Bar sur Aube, ein Städtchen in Champagne im Departement der Aube, das in unsern Tagen durch das Treffen berühmt geworden ist, welches am 27.Febr. 1814 in seiner Umgebung geliefert wurde.
Seit der Mitte dieses Monats waren in Frankreich operirenden verbündeten Heere in die Nothwendigkeit gekommen, retrograde Bewegungen einzuschlagen; nun aber beschlossen die Befehlshaber allenthalben die Offensive wieder zu ergreifen. In Gemäßheit dieses Plans rückten die Corps des Grafen von Wrede und von Wittgenstein, welche in dieser Gegend aufgestellt waren, gegen die Position des Feindes bey Bar sur Aube an. Es wurde von beyden Seiten mit unbeschreiblicher Tapferkeit gefochten. Besonders erwiesen die Baiern einen glänzenden militärischen Charakter, in ihrem Angriffe auf das Städtchen, das sie zu verschiedenen Malen stürmten, verloren und wieder nahmen, und erst nach großem Blutvergießen behaupteten. Der Fürst von Schwarzenberg, der im Treffen zugegen war, erhielt eine leichte, der Graf von Wittgenstein eine bedeutendere Wunde. Es fielen den Siegern 800 Gefangene in die Hände; weit größer war, bey der Heftigkeit des Kampfs, die Zahl der Todten und Verwundeten auf beiden Seiten. Der Feind ward überall geschlagen und zurückgedrängt. Rasch folgten die Verbündeten seinen weichenden Colonnen nach, und nachdem Wrede die Letztern, am 3. März bey la Guillotiere, noch einmal geworfen hatte, rückte er am folgenden Tage wieder in Troyes ein.
Augenzeugenbericht.[]
Von einem baier'schen Officiere.
- Villeloup 3 Stunden von Troyes am 10 und 11ten März 1814.
- Bis Mittags gegen 12 Uhr standen wir am 24 Februar in der Gegend des Dorfes Lysigny. Auf einmal wird Allarm geschlagen. Man eilt mit Windeseile zu den Waffen, und hört, daß 12 französische Kuirassier-Regimenter uns bereits auf dem Nacken sässen. Nachdem wir eine geraume Zeit herumgeschwenkt hatten, wird von jedem Bataillon ein Quarée formirt, dem Angrif des Feindes zu widerstehen. Allein es ließ sich davon nichts sehen und nichts hören. Wir marschirten Abends 5 Uhr von dorten ab. Kaum sind wir aber ½ Stunde auf dem Marsche, als wir schon die dumpfen halb verhallenen Donner der fernen Kanonen hören. Immer näher und näher rollten sie, immer weiter und weiter rückwärts gingen wir.
- Mit tausend Sorgen und Qualen kamen wir in der Nacht um 12 Uhr nach Vendoeuvre. Rechts und links von uns waren Lager von den Alliirten geschlagen. Rechts und links von uns brannten die Dörfer in Asche zusammen. Wir hoften überall Erlösung von der kaum mehr ausstehlichen Mühe; aber vergebens. Der schon lange entbehrte Schlaf überwältigte mich mit einem Male, und ich schlief wirklich wider allen Glauben einer Möglichkeit im Gehen, bei der größten Kälte; fiel aber unglücklicher Weise in den Chausse-Graben so hart hinab, daß ich darauf kaum mehr fortzukommen wußte. Ich hatte durch diesen wirklich erschrecklichen Fall alle meine Glieder aus ihren Fugen gebracht. Ich kam jedoch mit 7 Rotten von der deren 18 starken Compagnie bei Par sur Aube um 5 Uhr Morgens früh an. Der Soldat fiel, wie er war, auf den harten Boden hin, und wir hatten alle Mühe, denselben um 9 Uhr dem todtenähnlichen Schlafe zu entreissen. Um 9 Uhr Morgens wogten wieder ganze Ströme von Truppen die Strasse nach Langres zu. Und obgleich wir auch uns zum Abmarsche fertig halten mußten, so blieben wir dennoch denselben Tag, ich war fast nicht aus dem Schlummer zu wecken. Als ich endlich meinen Hunger durch mein 14 Tage altes Fleisch stillen wollte, siehe da! da war es verloren. Jetzt hätte ich wirklich grausam seyn können, hätte ich mir ein Stück Brod dadurch zu verdienen gewußt.
- Die Nacht verfloß ruhig, und der junge Morgen stieg dießmal heiterer als je hervor. Da wir wieder einiger massen zu Kräften gekommen waren, so waren wir wieder frohe Dinge. Es kam der Mittag, und nichts neues fiel vor.
