Saint-Domingue (1697 - 1795). (Im Westen.)
Saint-Domingue (1795 - 1804). (Der Insel.)
Domingo.[]
Die wichtigste franz. Kolonie war Domingo. Schon vor der Revolution, als Frankreich nur ein Drittheil dieser Insel (11,000 engl. Qu. M.) besaß, überstieg ihr Werth allein alle andern ehemaligen franz. Besitzungen in Amerika. "Nach genauen Rechnungen", sagte Düfay im NationalKonvent d. 12. Febr. 1795, "lieferten die gesammten Kolonien Frankreichs in Westindien im J. 1789 für 201,600,000 Livres Producte, wovon drei Viertheile (also ungefähr 150 Mill.) auf St. Domingo kamen." r) Durch den Frieden mit Spanien d. 22. Juli 1795 wurden auch die andern zwei Drittheile von Domingo (19,000 engl. Qu. M.) an Frankreich abgetreten, und es besaß nun eine der größten, und, wie man allgemein glaubt, die fruchtbarste und angenehmste unter den westindischen Inseln. Die Bäume sind hier höher und stärker, und tragen schönere und schmackhaftere Früchte, besonders Ananas, Orangen, Citronen, Datteln. Heerden von Hornvieh laufen wild im Lande umher, und man schießt es nur der Häute wegen. Mit Pferden können die benachbarten Kolonien von hier aus versehen werden; und kaum ist ein Land der Erde besser gewässert, sowohl durch Bäche als durch schifbare Flüsse, in deren Sande man noch dazu Goldstaub findet. Und von dem Gewinn an Zucker, Kaffee, Färbeholz konnte Frankreich schon ehedem nicht bloß sich selbst versorgen, sondern auch in das übrige Europa, in die Barbarei, in die Levante und in die vereinigten Staaten von Amerika jährlich für 150 Mill. Livres ausführen. (Es darf daher wohl nicht befremden, wenn 1801 in Frankreich drückender Geldmangel war, so daß auch nach dem Frieden die Staatspapiere nicht stiegen: statt es sonst für indische Producte Geld vom Auslande gewann, mußte es für diese Waaren Geld ins Ausland schicken, so daß, wenn nach Neckers Berechnung der jährliche Gewinn Frankreichs im Handel vor der Revolution 70 Mill., und jetzt der jährliche Verlust nach Chaptal über 53 Millionen war, der ganze Nachtheil Frankreichs über 123 Mill. Livres beträgt. Und große Summen baares Geldes waren mit den Emigranten ins Ausland gewandert.) Die Bevölkerung des franz. Antheiles von Domingo rechnete man auf 30,000 Weiße, 24,000 Mulatten (freie Farbige), und 480,000 Negersklaven: zusammen über 1∫2 Million. War vielleicht in den 2∫3 des spanischen Antheiles die Bevölkerung nicht größer; so geht doch aus allen Nachrichten von der Größe und Fruchtbarkeit der Insel hervor, daß 2 Millionen Menschen darauf leben könnten, ohne daß an Pflanzungen verloren ginge.
Aber wie das Mutterland, ward auch diese schöne Kolonie durch Gräuel inneres Krieges verwüstet. D. 15 Mai 1791 hatte der NationalKonvent zu Paris die Freiheit aller gekauften Neger, aller Sklaven, von welcher Farbe sie sein mogten, in allen Besitzungen der Republik verkündiget. Kaum war diese Nachricht auf Domingo angekommen, als die Neger, durch die Uneinigkeit der Weißen auf der Insel ermuntert, über ihre harten, zum Theil grausamen Herren herfielen, und mit der Muth lang zurückgehaltener Rachsucht und der wildesten Barbarei eine Menge Weißen ermordeten, viele Pflanzungen verwüsteten, und Wohnungen niederbrannten. Vielleicht haben die Engländer noch einst Ursache, es zu bereuen, daß sie die Neger anreizten, und die Spanier sogar veranlaßten, mit den Anführern derselben in Verbindung zu treten. Damals (1793) ward Toussaint Louvertüre, ein auf Domingo geborner Sklave, der sich aber durch natürlichen Verstand und manche seinem Stande nicht gewöhnliche Kenntnisse auszeichnete, an die Spitze der spanischen Truppen gestellt, und führte gegen die Weißen einen grauenvollen Krieg. Als aber die republikanischen Truppen siegten, und die Spanier den Schwarzen ferneren Beistand weigerten; ging Toussaint 1794 zu den Franzosen über. Hier hatte er das Glück, den franz. General Levaux, der bei einem Aufstande des franz. Domingo Kap Francois (auch Kapstadt genannt) gefangen genommen wurde, zu befreien. Dafür empfahl ihn Levaux der Regierung so eifrig, daß er sogleich zum DivisionsGeneral, und 1796 zum Obergeneral aller franz. Truppen auf St. Domingo ernannt, und für den Retter der Kolonie gehalten wurde. Indeß statteten Kommissarien des Direktoriums die ungünstigsten Berichte über ihn ab; und General Hedouville, nach Domingo geschickt, um zu retten was zu retten war, mußte 1798 fliehen, weil Toussaint ihn öffentlich für einen Feind der Schwarzen erklärte. Von jetzt an betrug sich Toussaint als unabhängigen Herrn der Insel und als Feind Frankreichs; er ließ den spanischen Theil Domingo's in Besitz nehmen, setzte den von der franz. Regierung abgeschickten Befehlshaber Roume gefangen, s) und trat mit den amerikanischen Staaten und England in Unterhandlungen. Seit der Revolution vom 18 Brümaire (9 Nov. 1799) aber fing er an zu zaudern; und als er die Nachrichten von der Schlacht bei Marengo und dem fortdauernden Glück Bonaparte's erhielt, schien es ihm der Klugheit gemäß, für jetzt sich zu unterwerfen; und englische Blätter erzählten sogar, seit dem Herbst 1800 bestehe eine regelmäßige PrivatKorrespondenz zwischen Bonaparte und Toussaint. Wenigstens that er von jetzt an Alles im Namen der franz. Republik; und im Moniteur ward entschuldiget: da T. L., fast ganz von der franz. Regierung abgeschnitten, ihre Meinung nicht habe wissen können, habe er sich vielleicht in einigen Sachen geirrt, doch unablässig große Dienste geleistet; und das franz. Volk dürfte es nicht vergessen, daß es ihm zum Theil die Erhaltung dieser schönen und wichtigen Kolonie zu verdanken habe. -- Indeß ließ er d. 9. Mai 1801 von den Deputirten aller Departements der Insel eine eigene Konstitution für Domingo verfassen, die er zwar zur Genehmigung nach Paris schickte, in der sichern Erwartung aber, daß diese Genehmigung nicht ausbleiben würde, im voraus immer in Kraft setzte. Hauptzüge derselben sind:
- "die Gesetzgebende Macht ist der CentralVersammlung übertragen, doch kann sie nur über Gesetze entscheiden, die ihr von der Regierung vorgelegt werden; die vollziehende einem Statthalter, der auf 5 Jahre gewählt wird; nur das erstemal soll Toussaint Louv. kraft der Konstitution auf Lebenszeit ernannt, und überdies berechtigt sein, seinen unmittelbaren Nachfolger zu ernennen; seine Wahl soll geheim und unter Siegel sein bis nach seinem Tode. Die Insel Domingo ist ein integrirender Theil des franz. Gebietes, wird aber nach eigenen Gesetzen regiert. Die Sklaverei ist auf ewig abgeschaft, und kann jeder nach seinen Fähigkeiten, ohne Rücksicht auf Farbe, zu jedem öffentlichen Amte gewählt werden. Die katholische Religion ist die einzige öffentliche zu bekennende; doch weißt die Regierung jeder Pfarre die Gränzen ihrer geistlichen Verwaltung an, und die Priester dürfen unter keinerlei Vorwand und zu keiner Zeit eine Gesammtheit in der Kolonie bilden. t) Die Ehescheidung ist nicht erlaubt."
