützte. Die ganze Infanterie des Corps von York kam nach und nach ins Gewehrfeuer, während das Corps des Grafen Langeron die Dörfer Groß- und Kleinwetteritz auf dem linken Flügel erobert, verloren und wieder genommen hatte. Das Corps von Sacken hatte die Reserve. Der General en Chef ertheilte ihn die Ordre, heranzurücken, doch ehe es ankam, entschied die Tapferkeit der Truppen. Der Feind wurde bei Möckern gänzlich über den Haufen geworfen, die Cavallerie brach in seine fliehende Infanterie, und mit dem Einbruche der Nacht endigte die Schlacht bei Eutritsch und Gohlis vor Leipzig.

1 Adler, 2 Fahnen, 43 Kanonen, und über 2000 Gefangene sind das Resultat der Schlacht bei Möckern.

Der Marschall Marmont commandirte die feindliche Armee, welche auf dem 4ten, 6ten und 7ten Corps bestand.

Unser Verlust ist bedeutend. Bei dem Corps von York sind viele Offiziere von Rang verwundet.

Den 17. October machte das Corps des Grafen Langeron eine Bewegung gegen den feindlichen rechten Flügel, der sich hinter Eutritsch aufgestellt hatte.

Der Generallieutenant Wasiltschikoff gieng mit Kosaken und 4 Kavallerieregimentern zwischen Eutritsch und Schönfeld gegen die feindliche Linie vor, die ihn mit lebhaftem Kanonenfeuer empfieng. Der Feind hatte auf seinem rechten Flügel Cavallerie aufgestellt.

Auf diese feindliche Cavallerie stürzten sich 2 Regimenter der Cavallerie von Wasiltschikoff und warfen die feindliche Cavallerie, die hinter der Infanterie weg mit verhängtem Zügel in die 2000 Schritt dahinter liegende Vorstadt von Leipzig jagte. Hier ward sie eingeholt, eine Menge Infanterie und Cavallerie zusammengehauen, viele Gefangene gemacht und 6 Kanonen genommen.

Die aufgestellte feindliche Linie, hinter deren Rücken die Attaque weggieng, blieb indeß in Masse stehen, und feuerte nach allen Seiten mit Kanonen. Die Husaren nahmen ihre Gefangenen und eroberten Kanonen in die Mitte, und zogen sich unter dem Gewehrfeuer der feindlichen Infanterie zu ihrem Haupttrupp zurück.

Diese Cavallerieangriff gehört zu den schönsten und kühnsten dieses Krieges.

Der Feind zog sich hierauf über die Partha und in die Stadt Leipzig zurück. Die Nordarmee kam gegen Abend auf dem linken Flügel der schlesischen Armee an, und von der großen Armee gieng die Nachricht ein, daß am 18. October der Feind von allen Seiten zugleich angegriffen werden könne.

Den 18. October mit Tages Anbruch fieng der Kanonendonner rund um die französische Armee zugleich an.

Nach der Disposition sollte das Corps von Graf Langeron sich an die Armee des Kronprinzen von Schweden anschließen, in der Gegend von Taucha die Partha passiren, und den feindlichen rechten Flügel aufrollen. Der General en Chef schloß jedoch aus der feindlichen Aufstellung, daß es nicht schwer halten würde, die Partha bei Mockau zu forciren, und da hierduch das Debouchiren der Nordarmee über Taucha sehr erleichtert wurde, so gab er Befehl zum Angriff.

Der Feind leistete wenig Widerstand, und das Corps von Graf Langeron drang über die Partha gegen Leipzig vor. Einige feindliche Cavallerieregimenter sollten angegriffen werden, als sie zu uns übergiengen. Es waren Sachsen. Die Infanterie und Artillerie kam zur Nordarmee. Es sind 11 Bataillone mit dem General Ryssel, 1 Eskadron Husaren, 2 Eskadron Clemens Lanziers, 3 Batterien, bestehend aus 30 Stück Geschütz, und eine Brigade Würtembergische Cavallerie unter dem General Normann; sie vereinigten sich mit uns für die allgemeine Sache, und nahmen sogleich Theil an der Schlacht.

Die Nordarmee rückte bald auf des Feindes linken Flügel an. An diese schloß sich die von Bennigsen und an diese wiederum die Hauptarmee, welche ihren linken Flügel bei Connewitz an die Elster lehnte.

Gegen Mittag zeigte der Rauch des Kanonenfeuers das concentrische Vordringen aller Armeen. Eine halbe Million Menschen schlugen sich auf dem Raume einer Quadratmeile.

Das Corps des Grafen Langeron fand den Feind in und bei Schönfeld aufgestellt, wo er eine lebhafte Kanonade engagirte. Graf Langeron ließ Schönfeld mit Infanterie angreifen, es wurde genommen, der Feind steckte es in Brand, nahm es wieder, und erst mit Einbruch der Nacht eroberte es Graf Langeron, während der General von Sacken zu seiner Unterstützung die Stadt Leipzig und das Rosenthal mit Infanterie angriffen, und dadurch die Kräfte des Feindes getheilt hatte. Das Corps von York blieb an diesem Tage in der Reserve.

Mit dem Einbruche der Nacht war der Feind von allen Seiten bis an Leipzig herangedrängt, nur auf der Straße nach Lützen und Weißenfels hatte er das Beobachtungscorps vom Grafen Giulay durch Uebermacht genöthigt, sich an die Elster zu ziehen. Auf diese Nachricht ließ der General en Chef noch am Abend das Corps von York nach Halle marschiren, um am linken Ufer der Saale dem Feinde bei Merseburg und Weißenfels zuvor zu kommen.

Den 19. Octob. mit Tagesanbruch zeigte sich der völlige Rückzug des Feindes in die Stadt Leipzig. Eine Menge vor der Stadt aufgefahrne Pulverwagen wurden von ihm in die Luft gesprengt. Um 9 Uhr war der Feind auf die Stadt eingeschränkt, und man sah, daß er sich in Unordnung zurückzog.

Ein Angriff von allen Seiten erfolgte. Der Feind vertheidigte sich mit vieler Hartnäckigkeit. Das Corps von Sacken nahm die Verschanzungen vor dem hallischen Thore mit Sturm und drang bis an das Tor selbst vor, allein die Aufstellung des Feindes war sehr vortheilhaft, und 2 im Thor aufgestellte Kanonen wirkten mit Kartätschen so, daß die Tapferkeit der Truppen die Hindernisse nicht überwinden konnte.

Der General en Chef ließ Verstärkungen vom Corps des Grafen von Langeron im Sturmschritt längs den Wiesen der Partha herabrücken, und diese Bewegung entschied die Wegnahme des hallischen Thores, worauf der Feind in völliger Flucht seine Stellung verließ.

Die Nordarmee hatte das grimmaische Thor erstürmt, und focht in den Esplanaden. Von 4 Seiten drangen die Soldaten der vier größten Nationen von Europa ein, und reichten sich brüderlich die Hand.

In der Stadt ergaben sich alle teutsche Truppen. Die commandirenden Generale Regnier und Lauriston, nebst einer großen Anzahl Generale und einer unübersehbaren Menge von Gefangnen (man schätzt sie über 30,000 Mann) fielen in unsere Hände, 103 Kanonen und über 200 Munitionswagen wurden allein in der Stadt Leipzig genommen.

Der Leichnam des Fürsten Poniatowsky wurde in der Pleiße gefunden.

Der Feind flieht über Lützen. Noch ist nicht abzusehen, wie er entkommen kann. Der Kaiser Napoleon macht mit 20,000 Mann Garden die Arrieregarde.

So hat die viertägige Völkerschlacht vor Leipzig das Schicksal der Welt entschieden.


Französischer Amtsbericht von der Schlacht bei Leipzig.[]


So weit ist die Verwegenheit im Lügen noch nie getrieben worden, als in dem französischen Amtsberichte von der Schlacht bei Leipzig. Nirgends haben die Franzosen Vortheile errungen, nirgends Terrain erkämpft, und doch schreiben sie dem französischen Kaiser den Sieg zu. Immer und ewig spiegelt er seinem Volke das Phantom der Unüberwindlichkeit vor, aber wie tief muß eine Nation gesunden seyn, der ihre Regierung solche schreiende Unwahrheiten vorzulegen wagt! Der französische Kaiser schlug sich bei Leipzig bloß wegen seines Rückzuges, so groß seine Armee auch noch war, und schon am 16. Oct. war es entschieden, auf welcher Seite der Sieg seyn würde. Wir lassen nunmehro den französischen Bericht von der Schlacht folgen, in welchem sehr geschickt hier und dort etwas Wahrheit unter eine Masse von Unwahrheiten gemischt ist.

Vom 7. bis 15. October.

Am 7ten October ist der Kaiser von Dresden abgereist. Am 8ten übernachtete er zu Wurzen, am 9ten zu Eilenburg, und am 10ten zu Düben. Die feindliche schlesische Armee, die sich nach Wurzen gewandt hatte, trat sogleich den Rückzug an, und gieng auf das linke Ufer der Mulde zurück. Sie hatte einige Plänkeleien, bei welchen wir ihr Gefangene und mehrere 100 Bagagewagen abnahmen. General Regnier marschirte nach Wittenberg, gieng dort über die Elbe nach Roßlau, umgieng die Brücke von Dessau, bemächtigte sich ihrer, wandte sich dann nach Acken, wo er die Brücke nahm. General Bertrand machte sich Meister von der Brücke zu Wartenburg. Der Fürst von der Moskwa gieng auf die Stadt Dessau los und begegnete einer preußischen Division, General Delmas schlug sie, und nahm 3000 Mann Gefangene und 6 Kanonen. Mehrere Cabinetskuriere, unter andern Herr Kraft, wurden mit Depeschen von der größten Wichtigkeit aufgefangen. Nachdem man dem Feinde alle Brücken abgenommen, war der Plan des Kaisers, über die Elbe zu setzen, und auf dem rechten Ufer der Elbe von Hamburg bis Dresden zu manövriren, Potsdam und Berlin zu bedrohen, und Magdeburg zum Mittelpunkt der Operationen zu nehmen, welches zu diesem Zwecke mit Munitionsvorräthen und Lebensmitteln versehen wurde. Aber am 15ten erfuhr der Kaiser zu Düben *), daß sich die baiersche Armee mit der österreichischen vereinigt habe, und den Niederrhein bedrohe. Dieser unbegreifliche Abfall ließ den Abfall anderer Fürsten voraussehen, und bewog den Kaiser auf seine Operationslinie zurückzukehren **); eine leidige Abänderung, da bereits Alles vorbereitet war, um auf Magdeburg zu operiren; allein der Kaiser hätte sich einen ganzen Monat lang von Frankreich ohne Communication abgeschnitten gesehen, welches in dem Augenblicke, wo er seine Plane beschloß, wohl ohne Nachtheil gewesen wäre, allein so war es nicht mehr, als Oesterreich zwei neue disponible Armeen erhielt, die baiersche Armee und das Baiern entgegenstehende Heer. Der Kaiser veränderte unter diesen unvorgesehenen Umständen also seinen Plan, und verlegte sein Hauptquartier nach Leipzig. Indeß erhielt der König von Neapel, der zu Freiberg zur Beobachtung blieb, am 7ten den Befehl, eine Fronteveränderung zu machen, und sich über Penig und Frohburg zu begeben, und auf Wurzen und Wittenberg zu agiren. Eine österreichische Division, die Augustusburg besetzt hielt, machte diese Bewegung schwierig, der König erhielt deshalb den Befehl, sie anzugreifen; er schlug sie, nahm mehrere Bataillone und bewirkte hierauf seine Wendung rechts. Der linke Flügel der feindlichen Armee von Böhmen, aus dem russischen Wittgensteinschen Corps bestehend, hatte sich unterdessen nach Altenburg begeben. Auf die Nachricht von der Fronteveränderung des Königs von Neapel, zog es auf Frohburg und sodann links auf Borna, wo es sich zwischen dem Könige von Neapel und Leipzig aufstellte. Der König stand nicht an, wie er manövriren sollte, er wandte sich, gieng auf den Feind los, warf ihn, nahm 9 Kanonen, 1000 Gefangene, und warf ihn über die Elster zurück mit einem Verluste von 4 bis 5000 Mann ***). Am 15ten war die Stellung der Armee folgende: das kaiserliche Hauptquartier befand sich zu Reudnitz, eine halbe Stunde von Leipzig. Das 4te Corps unter Bertrand lag im Dorfe Lindenau. Der König von Neapel hatte das 2te, 8te und 5te Corps, seinen rechten Flügel zu Dölitz und seinen linken zu Libertwolkwitz. Das 6te Corps stand zu Lindenthal. Das 3te und 7te Corps waren auf dem Marsche von Eilenburg, um das 6te Corps zu flankiren. Die große österreichische Armee von Böhmen hatte das Giulaysche Corps Lindenau gegen über, ein Corps zu Zwenkau, und die übrige Armee lehnte den linken Flügel an Gröbern, und den rechten an Naunhof. Die Brücken von Wurzen und Eilenburg über die Mulde, und die Stellung von Taucha und an der Partha waren von unsern Truppen besetzt. Alles verkündigte eine große Schlacht. Das Resultat unserer verschiedenen Bewegungen in diesen 6 Tagen waren 5000 Gefangene und mehrere Kanonen ****). Der Fürst Poniatowsky hatte sich bei dieser Gelegenheit mit Ruhm bedeckt.

