Treffen bei Heilsberg.[]
Der 10. Juni 1807.
Nach der Schlacht bei Eylau und einigen weniger bedeutenden Gefechte, und nach der Erstürmung von Gutstadt standen die Russen, auf die Defensive zurückgeworfen, in einem verschanzten Lager bei Heilsberg. Der französ. Kaiser, welcher nebst den Garden und der grossen Cavallerie-Reserve 4 Armee-Corps zusammengezogen hatte, griff sie hier heftig an. Wie in den frühern Schlachten von Putulsk und Eylau war auch hier das Morden fürchterlich. Auch hier schrieben sich wieder beide Theile den Sieg zu. Und nicht mit Unrecht. Die Franzosen mussten nach grossem Blutbad von vergeblichem Angriffe ablassen, und sich zurückziehen; aber da Bennigsen nichts ferner wagen wollte, so blieb der Vortheil, sich frey nach allen Seiten bewegen zu können, auf der Seite Napoleon, welcher 2 Tage später durch eine Demonstrative Davousts gegen Königsberg, um die Russen zu überflügeln, sie zwang ihr festes Lager zu verlassen, und nach andern 2 Tagen die für sie verlorne Friedländer Schlacht zu schlagen.
Bericht des kommandirenden Generals Freiherrn Bennigsen an Se. Majestät den russischen Kaiser.[]
vom 29sten Mai (dem 10ten Juni) vom Schlachtfelde bei Heilsberg im Mitternacht.
Heute gegen Mittag attakirte Bonaparte [xxxx] mit seiner ganzen Macht die Armee Ew. kaiserlichen Majestät in der Position an der linken Seite der Alle wo sich blos der Fürst Gotschakow und der Graf Kaminsky (welcher diesen Morgen vom General L'Estocq angekommen war) befanden. Einige Zeit vor dem Angriffe hatte ich noch des Morgens den Fürsten Bagrathion nach Launau detaschirt, welcher sogleich nach seiner Ankunft daselbst von solch einer überlegenen feindlichen Macht angegriffen wurde, daß er genöthigt war, sich zurückzuziehen. Ich ließ von der andern Seite einen großen Theil der Truppen vorrücken, und dieselbe Position nehmen, während 14 Bataillone, worunter 9 Garde-Bataillone und ein Theil Kavallerie begriffen waren, in Reserve blieben. Das Feuer wurde nun auf allen Punkten eröffnet und der Feind war bald gezwungen zu retiriren, um das Schlachtfeld dem tapfern Kriegsheere Es. kaiserlichen Majestät, welches sich an diesen Tagen mit neuem Ruhme gekrönt hat, zu überlassen. Jetzt kann ich den Verlust noch nicht mit Genauigkeit bestimmen, aber er muß von beiden Seiten sehr ansehnlich seyn; auch kann jetzt die Zahl der genommenen Gefangenen und der dem Feinde abgeschlagenen Kanonen und Fahnen nicht angegeben werden. Eine mir zugestellte Fahne, nähmlich die des 55sten Linien-Regiments, lege ich hierbei zu den Füßen Ew. kaiserlichen Majestät. Der Feind wurde eine ganze Meile weit vom Schlachtfelde verfolgt. Zum größten Leidwesen sind in die dieser Schlacht geblieben: die Generalmajore Koschin und Warnek, und Baron Pahlen; verwundet sind: der General-Lieutenant Dochterow, die General-Majore Werderewsky, Prinz Carl von Mecklenburg-Schwerin, Fok, Passek, Alsusiew, Duka und Laptiew. Die Schlacht dauerte vom Mittag bis zum 11 Uhr Abends. Die tiefste Finsterniß der Nacht verhinderte uns, den Feind weiter zu verfolgen. Es bleibt nun zu wissen übrig, ob Bonaparte und Morgen auf's neue angreifen wird. Von den Gefangenen weiß man, daß seine ganze Reserve von 20 Bataillonen und die Garde ebenfalls an der Attake Theil genommen haben, und eben so wie seine übrigen Regimenter geworfen worden sind.
Bulletin der großen Armee.[]
Auszug des 78. Bulletins der Französischen Armee.
Heilsberg den 12. Jun.