Der Moniteur v. 3 Oktbt, gab die Urkunde dieser Konstitution "aus amerikanischen Zeitungen", doch mit der ausdrücklichen Verwahrung, daß er die Aechtheit derselbe nicht verbürge; bald bemerkte er, daß das Interesse des Mutterlandes wohl manche Veränderungen nothwendig machen dürfte; und deutlicher deutete an, was man meine und wolle, die Rede über den innern und äußern zustand der Republik, die der Staatsrath Thibaudeau am 23 Nov. vor dem Gesetzgebenden Korps hielt:
- "Auf St. Domingo ist der Gehorsam durch unregelmäßige Handlungen gefährdet worden; bei zweideutigem Schein hat die Regierung dort nur Unwissenheit erblicken wollen, die Namen und Dinge verwechselt, und an sich reißt, wo sie nur zu gehorchen wähnt. Allein ein Flotte und eine Armee, die sich rüsten von den europäischen Häfen auszulaufen, werden alle Wolken bald zerstreut haben, und das gesammte St. Domingo wird unter die Gesetze der Republik zurücktreten. Auf St. Domingo und Guadeloupe giebt es keine Sklaven mehr, alles ist dort frei; alles wird frei bleiben. Klugheit und Zeit werden die Ordnung zurückbringen, die Kultur und die Arbeit wiederherstellen. Auf Martinique werden andere Grundsätze zu befolgen sein. Die Sklaverei ist dort beibehalten worden, und es wird dabei bleiben. Es hat der Menschheit zuviel gekostet, als daß dort noch eine neue Revolution versucht werden sollte. Isle de France und Isle de la Reunion blieben mitten unter Faktionen dem Mutterlande treu: sie sind beruhiget, und fürchten nicht mehr, daß das Mutterland durch Befreiung der Schwarzen die Weißen zu Sklaven mache."
Die nach Domingo bestimmte Flotte lag in dem Hafen zu Brest, unter Kommando des Admirals Villaret Joyeuse; und gleich nach Abschluß der Friedenspräliminarien machte Bonaparte Anstalten, wie man sagte, 40,000 Mann unter dem General Leclerc, seinem Schwager, einzuschiffen; doch auf Englands Gegenvorstellung, das eine so große Macht in den westindischen Kolonien fürchten mußte, seinen nur 25,000 Mann eingeschift worden. Diese segelten auf einer Flotte von 23 Schiffen (17 französ. und 6 spanischen) d. 14 Decbr. ab; und die Engländer, um recht sicher zu sein, begleiteten diese Flotte mit einer ansehnlichen Zahl von Kriegsschiffen, wiewol die brittische Regierung die Zerstörung der NegernRepublik auf Domingo ihrer eigenen westindischen Besitzungen wegen wünschen mußte: denn nach der neuen Konstitution schien es, daß alle Neger, die von den andern Kolonien entflöhen, frei wären, sobald sie den Boden von St. Domingo beträten -- eine Aussicht, die man in England fürchterlich fand.
Zeitungsnachrichten.[]
1793.[]
Paris, vom 20. May. [1]
Aus St. Domingo wird unterm 10. des vorigen Monats berichtet: die Erbitterung der Weissen in dem Quartier Jeremie gegen die dortigen Mulatten habe diese Colonie in neues Unglück gestürzt. Diese Colonisten haben ihre Negers bewafnet, und der sogenannte Cül-de-Sac, diese reiche, bey den vorigen Verwüstungen noch verschont gebliebene Ebene sey bereits ein Raub der Flammen geworden.
Cadix, vom 24. Herbstmonat [2]
Ein von St. Domingo hier eingelauffenes Bothenschiff hat folgende Nachrichten mitgebracht: Als die Spanier am 23. Julius 13000 Mann stark in den Französischen Theil der Insul St. Domingo einrükten, so erklärten sich 2 Chefs von den Negers, Joh. Franz Biassou und Berrot, die sich an der Spize von 6000 Schwarzen und Muletten befanden, für Royalisten und verlangten den König von Frankreich zu ihrem Souverän. Zween andere Negers, Baptist und Giacintho genannt, stellten sich an die Spize der Schwarzen von Artibonite. Diese nebst denen im sogenannten Cül de-Sac und in Port au Prince, in Gemeinschaft mit den Spaniern, machten sich Meister von Ounanaminte, worinn ein ansehnliches Fort ist; 300 Mann regulierter Truppen, die dasselbige vertheidigten, verlangten sich mit den Spaniern zu vereinigen, welches ihnen bewilliget wurde. Der Spanische General hat eine Proklamation publicieren lassen, woriñ er die Royalisten einladet, sich mit ihm zu vereinigen. Diejenigen von ihnen, welche sich nach Jamaika geflüchtet hatten, begaben sich sogleich zu ihm. Der dortige Englische Gouverneur versah sie mit Waffen und einem Transportschiff, welches von einer Fregatte begleitet, sie nach Montechristo brachte. Die Einwohner von Jamaika haben durch eine Subscription für die Frauen, Kinder und Greise gesorget, die auf ihrer Insul geblieben sind. Bald unterwarf sich der übrige Theil der Colonie; und als die Spanier Cap-Francois belagerten, so begaben sich die Commissarien mit ihren Anhängern und allen ihren Reichthümern, auf das Schiff Amerika von 74 und eine Fregatte von 24 Kanonen, welche beyde den Weg nach Boston genommen haben sollen.
London, vom 10. Christmonat. [3]
Ein aus Jamaika nach einer Fahrt von 45. Tagen hier angekom'enes Pacquet-Boot hat die Nachricht mitgebracht, daß Jeremie und St. Nicolas in dem südlichen und Süd-Westlichen Theil von St. Domingo sich an die Engl. Truppen ergeben, und die dortigen Einwohner Sr. Groß-Brittannischen Maj. den Eid der Treu geschwohren haben. Zufolg der bewilligten Capitulazion suchen die Einwohner von St. Domingo, da sie sich nicht an ihren re~~tmäßigen Souverän wenden können, um sie von der sie unterdrückenden Tyranney zu befreyen, Se. Groß-Brittannische Maj. um Schuz an, geloben denenselben Treu, und bitten sie, die Colonnie bis zur Wiederherstellung des Friedens aufzubehalten. Da dann Se. Maj., die Regierung von Frankreich und die allierten Mächte es unter einander ausmachen sollen, wem die Souveränität von St. Domingo zugehören soll.
1797.[]
Großbrittannien. [4]
Aus St. Domingo haben die Officialberichte des Generals Forbes die Bestätigung der Neger-Insurrection gegen die Französische Republik und deren Commißair Santhonax gemeldet. Die Neger-Chefs Richauld und Jean François sind, nachdem sie im Südlichen und Nördlichen Theile der Französischen Besitzungen fast alle Republicanische Weiße umgebracht, zu den Englischen Truppen gestoßen, um mit ihnen gemeinschaftlich gegen die Republicaner zu fechten.