*) Der Kaiser Napoleon langte schon den 14. zu Mittage in Leipzig an, stieg in der Nähe des Hochgerichts vom Pferde, ließ ein Bivouakfeuer anmachen, und da sich in diesem Augenblicke eine sehr starke Kanonade nach Libertwolkwitz und Wachau hören ließ, so breitete er eine Charte vor sich aus, und blieb den ganzen Nachmittag, so lange die Kanonade dauerte, in der Nähe des Hochgerichts.
**) Im Moniteur v. 30. Oct. heißt es: an den Rhein zu rück zu kehren.
***) Die Elster fließt gar nicht in dieser Gegend, und die Russen sind nicht über sie gegangen; aber auch nicht über die Pleiße. Das Vorpostengefecht am 14. bei Wachau und Libertwolkwitz mit dem Könige von Neapel wird gar nicht erwähnt, ob es schon sehr bedeutend war und von Mittage bis auf den Abend dauerte.
****) Alle Gefangene mußten nach Leipzig gebracht werden, und doch haben wir nur sehr Wenige zu sehen bekommen.


2) Bis zum 16ten October Abends.

SectieLeipzig1813

Plan von der Schlacht von Leipzig.

Am 15. verkündete der Befehlshaber der feindlichen Armee, Fürst von Schwarzenberg, im Tagsbefehle, daß am 16ten eine allgemeine entscheidende Schlacht seyn sollte. Wirklich rückte am 16ten Morgens um 9 Uhr die große verbündete Armee gegen uns. Sie operirte beständig, um sich auf ihrem rechten Flügel auszudehnen. Anfangs sah man drei große Colonnen, wovon die eine längs der Elster *) gegen das Dorf Dölitz, die zweite gegen das Dorf Wachau, und die dritte gegen das Dorf Libertwolkwitz zog; diesen 3 Colonnen giengen 200 Kanonen voran. Der Kaiser traf sogleich seine Anstalten. Um 10 Uhr war die Kanonade Eine der stärksten; um 11 Uhr waren die beiden Armeen um die Dörfer Dölitz, Wachau und Libertwolkwitz im Kampfe; diese Dörfer wurden 6 bis 7mal angegriffen; der Feind wurde beständig zurückgeschlagen, er bedeckte die Zugänge mit Leichnamen. Graf Lauriston vertheidigte mit dem 5ten Corps Libertwolkwitz, Poniatowsky mit seinen braven Polen Dölitz, und der Herzog von Belluno Wachau. Zu Mittag wurde der 6te feindliche Angriff abgeschlagen; wir blieben Meister der drei Dörfer, und hatten 2000 Gefangene gemacht. Ungefähr zu der Zeit rückte der Herzog von Tarent über Holzhausen gegen eine feindliche Redoute, die der General Charpentier im Sturmschritte wegnahm, ihr Geschütz eroberte und einige Gefangene machte. Der Augenblick war entscheidend. Der Kaiser befahl dem Herzoge von Reggio, sich mit 2 Divisionen der jungen Garde nach Wachau zu begeben; zugleich befahl er dem Herzoge von Treviso, mit 2 andern Divisionen der jungen Garde nach Libertwolkwitz zu marschiren und sich eines großen Waldes links des Dorfes zu bemächtigen. Zugleich ließ er unter dem General Drouot gegen das Centrum eine Batterie von 150 Kanonen vorrücken. Diese Verfügungen hatten den erwarteten Erfolg. Die feindliche Artillerie stellte sogleich ihr Feuer ein, der Feind zog sich zurück, und das Schlachtfeld blieb und ganz **). Es war 3 Uhr Nachmittags. Alle feindlichen Truppen waren im Kampfe gewesen; man nahm zur Reserve seine Zuflucht. Graf von Meerveldt, der die österreichische Reserve commandirte, löste mit 6 Divisionen alle Truppen auf allen Angriffspunkten ab; die kaiserlich-russische Garde, welche die Reserve der russischen Armee bildet, löste die Truppen im Mittelpunkte ab. Die Cavallerie der russische Garde und die österreichischen Cuirassiere stürzten sich auf unsern rechten Flügel, bemächtigten sich Dölitz, und umschwärmten die Carrés des Herzogs von Reggio. Der König von Neapel marschirte mit den Cuirassieren von Latour-Maubourg, und griff die feindliche Cavallerie links von Wachau an, während die polnische Cavallerie und die Gardedragoner unter dem General Letort rechts angriffen. Die feindliche Cavallerie wurde geschlagen, und 2 ganze Regimenter blieben auf dem Schlachtfelde. General Letort machte 300 russische und österreichische Gefangene. General Latour-Maubourg nahm einige 100 Mann von der russischen Garde. Der Kaiser ließ auf der Stelle die Division Curial von der Garde vorrücken, um den Fürsten Poniatowsky. Der General Curial begab sich zum Dorfe Dölitz, griff es mit dem Bajonette an, nahm es, und machte 1200 Gefangene, worunter der Obergeneral Meerveldt war ***). Als die Sachen auf unserm rechten Flügel wieder so hergestellt waren, zog sich der Feind zurück, und das Schlachtfeld wurde uns nicht mehr streitig gemacht. Die Kanonen der Gardereserve, die General Drouot commandirte, befanden sich bei den Tirailleurs. Die feindliche Cavallerie griff sie an. Die Kanoniere stellten ihre Stücke, die sie die Vorsicht gehabt hatten, mit Kartätschen zu laden, in Vierecke und schossen so behend, daß der Feind in einem Augenblicke zurückgeschlagen wurde. Während dessen rückte die französische Cavallerie vor, um die Batterien zu unterstützen. Der General Maison, Commandant einer Division vom 5ten Corps, ein sehr ausgezeichneter Offizier, wurde verwundet. Der General Latour-Maubourg, Commandant der Cavallerie, verlor den Schenkel durch eine Kanonenkugel. Unser Verlust an diesem Tage an Todten und Verwundeten war 2500 Mann ****), nicht übertrieben darf man den feindlichen Verlust auf 15,000 Mann schätzen. Dem Benehmen des General Lauriston und des Fürsten Poniatowsky an diesem Tage kann man nicht zu viel Lobeserhebungen ertheilen. Um diesem Letztern einen Beweis von Zufriedenheit zu geben, ernannte ihn der Kaiser auf dem Schlachtfelde zum französischen Marschalle, und bewilligte viele Dekorationen den Regimentern seines Corps. Der General Bertrand ward zu gleicher Zeit im Dorfe Lindenau von den Generalen Giulay, Thielmann und Lichtenstein angegriffen. Man schoß auf beiden Seiten aus ohngefähr 50 Kanonen. Das Gefecht dauerte 6 Stunden ohne daß der Feind eine Spanne Landes gewinnen konnte. Um 5 Uhr Abends entschied General Bertrand den Sieg *), indem er einen Angriff mit seiner Reserve machte; er vereitelte nicht nur den Plan des Feindes, der sich der Brücke von Lindenau und der Vorstadt von Leipzig bemächtigen wollte, sondern er zwang ihn auch, sein Schlachtfeld zu räumen **). Auf dem rechten Ufer der Partha, eine Stunde von Leipzig, und 4 Stunden vom Schlachtfelde, wo sich der Kaiser befand ***), gerieth der Herzog von Ragusa in Kampf. Durch einen jener fatalen Umstände, die oft auf die wichtigsten Angelegenheiten Einfluß haben, glaubte das 3te Corps, das den Herzog von Ragusa unterstützen sollte, von dieser Seite aber um 10 Uhr Morgens nichts hörte, dagegen aber eine schreckliche Kanonade von der Seite des Kaisers vernahm, wohlzuthun, wenn er sich dahin begäbe, und verlor so den Tag in Märschen. Der Herzog von Ragusa seiner eigenen Kraft überlassen, vertheidigte Leipzig, und behauptete seine Stellung während des ganzen Tags ****); allein der Verlust, den er erlitt, kam dem feindlichen Verluste nicht gleich, so groß er auch war. Die Kanonierbataillone von der Marine benahmen sich schwach. Die Generale Compan und Frederichs wurden verwundet. Abends war der Herzog von Ragusa, selbst leicht verwundet, gezwungen, seine Stellung an der Partha enger zu schließen. Er mußte bei dieser Bewegung mehrere demontirte Kanonen und Wagen stehen lassen.

*) Soll heißen die Pleiße.
**) Aber nicht lange, noch weniger auf allen Seiten. So bald Verstärkung angelangt war, rückten die Alliirten wieder vor. Dies geschah etwa um 4 Uhr. Der französische Kaiser hatte sich früher zu dem Corps von Marmont begeben.
***)Der General Meerveldt befand sich, so viel wir wissen, gar nicht hier, sondern bei Connewitz, wo die Brücke abgebrochen war, und wo er demohngeachtet über die Pleiße gieng, aber dabei gefangen genommen wurde. Die Oesterreicher wehrten sich hier sehr tapfer, aber ihr Verlust war auch bedeutend.
****) Sicherlich kamen an diesem Tage und dem 17ten gegen 10,000 Verwundete nach Leipzig.
*) Gerade um 5 Uhr rückten die Oesterreicher näher an Lindenau heran, und die Franzosen mußten sich zurückziehen.


**) Die Oesterreicher bivouakirten noch den 17 auf dem Schlachtfelde.
***) Etwa 2 und eine halbe Stunde.
****) Zwischen 4 und 5 Uhr wurde der Marschall Marmont bei Möckern geschlagen, und mußte bis nach Gohlis und Eutritsch retiriren. Sein Rückzug gieng sehr schnell vor sich. Abend vor 6 Uhr standen die Preußen und Russen schon vor den genannten beiden Dörfern.


3) Bis zum 24. October.