- Aber gegen 1 Uhr hörte man dashalb verhallene Gebrülle der fernen Kanonen. Gegen 2 Uhr marschirt das 6te National-Feld-Bataillon Lindau in die Stadt. Ich selber werde auf ein Avant-Piquet gestellt, mit der Ordre, mich bei Ankunft des Feindes durch die Weinberge zurück auf die Brücke zu ziehen.
- Kaum stand ich ¾ Stunden auf meinem Posten, so wurden schon an meiner Rechten mehrere Kanonen gelöset. Dieß verstand ich nicht. Aber ich erhielt Ordre, mich eiligst von meinem Posten zu machen, und auf die Brücke zurückzugehen. Die Franzosen waren nemlich einen andern, mir nicht bemerkbaren Weg gekommen.
- Unter dem herannahenden Gerassel der Kanonen dröhnte unter mir der Boden, die Lüfte seufzten durchflogen von den feindlichen Kugeln. Umsauset von Tod und Verderben erreichte ich endlich die Stadt und die bereits schon verrammelte Brücke. Bey meiner Ankunft waren schon die Häuser und die Strassen auf alle nur erdenkliche Weise besetzt. Nachmittags 4 Uhr stand der Feind vor den Thoren von Par sur Aube.
- Wir machten Rechtsumkehrt. Mit welchem Gefühlte ich da wieder rückwärts ging, kann ich unmöglich beschreiben. Mir drängte sich nur eine jammervolle Retirade wieder vor die Augen, mit Entsetzen bebte der ohnehin schon geschwächte Geist vor ihnen Beschwerden. Der Kummer mehrte sich mit jedem Tritte rückwärts, und das beleidigte Ehrgefühl konnte den Franzosen nichts anders als mit dem höchsten Groll als Sieger denken. In selbem Augenblick war ich wirklich ganz rein gesinnt, entweder lebend und als Sieger oder todt auf der Stelle zu bleiben.
- Einige hie und da sich versteckt habende Einwohner von Par sur Aube krochen mit einer unbeschreiblichen nicht zu malender Schadenfreude über unser Schicksal aus ihren Schlupfwinkel hervor, ihr beisender Blick war mir unerträglich, und die Beleidigungen, die sie über uns ausstiessen, konnte ich nur in einer Ohnmacht, wie diese war, ertragen.
- Endlich war die Stadt von unsern Truppen leer; der Franzose marschirte mit leichtem Fuße ein. Aber mit einemmale Abends 7 Uhr erzitterte die Luft von dem Geschrey der Männer vom 8ten baierischen Regimente, die Berge um Par gaben es wild und roh lautdonnernd zurück, der Boden schien unter den Stürmenden zu sinken, eine wilde, rauhe und windige Nacht, in die gräßlichste Farbe des Grabes gehüllet, stürzte herab über die streitenden Heere, die nur durch das Feuer der brennenden Stadt gräßlich schön beleuchtet wurden. Der Tod wogte sich auf unzählbaren Kugeln leichtfertig durch die Lüfte, im feurigen Tanze durchwühlt er unersättlich die Glieder der Heere, tausendfach lag sein Bild hingestreckt auf dem blutigen Boden. Die Ermattung der Männer setzte endlich der Wuth einige Gränzen, man ruhte, bange vor dem anbrechenden Tag, die übrige Zeit stehend unterm Gewehre.
- Ein prächtiger Morgen, umblitzt von dem feurigsten Rothe ging über die Berge herauf. Er traf uns mit seinem holden Scheine in Schlachtordnung. Wider alles Vermuthen ging das Treffen erst Mittags 1 Uhr an.
- Soll ich Ihnen eine Schillerische Schlacht malen? Diese ist von Szene zu Szene richtig.
- Auf dem feindlichen rechten Flügel droben auf dem Berge stand die feindliche Cavallerie, die Cuirasse blitzten in den Strahlen der Sonne wie silbern. Auf dem linken stand die Infanterie. Wir richteten unsere Kanonen auf die Cavallerie, diejenigen auf unsern rechten Flügel zielten auf die linken feindlichen Flügel.
- Ein französischer General reitet mit einigen Officieren auf dem Berge ein Blatt Papier in der Hand, recognoscirend, wie es mir schien, herum. Der neben uns stehende Russe richtet den speienden Schlund gegen ihn, die Wimper zuckte, und er lag entseelt auf der Stelle.
- Der Anfang des Treffens war hiemit gemacht.
- In gemessenen, feyerlichen Schritten reitet die Cavallerie von der goldbescheinten Anhöhe herab, unsere Kanonen donnerten mit der Gewalt eines Ungewitters vergebend und fruchtlos auf sie los, die fliegenden Kugeln erreichen sie nicht.