Domingo - 1802.[]
[5]
Den Hauptgewinn seines wiederauflebenden Handels hofte Frankreich von Domingo. (S. 175) Den 4 Februar kam die französische Flotte bei der Insel an. Toussaint hatte sich indeß in gehörigen VertheidigungsZustand gesetzt: es waren über 60,000 Schwarze unter ihm versammelt, zum Theil gut bewafnet, und von kundigen Offizieren geleitet; es fehlte ihm nicht an Geld, und die amerikanischen Republikaner, die lieber einen freien NegerStaat zum Nachbar haben wollten, der ihnen einen einträglichen Handelsverkehr zu versprechen schien, als die französische Macht, von deren ErweiterungsPlanen sie manche Beschränkung ihres Handels in Westindien fürchten mußten, führeten den Negern Munition und besonders Lebensmittel zu.Als die Franzosen ankamen, fanden sie in den Häfen von Domingo eine große Anzahl amerikanischer mit Korn beladener Schiffe, die sich weigerten, den Franzosen zu verkaufen, bis diese mit gewaltthätiger Besetzung droheten. Und auch nachher konnte man die Amerikaner nur durch Gewalt zwingen, den franz. Truppen ihre Ladungen von Proviant zu überlassen.
Ja nach englischen Blättern war der Gouverneur von Jamaika Nugent nach 2 monatlichen Unterhandlungen eben im Begrif gewesen, mit Toussaint einen Traktat abzuschließen, als die Nachricht von den Londoner Präliminarien eintraf. Nun ließ er freilich Toussaints Unterhändler bitten, sich zu entfernen, und hob allen Verkehr mit Domingo auf: aber die franz. Expedition unterstützte er eben so wenig, und entschuldigte sich höflichst, als man ihn um Proviant bat.
Auf der Insel selbst suchte Toussaint den Muth der Seinigen zu beleben. Er erließ den 14 Januar eine Proklamation, in welcher er es für eine Erfindung Uebelwollender erklärt, daß Frankreich eine Macht sende, ihn und die seinigen zu vertilgen und die Sklaverei wiederherzustellen. "Ein Kind ist seinem Vater allen Gehorsam schuldig: wenn aber der Vater unnatürlich genug denkt, sein Kind zerstören zu wollen; so lebt ein Rächer im Himmel. Ich bin Soldat, und fürchte die Menschen nicht. Muß es gestorben sein, so will ich als ein Krieger mit Ehren sterben."
Leclerc theilte seine Flotte in 4 Divisionen, zugleich auf 4 Punkten der Insel zu landen. Er selbst wandte sich gegen Cap Francois an der NordSeite der Insel. Da ihm hier aber Christoph, ein HauptAnführer der Schwarzen, die Landung wehrete, und wenn man sie mit Gewalt zu erzwingen suche, alle Weißen zu ermorden, und die Stadt in Brand zu stecken drohte; da Leclerc Bonaparte's Aufruf an die Einwohner von Domingo, dessen Brief an Toussaint und Toussaints in Frankreich erzogene Kinder durch einen Parlamentär ans Land geschickt hatte, r) ohne daß mildere Maaßregeln gewonnen wurden: segelte der franz. General zurück, landete heimlich an verschiedenen Punkten in einiger Entfernung vom Kap, zerstreute leicht die einzelnen Negerhaufen, die sich ihm entgegenstellten, und marschirten nun in Eil nach der Stadt, um ihrer Zerstörung zuvorzukommen. Allein die Neger zündeten die Pulverthürme an, in wenigen Stunden war die Stadt ein Aschenhaufen; die Weißen hatten sich zum Glück großentheils geflüchtet; und da die franz. Truppen so nahe waren, eilten die Wilden aus der flammenden Stadt in die Gebirge, so daß Leclerc rühmen konnte, er habe wenigstens die gedrohete Ermordung der Weißen gehindert. Das menschliche Gefühl mag es der franz. Politik Dank wissen, daß sie es ihrem Interesse gemäß fand, uns mit den wahren detaillirten Schilderungen der Gräuel zu verschonen, die das ganze Jahr hindurch die schöne Insel mit Blut und Trümmern bedeckten. Furchtbar wüthete die Rache der Unglücklichen, die für ihre MenschenRechte kämpften; und gleich gräßlich vielleicht waren die Niederlagen, welche Klima und Krankheit unter der französischen Armee verbreitete, die man aber nothwendig verhehlen mußte, wenn man anders noch Truppenkorps finden wollte, die gutwillig sich einschiffen ließen, um den starken Verlust in Domingo zu ersetzen.
Diese Unvollständigkeit und Verschleierung in den Nachrichten macht aber, daß man nur die Hauptbegebenheiten aufzählen und den Zusammenhang hin und wieder andeuten kann.
Die zweite Abtheilung der franz. Flotte unter Latouche landete an der Abendseite der Insel: Boudet führte die Landtruppen, und eroberte nach einem blutigen Gefecht die Stadt und Vestung Porte au Prince.Die dritte Abtheilung unter General Humbert landete auf der NordOstküste bei Port de Paix, besetzte zwei Vestungen, konnte es aber nicht hindern, daß die Stadt von den fliehenden Negern in Brand gesteckt wurde, und bis auf 3 Häuser niederbrannte.
Die vierte Abtheilung unter Kerverseau landete an der Südküste bei St. Domingo, in dem ehemals spanischen Antheil, der durch Gebirge (Mornen genannt) vom nördlichen getrennt, mit den Entwürfen der übrigen Neger nur in schwacher Verbindung stand; daher gelang hier die Landung am leichtesten.
So hatten die Franzosen zwar an 4 verschiedenen Punkten der Insel veste Plätze eingenommen; aber Leclerc nährte zu voreilige Hofnungen, wenn er im Ernst meinte, in wenigen Tagen werde der Krieg geendigt sein. Auch lauteten wahrscheinlich seine geheimen Depeschen anders; und öffentlich selbst bat er dringend um Zufuhr und neue Mannschaft.
Denn die Neger hatten sich in die Gebirge zurückgezogen, wo sie jeden Schlupfwinkel kannten, von wo aus sie fortdauernd die Ebenen plündern und die franz. Truppen angreifen, und wohin sie ungestraft wieder zurückflüchten konnten. Eroberten also auch die Franzosen einzelne Vestungen, z. B. Acte à Pierrot im März, nach einem blutigen Gefecht; so blieben sie doch immer im Nachtheil: sie verloren in den täglichen Kämpfen, die zum Theil mit wilder Grausamkeit gefochten wurden, viel Menschen (englische Berichte gaben an, 12,000 in 5 Wochen); des Klima's uud der Kost nicht gewohnt wurden viele krank, und alle ermüdete der tägliche Angrif, die nahende Hitze.
- "Wir marschiren seit 40 Tagen und sind entschlossen noch weiter fort zu marschiren, und dem Feinde keine Ruhe zu lassen. Aber das Lokale, wovon man sich schwerlich einen Begrif machen kann, begünstigt den Feind. -- Noch fehlen mir Truppen." Leclerc.