Die Schlacht bei Wachau hatte alle Plane des Feindes verrückt; allein seine Armee war so zahlreich, daß er noch Hülfsmittel hatte. In aller Eile rief er während der Nacht die auf der Operationslinie gelassenen Corps und die an der Saale gebliebenen Divisionen herbei, und beschleunigte den Marsch des General Bennigsen, der mit 40,000 Mann eintraf. Nach der Rückzugsbewegung, die der Feind am 16. Abends und während der Nacht gemacht hatte, hielt derselbe 2 Stunden rückwärts eine schöne Position besetzt. Man mußte den 17. zur Rekognoscirung und zur Bestimmung des Angriffspunktes verwenden. Außerdem war dieser Tag nothwendig, um die Reserveparks kommen zu lassen, und die Munition für 84,000 Kanonenschüsse zu ersetzen, die in der Schlacht fielen. Der Feind hatte also Zeit, die Truppen zu sammeln, die er auf mehrern Punkten zerstreuet hatte, als er sich schimärischen Planen überließ, und die erwarteten Verstärkungen an sich zu ziehen *). Als der Kaiser Nachricht von der Ankunft dieser Verstärkungen erhielt und eingesehen hatte, daß die feindliche Stellung sehr verstärkt wäre, beschloß er, den Feind auf ein anderes Terrain zu locken. Am 18. um 2 Uhr Morgens näherte er sich Leipzig auf 2 Stunden **), und stellte seine Armee den rechten Flügel zu Connewitz, das Centrum zu Probsthaide und den linken zu Stötteritz auf, er selbst hielt sich in der Mühle von Fa ***) auf. Der Fürst von der Moskwa hatte der schlesischen Armee gegenüber die Truppen an der Partha aufgestellt, das 6. Corps zu Schönfeld, das 3. und 7. längs der Partha zu Neutsch und St. Thecla. Der Herzog von Padua mit dem General Dombrowsky besetzte die Stellung und die Vorstadt von Leipzig auf der hallischen Straße ****). Um 3 Uhr Morgens war der Kaiser in Dorfe Lindenau. Er befahl dem General Bertrand, sich nach Lützen und Weißenfels zu begeben, die Ebene zu säubern, und sich der Deboucheen an der Saale und der Verbindung mit Erfurt zu sichern. Die feindlichen Truppen zerstreuten sich, zu Mittag war General Bertrand Meister von Weißenfels und von der Brücke über die Saale. Nachdem sich der Kaiser auf diese Art seiner Verbindungen gesichert hatte, erwartete er festen Fußes den Feind. Am 9 Uhr meldeten die Pänkler, daß er auf der ganzen Linie marschire. Um 10 Uhr begann die Kanonade *****). Der Fürst Poniatowsky und General Lefol vertheidigten die Brücke von Connewitz. Der König von Neapel stand mit dem zweiten Corps zu Probsthaide, und der Herzog von Tarent zu Holzhausen. Alle Anstrengungen des Feindes während des Tages gegen Connewitz und Probsthaide scheiterten *). Der Herzog von Tarent wurde zu Holzhausen überflügelt; der Kaiser befahl, er sollte sich im Dorfe Stötteritz aufstellen. Die Kanonade war schrecklich. Der Herzog von Castiglione, der einen Wald im Mittelpunkte vertheidigte, hielt da den ganzen Tag. Die alte Garde war als Reserve auf einer Erhöhung aufgestellt, und bildete 4 große Colonnen, gegen die 4 Hauptangriffspunkte gerichtet. Der Herzog von Reggio wurde abgeschickt, um den Fürsten Poniatowsky zu unterstützen; der Herzog von Treviso, um die Deboucheen der Stadt Leipzig zu bewachen. Der Erfolg der Schlacht hieng vom Dorfe Probsthaide ab. Viermal griff der Feind mit ansehnlicher Macht an, und 4 mal wurde er mit großem Verlust zurückgeschlagen. Um 5 Uhr Abends ließ der Kaiser seine Artilleriereserven vorrücken, und wies das Feuer des Feindes ab, der sich auf eine Stunde vom Schlachtfelde entfernte **). Während der Zeit griff die schlesische Armee die hallische Vorstadt an. Ihre den Tag über vielmal wiederholten Angriffe scheiterten alle ***). Mit dem größten Theil ihrer Macht versuchte sie nun über die Partha zu Schönfeld und zu St. Thecla zu setzen. Dreimal gelang es ihr, sich auf dem linken Ufer aufzustellen, und 3mal vertrieb sie der Fürst von der Moskwa wieder mit dem Bajonett. Um 3 Uhr Nachmittags war sowohl gegen die schlesische Armee ****), als gegen die große Armee der Sieg auf unserer Seite, allein in diesem Augenblicke trat die sächsische Armee, Infanterie, Cavallerie, ganz zum Feinde über. Von der sächsischen Armee blieb nur der sie en Chef commandirende General Zeschau mit 500 Mann zurück. Dieser Verrath brachte nicht nur in unsere Linien eine Lücke, sondern überlieferte dem Feinde auch das wichtige der sächsischen Armee anvertraute Debouché *****), welche die Sache so weit trieb, auf der Stelle ihre 60 Kanonen gegen die Division Durütte zu kehren. Es folgte daraus einen Augenblick Unordnung. Der Feind setzte über die Partha, und bemächtigte sich Reudnitz *) Er befand sich nur noch eine halbe Stunde von Leipzig. Der Kaiser sandte seine Garde zu Pferd unter General Nansouty mit 20 Kanonen ab, um die Truppen, die längs der Partha zum Angriffe von Leipzig vorrückten, in der Flanke zu nehmen. Er selbst begab sich mit einer Gardedivision ins Dorf Reudnitz. Die Schnelle dieser Bewegungen stellte die Ordnung wieder her. Das Dorf wurde wieder genommen und der Feind sehr weit gejagt. Das Schlachtfeld blieb ganz in unsrer Gewalt, und die französische Armee war auf den Gefilden von Leipzig wie bei Wachau siegreich **). Das Feuer unsrer Kanonen hatte mit Einbruch der Nacht das Feuer der Feinde auf allen Punkten eine Stunde vom Schlachtfeld zurückgetrieben. Die Divisionsgenerale Vial und Rochambeau starben ehrenvoll. Unser Verlust an diesem Tage kann sich auf 4000 Todte und Verwundete belaufen. Der feindliche Verlust muß sehr beträchtlich gewesen seyn. Der Feind machte keine Gefangenen, wir nahmen 500 Mann. Um 6 Uhr Abends traf der Kaiser die Anstalten für den nächsten Tag; allein um 7 Uhr kamen die Generale Sorbier und Dulauloy, Commandanten der Artillerie der Armee und der Garde, in seinem Bivouak, um ihm von dem Verbrauch der Munition während des Tages Bericht abzustatten; man hatte 95,000 Kanonenschüsse gethan; sie sagten, die Reserven wären erschöpft; es blieben nicht über 16,000 Kanonenschüsse übrig; dies genügte kaum, um ein zweiständiges Feuer zu unterhalten, und man wäre alsdann ohne Munition für die weitern Ereignisse; die Armee hätte seit 5 Tagen über 220,000 Kanonenschüsse gethan, und man könnte sich nur zu Magdeburg oder Erfurt wieder mit Munition versehen. Dieser Zustand der Dinge machte eine schnelle Bewegung auf Eines unserer beiden Depots nothwendig ***). Der Kaiser entschied für Erfurt aus der nämlichen Ursache, die ihn bestimmt hatte, nach Leipzig zu ziehen, um den Einfluß des Abfalls von Baiern würdigen zu können. Der Kaiser gab auf der Stelle Befehl, daß das Gepäck, die Parks, die Artillerie durch das Defilee von Lindenau zögen. Den nämlichen Befehl ertheilte er der Cavallerie und verschiedenen Armeecorps; er selbst traf um 9 Uhr Abends im Hotel de Prusse in der Vorstadt von Leipzig ein. Dieser Umstand zwang die französische Armee, auf die Früchte zweier Siege Verzicht zu leisten, worin sie mit so viel Ruhm viel stärkere Truppen und die Armeen vom ganzen Continent geschlagen hatte. Indeß war diese Bewegung nicht ohne Schwierigkeiten. Von Leipzig nach Lindenau zieht sich ein Defilee 2 Stunden lang über 5 oder 6 Brücken ****) Man schlug vor, 6000 Mann und 60 Kanonen in die Stadt Leipzig zu werfen, welche Wälle hat, diese Stadt als die Spitze des Defilees zu besetzen, und ihre großen Vorstädte anzuzünden, um den Feind zu verhindern, sich da festzusetzen, und unsre Artillerie auf den Wällen spielen zu lassen *****). So gehässig auch der Versuch der sächsischen Armee war, so konnte der Kaiser sich doch nicht entschließen *), eine der schönsten Städte Teutschlands zu zerstören, und sie allen, von einer solchen Vertheidigung unzertrennlichen Arten von Unordnungen zu überliefern **), und dies unter den Augen des Königs, der den Kaiser seit seiner Abreise von Dresden begleitet hatte, und der über das Benehmen seiner Armee lebhaft betrübt war. Der Kaiser wollte lieber einige 100 Wagen verlieren als diesen barbarischen Entschluß ergreifen. Bei Tagesanbruch hatten alle Parks, das Gepäcke, die ganze Artillerie, die Cavallerie, die Garde und zwei Drittheile der Armee das Defilee passirt. Der Herzog von Tarent und der Fürst Poniatowsky waren beauftragt, die Vorstädte zu bewahren, und sie so lange zu vertheidigen, bis alles abgezogen wäre; sie selbst sollten um 11 Uhr durchs Defilee ziehen. Der Magistrat von Leipzig schickte um 6 Uhr Morgens eine Deputation an den Fürsten von Schwarzenberg, um ihn zu bitten, die Stadt nicht zum Schauplatz einer Kampfes zu machen, der ihren Untergang herbeiziehen würde. Um 9 Uhr steig der Kaiser zu Pferd, ritt in die Stadt, und besuchte den König. Er ließ diesem Fürsten freie Hand, zu thun, was er wollte, ohne seine Staaten zu verlassen, die er jenem Geist des Aufruhrs ausgesetzt gelassen hätte, den man unter den Soldaten angefacht hatte. Ein sächsisches Bataillon wurde zu Dresden gebildet und zu der jungen Garde gestoßen; der Kaiser ließ es vor dem Palais des Königs zu Leipzig aufstellen, um ihm als Garde zu dienen, und ihn gegen die erste Bewegung des Feindes zu schützen. Eine halbe Stunde nachher begab sich der Kaiser nach Lindenau ***), um die Räumung von Leipzig abzuwarten, die letzten Truppen über die Brücke gehen zu sehen, und sich dann in Marsch zu setzen. Der Feind vernahm nun bald, daß der größte Theil der Armee Leipzig geräumt hätte, und daß allda sich nur noch ein starker Nachtrab befände. Er griff lebhaft den Herzog von Tarent und den Fürsten Poniatowsky an ****). Mehrere Mal wurde er zurückgeschlagen, und unter Vertheidigung der Vorstädte bewirkte unser Nachtrab seinen Rückzug; allein die in der Stadt gebliebenen Sachsen schossen auf unsere Truppen von den Wällen *****); dieß nöthigte zur Beschleunigung des Rückzugs, und versetzte uns in einige Unordnung *). Der Kaiser hatte dem Geniecorps befohlen, unter die große Brücke zwischen Leipzig und Lindenau Flatterminen zu legen, um sie im letzten Augenblick zu sprengen; so den Marsch des Feindes aufzuhalten, und dem Gepäcke zum Abzug Zeit zu verschaffen. Der General Dulauloy hatte den Obrist Monfort, anstatt an Ort und Stelle zu bleiben, um sie zu leiten und das Zeichen zu geben, befahl einem Corporal und 4 Sapeurs, die Brücke in die Luft zu sprengen, sobald der Feind erschiene. Als der Corporal, ein Mann ohne Einsicht, der seine Sendung schlecht begriff, die ersten Flintenschüsse von den Wällen der Stadt her hörte, steckte er die Flatterminen an, und sprengte die Brücke in die Luft. Ein Theil der Armee war noch auf der andern Seite mit einem Park von 80 Kanonen und einigen 100 Wagen. Die Spitze dieses Theils der Armee sah bei Ankunft an der Brücke diese in die Luft fliegen, und glaubte, sie wäre in feindlicher Gewalt. Ein Geschrei des Entsetzens verbreitete sich von Reihe zu Reihe: "Der Feind steht uns im Rücken, und die Brücken sind abgebrochen." Diese Unglücklichen stäubten aus einander, und suchten sich zu Pferd und zu Fuß zu retten **). Der Herzog von Tarent schwamm über den Fluß. Graf Lauriston, weniger glücklich, ertrank ***); der Fürst Poniatowsky sprang mit seinem raschen Pferd in das Wasser, und kam nicht wieder zum Vorschein.

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Der Kaiser erfuhr dies Unglück erst dann, als es nicht mehr Zeit war, ihm abzuhelfen. Es wäre auch kein Mittel möglich gewesen. Der Oberst Monfort und der Sapeurcorporal sind vor ein Kriegsgericht gezogen. Man kann noch nicht den durch dies unglückliche Ereigniß veranlaßten Verlust angeben; allein man schätzt ihn auf beiläufig 15,000 Mann und mehrere 100 Wagen. Die Unordnungen, die es in die Armee brachte, veränderten die Lage der Dinge. Die siegreiche französische Armee kommt zu Erfurt an, wie eine geschlagene Armee. Es ist unmöglich, das Bedauern zu schildern, das die Armee beim Tode des Fürsten Poniatowsky, des Grafen Lauriston und aller Tapfern, die zu Folge dieses unseligen Ereignisses zu Grunde giengen, fühlte. Vom General Regnier hat man keine Nachrichten; man weiß nicht, ob er gefangen oder todt ist. Man wird sich leicht den tiefen Schmerz des Kaisers vorstellen, der durch eine so unvermuthete Nachlässigkeit die Resultate so vieler Strapatzen und Arbeiten verschwinden sieht ****). Am 19. übernachteete der Kaiser zu Marktranstädt; der Herzog von Reggio war zu Lindenau geblieben. Am 20. gieng der Kaiser zu Weißenfels über die Saale. Am 21. setzte die Armee bei Freiburg über die Unstrut. General Bertrand nahm seine Stellung auf den Höhen von Kösen. Am 22. übernachtete der Kaiser im Dorfe Ollendorf, am 23. traf er zu Erfurt ein *****). Der Feind, der seit den Schlachten vom 16. und 18. bestürzt war, faßte durch die Unfälle am 19. wieder Muth, und betrachtete sich als Sieger. Die französische Armee hat nach so glänzenden Erfolgen ihre siegreiche Stellung verloren. Zu Erfurt fanden wir an Lebensmitteln, Munition, Kleidern, Schuhen, alles, was die Armee nöthig hatte. Der Generalstab wird die Berichte der verschiedenen Chefs der Armeecorps über die Offiziere bekannt machen, die sich in den großen Schlachten bei Wachau und Leipzig ausgezeichnet haben.