- Umgaukelt von den goldenen Strahlen des Tages und eingehüllet ins tiefste Schweigen rückte endlich auf dem linken feindlichen Flügel die Infanterie bedächtlich vor. Mit einemmale spien tausend Gewehr gegen einander. Die Schlacht wogt sich mit dem Brausen des Sturmes, mit dem Donner des Himmels und mit dem Geschrey und Geheule der Hölle auf dem Berge, wie das aufgescheuchte Meer im Sturme, dorthin, dahin. Bataillons von Rauch und einem Feuer-See umflossen drängen sich allgewaltig wie der Charybde heulende Wellen, die Opfer des Todes -- wogend stürzen sie wie die Halme unter der Sense rauschend auf dem blutigen Acker.
- Der Franzose, etliche Tage des Siegens gewohnt geht auf dem linken Flügel mit staunendem Blicke etwas zurückgeworfen rückwärts. Das sieht der gewaltige Wrede, und auf seinen Wink rasseln auf beflügelten Rossen die Männer im Cuirasse mit der Allgewalt des Sturmes in die rückwärts gehenden Glieder des feindlichen Heeres. Sie werden jedoch, von Cuirassen empfangen.
- Die Sonne colorirte herrlich das Gräßliche des Schauspieles. Das Geschrey der Geharnischten, der Donner der Kanonen, das Schmettern der Schwerdter an den Cuirassen, das Dröhnen der unter den Hufschlägen der Rosse leidenden Erde, alles, alles trug dazu bei, das Grauende des Tages nur schöner zu machen.
- Der Feind sank unter den russischen Streichen schäumend von einer ohnmächtigen Wuth auf das blutige Feld. Es blieb kein anderes Heil, als die Flucht. Wild in bunter Unordnung, verfolgt von einem unersättlichen Feinde floh er eben so beschämt über die Berge, als er anfangs kühn und prahlend darüber schritt.
- Diese heisse Schlacht war Abends 4 Uhr entschieden. Die größte Gewalt des Heeres rückte sogleich nach. Wir aber blieben alldort noch einen Tag im Lager.
- Par sur Aube ist ein gräßliches Bild menschlicher Barbarey. Da uns die noch zurückgebliebenen Einwohner während des Treffens auf die feindseeligste Art behandelten, war es denn ein Wunder, wenn es vom dortgebliebenen Sieger geplündert wurde?
- Hievon will ich keine Scene malen; da herrschet kein Reicht und kein Eigenthum. Die Rohheit und Wildheit, mit dem Blute der Feinde übergossen, schreitet mit gierigem und grinzendem Blicke über die Ruinen des Glückes zahlloser Familien fluchend und spottend einher, und nur eine gänzliche Zerstörung alles dessen, was noch brauchbar wäre, kühlet die wilde Lust des Soldaten, der in einer solchen Lage immer lüsterner -- unersättlicher als der Tieger ist.
- Am 2ten März gingen wir von hier ab, vorwärts nach Vendoeuvre.
- Eine ungeheuere Macht, die sich versammelt hatte, und aus allen alliirten Völkern zusammengesetzt war, ließ uns nicht auf der Stelle in Vendoeuvre einrücken, in einer erschrecklichen nassen Kälte und vom heftigsten Hunger gefoltert, mußten wir über drey Stunden ausserhalb stehen bleiben. Doch hier erhielten wir Quartiere. Die Compagnie mit ihren Officieren bekam jedesmal ein Haus. Das dieses gänzlich ausgeplündert war, versteht sich von selbst.
- Hier hat mich der Hunger am meisten gefoltert. Keinen Bissen Brod konnte ich auch mit allem Nachforschen nicht und um die theuersten Versprechungen erhalten, und obgleich ich hier täglich 5 bis 6 Stücke altes Kuhefleisch aß, so hungerte mich dennoch beständig, und hier lernte ich den Werth des Brodes in seinem vollen Gewichte kennen.
- Am 3ten März hatten wir hier im Kampfe mit Ermattung und Hunger Rasttag.
- Am 4ten März gingen wir vorwärts nach Troyes, ausgemergelten Wollüstlingen gleich, und am 5ten kamen wir in Villeloup an.
- Sollen wir vielleicht bald Friede bekommen, weil wir hier so lange müssig und in Unthätigkeit liegen?
- Hier geht es ausserordentlich hungrig zu. Etliche kranke Schaafe müssen für ein Bataillon hinreichen, und dieses halb verbrannte aber ganz ausgeplünderte Villeloup ist mit einer Brigade besetzt! Auf der Stirn eines jeden Soldaten ist das Bild des Hungers und des Elendes gedrückt. Wollte Gott! wir gingen bald von hier ab. Leben Sie wohl.
Quellen und Literatur.[]
- Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
- Briefe von der baier'schen Armee. Geschrieben im französischen Feldzuge von einem baier'schen Officiere an seinen Oheim A. P. in A. Speyer, bey Jakob Christian Kolb 1814.