Verstärkungen von 3000 und 5000 Mann, die nachgeschickt wurden, halfen nicht viel; und schon begann in der Mitte Aprils die gegen 5 Monat dauernde Regenzeit, die dem Feldzuge ein Ende macht, als Toussaint unerwartet Unterhandlungen anfing. "Ich habe alle Maaßregeln getroffen, um den Anfang der Verabredungen fortzusetzen, obgleich von einem so tiefen Bö ewicht, wie Toussaint ist, wenig zu hoffen steht." Doch Christoph ergab sich, entließ seine Truppen, und kam nach Kap; und d. 1. Mai unterwarf sich auch Toussaint.
Durch welche List und Schmeicheleien dies gelungen ist; auf welche Bedingungen sich die beiden (d. 17 Febr. für vogelfrei erklärten) Häupter der Schwarzen ergeben haben, wird nicht bestimmt angeführt. Wahrscheinlich hatte die Franzosen innere Streitigkeiten unter den Schwarzen zu erregen, die Anführer (der dritte bedeutende war Dessalines) gegen einander mißtrauisch zu machen, und ihnen Hofnungen zu wecken gewußt, daß die Verrath fürchtenden durch Unterwerfung besser für ihre Sicherheit zu sorgen meinten, als durch fortgesetzten blutigen Kampf.
- "Es ist Ihrer nicht würdig, mit einem Usurpator und Insurgenten gemeinschaftliche Sache zu machen, oder zum Fußgestell seiner Herschsucht zu dienen," schrieb Gen. Hardy an Christoph d. 20 März. Jetzt "waren die über Christoph eingezogenen Erkundigungen ihm persönlich günstig;" man widerrief die AchtsErklärungen.
- "Sie wünschen, schrieb Leclerc an Toussaint, für Ihre Person Ruhe, die Ihnen gebührt. Wenn man mehrere Jahre die Last der Regierung von Domingo getragen hat, bedarf man wohl der Ruhe. Begeben Sie sich auf eine Pflanzung, deren Wahl Ihnen frei steht. Ich rechne darauf, daß Sie mir, während Ihrer Muße, Ihre Einsichten zur Wiederherstellung der Kolonie mittheilen werden." (Man erkennt die Schlange an der glatten Haut).
Auch ward den Weißen streng verboten, den NegerAnführern irgend unfreundlich zu begegnen. Denn Toussaint hatte erklärt, wie groß auch die franz. Armee sein möge, er sei noch immer mächtig genug, zu verbrennen und zu verwüsten, und sein Leben theuer zu verkaufen. Und diese Es war schon damals um die ganze franz. Armee geschehen, wäre Einigkeit unter den Negern gewesen: denn je weiter man im Lande vorrückte, um so weniger kannte man das Land, um so dreister wurden die Angriffe der an Zahl weit überlegenen Neger, um so häufiger die Krankheiten, daher man sich immer wieder an die Küste hatte zurückziehen müssen. Mit Christoph und Toussaint unterwarfen sich nun auch Dessalines, die übrigen NegerAnführer und die ganze Insel, und Leclerc fing an, die bürgerliche Ordnung wiederherzustellen. (Nach amerikanischen Blättern blieben die KongoNegern unter den Waffen). Aber die Ruhe war von kurzer Dauer.
- "Der ehrgeizige Toussaint hört nicht auf, heimliche Plane zu treiben. Von Christoph und Dessalines verlassen, suchte er nun unter den Arbeitern einen Aufstand in Masse zu Stande zu bringen. Ich habe Briefe von ihn aufgefangen: er wartete nur auf die Würkungen der Krankheiten in unsern Armeen. Ich habe ihn daher verhaften lassen (in den ersten Tagen des Juni), und schicke diesen treulosen Menschen, der uns durch seine Heuchelei so viel Böses gethan hat, mit seiner ganzen Familie nach Frankreich.
- Diese Verhaftung veranlaßte Zusammenrottirungen. Zwei Hauptanführer ließ ich erschiessen, und an 100 der vertrautesten Anhänger Toussaints verhaften, von denen ich auch ein Theil nach Frankreich schicke. Ich bin damit beschäftiget, die Kolonie wiederherzustellen; allein die übermäßige Hitze und die Krankheiten, die uns heimsuchen, machen die Arbeit äußerst mühsam." Leclerc.
Toussaint kam den 11 Juli in Brest an: er ward auf das Schloß Joux bei Besançon im Departement des Doubs gesetzt, und nachher nach der Insel Elba deportirt.
Auf Domingo aber brach nach Toussaints Verhaftung der Krieg mit erneuter Wuth aus: man schalt Leclerc's Betragen treulos, seine Strenge vermehrte die Erbitterung, ganze Gemeinde wurden entwafnet, Offiziere der NationalGarden, Aufseher der Pflanzungen, die man unter bewafneten Haufen traf, wurden auf der Stelle erschossen; und was endlich den Grim der Unglücklichen bis zu dem höchsten Grade der Wuth entflammte, war der Beschluß, der jetzt (im Juli) bekannt und durch Mißvergnügte schnell verbreitet wurde, daß die Sklaverei in den Kolonien nicht aufgehoben werden sollte, daß man vielmehr auf den von England an Frankreich zurückgegebenen Inseln Martinique und St. Lucie s) die strengsten Maaßregeln gegen die Neger getroffen habe. Es entstand ein gräßlicher Kampf auf Tod und Leben; man gab von keiner Seite Pardon; und bald wurden sie schwachen, kranken und unwilligen franz. Truppen aus allen Gegenden der Insel an den schmalen nördlichen Rand um Cap François und Mole St. Nicolas zusammengedrängt, unaufhörlich angegriffen von den Feinden aus den Mornen, und fürchterlicher bedroht von Krankheit und Mangel. Ein Theil der franz. KolonieTruppen ging jetzt zu den Negern über, denen es weder an Geld noch Vorräthen fehlte. Und Dessalines und Christoph, deren Verrath bei Toussaints Verhaftung Leclerc so eifrig gepriesen hatte, stellten sich wieder an die Spitze der Schwarzen: den Ehrgeizigen, scheint es, stand Toussaint bei der Ausführung ihrer eigenen Plane im Wege; sie verriethen ihn und täuschten am Ende die Franzosen.
Doch der furchtbarste Feind der franz. Truppen blieb Krankheit, das gräßliche gelbe Fieber. In 5 Monaten waren daran gestorben 13 Generale (Hardy, Clement, Dampierre), der StaatsRath Benezech; von 30,000 Europäern, die seit dem Februar gelandet waren, lebten im November kaum noch 6000, und in dieser traurigen Lage der Dinge starb der OberGeneral Leclerc selbst den 1 Novbr. Die Nachricht von seinem Tode flößte den Schwarzen solchen Muth ein, daß sie nun schon von Zeit zu Zeit die Kapstadt selbst angriffen. Gen. Rochambeau übernahm das Kommando der entkräfteten und muthlosen Armee, in Erwartung baldiger Verstärkung aus Europa. Auch segelte d. 19. Decbr. ein neuer TruppenTransport von Brest ab.