*) In den Schlachten bei Leipzig hat Napoleon nie zuerst angegriffen, sondern wurde jedesmal angegriffen. Man kann daraus bei seiner gewöhnlichen Grundsätzen schließen, daß er seinen Muth gelähmt fühlte.
**) Das Schlachtfeld am 16. war auf dieser Seite nur anderthalbe Stunde von Leipzig, und Connewitz ist bloß drei Viertel Stunden von dieser Stadt entfernt.
***) Wahrscheinlich ist dies die sogenannte holländische Windmühle drei Viertel Stunden von Leipzig.
****) D. h. die hallische Vorstadt.
*****) Sie begann um 8 Uhr Morgens.


*) Probsthaide wurde nach vier Uhr Nachmittags von den Alliirten erobert und behauptet, und die Franzosen mußten sich nach Stötteritz zurückziehen. Und doch war Probsthaide der Schlüssel der Stellung. Dieser gieng verloren.
**) Um eben diese Zeit war das Vorrücken der Alliirten auf den meisten Punkten sehr bedeutend; sie kamen beinahe bis an die Straßenhäuser heran.
***) Hier war fast den ganzen Nachmittag nichts weiter als ein Tirailleurgefecht.
****) Die verbündeten Truppen besaßen um diese Zeit schon den Heiternblick, bald darauf Schönfeld und drangen nach Paunsdorf vor. Die Sachsen giengen bei Paunsdorf gegen 5 Uhr über; es war der General Ryssel, der zuerst übertrat, und der sich noch zuvor mit dem General Zeschau durch einen Wortwechsel entzweiete. Die Schlacht war schon längst zum Vortheile der Alliirten entschieden, ob schon die sächsischen Kanonen kräftig zur Sicherung des Sieges mitwirkten.
*****) Es war gar kein Debouche' da, wo dies sächsische Corps übertrat. Es hatte nicht sechzig Kanonen, sondern, so viel wir wissen, nur 24.


*) Ueber die Partha war er schon längst, und Reudnitz wurde nach dem Uebergange der Sachsen noch nicht erobert, wie das Letztere überhaupt nicht den 18. geschah, sondern erst den 19.
**) Gott gebe, daß der Kaiser Napoleon hinführo lauter solche Siege wie bei Leipzig erkämpfe!
***) Das wußte ja der Kaiser Napoleon im voraus, warum zog er sich nicht auf Eines seiner Depots zurück, sobald diese Bewegung noch in seiner Gewalt stand? Allein er konnte sie weder nach Erfurt noch nach Magdeburg ziehen, ohne zum Schlagen genöthigt zu seyn.
****) Lindenau liegt drei Viertelstunden von Leipzig, und es giebt da kein Defilee, das 2 Stunden lang wäre.
*****) In ganz Europa ist es bekannt, daß Leipzig keine eigentlichen Wälle mehr hat, und daß sie ohne allen Anspruch auf eine Festung ist. Es konnten daher weder Kanonen auf die Wälle gebracht noch Soldaten da aufgestellt werden.


*) Diese Menschlichkeit wissen die Leipziger zu schätzen; indessen verlangten die Franzosen doch den 19. früh Morgens mehrere Fässer mit Pech, welche ihnen schnell angeliefert werden mußten, die man aber nach Erstürmung der Stadt noch unversehrt fand.
**) Und doch geschah es. Man warf sich in eine volkreiche offene Stadt, wo man sich nicht halten konnte, und setzte sie einer Menge Zerstörungen aus.
***) Der Kaiser Napoleon blieb gegen drei Viertelstunden bei dem Könige von Sachsen. Ihn begleitete der König von Neapel, der sich mit der Königin unterhielt. Der Kaiser sprach ununterbrochen; der König von Sachsen aber nur wenig. Diese Unterhaltung ist wahrscheinlich die Ursache des nachherigen Benehmens des Königs von Sachsen gewesen.
****) Der Angriff der Vorstädte begann um 9 Uhr, und war gleich vom Anfange sehr lebhaft; eben deshalb eilte der französische Kaiser aus der Stadt nach Lindenau.
*****) Dies ist Eine der schändlichsten Verläumdungen. Leipzig hat im Grunde keine eigentlichen Wälle mehr, wenigstens hat kein Soldat darauf gestanden, noch weniger ein Sachse; die paar hundert Mann sächsischer Leibgarden, die sich in Leipzig befanden, gaben sich gefangen, als die Truppen der Alliirten in die Stadt drangen, und haben keinen Schuß gethan. Geht, Sachsen! so belohnt euch euer ehemaliger Bundesgenosse für eure Tapferkeit, Anstrengungen und Aufopferungen!


*) Fast die ganze Armee war in der größten Unordnung, wie war dies auch anders nach solchen Verlusten wie in den Schlachten am 16. und 18. möglich?
**) Die Brücke, die hier gemeint ist, ist die kleine Elsterbrücke, und befindet sich hart am äußersten Ranstädter Thore an der kleinen Funkenburg. Kaum war der Kaiser Napoleon etwa gegen halb eilf Uhr darüber, so wurde sie auch schon gesprengt. Die Alliirten waren noch nicht in der Vorstadt, in welche sie erst weit später gelangten; allein der französische Kaiser hielt vielleicht die Gefahr für näher, als sie noch eigentlich war, und daher ließ er die Brücke in die Luft sprengen. Die Anzahl der in der Elster und Pleiße Ertrunkenen belief sich über 1000. Die Anzahl der Gefangenen war sehr groß, und an Kanonen bekamen die Alliirten in Leipzig über 100.
***) Ist gefangen und nach Berlin gebracht worden. Regnier ist ebenfalls gefangen.
****) Sein ganzes politisches Gebäude war schon erschüttert, als er so lange in Dresden zauderte. In der Schlacht bei Leipzig hat man es völlig zerstört. Hätte Napoleon Mäßigung gekannt, so wurde er nicht alles, was athmet, gegen sich aufgebracht haben, aber so hat der Unwille der Völker und Fürsten, welche beide er empörend mißhandelte, alles gegen ihn in die Waffen gebracht, um alles über den Haufen zu stürzen, was er im Uebermuthe den Völkern aufgedrungen hat.
*****) Die Niederlagen der Franzosen bei Weißenfels, Freiburg u. a. Orten werden gänzlich mit Stillschweigen übergangen. Dies ist französische Manier! Der Kaiser Napoleon will einmal unüberwindlich bleiben, und so hat er auch bei Leipzig gesiegt; er will einmal die Völker täuschen, und so müssen sich die Franzosen auch jede Täuschung gefallen lassen. In Frankreich ist jede Spur von Schreibe- und Druckfreiheit vernichtet, und so unterdrückt man jede Wahrheit, die nachtheilig ist. Ob das französische Volk solche Mißhandlungen noch länger ertragen wird, und ob es einer bessern Behandlung würdig ist, wird sich bald zeigen, wenn es die Urheber alles Unheils dadurch zur Rechenschaft zieht, daß es dieselben zum Frieden, und zwar zu einem Frieden zwingt, der allen Nationen Sicherheit gewährt, und die Freiheit und Selbstständigkeit keiner Nation gefährdet.


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Auszüge aus dem Tagebuche eines französischen Feldwundarztes.[]

[1]
von einem seiner Freunde in's Teutsche übertragen.

Am 14ten October des Unglücksjahres 1813 machte ich mit meinem Freund, dem Chirurgien-Major de Haene, eine kleine Excursion nach Probsthaida. Auf der Anhöhe oder dem sogenannten Kalkberge konnten wir die ganze Gegend überschauen und sahen deutlich, in der Nähe von Seyfartshayn, das feindliche Batteriefeuer. -- Der vordere Theil des Dorfes Liebertwolkwitz stand in Flammen. -- Wir ritten bis hin, und trafen unterweges eine Menge österreichischer Gefangener, welche hellblaue Aufschläge hatten. -- Um Liebertwolkwitz herum standen mehrere Linien-Regimenter und erwarteten weitere Befehle; im Dorfe selbst aber war die größte Unordnung und die Gendarmen konnten der Zügellosigkeit einzelner Soldaten nur mit Mühe Einhalt thun.

Am 15ten October ritt ich um drei Uhr Nachmittags mit dem Baron Larrey auf's Schlachtfeld, um daselbst einen schicklichen Platze für eine Ambulance ausfindig zu machen. Der Kaiser ertheilte vor dem Grimmaischen Thore, am sogenannten Rabenstein, Befehle, und war von einer großen Menge neugierigen, diese Nachbarschaft eines so gefährlichen Steines wunderbar deutenden, Volkes umgeben. -- Wir ritten auf das, neben der Thonberg-Schenke gelegene Spital zu, und der Baron gab sogleich Befehl, die darin befindlichen Kranken so schnell als möglich wegzuschaffen. Dieses Hospital sollte ein sicheres Asyl für diejenigen werden, die, unmittelbar auf dem Schlachtfeld amputirt, ein Obdach brauchten; allein leider! ist dieß nicht der Fall gewesen, und dieser so vortheilhafte Platz blieb ganz unbenutzt. Die hier angestellten vier Stadtwundärzte wurden nicht weiter unterstützt, und ließen nachher das Spital im Stich. Ich fand sie des andern Tages, wo die Schlacht erst ordentlich anfing, auf ihrer Flucht nach der Stadt, und bedauerte nur, daß diese guten Leute die zu ihren Arbeiten nöthigen Mittel nicht bekommen konnten. -- Auf dem Hof des Thonbergs lag viel Heu, welches die holländischen Garden für ihre Pferde nehmen wollte; allein Larrey ließ dieß durchaus nicht zu, stellte zu dessen Bewachung eine Schildwache an die Thür, und ritt sodann, ganz entrüstet hierüber, im schnellsten Galopp zum Kaiser; denn alles, sagte er, was sich in einer Ambulance befände, dürfte kein Soldat verletzen, und noch vielweniger wegnehmen. Napoleon befand sich nicht weit vom Täubchen und gab eben einigen Adjudanten Befehle. Ich hielt in einiger Entfernung hinter Larrey'n, konnte aber beinahe alles, was gesprochen wurde, hören. "Ah! Vous voilà, mon General de Sante! -- Demain Vous aurez quelques amputations à faire!" sagte Napoleon zum Baron und begrüßte ihn mit einem freundlichen Blick. "Sire!" antwortete hierauf dieser mit einer ehrfurchtsvolle Verneigung, "J'attends Vos ordres; mais, pour l'instant, je Vous prie de faire culbuter tous ces Chevaliers de Soleil, qui ne sont venu de l'Hollande que pour voler le foin de notre ambulance." "Eh, bien!" erwiederte hierauf der Kaiser mit einem scherzhaften Tone, "c'est pour celà, que Vous les fairez passer par les remedes."

*) Diese eben so sinnige, als passende Antwort eines, in alle Verhältnisse des Lebens eindringenden, Mannes sollte vermuthlich eine Anspielung auf die in Biçetre bei Paris gewöhnliche Salivations- oder Marterkur der Venerischen seyn, welche traurige, und übrigens noch ganz zwecklose Behandlungsart man mit dem bekannten Kunstausdruck: passer par les remeses, zu bezeichnen pflegt. Außerdem kann auch wohl der Kaiser die Schmerzen hiermit haben andeuten wollen, die diese Reiter, falls sie auf dem Schlachtfelde in die Hände der Wundärzte fallen sollten, auszustehen hätten, und zufällig wurden am darauffolgenden Tage mehrere von ihnen in unserer Ambulance amputirt.