"Am 10. nahm die Armee ihre Richtung auf Heilsberg; sie eroberte die verschiedenen Lager des Feindes. Ungefähr eine Viertelstunde jenseits dieser Lager zeigte sich der feindliche Nachtrab, bestehend aus 15 bis 18,000 Mann Reitern und mehrerer Linieninfanterie, in Ordnung aufmarschirt. Die Kuirassiere von der Division des Gen. d'Espagne [xx], und die Dragonerdivision des Gen. Latour-Maubourg, machten mehrere Angriffe, und gewannen Terrain. Um 2 Uhr war das Korps des Marschalls Soult aufgestellt. Zwey Divisionen marschirten auf den rechten Flügel, und die Division Legrand auf den linken, um sich der Spitze einer Gehölzes zu bemächtigen, deren Besetzung nöthig war, um die linke Flanke der Reiterey zu unterstützen. Die ganze Russische Armee war damals zu Heilsberg versammelt, und schickte zahlreiche Verstärkungen sowohl ihrer Reiterey als ihrem Fußvolke zu, um ihre Stellung vor dieser Stadt zu behaupten. Aber die Französische Heftigkeit ließ sich weder durch diese Hindernisse, noch durch das Feuer von 60 Kanonen, welches die feindlichen Kolonnen unterstützte, zurückhalten; die Feinde wurden mit einer seltenen Unerschrockenheit zurückgetrieben; mehrere Russische Divisionen wurden in Unordnung gebracht, und Abends um 9 Uhr befand sich die Armee unter den Verschanzungen des Feindes. Die Füsseliers von der Garde, den Gen. Savary an der Spitze, unterstützten die Division St. Hilaire [xx], und benahmen sich auf die glänzendste Art. Die Division des Gen. Verdier [xx] von der Reserve-Infanterie des Marschall Lannes [xxx] verwickelte sich auch in das Gefecht, als die Nacht schon eingebrochen war; sie überflügelte den Feind, um ihm den Weg nach Landsberg abzuschneiden, welches ihr vollkommen gelang. Der Feuereifer der Truppen war groß, daß mehrere Kompagnien Linieninfanterie selbst die Verschanzungen der Russen angriffen. Einige Tapfere fanden den Tod in den Gräben der Redouten und am Fuß der Pallisaden. Der Kaiser brachte den ganzen 11. Juny auf dem Schlachtfelde zu; er ordnete daselbst die Armeekorps, um eine entscheidende Schlacht zu liefern, welche den Krieg zu Ende bringen könnte. Die Rusische Arme, zu Heilsberg ganz versammelt, hatte daselbst auch alle ihre Magazine. Diese, schon von Natur starke Stellung war noch mehr durch vier Monat lange Arbeiten des Feindes befestiget. Um 4 Uhr Nachmittags ließ der Kaiser den Marschall Davoust [xxx] die Fronte verändern. Durch diese Bewegung erhielt er gegen die Nieder-Alle seine Richtung, und verlegte gänzlich den Weg nach Eylau. Jedem Armeekorps war seine Rolle angewiesen; sie waren alle vereinigt, bis auf das erste, welches noch an der Nieder-Passarge manövrirte. So sahen sich die Russen, welche die Feindseligkeiten angefangen hatten, gewissermassen in ihrem verschanzten Lager eingeschlossen, und man bot ihnen die Schlacht gerade in der Stellung, die sie selbst gewählt hatten, an. Auch liessen sie sich, während der Französ. Armee ihre Disposizionen traf, in der Mitte ihrer, mit Kanonen bespickten Verschanzungen in Kolonnen gestellt sehen. Aber ungeachtet ihrer Demonstrazionen vom 11. Juny, welche glauben liessen, daß die diesen Tag angreifen würden; ungeachtet der zahlreichen Artillerie, womit ihre Verschanzungen besetzt waren, fiengen sie um 10 Uhr des Abends an, sich auf das rechte Ufer der Alle zu begeben, und das ganze Land auf dem linken Ufer des Flusses sammt ihren Verwundeten, ihren Magazinen und Verschanzungen der Willkühr des Ueberwinders zu überlassen; sey es nun, daß sie plötzlich das Zutrauen in ihre Verschanzungen verlohren, oder daß der Muth und das Feuer, welches die Franzosen sie am 10. merken liessen, ihnen so viele Achtung eingeflößt hat. Am 12. Morgens bey Tages Anbruch setzten sich alle Armeekorps nach verschiedenen Richtungen in Bewegung. Heilsberg und die umliegenden Oerter sind voll Russischer verwundeter. Vom 5. bis zum 12. hat die Russische Armee gegen 30,000 Mann verlohren; sie hat in den Händen der Franzosen 3 bis 4000 Gefangene, 7 oder 8 Fahnen, und 9 Kanonen gelassen. Nach der Aussage der Kriegsgefangenen und der Bauern sind einige der ausgezeichnetsten Russischen Generale getödtet, oder verwundet. Unser Verlust beläuft sich auf 6 bis 700 Todte, 2000 bis 2200 Verwundete, und 2 bis 300 Gefangene. Der Divisionsgeneral d'Espagne ward verwundet, und dem General Roussel, Chef des Etatmajor der Garde, als er sich mitten unter den Füselieren befand, der Kopf durch eine Kanonenkugel weggenommen. Er war ein sehr ausgezeichneter Offizier. Dem Großherzog von Berg wurden 2 Pferde unterm Leibe erschossen. Hr. Segur, einer seiner Adjutanten, verlor einen Arm. Hr. Lameth, Aide de Camp des Marschalls Soult, wurde verwundet. Der Oberste Lagrange, vom 7. Jägerregimente, erhielt eine Flintenkugel. Man wird in umständlichen Berichten, die der Etatmajor zu verfertigen hat, die tapfern Thaten, durch welche sich eine grosse Menge Offiziere und Soldaten auszeichneten, so wie die Nahmen derjenigen, welche an dem denkwürdigen 10. Jun. verwundet wurden, bekannt machen. In den Magazinen zu Heilsberg fand man mehrere 1000 Zentner Mehl, und viele andere Vorräthe."