Domingo - 1803.[]
[6]
Ueber die Lage der Dinge in Domingo erfuhr man im Laufe des Jahres wenig Bestimmtes: die englischen Berichte übertrieben, die französischen verhehlten; doch scheinen jene fast der Wahrheit näher geblieben zu sein. Wenigstens ward die Hofnung (im Febr. 1803), daß die Kolonie bald dem Frieden und dem Handel wiedergegeben sein werde, gänzlich getäuscht. Rochambeau ward von Bonaparte im Kommando bestätigt (s. S. 383); es kam Verstärkung aus Europa, aber unzureichende, so daß die Franzosen sich nur in den Städten an der Küste halten konnten, und selbst hier, in Kap Francois, Port au Prince (wohin Rochambeau das Hauptquartier verlegte) häufig angegriffen wurden. Erfochten sie auch kleine Siege; doch war jeder Sieg mit Verlust an Menschen verbunden, und rieb die Kranken und Muthlosen immer mehr auf, während die Neger aus dem Innern der Insel leicht neue Tausende versammelten. Endlich brach der Krieg mit England aus, und den Franzosen ward die Zufuhr der nöthigsten Bedürfnisse äußerst erschwert, da zugleich englische Schiffe an der Küste auf alle Weise zu schaden suchten, und da Bonaparte die "für vorgeschossenes Geld" von Rochambeau auf den öffentlichen Schatz ausgestellten Wechsel nicht anerkennen wollte. Rochambeau gab dagegen zwar öffentlich die kühne Erklärung, daß seine Wechsel gültig seien: allein man achtete um so weniger auf diese Protestation, da die meisten Wechsel auf englische Kaufleute in Westindien gestellt waren. (Vergl. die offizielle Nachricht darüber in der Allgem. Zeitung 1804 S. 106.) So sah sich Rochambeau endlich genöthigt, gedrängt von Negern, Engländern, und Mangel an Munition und Lebensmitteln, nachdem schon früher Port au Prince mit Sturm erobert worden war, auch den letzten Haupt-Platz Kap Francois mit seinem kleinen Rest, 8000 Mann von 40000, zu räumen. Er schloß mit dem Anführer der Schwarzen, Dessalines, eine Kapitulation den 19 Novbr., binnen 10 Tagen mit seinen Truppen abzusegeln. (Allgem. Zeitg. 1804 S. 262.) Da aber die Engländer vor dem Hafen lagen und die Ausfahrt sperrten: waren die Franzosen genöthiget, sich dem Admiral Dukworth als KriegsGefangene zu ergeben, den 30 Novbr., der sie darauf zum Theil nach Jamaika, zum Theil unmittelbar nach England einschifte. So war diese erste Eroberung der Europäer in Westindien, eine der größten, fruchtbarsten Inseln, für eine Zeitlang wenigstens den Europäern verloren; und mögte sie auf immer frei von der Barbarischen Mißhandlung Europa's als eigener Staat aufblühen, zu friedlichem Verkehr allen handelnden Nationen ihre Häfen öfnen, und so ein zweites Beispiel geben, daß es der Europäer eigener größter Vortheil sei, die noch nicht gehörig benutzten Gegenden der übrigen Welttheile mit europäischer Kunde frei anbauen lassen. Die Bevölkerung mehrt sich, die Industrie steigt, es wird dem Boden mehr abgewonnen, es wird mehr konsumirt; und soll denn die Rücksicht der Politik auf immer fremd bleiben, daß, je mehr Menschenkraft in Thätigkeit gesetzt und geübt wird, eine um so vollkommenere Benutzung der Naturkräfte und NaturErzeugnisse, eine um so reichere Fülle des Genusses allgemein verbreitet werde, die nothwendig auf den Staat, der sie befördert, um so wohlthätiger zurückwürken muß, je allgemeiner sie verbreitet ist?Bald nach der mit Rochambeau abgeschlossenen Kapitulation erließen "Dessalines, Christoph und Clervaux, Oberhäupter von St. Domingo, im Namen des schwarzen Volkes und der farbigten Leute von St. Domingo" eine längere Erklärung:
- "Die Unabhängigkeit von St. Domingo ist erklärt. Unserer ursprüngliche Würde wiedergegeben, schwören wir, unsere Rechte nie wieder an eine Macht der Erde abzutreten. Kehret zurück, Eigenthümer von St. Domingo, zu eurem Eigenthum. Gegen die, welche uns Gerechtigkeit wiederfahren lassen, werden wir als Brüder handeln. Aber diejenigen, welche ein unsinniger Stolz berauscht, welche verblendet sich für die Quintessenz der menschlichen Natur halten, welche glauben, daß sie vom Himmel zu unseren Herren und Tyrannen bestimmt seien: diese mögen sich hüten, den Küsten von St. Domingo zu nahen. Sollten sie je hieher kommen, so warten ihrer Ketten und Verweisung. Keine Stimme der Gnade soll Gehör finden gegen die, die es wagen, uns von Sklaverei zu sprechen. Wir werden unerbittlich, vielleicht gar grausam sein, gegen alle Truppen, die noch ferner aus Europa kommen mögten, Tod und Sklaverei unter uns zu bringen. nichts ist denen zu theuer, alle Mittel sind denen rechtmäßig, welchen man die erste aller Segnungen zu entreißen trachtet. Selbst wenn sie Bäche, wenn sie Ströme von Blut vergössen, wenn sie in Behauptung ihrer Freiheit sieben Achttheile des Erdbodens in Feuer und Flammen setzten; so würden sie doch vor dem Richterstuhl der Vorsehung als unschuldig erscheinen. Sind einige Unschuldige Opfer der Grausamkeiten der Erbitterten geworden; so beklagen wir ihr Schicksal, erklären, daß diese Ermordungen gegen unsern Wunsch geschehen sind; aber wer auch nur die geringste Kenntniß der Geschichte hat, weiß, daß auch die kultivirtesten Völker in bürgerlichen Kriegen sich der Grausamkeiten nicht enthalten haben. Aber jetzt, da die Morgenröthe des Friedens und Aussicht auf minder stürmische Zeiten öfnet, sollen alle Dinge auf Domingo eine neue Gestalt gewinnen." (Allgem. Zeitung 1804. S. 210. 212.)
Dennoch konnte man den Negerhandel nach Westindien (Nach Martinique) durch Prämien aufmuntern.
1808.[]
Miszellen. [7]
Nachrichten aus Port-au-Prince melden, daß im May die nördlichen und südlichen Armeen auf St. Domingo, unter den Befehlen des Gen. Christophe und Petion, 4 Tage lang sich bey Gro-More schlugen. Der Erfolg war, daß 1600 Mann von Christophe's Partei getödtet und 600 zu Gefangenen gemacht wurden, worauf Petion an der Spitze von 16,000 Mann sich nach Cap Français in Marsch setzte. Man wollte ihn bereits im Fort Milo (5 Meilen vom Cap wissen.
Großbrittanien. [8]
London den 13. Sept. Nachrichten aus St. Domingo vom 2. Aug. melden, daß Petion in mehrern Schlachten über Christophe siegte. Dieser hielt sich noch zu St. Marc, wohin Petion mit 8000 Mann von Port-au-Prince marschirte.
Großbrittanien. [9]
London, vom 21. Okt. Briefe aus St. Domingo sagen, daß Pethion jetzt wieder die Oberhand gewinne. Binnen 2 1∫2 Monaten schlugen sich seine Truppen unter General Lamarre, 23 mal siegreich. Am Ende Aprils wurde die Nord-Armee völlig geschlagen. Christoph verdankte seine Rettung blos der Schnelligkeit seines Pferdes. -- Pethion (der sich Präsident der Republik nennt) war gefährlich krank. Während dieser Krankheit spann Magloire eine Verschwörung gegen ihn an, welche die Vernichtung Pethions und die Einführung eines rein demokratischen Gouvernements bezweckte; sie wurde aber entdeckt. Magloire floh nach Jacmed, wurde aber arretirt, und mit 7 seiner Helfershelfer hingerichtet.