Ein unvorhergesehener Zufall hinderte mich des andern Tages, als des 16ten Octobers, mit dem Baron Larrey auf's Schlachtfeld zu reiten. Ich fand ihn nicht mehr in seinem Logis; allein er hatte mir ein Zettelchen zurückgelassen, worauf geschrieben stand: Ambulance de la Garde au Domberg à la route pour aller à Borne. Ich ritt um halb sieben Uhr zum Thore hinaus, und erfuhr von den bereits erwähnten vier Stadtwundärzten, daß sie so eben vom Thonberg kämen und daselbst weder einen Larrey, noch sonst eine Spur von einer Ambulance gesehen hätten. Mißmuthig hierüber, ritt ich nun nach der Bornschen Straße hin, und kam in Connewitz an, wo ein starkes Kanonenfeuer gegen die Oesterreicher unterhalten wurde; auch sah ich hier viele französische Wundärzte, konnte aber nichts von ihnen erfahren. Ich ritt nun hinter dem ganzen rechten Flügel bis zum Centrum hin, und fand hier unsre Ambulance auf der Höhe von Meusdorf. Larrey stand unter einer großen Anzahl von Oberwundärzten der alten Garde, und empfing mich sehr gütig. Alles war in voller Arbeit, und das Anströmen der Verwundeten wurde so groß, daß weder Wundärzte, noch Instrumente hinreichten, sie alle zu amputiren. Charpie und Verbandstücke hatten wir zwar genug; allein der Wein mangelte dermaßen, daß ein Amputirter kaum so viel, als ohngefähr ein Achtel-Nößel beträgt, bekommen konnte, und wir mußten übrigens noch zur Bewachung des Fasses zwei Grenadiere hinstellen. -- Der Baron Larrey machte einige höchst interessante Exstirpationen der Oberarmknochens und Oberschenkelbeinhalses auf dem Gelenke, und gab uns hierdurch wieder einen neuen Beweiß seiner vielgeprüften Geschicklichkeit und Herzhaftigkeit bei der Ablösung solcher Glieder, die durch Kanonenkugeln zerschmettert worden sind.

Das Gefecht wurde immer lebhafter, der Donner der Kanonen erschütterte die Erde, und von dem schreckenerregenden, alles zerstörenden Feuer so vieler Menschenopfer stiegen schwarze Dampfwolken auf, die das freundliche, erquickende Tageslicht in dunkle Nacht verwandeln wollten. Von mehreren Blessirten erfuhren wir, daß der Sieg sich auf unsre Seite neige, und daß die Feinde wichen. Unsere Cuirassiere legten die sprechendsten Beweise von einer solchen persönlichen Tapferkeit ab, daß alle andere Waffengattungen darob eifersüchtig wurden. Sie schlugen sich wie Halbgötter, und es war in der That ein imposander Anblick, einen solchen schwergerüsteten, hellumstrahlten Reiter in seiner Kampfeswuth mit blutendem Schwert zu sehen. Die leichte Cavallerie war zu erschöpft, als daß sie hätte starken Widerstand leisten können. Ganz ausgezeichnet schlugen sich aber die polnischen Lanzenreiter, und man sah es ihrem Enthusiasmus an, daß sie keinesweges zu den gedungenen, sondern vielmehr zu den wirklichen, wahren Frunden und Anhängern unserer Nation gehörten. -- Der Kaiser liebte sie sehr, und zeichnete sie aus. -- Wir amputirten eine Anzahl sowohl von diesen tapfern Kriegern, als auch von jenen muthigen Cuirassieren. -- Die meisten Blessirten der Cavallerie wurden von Liebertwolkwitz hergebracht, und gegen 10 Uhr sahen wir einen sehr schwer verwundeten Helden von vier erzumschirmten Cuirassieren langsam und feierlich dahertragen. Trauend umgaben ihn seine Adjudanten und Schlachtgefährten.

Es war der unerschrockne, schlachtenkundige Divisionsgeneral der Cavallerie, La Tour Maubourg d'Auvergne, welcher die heldenmüthigen sächsischen Cuirassiere bei Liebertwolkwitz in's Feuer führte und bei Stürmung eines feindlichen Batterie dermaßen von einer Kanonenkugel im Unterschenkel verletzt worden war, daß hierdurch, sowohl die Schienbeinröhre, als auch das Wadenbein an ihren obern Enden völlig zerschmettert wurden. "Il n'-y-a rien à faire que l'amputation" sagte der Baron Larrey, dieser Machaon des französischen Heeres, zu dem standhaften Krieger und schnitt sogleich zur Abnehmung des Gliedes über dem Knie. Die Operation ging mit der bewundrungswürdigen Schnelligkeit dieses in mehr als zwanzig Hauptschlachten geprüften Wundarztes von Glatten und der von seinen tiefgerührten Kriegern umgebene General that auch nicht einen einzigen Schrei während der Abnehmung seines Gliedes. Was das Vorherrschen der Sensibilität und Geisteskräfte bei Ueberwindung des Schmerzes des reinen Ausdruckes der Animalität im menschlichen Körper vermag, das haben wir nicht nur allein hier bei diesem kenntnißreichen General, sondern auch selbst bei sehr vielen andern französischen Soldaten öfterer gesehen. Im Allgemeinen wußten die Franzosen den Ausbruch des Schmerzes durch die eigene Willenskraft auf eine bewundrungswürdige Art zu beherrschen, da hingegen Soldaten, bei denen das thierische Leben um vieles über das geistige vorherrschte, den Schmerz nicht bezähmen konnten, und sich ganz von ihm hinreißen ließen. Man bemerkte daher, daß rohe Kosaken und andere mehr nomadischlebende Soldaten sich während der Amputation so ungleich toller gebehrdeten und weit mehr scheinen, als selbst die allerjüngsten und schwächlichsten Conscribirten. Ich amputirte einen Officier vom 2. Kürassier-Regimente, welchem eine Kanonenkugel bei Wachau die rechte Hand weggenommen hatte; ganz wüthend kam dieser mit seinem blutenden Stumpf in die Ambulance und schrie: "Otez-moi donc ce moignon là!" Er ließ sich während der Operation eine brennende Pfeife geben und that auch nicht den geringsten Schrei.

Gegen Mittag wurden sehr viele österreichische Husaren und preußische Offiziere vom Schlesischen Kürassier-Regiment in unsere Ambulance gebracht. Sie waren größtentheils von unsern Kürassieren und den tapfern Polen verwundet worden und sagten uns, daß unsere Feinde über dreimalhunderttausend Mann starke wären und noch heute eine Armee von vierzigtausend Russen zu ihnen stoßen würde. Der Kaiser kam hierauf in die Ambulance und sprach selbst mit einigen preußischen Kürassier-Offizieren. Einer von ihnen beklagte sich bitterlich über das schlechte, unkriegerische Benehmen eines polnischen Lanzenreiters, welcher ihm nach gegebenem Pardon noch den Säbel dermaßen durch die flache Hand gezogen habe, daß diese hierdurch bis auf die Beugesehnen durchschnitten worden sey. Er zeigte hierauf dem Kaiser seine verwundete Hand und den, durch einen Säbelhieb nicht minder stark verletzten Kopf, den er ebenfalls erst als Gefangener von jenem Lancier bekommen hatte, worauf ihn Napoleon sehr angelegentlich der Fürsorge des Baron Larrey's empfahl und mit den Worten: "Je vous plains; mais c'est le sort de guevre!" entließ.

Gegen zwei Uhr nahmen wir von der Meusdorfer Höhe ein starkes Kanonenfeuer in der Gegend von Möckern wahr, welches unter uns allen traurige Gefühle und Ahndungen hervorbrachte. Bald darauf kam Napoleon nochmals mit seinem Generalstab schnell daher geritten, versammelte seine Adjudanten um sich, nahm einige Stücken Papier aus der Tasche, schrieb Befehle darauf und gab diese mehrerern Adjudanten, welche nun nach allen Seiten dahin im schnellsten Flug davon eilten. Hierauf kam er zu uns herüber, sprach mit einigen Amputirten und wandte sich dann zum Baron Larrey, von dem er eine Liste aller derjenigen verlangte, die sich vorzüglich in chirurgischer Hinsicht ausgezeichnet hätten. Man glaubt nicht, welchen Eindruck dies auf uns alle machte. Trotz den vielen Entbehrungen, trotz der anstrengenden Handarbeit und der, die Amputation so sehr erschwerenden Lage der Blessirten auf der bloßen Erde, rafften alle Wundärzte ihre letzten Kräfte zusammen und wetteiferten mit einander in der Schnelligkeit zu amputiren. Larrey versprach dem Kaiser, noch heute ein solches Namensverzeichniß zu überreichen und dieser begab sich nun zur alten Garde. Ein Vive l'Empereur erscholl durch alle Glieder dieser Tapfern, doch war es keinesweges so kräftig, als sonst. Ob der Kaiser dies bemerkte, oder on sonst etwas ihn mißtrauisch machte, das weiß ich nicht, doch soviel ist uns nachher erzählt worden, daß er den General Mortier vor der Fronte laut fragte, ob seine Leute zu leben hätten: "est-ce-que les hommes ont, de quoi vivre?" -- Der General zuckte mit den Achseln und eine ernste, feierliche Stille herrschte in den langen Reihen der heldenmüthigen Garden. Da trat ein alter bärtiger Grenadier, dessen Brust das Ehrenkreuz schmückte, aus dem vordersten Glied hervor und ging mit präsentirtem Gewehr gerade auf den Kaiser zu. "Sire!" sagte er mit einem kriegerischen festen Tone, "est il pérmis de parler?" "Eh bien!" entgegnete hierauf Napoleon, "parle donc, mon ami!" "Ily-a deux jours" erwiederte nun der wackre Krieger, "que Vos Gardes n'ont pas mangé!" kehrte sich nach einer Weile mit einer ächt militärischen Haltung um und ging wieder in sein Glied zurück. -- Sogleich ließ der Kaiser die Kriegscommissäre der alten Garde mit Gensd'armen von Probstheida herholen und durchging indeß die ersten Reihen seiner schlachtgeübten Garden. Er sprach viel mit einigen alten Kriegern und unter andern auch mit mehreren Offizieren. Bald nachher erschienen sieben Kriegskommissäre in glänzender Uniform, aber, kaum sie erblickend, ritt auch schon der Kaiser auf sie zu und beugte sich über den Hals seines Pferdes hinweg.

"Vous êtez les brigans de l'armée" schrie er die Unglücklichen an, "les plus fameux scelerats du monde! "Allez Vous en! Vous Lerez füsillè sur le champ ect. ect. ect." Die Commissäre stützten betäubt auf ihre Knie nieder, wollten sich vertheidigen; allein man konnte wegen der Menge von Offizieren und Adjudanten nichts weiter von diesem Wechselgespräch hören und sah' blos nachher die schändlichen Betrüger und Geldwucherer der Armee vor die Fronte der Garde führen und ein Peleton von ohngefähr vierzig Grenadieren hinter ihnen aufmarschieren. Nach einem gegebenen Signal wurden sie in den Rücken geschossen und stürzten sogleich todt darnieder. Nun schrie die Garde so stark und so lange ihr: Vive l'Empereur, vive notre Empereur! daß selbst die weiterhingelegenen Cavallerie- und Infanterie-Regimenter den Freudenruf wiederholten und alle insgesammt von der strengen, aber lobenswerthen Gerechtigkeitsliebe des Kaisers tief ergriffen wurden. Schrecklich war es aber auch, wie die blos aus Gewinnsucht dienenden französischen Commissaire der Armee zu benutzen und die Städte auszubeuteln verstanden und man kann wohl sagen, daß die Franzosen es gerade bei Leipzig mit einem doppelten Feind zu thun hatten. Vor sich die Feuerschlünde und enggeschlossen Bajonett-Ketten der ergrimmten Feinde, hinter sich Mangel, Hunger und Tod, und man könnte fast behaupten, daß der hintere Feind noch gefährlicher und tödtender war als der vordere.

Doch genug für dießmal. Unsre unglückliche Gefangenschaft und sonderbare Errettung, so wie auch unsre letzten Schicksale bei und in Leipzig werde ich Dir zu einer andern Zeit schreiben. Bis dahin lebe wohl und bleibe mein Freund.

N. N. Paris, am 10. Juni 1814.

Aus dem Tagebuch eines theilnehmenden preußischen Soldaten.[]

[2]
Die Einnahme von Leipzig.

Am neunzehnten Oktober 1813.

