Lübeck wird von den Franzosen mit Sturm eingenommen.[]
Der 6te November ist der schrecklichste Tag in den Annalen der Hansestadt Lübeck, und der schaudervollste in dem Preußisch-Französischen Kriege geworden. Bei Jena und Auerstädt kämpften Heere auf Anhöhen und auf dem freien Felde; an der Trave ward der blutigste Kampf vor den Thoren und in den Straßen einer friedlichen Stadt geliefert, die der Schauplatz aller Greuel und Schrecknisse des Krieges wurde. Schon in dem obigen Kriegs-Artikel ist S. 1153 die Erstürmung der Stadt in kurzem erwähnt. Hier noch einige Züge zu dem Gemälde, das erst die Zukunft vollständig ausmahlen wird.
Am 4ten Nov. drang das bis dahin im Lauenburgischen gewesene Corps Schweden, unter dem Obersten Mörner, in Gefahr, von den Franz. Truppen überrascht zu werden, die seit der Schlacht von Jena, in Verfolgung der Preuß. Truppen begriffen waren, in Lübeck ein. Die Barrieren und Thore dieser neutralen Stadt wurden gesprengt. Die Schweden, die sich aufs beste betrugen, hatten blos zur Absicht, durch das Vordringen in der Stadt, ihren Rückzug nach Travemünde zu sichern, und wo möglich von da sich zu Schiffe nach Stralsund zu begeben. Das friedliche Einrücken der Schweden war nur ein Vorspiel von dem, was der Stadt bevorstand.
Am 5ten rückten 4000 Mann von dem Blücherschen Corps in Lübeck ein. Die Preußen suchten sich daselbst in Eile zu befestigen, allein, es ward ihnen von ihren, von allen Seiten vordringenden Gegnern wenig Zeit dazu gelassen. Am 6ten des Vormittags erschienen die Franzosen vor der Stadt. Die Generale Drouet, Frere, Leopold Berthier und Pactod, vom Corps des Prinzen von Ponte-Corvo, drangen gegen das Burgthor, welches die Preußen mit Artillerie besetzt hatten. Viele Krieger wurden durch Kartätschenfeuer zu Boden gestreckt. Nichts aber hielt die Franz. Tapferkeit ab. Die Sappeurs, welche über den Graben vorgedrungen waren, drangen gegen die Kanonen und streckten die Preuß. Artilleristen zu Boden. Von den andern Seite drang die Französische Avantgarde des Generals Legrand, wobei sich Corsische Chasseurs und Scharfschützen vom Po befanden, welche in diesem Feldzuge noch nicht gefochten hatten, mit der Schnelligkeit des Blitzes gegen das Mählenthor vor, und rückte in die Stadt ein. Nun begann um Mittag das fürchterlichste Gemetzel in den Straßen. Die Preußen wurden von den Franzosen in die Häuser, Kirchen xc. verfolgt, und in das Rathhaus, wo der Senat versammelt war, flogen, so wie in andere Gebäude, viele Kugeln; alle Straßen und öffentliche Plätze wurden mit Leichnamen bedeckt, die Massacre in der Stadt dauerte über 4 Stunden, und es folgten darauf die Schrecknisse der Plünderung, die von der Erstürmung der Stadt, leider! unzertrennlich waren. Das Bernadottsche und Soultsche Corps, die in verschiedenen Thoren einrückten, waren in der Mitte der Stadt zusammengetroffen, hernach stieß noch das Corps des Großherzogs von Berg dazu. Verschiedene Einwohner in Lübeck wurden ein Opfer der Feindseligkeiten. Die Anzahl der Todten und Verwundeten auf beiden Seiten, wird auf 5000 angegeben. Die Preuß. Garnison, unter dem General Natzmer, so wie das ganze Blüchersche Corps, dem es an Brodt und Munition fehlte, mußten sich hierauf zu Kriegsgefangenen ergeben.
Auch das Schwedische Corps, welches sich am 6ten noch größtentheils 1500 Mann stark, unter dem Obersten, Grafen Mörner, zu Schiffe auf der Trave befand, ward von den Franzosen zu Kriegsgefangenen gemacht. 55 Schweden waren getödtet oder verwundet worden. Nur 400 Mann unter dem Obersten Morian hatten von Travemünde sich wegbegeben.
Die erste Sorge des menschenfreundlichen Feldherrn, des Prinzen von Ponte-Corvo war, der Stadt so viel als möglich Erleichterung zu verschaffen, und die Ruhe in derselben wieder herzustellen. Er erließ einen Tages-Befehl, worin er die Truppen ermahnte, nach dem Siege gefühlvoll und menschlich zu seyn. Die Französischen Truppen-Corps hatten sich nach einander aus dem Lübeckschen größtentheils wieder nach dem Brandenburgischen gezogen.
General Blüchers Erklärung über sein Benehmen in Lübeck.[]
- [1808]
Vom General Blücher, den man den Vorwurf gemacht hat, daß er sein eignes Vaterland Mecklenburg nicht verschont und insbesondre gegen Lübeck sich nicht so betragen habe, wie man zu erwarten Ursache hatte, liest man in verschiedenen Preußischen Blättern eine Vertheidigung, die zu originell ist, um sie den Lesern vorzuenthalten. Lübeck betreffend, sagt dieser General, so war es für mich schmerzhaft, dessen braven Einwohnern, so viel Unangenehmes zufügen zu müssen. Wenn aber bei Lübeck das befolgt, was ich befohlen, was geschehen sollte und konnte, so würde ich, wenn ich das Unglück für die Stadt auch zehnmal grösser vorausgesehen hätte, dennoch die Besetzung nicht unterlassen haben. Mein Zweck, die Feinde so lange zu beschäftigen, bis die Rußischen Armee herankamen, und dadurch Preussen und Schlesien zu retten, würde dann im größern Umfange erreicht worden seyn. Man braucht dieser Erklärung keine Anmerkungen beizufügen, ihr Inhalt ist so beschaffen, daß Jedermann einsehen wird, wie sehr dieser General von seiner Wichtigkeit eingenommen war, daß er sich einbilden konnte, Preussen und Schlesien durch den Ruin von Lübeck retten zu können. Welch ein sonderbarer Einfall! --