Uebrigens herrscht zu Port-au-Prince seit dem unterbrochenen Handel mit Amerika der größte Mangel. Zucker und Kaffee sind in Ueberfluß vorhanden, die nothwendigsten Bedürfnisse aber fehlen, und Alles ist ungeheuer theuer; die Kolonialwaaren sind sehr wohlfeil. So steht's auch auf dem Cap.
1812.[]
[10] Wir haben Zeitungen aus Jamaika bis zum 23sten May vor uns. Nach den letzten Berichten aus St. Domingue hatte Petion einen General, 3 Obersten und die ganze aus 1200 Mann bestehende Kavallerie Christophe's gefangen gemacht; von Kayes waren eine Korvette und eine Brigg ausgelaufen, um zu Petions Eskadre zu Port au Prince zu stoßen. Christophe hält fortwährend diesen Hafen eingeschlossen, und hat mehreremale das Fort National angegriffen, wurde aber immer mit beträchtlichem Verlust zurückgetrieb~~; er verlor 7 höhere Officiere und eine Menge Soldaten. Christophe's Feuer hat nur einige Häuser beschädigt.
Ein Brief aus Port au Prince erzählt:
"Christophe hat sich nördlich von der Stadt postirt, und gegen 2000 Kanonenschüsse gegen sie gethan, welche 3 Weiber tödteten und 2 verwundeten; er schleppt ein Haus auf Rädern mit sich. Petions Armee im Innern der Stadt wird auf 12,000 Mann geschätzt; er erwartet nur die Ankunft der Korvette und der Brigg, um Christophe zu Wasser und zu Lande anzugreifen."
London, den 21sten August. [11]Durch Briefe von Jaquemel vom 29sten Juny erfährt man, daß Christoph genöthigt worden, die Belagerung von Port-au-Prince aufzuheben, nachdem er durch das Schwerdt und durch Krankheiten und Desertion viele Leute verloren.
New-York, den 9ten July. [12]
Durch ein von St. Domingo gekommenes Schiff haben wir die Nachricht erhalten, daß sich General Magny mit dem ganzen rechten Flügel von Christoph, der aus dem 3ten, 7ten und 14ten Regiment bestand, und nebst mehrern Officiers, worunter der Oberst Mark, an Pethion ergeben habe. Am folgenden Tage, den 13ten April, zog sich Christoph mit Hinterlassung der Artillerie und Munition eiligst zurück.
Von Reisende.[]
Herrn Missionär Hufnagel.[]
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Neueste Nachrichten über St. Domingo.Vom Herrn Missionär Hufnagel.
Ich schiffte mich zu Plymouth nach Westindien ein. Ich war in Harwich gelandet, und ging über Colchester, London, Exeter, Canterbury und Salisbury nach obiger Stadt. Meine Reise war angenehm, und lehrreich. In letztgenannten drey Städten befinden sich sehr berühmte Kathedralen. -- Ich ging im December 1810 an Bord. Ungünstiger Wind trieb das Schiff, nachdem ich einen Tag auf demselben gewesen, nach dem äußersten Seehafen am Atlantischen Meere Fowey, über den brittischen Canal hinaus.
Bald langten wir bey Madeira an, welches eine reitzende, kleine Insel ist, von welcher wir Wein, Obst, Gemüse, Hühner und Schafe mitnahmen. Nach 3 Wochen unserer Abfahrt kamen wir den Piko von Teneriffa vorbey, und 3 Wochen später in die Nähe des Äquators. Dem Matrosengebrauche gemäß mußte ich mir hier den Bart scheeren, und dann mit Theer bestreichen lassen.
Herzlich sehnte ich mich nach dem Anblicke des Landes, welchen ich auch 8 Wochen nach meiner Anfahrt von England wieder genoß. Wir erblickten die Inseln Desirada, Antigoa, Rodonda und Monsterrat, wo einige Kanonen gelöset wurden. Überraschend für mich war der Anblick der Negerdörfer auf den hohen Gebirgen. Als wir an diese Colonie kamen, erblickten wir eine Reihe von drey Stock hohen Häusern. Es nahte sich uns ein Boot voll Negern, unter denen ein Kaufmann und ein Offizier waren. Unsere Segel wurden zwar eingezogen, aber die Anker nicht gesenkt, da wir nur einen Tag lang bey dieser Insel anlegen wollten. Die Neger waren ganz nackend; die Kaufleute aber in baumwollene, weiße, sehr weite und lange Hosen, die bis unter die Arme reichten, in spannbreite, weiße Westen, über die weißgestickten Hosenträger mit silbernen oder goldenen Schnallen gingen, in weiße, baumwollene Jacken, und einer Kopfbinde von einem ostindischen Tuche gekleidet. Ein sehr großer grüner oder grauer Hut bedeckte diese. Den Hals umgab ein gestickter weißer Kragen. Die Schuhe waren von rothem Maroquin. Eben so trägt sich der Negerkaiser Christoph auf St. Domingo. Nur ist seine Uniform roth, und seine grünen oder rothen Maroquinstiefeln sind mit Gold eingefaßt.
Die Neger brachten uns die besten Früchte ihres Landes, als Granatäpfel, Citronen, Pomeranzen, Sapadillen, Feigen, Bananen, Sauersäps u. s. f., auch Yamswurzeln, die man statt der Kartoffeln ißt. Sie sind lang und dick, haben aber, wenn sie gesotten sind, kein Eßlust erweckendes Ansehen. Ihre Schale ist schwarz. Ist sie abgeschält, so ist das Innere weiß, und so zart, wie Butter. Der Saft des Zuckerrohrs, oder der Syrup war mein Lieblingsgetränkt in Westindien.
Um Monsterrat liegen die Karaibischen und Virginischen Inseln in einer sehr reitzenden Lage, als Maria Galante, Domenica, San Martino und Barbados, welches am meisten östlich liegt. Auf unserer Fahrt von Monsterrat kamen wir den Inseln St. Kitts, St. Eustach, Aves, Tortugas, Guadeloupe, St. Thomas, Saint John, St. Bartholoma und Santa-Cruz, und nachher bey Portorico vorbey. Letztere ist eine der größten und reichsten Inseln Westindiens. Aves heißt so, weil die Spitze der Felsenklippe dieser Insel das Ansehen von Vögelkoth hat.
Schon unter der Breite, wo wir uns damahls befanden, als wir dem Äquator nahe waren, war es so heiß, daß auf dem Schiffsdeck kein Matrose mehr barfuß gehen konnte. Auf der Höhe von Portorico war während des Tages kein Luftzug zu spüren, und wir konnten lediglich nur in der Nacht, oder Früh und Abends segeln. Um den Stich der heißen Sonne zu verhüten, errichteten wir auf dem Verdeck ein Zelt von grüner Leinwand. Unser Zeitvertreib war der Fischfang. Einige Delphine fielen in unsere Hände. Diese Fische spielen im Wasser eine goldgelbgrüne Farbe, und sind immer von einigen Wachfischen (Guardfisches) umgeben. Wir warfen Harpunen nach ihnen aus. Waren sie tödlich verwundet, so schlugen sie mit größter Heftigkeit um sich her. Auch noch auf dem Verdecke sprangen sie mit solcher Kraft in die Höhe, und schlugen so stark um sich, daß der kräftigste Mann unter einem Schlage von ihnen erlegen wäre. Wenn schon der Kopf abgetrennt war, schnellten noch Stücke des Leibes in die Höhe. Bey ihrem Tode verbleichten alle die schönen Farben ihrer Haut.