Die Geschichte kennt, seit der Einführung des Schießpulvers, keine Schlacht, die mit der Völkerschlacht von Leipzig verglichen werden könnte. Fast alle europäischen Nationen, und mehrere zu Rußlands Scepter gehörende Asiaten, nahmen an derselben Theil. Gegen eine halbe Million Streiter verbreitete sich über das weitausgedehnte Schlachtfeld. Der Tod hielt eine furchtbare Erndte; mehr als vierzig tausend Todte, gefallen am sechszehnten und achtzehnten Oktober, wurden in der Umgegend Leipzigs begraben, und nach einer wahrscheinlichen Berechnung wurden noch zwanzig Tausend schwer Verwundete eine Beute des Todes. Allein dieser Sieg gab Resultate, die der Anstrengung werth waren. Er zertrümmerte Napoleons Macht in Deutschland; er setzte der Zerrüttung aller Ordnung und alles Rechtes, der quaalvollesten Ungewißheit und entschiedensten Verwilderung ein Ziel. Das Glück, vom Trotze seines Günstlings endlich ermüdet, wendete sich von ihm, und Gebäude, die der Unersättliche für die Ewigkeit gegründet wähnte, giengen an diesem Tage in Schutt und Moder unter.

In der Nacht vom achtzehnten auf den neunzehnten Oktober begann der Rückzug des französischen Heeres aus Leipzig, in Eile und Verwirrung. Napoleon der, wie durch eine Verspottung des Schicksals, seine letzte Nachtherberge "im König von Preußen" genommen hatte, ließ seinem Verbündeten, dem König von Sachsen, in dieser Nacht durch den Herzog von Bassano melden, er werde sich mit seinem Heere hinter die Saale gegen Erfurt ziehen, und ließ ihn befragen, ob er dem Hauptquartiere folgen, oder in Leipzig zurückbleiben wolle? Der König erklärte, daß er entschlossen sey, das Schicksal seines Volkes zu theilen.

Am Morgen des neunzehnten Oktobers gieng eine Deputation des Leipziger Magistrats an die Verbündeten Monarchen, um Schonung für die Stadt zu bitten, der jetzt der Angriff bevorstund, da die Franzosen noch nicht ganz abgezogen waren. Die Deputirten kehrten aber schon am Thore um, weil das Gefecht mit den vor Leipzig aufmarschierten französischen Arriergarden, die inzwischen bald in die Stadt zurückgeworfen wurden, schon begonnen hatte. Der König von Sachsen gab deswegen dem Obersten Ryssel Befehl, sich mit den Deputirten zu den Monarchen zu begeben, und zugleich in seinem Namen um Schutz für die Stadt, und um die Anknüpfung von Unterhandlungen für Sachsen zu bitten. Der Kaiser Alexander gab hierauf aber zur Antwort: "Eine Armee, die einen fliehenden Feind verfolgt, kenne sich wegen einer Stadt keinen Augenblick aufhalten lassen. Die Thore von Leipzig müssen sogleich geöffnet werden, dann sollen die Truppen die strengste Mannszucht halten, und man wird die übergehenden deutschen Soldaten als Brüder aufnehmen. So lange aber Napoleon noch in der Stadt ist, muß ich jeden Antrag für verdächtig halten, weil ich den Feind kenne, mit dem wir es zu thun haben.

Die Beschießung der Stadt von Seiten der Verbündeten würde die Verwirrung unendlich vergrößert, Flucht und Widerstand noch verzweifelter gemacht haben. Die Monarchen verschmähten daher ein so grausames Mittel, und befahlen ihren tapfern Kriegern, die Eingänge und Thore zu stürmen.

Gegen acht Uhr (erzählt ein preußischer Freiwilliger) brachen wir auf gen Leipzig, und um zehn Uhr drangen ungefehr sechs bis siebenhundert Jäger von den verschiedenen Regimentern in die Gärten der Stadt ein, die größtentheils mit Mauern umgeben sind. Sie richteten wenig aus, denn die Feinde schossen aus den Thüren und Fenstern der Gartenhäuser und denen der Vorstadt, die daran grenzen, und waren also aufs herrlichste gedeckt. Wir aber standen im Freien und verloren eine große Menge ohne zu wissen wodurch, woher und warum? denn man sah auch nicht Einen Franzosen; das Gefecht zog sich daher sehr in die Länge, obgleich die Reserven schon alle im Feuer standen. Wahnsinn wäre es gewesen, mit so wenig Jägern die Häuser stürmen zu wollen, da überdieß die Büchsen sich dazu schlecht eignen. Hier fiel denn mancher brave Jüngling, ohne daß etwas ausgerichtet wurde, zumal da die Begleitung der Verwundeten Viele dem Kampfe entzog. Endlich kamen mehrere Bataillone an, und nun gieng's denn freilich mit einem Hurrah auf die Feinde los, die glücklicherweise die Häuser so eben großentheils verlassen hatten, um uns entweder gefangen zu nehmen, oder doch gänzlich zu vertreiben. Das Bajonet und die Kolbe entschied wie gewöhnlich. Viele Jäger hiengen die schon verschleimte Büchse über, und nahmen die hier entscheidende Muskete. Mörderisch wurde nun der Kampf; an Pardon war nicht zu denken. Theil vor, theils in den Häusern wurden die Franzosen niedergestoßen. Jeder hatte den Tod eines Freundes zu rächen und wußte überdieß, wie es die Welschen machen, wenn sie gefangen werden. Jetzt fallen sie kläglich nieder und bitten flehentlich um ihr Leben, und den Augenblick darauf greifen sie, wenn eine schwache Bedeckung sie zurückbringt, nach Gewehren und befreien sich wieder, indem sie zu Meuchelmördern herabsinken. Ganze Vierecke fallen nieder, wenn feindliche Reuterey sie durchbrochen hat, um im nächten Augenblick schon ihre Auferstehung zu feiern, und im Rücken der Feinde Zerstörungen anzurichten. Darum sind zum Einhauen in Infanteriemassen Uhlanen zweckmäßiger als andere Reuter. Sie durchbohren die Scheintodten mit leichter Mühe, und verhindern so ihre zu frühe Auferstehung, was dem Säbel nur schwer gelingt.

Neopolem.

Mitten im Tumult des Kampfes warfen uns die Einwohner aus den Fenstern der zweiten Stockwerke Aepfel herunter, die begierig aufgesucht wurden, während die Feinde die Vorstadt räumten und unter einem einstimmigen Hurrah verfolgt wurden. Ich machte in der Eile eine kleine Beute, in einem Paar neuen Stiefeln und Beinkleidern bestehend, mit beide sehr nöthig, da ich mannigfaltige Defekte an den meinigen bemerkte, und die Sohlen schon mit Bindfaden hatten umschnürt werden müssen. Leider waren mir aber die erbeuteten Stiefeln zu klein, und ich litt große Schmerzen, zumal da ich einen, wenn gleich nur leichten Prellschuß an den Fuß bekommen hatte. Ein freundlicher und herzhafter Bürger in der Vorstadt reichte uns indem wir vordrangen, einige Flaschen Wein heraus, die uns ungemein stärkten. So erlangten wir trinkend und schiessend das hallische Thor und -- ein rührender, erschütternder Anblick bot sich uns dar. Alle Fenster lagen gedrängt voll; aus allen wehten weiße Tücher herab, und ein rauschendes Lebehoch empfieng uns. Vor uns die fliehenden Feinde, über uns die jubelnden Einwohner, so gieng es im Trabe vorwärts. Wer, der diesen Augenblick erlebte, mag und kann ihn vergessen, wer ihn aber auch schildern! Freudetrunken eilten wir sogleich aus einem andern Thore hinaus, dem Feinde nach, der noch nicht ganz gebändiget war. Aber alle Regimenter lösten sich jetzt auf. Russen, Schweden, Preussen und Oesterreicher, alles wogte durch einander. Da traf es sich denn, daß Russen auf Oesterreicher, diese auf die Schweden schossen, weil jeder den Feind suchte und durchaus schiessen wollte. Wie manche Patrone ist hier umsonst verknallt worden! Man war in diesem Gedränge seines Lebens nicht sicher, obgleich vom Feinde nichts zu sehen war. Grenzenlos war die Verwirrung. Einige hundert feindliche Reuter hätten diesen ganzen Knäul niederhauen und zersprengen können, weil jeder dem Andern hinderlich war. Auch stürzten sechs bis acht französische Kürassiere auf den Haufen los, und trieben ihn -- horribile dictu -- wenigstens drei bis vierhundert Schritte zurück. Da besann er sich, und nun legten die Tausende auf die wenigen Reuter an, die im Nu mit ihren Rossen zusammen stürzten, von zahllosen Kugeln durchbohrt.

So eben drang die Masse vor einem Thore vorbei, aus dem russische Schwere Reuter hervorquollen. Viele von ihnen wurden getödtet, die übrigen prallten zurück und hielten im Thore still, bis der Irrthum eingesehen wurde. So wälzte sich diese ganze Masse, wohl aus 8000 Mann bestehend, auf die Batterien hin, die am Altranstädter Thore aufgefahren waren, und schröcklich wütheten die Kartätschen unter uns. Doch stürzten immer wieder frische Truppen heran; die hintersten drängten die vordersten, und nachdem dreimal die verheerenden Kugeln unter uns gewüthet hatten, waren die Batterien erreicht und genommen. Jubelnd stürzten wir auf sie los, und im Freudenrausche umarmten wir sie, von denen viele noch nie gebraucht worden waren, und wie Gold glänzten. Wir fanden 128 Kanonen in einander gefahren, und nur die vordersten von ihnen hatten gegen uns gerichtet werden können. Die Bespannung fehlte, und alles stand und lag in toller Verwirrung durch einander, Todte und Verwundete, Freund und Feind, Munitions- und Bagagewagen, Kanonen und Pulverkarren, Arzneiflaschen und Landkarten, Gewehre und Tornister. In dem Augenblick, wo jene Masse zur Ranstädter Brücke vordrang, eilte ein Theil unsers Regiments durch das Ranstädter Thor zu demselben Ziele, den Major von P** an seiner Spitze, der hier verwundet niederstürzte. Als seine Soldaten stutzten, ermuthigte sie der kühne, unerschrockene Führer, und rachedurstend drangen sie über ihn hinweg, dem Tode entgegen. Doch nur dadurch gelang ihnen der Angriff, daß die feindliche Artillerie ihre Kräfte vertheilen mußte, und daß die bunte Masse in der Vorstadt sich durch nichts in der Welt schrecken und aufhalten ließ.

So war denn endlich der Kampf geendet, die Stadt in unsern Händen und die Beute unermeßlich, doch eben so ungeheuer das Gewühl. Wer mag dieses wie jene beschreiben! der Eine zog ein halbes Dutzend Beutepferde nach sich, um sie sogleich an die Kinder Israels zu verkaufen; die Anderer schleppte sich mit schweren Mantelsäcken; ein Dritter trug einen zerbrochenen Adler, um ihn gegen das eiserne Kreuz einzutauschen; ein Vierter, Infanterist, besteig mit Sack und Pack einen stattlichen Engländer, und Andere trieben die Gefangene dutzendweise wie Schaafe vor sich her.

Unbeschreiblich war die Gier und Habsucht bei Manchen, die sich aber oft auf der Stelle selbst bestrafte. Es fielen unter andern auch viele Geldwagen in unsere Hände. Um sie schwärmten die Soldaten wie Bienen. Ehe noch einer von ihnen die Menge umdrängte, fand sich ein Soldat von unserm Regimente bei ihm ein und füllte sein ganzes Czako mit Napoleonsd'or an. Forteilend besinnt er sich und denkt, du kannst dir ja wohl auch die Taschen und den Brodbeutel voll füllen. Gedacht, gethan. Vorsichtig stellt er das Czako unter einen Baum, bedeckt es mit Gras und Gesträuch und eilt zurück, seinen Brodbeutel schon im voraus ausweidend. Als er jedoch hinkommt, findet er den Wagen schon so sehr umdrängt, daß er wieder umkehrt, zufrieden doch sein Czako voll zu wissen. Das war denn freilich gegründet, doch nur mit dem Unterschied, daß es fort war und mit ihm sein Schatz, den er wie im Traum besessen hatte. Ein verschüttes Goldstück war alles, was er an Ort und Stelle noch fand.