Memoiren des Herzogs von Rovigo.[]
Am 10. früh Morgens setzte man den Marsch fort, indem man längs der Alle hinunterging, und gegen Abend drängte man den feindlichen Nachtrab ganz ans Ufer dieses Flusses zu Heelsberg; der größte Theil des feindlichen Heeres war auf dem rechten Ufer postirt, welches weit höher als das linke ist; seine ganze Artillerie befand sich darauf.
Der Großherzog von Berg ließ es sich in den Sinn kommen, durch seine Reiterei mehrere Male angreifen zu lassen; diese, welche den ganzen Morgen heldenmüthig gefochten hatten, und jetzt unter das Kanonenfeuer kam, mußte sich dem Kugelregen entziehen; sie wich in Unordnung; die Russen ließen dieselbe von einigen Schwadronen verfolgen, welche sie gänzlich in die Flucht trieben.
Zu ihrem Glück hatte der Kaiser von seinem Beobachtungspunkte dieselbe unbesonnen Handgemein werden sehen; er ließ schleunig die Füsilierbrigade der Garde mit 12 Kanonen zu ihrer Hülfe ausrücken, um sie einem Blutbade zu entziehen; er stellte mich an deren Spitze.
Diese seit kurzem gebildete Brigade war noch kein geübter Trupp, und bestand aus 2 Regimentern sehr schöner junger Leute.
Um in die Ebene zu gelangen, wo der Großherzog von Berg manoeuvrirte, hatte ich einen langen, engen, morastigen Paß und ein Dorf zu durchziehen; ich setzte mich nicht ohne Unruhe in Marsch, weil das der einzige Weg war, auf welchem unsere Reiterei sich zurückziehen konnte, wenn sie zurückgedrängt wurde, bevor ich ganz durchgezogen war; jedoch es mußte geschehen, und ich that es mit dem eiligsten Schnellschritte, und in dem ich eine so große Fronte nur machen konnte: das war mein Glück, denn kaum war ich in der Ebene, 250 Faden von der andern Seite des engen Passes aufgestellt, mit 2 vorn ausgebreiteten Bataillons und meinen beiden in Colonnen zusammengezogenen Flügeln, und kaum war mein letztes Feldstück aufgepflanzt, so ward ich in die Flucht unserer Reiterei verwickelt, welche mit der russischen Cavalerie durch einander auf den Paß zurückkam. Ich hatte nur die Zeit, meiner ganzen Fronte Feuer geben zu lassen; dieses hielt die russische Reiterei auf und gab der unsrigen die Zeit, sich wieder zu sammeln und sich wieder aufzustellen.
Die Russen hatten hinter ihrer Reiterei Infanterie und Geschütz, welche sie in angelegten Schanzen vor Heelsberg, von der Seite, wo wir ankamen, aufgestellt hatten. Man mußte sich mit diesen in ein Handgemenge einlassen. Das Kanonen- und Flintenfeuer war sehr lebhaft, und ich wäre sehr übel abgekommen, wenn nicht eine der Divisionen des Marschalls Soult, unter dem Befehl des Generals Saint-Hilaire, der zu meiner Rechten war, und eine andere des Marschall Lannes *), vom General Verdier befehligte, zu meiner Linken ihr Feuer mit dem meinigen vereinigt hätten; dennoch wurde ich sehr übel zugerichtet: ich behauptete noch 200 Klafter weiter als auf dem Platze, worauf ich gekämpft hatte, das Schlachtfeld, aber ich erlitt einen beträchtlichen Verlust: ich hatte den Tod des Brigadegenerals Roussel zu beklagen, und mehrere Munitionswagen, unter anderen einer mit Haubitzen sprangen während des Treffens in die Luft, und richteten einen großen Schaden unter uns an, da unsere Glieder eng geschlossen waren.