Die Verbindung zwischen Westindiens so nahe zusammenhängenden Inseln wird durch politische Verhältnisse erschwert. Man könnte sonst leicht in zwey oder drey Tagen von der Einen bis zur Andern gelangen. Unser Capitän, Max-William, schickte ein Boot nach Portorico, um dem Gouverneur wissen zu lassen, daß sich der Pfarrer zu Monsterrat, Hawker, den Tag vor unserer Ankunft in Monsterrat erhängt hätte, weil es herausgekommen war, daß er wegen einer Erbschaft einen falschen Eid geschworen, und eine Kaffeh- und Zuckerplantage zum größten Nachtheile der Besitzer administrirt hatte.
Hier herrscht ein beständiger Sommer, und jeder Monath bringt wieder andere oder frische Früchte. Wären die Land- und Seewinde nicht, so wäre die Hitze unerträglich.
Fünf bis sechs Tage brachten wir noch in dieser windstillen Breite zu, ehe wir nach St. Domingo kamen. Endlich erblickten wir la Grange und Monte-Christo, so wie an dem Fuße eines Felsengebirgs eine schöne westindische Festung mit drey Thürmen, an einem Puncte, wo sich ein Arm des atlantischen Meeres nach Cap Henry hinein zieht, und sich eine erhabene Ansicht auf eine weite und hohe Bergkette eröffnet, deren Gipfel mit Wolken bedeckt sind. Aus eben erwähnter Festung kann der Negerfürst Christoph alle Schiffe, die hier landen wollen, mit Geschütz begrüßen lassen. Wir thaten einige Schüsse, zum Zeichen, daß uns ein Lootse in dem Hafen führen sollte. Bald darauf kam ein Boot zu uns an Bord, dessen Bemannung aus lauter nackten Negern bestand, mit Ausnahme des Steuermannes, der blendend weiß gekleidet war. (Man kann im dasigen Klima wegen stärkerer Sonnenhitze die Leinwand weißer bleichen, als in nördlichern Himmelsstrichen.) Dieser Steuermann führte unser Schiff sicher in den Hafen, in dem wir ankerten. Gleich nachher ließen wir dem Regenten zu Ehren unsere Kanonen hören, und nun kamen der Gouverneur und einige schwarze Generale auf unser Schiff.
Cap Henry liegt, wie oben gesagt, dicht am Fuße eines Felsens, und hat schöne, dreystockige Häuser, unter denen sich das der Madame Dessaline, der verwittweten Regentinn, auszeichnet. Ich hatte Briefe an sie zu übergeben. Sie ist eine schwarze Frau, von wahrhaft majestätischer Bildung, wie eine zweyte Juno, besitzt alle Schönheit, die man von einer Negerinn verlangt; Zähne, wie Perlen -- eine erhabene Stirn -- schwarze Wolle statt Haaren, -- dicke Lippen, -- ein sehr starkes volles Gesicht, -- feurige Augen, -- einen herrlichen Wuchs. Die Kleidung bestand aus dem feinsten, mit Spitzen besetzten Musseline. Den Hals umgaben Gold- und Perlenschnuren. Um den Kopf war ein ostindisches Tuch gewunden, und ein sehr großer grüner Hut von feinem Filze bedeckte ihn. Die schwarzen Finger waren voll goldener Ringe, und dergleichen Gehänge schmückten auch die Ohren der ärmsten Neger.
Wenn Madame Dessaline ausgeht, so folgen ihr 20 Negerinnen von der vorzüglichsten Schönheit. Ihre Wohnung hat, wie die des Negerfürsten Christoph, drey Geschosse, und einen Altan oder Balcon, von dem man die herrliche Gebirgsgegend, und dem mit Schiffen von allen Nationen bedeckten Hafen übersehen kann. Die Gipfel der Berge verlieren sich in den Wolken. Die Thäler sind höchst anmuthig und romantisch. Am Morgen kamen mehrere hundert Neger und Negerinnen mit fruchtbeladenen Eseln nach der Stadt. Sonntags bringen die Negerinnen ihre Kunstsachen, als Körbe und dgl. auf einer großen Wiese zum Verkauf.
Der damahlige Präsident, jetzige Kaiser, Christoph, ist sehr groß und stark, und stammt unmittelbar aus Afrika. Er nahm mich sehr gut auf, und lud uns zum Frühstück ein, wo wir mit Tortes (Maiskuchen), Suppe, Fischen, Syrupwein, gebratenen Vögel, Orangen und Kaymitten bewirthet wurden. Letztere sind eine Art von Birnen, welche die Deutschen Sternbirnen nennen, weil sie im Innern einen Stern haben. Ihr Fleisch ist roth.
Der Reichthum der Madame Dessaline besteht in Kaffeh- und Zucker-Plantagen. Auch hat sie ein Gewölbe, in dem sie ihre Negerinnen mit Stickereyen, auf die sie sehr gut verstehen, beschäftiget.
Bloß der Präsident Christoph hält Kutschen und Pferde. Die Seinige und die seiner Gemahlinn sind mit acht Falben bespannt, die seines Gefolges nur mit vieren. Die Kutschen sind mit einer Sonnenschirm-artigen Decke versehen. Die Gebirgswege und die ungeheuern Steinmassen, die so groß wie Häuser sind, verhindern übrigens das Fahren in das Innere. Die dortigen Pferde sind eine Art Falben, welche sehr gut über Berge klettern können. Oft ritt ich in Gesellschaft von Kaufleuten in die umliegende Gegend. Wir besuchten die Hütten der Negern, die uns dann mit Kokosnüssen bewirtheten. Ihre Hütten sind von außen nicht höher, als ein Mann; allein innerhalb sind sie tiefer. Ihr Fussboden ist mit Ziegeln belegt, welches auch der Fall in den Wohnungen der Madame Dessaline und des Präsidenten Christoph ist. Die hiesigen Stuben haben keine Glasfenster, sondern sind, der Kühlung halber, bloß mit Jalousien versehen. Rund um des Präsidenten Christoph Wohnung geht ein Altan. Rechts und links des Einganges, der mit einem von Säulen getragenen Bogen verziert ist, stehen steinerne Bänke. An den Bürgerhäusern, in denen nur die Frauen Handel treiben, stehen Stühle, über denen ein grünes Zelt ausgespannt ist. Sie laden freundlich Vorübergehende ein, sich zu ihnen hinzusetzen.
Jeder Mann ist hier gezwungen, Soldat zu seyn. Daher findet hier fast gar kein eigentlicher Ehestand, und folglich eine große Zügellosigkeit und starkes Sittenverderbniß statt. Auch die Tänze der Negern sind, gelind gesagt, für das Auge des Europäers höchst unanständig.
Ich wagte, die hohen Felsen zu besteigen, welches gefahrvoll ist. Entzückend ist aber die Ansicht, die man von oben herab genießt. Es dauerte drey Stunden, ehe ich den Gipfel erreichte, während welcher mich immer jähe Felsen und tobende Wasserstürze umgaben. Von hier gleicht das Fort einem kleinen Tische, und der daneben liegende Felsen einem Maulwurfshaufen. Menschen kann man nicht mehr erkennen. Hier und da sind kleine Hütten, in denen die hiesigen Soldaten leben. Über Palmen- und Kokoswaldungen erblickt man das westindische Meer. Die hohen Felsen und hundertfachen Quellen, die mannigfaltigen Bäume, die rothgeschwänzten Störche, die Papagayen, Affen, Ochsen, Kühe, Hunde, lahmen Esel, kleinen Hühner, Krähen, die nackten Lumpenkerls, die häßlichen alten Weiber, die krätzigen kleinen Kinder, die elenden Hütten, alles zeigt den stärksten Contrast!