Unserm Regimente wurde die Ehre zu Theil jenes eroberte Geschütz zu bewachen. So wie es das erste in der Stadt gewesen war, so hatte es auch größtentheils dieses genommen. Selbst die Einwohner Leipzig wußten das, und zeigten lächelnd mit Fingern auf unsere weißen Kragen, woran wir ihnen kenntlich geworden waren. Die Menge der Gefangenen, die Verwundeten mitgerechnet, belief sich im Ganzen auf 30,00 Mann, unter ihnen mehrere Generale, z. B. der General Regnier, der von einem Jäger unsers Regiments gefangen genommen wurde. Obwohl dieser gewiß dafür eine angemessene Belohnung verdiente, so wäre ihm dieselbe doch fast entzogen worden. Er rieß nemlich den General vom Pferde und in der Hitze ihm auch seine Ehrenzeichen ab. Das Pferd nahm ein anderer Jäger und der General wurde Verwundeten, die eben zurück giengen, übergeben. Wahrscheinlich fühlte er sich hierbei sehr unwohl, weil er in Gefahr war, gemißhandelt zu werden. Er begab sich also in den Schutz eines vorübergehenden Offiziers, was jene Verwundeten zuließen, weil sie ihren Gefangenen nicht kannten. Der Offizier brachte ihn darauf in Sicherheit, meldete es, und erhielt zur Belohnung -- das eiserne Kreuz. Erst ein halbes Jahr darauf erhielt es der Jäger auch, da er beweisen konnte, daß er den General gefangen genommen. Uebrigens ist bekanntlich auf jene bequeme Weise Mancher ein Ritter geworden.

Nachdem alles geendet war, gieng ich in die Stadt zurück, mich zu erquicken. Nur eine Stimme ist darüber, mit welcher Freude und Herzlichkeit wir von den biedern Einwohner Leipzig aufgenommen wurden. Rauschend war ihre Freude über den so schnellen, glücklichen Wechsel der Dinge. Sie leuchtete aus Aller Augen hervor. Was sie bei der Stelle hatten, gaben sie heraus, uns Hungrige zu speisen, und Durstige zu trinken und auf mancherley Art zu erquicken. Als längst Ersehnte waren wir überall willkommen, überall zu Hause, und wahrlich! oft rührend war der Ausbruch dankbarer Freude, mit der man zum Genuß eingeladen wurde. Alle Straßen waren von ihnen angefüllt, und zwischen durch drängten sich die verschiedenen Uniformen. Einer den Andern suchend, um sich seines Besitzes oder Verlustes bewußt zu werden. Ich schlug mich durch das Gewühl hindurch, betrachtete von weitem die hohen Monarchen und Generale. Die auf dem Markt hielten, und wählte ein niedliches Häuschen in einer abgelegenen Straße zum Absteigequartier. Ein schönes, junges, freundliches Mädchen lag, eh' ich mich versah in meinen Armen, und drückte mich küssend an sich. Ueberrascht von diesen mir fremden Liebkosungen, wollte ich ihr ihren Irrthum so eben vorhalten, als sie von selbst anfieng: "Sie sind ein Preusse, d. h. ein Retter und folglich mein Bruder. Kommen Sie herauf zu meinen Eltern, und essen und trinken Sie."

Ich folgte mechanisch, wurde herzlich empfangen, schauderte vor dem Spiegel vor meiner Gestalt zurück, die ich kaum vor Schweiß und Blut erkannte, reinigte mich, antwortete auf die endlosen Fragen der lieben Gastfreunde nur wenig, aß und trank enorm, und streckte mich erschöpft auf ein Sopha hin, ein Stündchen zu schlummern. Beim Erwachen glaubte ich, eine gütige Fee habe mich plötzlich in die Heimath versetzt. Alles kam mir wie ein schwerer, wüster Traum vor. Die freundlichen Umgebungen gebildeter Menschen waren mir, wenn auch nicht fremd, doch neu geworden, wodurch sie einen eigenen Reitz in meinen Augen gewannen, welche mehrere Monate hindurch in Freilagern, auf Märschen und in engen, dumpfen Hütten sie so ungerne entbehrt hatten. Neugebohren und gestärkt sagte ich dem biedern Wirth und den Seinigen Lebewohl, vergaß es, bedrängt von so mannigfachen Gefühlen, mich nach ihrem Namen zu erkundigen, und eilte fort, mein Regiment aufzusuchen, das unterdeß so ziemlich wieder beisammen war.

Gegen Abend wurde uns zu einstweiligen Quartieren die Vorstadt angewiesen; doch weil wir fürchteten, morgen weiter zu marschiren, blieben Viele, nach erhaltenem Urlaub, in der Stadt, um noch manchem nothwendigen Bedürfnisse abzuhelfen. Auf allen Straßen bivouakirten Russen und Oesterreicher, alle Häuser waren verschlossen und vergeblich suchte ich einen Schuhmacher auf, um ihm einen christlichen Tausch anzubieten. Ich mußte noch länger Pein leiden. Kaum öffnete sich uns ein Weinkeller. Hier fanden wir zufällig einen Freund, der einen erbeuteten Mantelsack musterte. Der frühere Besitzer war ein französischer Oberster gewesen und beim Sturm auf Leipzig geblieben. Wir fanden unter andern viele Briefe seiner Gattin an ihn, welche die innigste Liebe und Zärtlichkeit ahmeten, die ihn beschworen, sich ihres kleinen Louis und der zarten Adele wegen, zu schonen, und ihr nicht noch mehr Unglück und Elend zu bereiten, da sie ja schon drei Brüder im Kriege verloren. Wie bedauerten wir das arme Weib! Ihr Gatte war erschlagen, ihre Briefe, gewiß ein Heiligthum für ihn, waren in den Händen fremder Menschen und ihre Hoffnungen vernichtet. Wahrlich, in dem Augenblick trat der Krieg wie ein blutiges Gespenst vor unsere Augen, das uns mit Schauder und Entsetzen erfüllte. Voll Wehmuth betrachteten wir die Briefe unsrer Eltern und Freunde, und sahen schon im Geiste unser Grab vor uns, und die Briefe zu Patronen verbraucht.

Eine Einquartierung, die wir bestimmt erwartet hatten, wurde uns in den folgenden Tagen nicht. Wir lagen draußen in Freilagern, dicht beim Schindanger, und mitten unter todten Menschen und Pferden, die erst den dritten Tag eingescharrt wurden. Nichts ist schröcklicher als der Anblick einer solchen Beerdigung. Die nackten Leichname wurden je zwei und zwei zusammengebunden, auf einen Schubkarren geladen und in eine große Grube geworfen, die mit Kalk und Erde bedeckt wird, wenn ihrer dreißig bis vierzig darinn, Freund und Feind einander in den Armen, liegen. Niemand drückt hier den Unglücklichen das Auge zu, es starrt gebrochen das feindliche Leben an. Niemand giebt ihnen ein Liebeszeichen mit, nur Kalk wird hineingeworfen, um sie schnell in Staub und Asche aufzulösen. Niemand folgt ihrer fremden Bahre, als höchsten eine Thräne des Mitleids, nicht dem Todten, denn wer kennt ihn? sondern dem Loose des Krieges geweint. Kein Glockengeläut erschallt, kein Sterbelied begleitet ihr Hinabsinken. Es ist, als geschehe etwas ganz alltägliches, so gleichgültig gehen die Menschen vorüber und ihren Geschäften nach. Mag der Krieg, dieß große Schachspiel, eine solche Behandlung der Todten nicht nur entschuldigen, sondern auch verlangen: es empören dennoch diese Scenen, wenn man der Feierlichkeiten gedenkt, die eine Beerdigung im Frieden veranlaßt. Zu sehr ist ein weiches Herz daran gewöhnt, als daß es nicht den Krieger beklagen sollte, der nach seinem Tode in der Feldschlacht, nakt, vielleicht an seinem Mörder festgebunden, in die kalte Erde geworfen wird, um sie ein halbes Jahrhundert hindurch zu düngen.

Leipzig selbst lag voller Garden, und darum hatten wir freilich keinen Platz mehr daselbst. Wäre daher nicht jeder Einzelne durch gemachte Beute in den Stand gesetzt worden, Stärkung und Labung in der Stadt zu suchen, so würden wir die drei Tage ein höchst elendes Leben geführt haben, weil die Verpflegung nur so nothdürftig war. Unsere Magazine waren noch in Eulenburg. So aber bekümmerten wir uns wenig darum.

Die verwundeten Franzosen hatten dagegen ein höchst trauriges Loos. Niemand kümmerte sich um sie. Ich sah einen Unglücklichen, der den Arm in einer Binde trug, obgleich er nur noch an einigen Nerven hieng. Schon war der kalte Brand hinzugeschlagen, und der ganze Arm kohlschwarz. Wie bewußtlos schlich der Leidende umher, am rothen Pferdefleisch nagend. Rußlands Scenen erneuerten sich hier. An todten Pferden sah ich Manche liegen und Mahlzeit halten, und andere suchten den Hafer aus Pferdemist und schlukten ihn gierig hinunter. Vor den Thüren, auf öffentlicher Straße lagen sie halb nakt und blutend, ohne Samariter zu finden. Kalt und gleichgültig schliechen die Hausbewohner über sie fort, und würdigten sie kaum eines Blickes; so groß war die Erbitterung gegen sie. Viele, die helfen wollten, waren wieder zu arm dazu, denn es herrschte in den Tagen in der Stadt ein großer Mangel, daß kaum für die verwundeten Sieger gesorgt werden konnte.

Die Unglücklichen erinnerten mich an eine heilige Pflicht, nemlich meine verwundeten Brüder in den Lazarethen aufzusuchen und von ihnen Abschied zu nehmen. Ich fand sie endlich nach langem Suchen unter den Hunderten heraus, die unter dem Messer der Aerzte seufzten und wimmerten. Ein herzzerschneidender Anblick. Fast bereute ichs, als ein Beneidenswerther unter diesen Unglücklichen herumzugehen, die in der Blüthe ihrer Tage auf dem herben Sterbebette lagen. Viele von ihnen waren noch blutjung, noch im Knabenalter; aber ruhig, je heiter lagen die Blassen, entstellten Kinder da, Bilder des innern Friedens. Das Gefühl des Sieges und der errungenen Freiheit hatte ihnen eine Begeisterung gegeben, die sie noch auf ihrem Sterbebette nicht verließ. Das Einzige, was sie quälte, war die Entfernung von ihren Eltern und die Sehnsucht nach ihnen, die sie nicht mit Bitterkeit gegen ihr Schicksal erfüllte, sondern Thränen in ihre Augen trieb. Wurde es mir irgend klar, daß der Geist uns beselte, daß eine höhere Liebe mit der unsrigen war, so war es hier. O, wie hätten sie denn sonst so ruhig und freudig dulden können!

Am meisten rührte und erhob mich das Verhalten eines meiner Freunde, eines gewissen B** der höchstens 17 Jahre alt, mit mir bei demselben Detachement stand. Sein älterer Bruder war im Regiment Chirurgus. Beide Brüder liebten sich treu und zärtlich, und brachten sich oft gegenseitig die größten Opfer. Alle Schlachten hatten sie bisher glücklich mitgemacht. Beim Sturm von Leipzig verloren sie sich Beide aus dem Gesichte, und jeder gieng seinem Berufe nach. Der jüngere B** wurde in der Vorstadt gefährlich verwundet und blieb liegen, während wir Andere weiter vordrangen. Einige Zeit darauf kommt der ältere, der Chirurgus, eiligen Laufs dieselbe Straße und wird von einem Bürger dringend gebeten, in sein Haus zu kommen, um einen Verwundeten zu verbinden. "Ich habe keine Zeit lieber Freund, antwortet ihm dieser, sogern ich helfen wollte; denn ich muß nothwendig zu meinem Regimente, wo ich gewiß schon vermißt werde. Doch der Bürger läßt mit Bitten nicht nach, und nach langem Flehen entschließt er sich dazu, und eilt hinein. Man zeigt ihm den Hilflosen, der nakt und entstellt daliegt, und -- es ist sein eigener Bruder. Sein Schenkel war von einer Kartätschenkugel völlig zerschmettert. Ohne sich helfen zu können, war er auf der Straße liegen geblieben, und von Russen rein ausgezogen worden. So im Schutze nackend liegend, hatte ihn der Barmherzige Samariter gefunden und ins Haus tragen lassen. Wer mag den Schmerz des Bruders beschreiben, der seine Geschicklichkeit und Kenntnisse dazu anwenden mußte, seinem Bruder auf kurze Zeit das Leben zu fristen! Er konnte ihn vor Thränen kaum verbinden, und mußte seine ganze Standhaftigkeit aufbieten, um nur das Nothwendigste zu thun.