- *) Der Marschall Lannes, nachdem er in Warschau seine Gesundheit wieder hergestellt hatte, war zum Kaiser zurückgekommen, und hatte den Oberbefehl eines Corps erhalten, welches aus den von der Belagerung von Danzig kommenden Truppen und den vereinigten Grenadieren gebildet war.
Ohne die Unerschrockenheit unsers Artilleriebefehlshabers, des Obersten Greiner, welcher ein sehr lebhaftes und mörderisches Feuer machte, wäre ich aus einander gesprengt, mein Corps gesäbelt und der ganzen russischen Cavalerie in die Hände gefallen, welche mich umzingelt hielt, und schon unsere Reiterei mißhandelt hatte; die Gefahr war um so größer, da die Division St. Hilaire in völligem Rückzuge war.
Ich hatte eine lebhafte Erklärung mit dem Großherzog von Berg, welcher mir im Augenblick, wo es gerade am heißesten herging, den Befehl sandte, vorzurücken und anzugreifen; ich schickte den Offizier, welcher mir denselben überbrachte, zum Teufel, und fragte ihn, ob er nicht sehe, was ich zu thun habe. Dieser Fürst, welcher überall befehlen wollte, hätte gewünscht, daß ich in dem lebhaftesten Augenblick das Feuer abbräche, und mit in Bewegung setzte; er wollte nicht einsehen, daß ich vor meiner Ankunft vernichtet gewesen wäre: sein einer Viertelstunde tauschte meine Artillerie mit der russischen ein Kartätschenfeuer aus, und nur die Lebhaftigkeit des meinigen gab mir die Ueberlegenheit.
Die Nacht kam sehr gelegen: während Alles schlummerte, ließ mich der Kaiser zu sich rufen, um mit mir zu sprechen. Er war zufrieden mit dem Probestück dieser jungen Mannschaft; aber er schalt mich, daß ich dem Großherzog von Berg die gehörige Ehrfurcht versagt; ich vertheidigte mich und wagte ihm zu sagen, daß es ein tollkühner Mensch sei, welcher uns über kurz oder lang eine gute Schlacht verlieren lassen würde, und daß es endlich besser seyn würde, er wäre nicht so tapfer, aber hätte etwas mehr gesunden Menschenverstand. Der Kaiser hieß mich schweigen, indem er mir sagte, daß ich leidenschaftlich sei, aber er dachte darum nicht weniger.
Den andern Tag, es war am 11. Juni, blieben die Russen den ganzen Tag vor Heelsberg hinaus; man hob von beiden Seiten die Verwundeten auf, und wir hatten deren eben so viel, als ob wir eine große Schlacht geliefert hätten. Der Kaiser war sehr übler Laune; der Marschall Davout war so eben angelangt, er ließ ihn auf unsrer linken Seite manoeuvriren, und seine bloße Bewegung zwang die Russen, ihre Stellung vor Heelsberg hinaus zu verlassen; sie gingen über die Alle zurück, und in der Nacht vom 11. auf den 12. richteten sie sich gegen Friedland zu.
Der Kaiser schlief die Nacht zu Heelsberg, und seiner Gewohnheit gemäß besichtigte er die Stellung, welche die Feinde den Tag vorher inne gehabt hatten; er gerieth in Wuth, als er sah, daß man unbesonnen genug gewesen war, um sich von einem Ufer zum andern beschießen zu lassen, wie das geschehen war.
Quellen und Literatur.[]
- Historischer Militair-Almanach des 16. 17. 18. und 19. Jahrhunderts. Mit besonderer Hinsicht auf das letztere, und den oesterreichischen Kaiserstaat. Mit 15 Portraits, für Freunde der neueren und neuesten Kriegsgeschichte von Johann Ritter von Rittersberg. Prag bei C. W. Enders 1825.
- Wiener-Zeitung Nro. 55. Sonnabend, den 11. Julius 1807.
- Tagebuch während des Krieges zwischen Rußland und Preußen einerseits und Frankreich andrerseits, in den Jahren 1806 und 1807. Geschrieben von Carl von Plotho, Berlin, 1811. Bei Friedrich Braunes.
- Memoiren des Herzogs von Rovigo, als Beiträge zur Geschichte des Kaisers Napoleon. Leipzig. Verlag von A. Bossange. 1828.