Am folgenden Tage war der Unglückliche ins Lazareth gebracht worden. Ruhig und heiter lag er da; geduldig wie ein Lamm, hielt er dem Bruder still und tröstete ihn, der selbst fast in Verzweiflung war, "Grüss meine Mutter, waren seine letzten Worte; sage ihr, daß ich wie ein Held gestorben sey, ohne Schmerz und Reue. Erzähle ihr nichts von meiner Todesart, und ersetze ihr durch zweifache Liebe, was sie in mit verlor. Sag' ihr, daß ich Eine Reue nur mit ins Grab nehme, die, ihr oft so viel Kummer gemacht zu haben, und dank ihr in meinem Namen für all' das unendliche Gute, was sie an mir gethan hat. Jetzt, jetzt, wimmelte er leiser, kommt der Tod." Noch einmal sah er den Bruder mit einem Blick voll Liebe an, und gab seinen Geist auf.

Selig Alle, die in dem Herrn entschlafen. Erschüttert bis ins innerste Leben, verließ ich einen Ort, von dem ich fürchtete, daß ich ihn auch noch einmal genauer kennen lernen dürfte, denn der Krieg spart sich so manches Opfer auf; doch bebte ich vor ihm nicht zurück, denn ich hatte von neuem von meinen Brüdern das Sterben gelernt. Ich fühlte, nicht feiger und schlechter als sie zu seyn, ohne mir das zum Verdienst anzurechnen; denn ohne Gott ist der Mensch ein Wurm, der sich vor dem Tode krümmt, er müßte denn durch das Laster schon unters Thier gesunken seyn, oder sein Bewußtsein verloren haben.

Nicht lange, und doch zu lange, in Hinsicht auf den Feind, verweilten wir bei Leipzig. Am 21. Abends brachen wir auf, und richteten unsern Marsch auf Weißenfels. Auf dem Schlachtfelde bei Lützen hielten die verschiedenen Regimenter einige Augenblicke still, sie dem Andenken des großen Königs (Gustav Adolph von Schweden) zu widmen, der hier bekanntlich für das protestantische Deutschland, oder besser für seinen Glauben, seinen erhabenen Geist aushauchte. Eine kurze Rede unterrichtete hievon den Unwissenden, eine tiefe feierliche Stille folgte, darauf wurde von der Regimentsmusik ein Chorel gespielt, und schweigend zog die Armee durch die unabsehbare, zum Schlachtfelde sich recht eignende, Ebene zur Saale hin. Mit wunden Füssen schleppte ich mich noch bis zu dem berühmten Dorfe Roßbach, wo wir fast alle in unergründlichem Kothe stecken blieben. Jetzt konnte ich nicht weiter. Ich mußte nothgedrungen zurück bleiben, um entweder meine Stiefel umzutauschen, oder in irgend einer Stadt ein Paar neue machen zu lassen.


Leipzigs Schreckensszenen im September und October 1813.[]


Gegen Abend gingen wir aufs Schlachtfeld d. h. zum Thore hinaus auf die Promenaden und die daranstoßenden freien Plätze. Welche Gräuel! welche Verwüstung! Die Häuser von Kugeln zerlöchert, die Fenster zerschmettert, Todte, Sterbende, Schwerblessirte unter einander. Am schrecklichsten hatte die Bürgerschule gelitten. Wer das Furchtbare des Krieges nicht in vollem Maaße kannte, konnte es hier lernen. Dort lag einer mit zerschmettertem Kopf, in dem kein Tropfen Gehirn mehr war. Hier einer, der noch atmete und doch den Kopf auf beiden Seiten zerlöchert hatte. Hier ein blühender Kanonier von der reitenden Artillerie, dem das Bein unter dem Knie abgeschlossen war, und dem auf sein Flehen, ins Hospital gebracht zu werden, 2 rohe Krieger den Vorschlag thaten, sich lieber vollends todt schließen zu lassen. Dort saß eine Leichengestalt mit abgehauenem Arm, nackend, mit dem Mantel deckte sie die gräßliche Wunde, indem sie ihn fest in den Zähne hielt. Viele lagen schon seit dem vorigen Abend unverbunden da. Am schrecklichsten war die Gegend vom Thomaspförtchen an bis zum Halleschen Thore. Hier waren im grelisten Chaos einige 80 Kanonen und noch mehr Equipagen der kaiserlichen französischen Garden unter einander verfahren, daß es durchaus unmöglich war, durchzugehen. Hier waren Tausende von französischen Truppen in die Pleiße gejagt worden. Die Brücken, welche in die nahen Gärten führen, waren unter ihnen, unter der Last der Wagen, der Pferde, der Menschen gebrochen. Längs dem Ufer hin hatte der Kampf mit Flintenfeuer und Bajonetten aufs schrecklichste gewüthet und der Fluß stockte von Leichnamen, von Gewehren und Wagen.


Neopolem.


Ansicht des Ranstädter Thores zu Leipzig am zo. Octbr. 1813.

Neopolem.


Ansicht des Grimmaischen Thores in Leipzig am 20. Octobr. 1813.

Züge von Heldenmuth.[]

[3]
Heldenmuth eines fünfzehnjährigen preussischen Trommelschlägers in der Schlacht bey Leipzig, im Oktober 1813.

An dem ersten Tage der Leipziger Völkerschlacht befand sich ein preussisches Regiment in der vordern Linie; der junge Trommelschläger wurde durch einen vorbeyjagenden oder vielmehr vorbeygejagten Zug feindlicher Reuter von der Kolonne, an deren Spitze er stand, etwas vorwärts getrieben, und war eben im Begriff, sich wieder an das Regiment anzuschließen, als er eine ihm bekannt scheinende Offiziers-Stimme zum Sturmmarsch commandiren hörte. Er glaubt nun, seine Kolonne rücke sogleich nach, schlägt deßwegen auf seiner Trommel mit allen Leibeskräften den preussischen Sturmmarsch, und arbeitet sich unter dem fürchterlichen Getöse der Schlacht und unter dem Angstgeschrey der Verwundeten und Sterbenden durch die Trümmer der herumliegenden Rüstwägen, Pferde und Menschen bis vor eine Kolonne Franzosen hin, die, in der Meinung, es rücke ein neues Heer Deutsche gegen sie an, ein ganzes Peloton-Feuer gegen ihn abfeuern. Eine Kugel durchlöchert ihm seine Trommel, verwundet ihn streifend am Schenkel, zerschmettert sein kleines Seitengewehr. Einige andere Kugeln zerrissen ihm, während er im Kugelregen eine Seitenbewegung macht, seinen Tornister und streifen ihn am Achselbein und Rücken. Er fühlt sich zwar etwas verwundet, schlägt aber seinen Sturmmarsch mit noch größerer Anstrengung fort, ist einige Zeit unschlüßig ob er rückwärts oder vorwärts gehen solle, bemerkt aber beym höher gehenden Pulverdampf, daß die, dicht vor ihm aufmarschierte feindliche Kolonne linksum marschiere, und entschließt sich nun, ihr auf dem Fuße mit seiner stürmenden Trommel zu folgen. So treibt der junge Trommelschläger diese Kolonne Franzosen, welche bey dem über die ganze Gegend verbreiteten Pulverdampfe nicht beurtheilen konnten, wer dem kleinen Helden folge, unter eine Abtheilung östreichischer Jäger, vor welchen die Franzosen nach einigen vergeblichen Angriffen das Gewehr streckten, oder vielmehr ihre Gewehre zerschlugen. Bey dieser östreichischen Jägerkolonne blieb er bis zum Ende des Schlachttages, kam noch in derselben Nacht in Begleitung einer Ordonnanz bey seinem Regimente an, und bekam dafür das preussische Kreuz und die Medaille.

*) Aus dem "Unterhaltungs-Blatt für alle Stände 1816. No. 2." aufgenommen, und zu diesem Endzweck von dem verehrungswürdigen Herausgeber dieses so schätzbaren Blattes uns gütigst mitgetheilt.

Neopolem.


Nachdem der General Feldmarschall Fürst von Schwarzenberg die frohe Nachricht von dem glorreichen Siege den drey verbündeten Monarchen überbracht hatte, stiegen Diese von ihren Pferden, fielen auf ihre Knie und danckten dem Herrn der Heerschaaren.


Quellen.[]

  1. Die Ameise oder Bemerkungen, Charakterzüge und Anekdoten, auch Schlachtberichte vom Kriegsschauplatze im Jahr 1812 bis 15. Herausgegeben von Ludwig Hußell. Dreißigste Sammlung. Leipzig 1818, in der Baumgärtnerschen Buchhandlung.
  2. Historisch-biographisches Unterhaltungsbuch für Leser aus allen Ständen. Von Samuel Baur, Königlich Würtembergischen Dekan und Pfarrer zu Alpeck und Göttingen. Ulm, 1822. Im Verlage der J. Ebner'schen Buchhandlung.
  3. Züge teutschen Muthes und Hochsinns nebst einigen Gedichten verschiedenen Inhalts. Gesammelt und zur Ausführung eines wohlthätigen Zweckes herausgegeben von C. V. Sommerlatt. Zweiter Theil. Basel, 1821. gedruckt in der Schweighauserschen Buchdruckerey.
  • Historischer Militair-Almanach des 16. 17. 18. und 19. Jahrhunderts. Mit besonderer Hinsicht auf das letztere, und den oesterreichischen Kaiserstaat. Mit 15 Portraits, für Freunde der neueren und neuesten Kriegsgeschichte von Johann Ritter von Rittersberg. Prag bei C. W. Enders 1825.
  • Minerva. Ein Journal historischen und politischen Inhalts. Vierter Band. Für das Jahr 1813. Leipzig, in der Expedition der Minerva.
  • Leipzigs Schreckensszenen im September und October 1813. Von *r, einem Augenzeugen. Zur Erinnerung für seine Bürger, zur Nachricht für Auswärtige. Leipzig, 1813 bei Wilhelm Engelmann.


Literatur.[]

  • Leipzigs Drangsale oder die 6 Tage der Angst, welche die Bewohner Leipzig vom 13. - 19. Oktober 1813. erlitten; von einem Bewohner unsrer Stadt beschrieben der Nachwelt zum Andenken herausgegeben. Leipzig, 1813.
  • Leipzigs Drangsale und Schreckenstage. Eine ausführliche Darstellung der in und bei Leipzig vorgefallenen Ereignisse, und daselbst verbreiteten Gerüchte in Beziehung auf den erneuerten Krieg im Sommer 1813, vom 16. August bis zum 20. October. Nebst Schilderung der mit Sturm geschehenen Einnahme der Stadt und des Rückzugs der Franzosen. Aus dem Tagebuche eines aufmerksamen Zuschauers. Leipzig, in der Joachim'schen Buchhandlung.
  • Leipzigs Geschichte seit dem Einmarsche der Verbündeten im April 1813 bis zur großen Völkerschlacht im Oktober. Von L. Hußell als Ergänzung zu: Leipzig während der Schreckenstage der Schlacht im Monat Oktober 1813 xc. xc. Leipzig, im Industrie-Comptoir.
  • Leipzig während der Schreckenstage der Schlacht im Monat Oktober 1813 als Beytrag zur Chronik dieser Stadt. In einer Reihe fortgesetzter Briefe nebst einem authentischen Berichte über die mündlichen Unterhaltungen des Kaisers Napoleon, und das, was sich während seines Aufenthaltes in dem Hause zutrug, worin er vom 14. bis 18. Oktober eine halbe Stunde von Leipzig sein Hauptquartier hatte. Von. L. Hußell. Leipzig in der Baumgärtnerischen Buchhandlung.
  • Leipzigs Schreckensszenen im September und October 1813. Von *r, einem Augenzeugen. Zur Erinnerung für seine Bürger, zur Nachricht für Auswärtige. Leipzig d i Wilhelm Engelmann.
  • Darstellung der großen, universalhistorischen Begebenheiten im Monat Oktober 1813. Zugleich Worte des Vertrauens an die Deutschen und Ihre Fürsten. Im Feldlager niedergeschrieben. Leipzig, in der Baumgärtnerischen Buchhandlung.
  • Welthistorische Ansicht vom Zustande Europa's a, Vorabend der Schlacht bei Leipzig im Jahre Achtzehnhundert Dreizehn. Von Ludwig Lüders. Mit einem Plane der Schlacht bei Lützen. Leipzig und Altenburg F. A. Brockhaus 1814.
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