Wie ich mich hier aufhielt, kam ein Schiff mit Sclaven von Sierra-Leona in Afrika an, welches von einem der Schiffe des Präsidenten Christoph aufgebracht, und für gute Beute erklärt ward. Christoph verleibte diese Sclaven seiner Armee ein. Der Capitän erzählte mir, daß er und seine Mannschaft dort sehr krank geworden, und manche der letzteren gestorben seyen. Wie er nun die Reise wieder zurück gemacht hätte, und nur noch fünf Tagereisen von St. Domingo entfernt gewesen wäre, hätte er das Unglück gehabt, genommen zu werden. Die Ausdünstung oder der Geruch der an der afrikanischen Küste wachsenden Bäume und Früchte sollen so stark seyn, daß man davon erkrankt, und die Engländer, welche dort die Besitzungen Britanniens behaupten, sollen wie Fliegen hinsterben.
Eines der schönsten Volksfeste auf St. Domingo ist das Fest der Unabhängigkeit (la fête de l'Indépendance de Hayti). Am Tage dieses Festes ließ sich noch vor Anbruch desselben eine prachtvolle, lärmende Janitscharenmusik vor der Wohnung des Präsidenten Christoph und dem Zimmer seiner Gemahlinn hören. Ehe ich noch recht ausgeschlafen hatte, kam ein Negerknabe von meinen Freunden, den Hrn. d'Orge, d'Arcey und Comp., um mich zum Frühstück bey ihnen einzuladen, und die Feyerlichkeiten der Revue mit anzusehen. Eine Negerinn kam sogleich in mein Schlafzimmer, und machte die Vorhänge meines Bettes auf, die jede Nacht zugeheftet wurden, damit die Muscovados-Fliegen die Ruhe nicht stören können, und brachte mir eine sehr gute Tasse Kaffeh. Als ich bey meinen Freunden anlangte, gingen wir auf den hohen Altan, von dem man alles übersehen und hören konnte. Einige Regimenter waren schon angekommen. Sie sind nach ihren Farben eingetheilt, als in Negern, Mulatten, Mestitzen und Kreolen. Um fünf Uhr waren alle beysammen.
Jetzt wurden sie von den schwarzen Generalen, die den Dienst bey Engländern oder Franzosen erlernt hatten, exerziert, was mir sehr wohl gefiel. Doch konnte ich bey dem Anblick der Negern das Lachen nicht zurückhalten, da sie alle barfuß gingen, und viele keine ganze Montur hatten. Bey Einem fehlte ein Ärmel, bey dem Andern der Rockschoß. Sie trugen Kappen mit grünen Federbüschen, und alte vorrostete Flinten, da die Negern, seit sie ihre Freyheit haben, außerordentlich träge und faul geworden sind. Einige Amerikaner sagten mir: "Die Schwarzen hätten es, wie sie glaubten, besser als Sclaven gehabt, wie jetzt. Damahls mußten sie vier Tage in jeder Woche arbeiten, und mit ihren Händen etwas Nützliches schaffen. Ihr Verdienst reichte hin, sich Kleider und Nahrung zu erwerben. Seit sie frey sind, arbeiten sie lieber gar nicht, und ziehen Nacktheit und Hunger vor." Übrigens sind sie auf ihre Freyheit sehr stolz.
Der Donner der Kanonen vom Lande und von allen Schiffen, die im Hafen waren, kündigte dieses Nationalfest gleichfalls an. Als alle Regimenter beysammen waren, kamen die schwarzen Generale, die Minister, der Gouverneur der Provinz Hayty, die Geistlichkeit, und zuletzt der Präsident Christoph. Es war eine Bühne aufgeschlagen, auf welche die Minister und Officiere stiegen, und auf der die Gesetze der Constitution vorgelesen wurden. So oft der Nahme Christoph oder Hayti erklang, zogen alle ihre Hüte ab, und erhoben ein Freudengeschrey. Auch wurden vorgelesen, daß keine andere Religion gelten solle, als die von den Spaniern einst eingeführte Katholische. Aber die Neger haben gar keine Religion, und sind rohe Barbaren oder wahre Naturmenschen, die ihren wilden Trieben folgen.
Wie die Vorlesung geendiget war, ging der Präsident Christoph wieder unter seinen Altan. Die Regimenter mußten hier bey ihm vorüber marschiren, und er machte über sie seine Bemerkungen. Hierauf begab er sich mit ihnen in die Kapelle, wo sich schon Madame Christoph und Dessaline befanden. Es ward hier eine Messe gelesen, und eine Rede gehalten, von der leider die armen Kerls kein Wort verstanden.
Die Leibgarde des Präsidenten besteht aus einigen Regimentern, deren Hautfarbe der von recht schön braun gebranntem Kaffeh gleicht, und die eine große Statur haben. Ihre Montur ist grün. Ihre Hüte sind groß, und mit grünen Federbüschen versehen. Nach dem Gottesdienst war große Tafel. Hierauf sangen schöne Negerinnen Loblieder auf Madame Christoph, so wie einige andere Gesänge, als: Aimable Créolesse! u. s. f. Viele der Soldaten sind hier so klein, wie Knaben von zwölf Jahren in Europa. Können sie aber nur eine Flinte tragen, so sind sie hier schon tauglich zum Dienste.
Die Kapelle besteht aus zwey parallel laufenden, oben offenen Mauern. Bloß über dem Altare, auf dem das Marienbild mit zwey schönen Blumen-Vasen an ihren Seiten und der Inschrift:
Tot Tibi sunt, Virgo! dotes, quot sidera coelo! steht, ist eine Bedachung. Bey der letzten Landung der Franzosen auf Cap Henry zerstörten bekanntlich die Neger alle ihre Wohnungen, damit diese kein Obdach und keine Nahrung finden sollten, und auch einen Theil dieser Capelle.
Stirbt ein Neger, so lassen seine Verwandten eine Seelmesse lesen, damit er nicht zurückkomme, und sie beunruhige. Dieses thun sie auch für die Weißen. Am Charfreytage legen sich die Verwandten des Verstorbenen auf sein dachförmiges Grab, und bethen darauf den ganzen Tag. Auch in der Kirche werfen sie sich auf die Knie und Gesicht, und sind dann so unbeweglich, wie eine ägyptische Mumie.
Ein herrlicher Pallast wurde auch von den Negern zerstört, der ehedessen dem französischen Gesandten gehörte. er erhob sich stufenweise die Anhöhe hinauf. Die Stufen waren mit Bildsäulen verziert. Noch sind seine Trümmer bewundernswerth. Gleiches Schicksal hatte auch ein botanischer Garten im Innern dieses Pallastes, den ein englischer Botaniker untersucht hat. Er war so eingerichtet, daß das von dem Berge herabfließende Wasser durch Kanäle an jedes Beet geleitet werden konnte.
Während meines dortigen Aufenthaltes trug es sich zu, daß ein Negerknabe, der gut schwimmen konnte, sich zu weit in das Meer hinaus wagte, und ein großer Hayfisch auf ihn zukam. Der Knabe konnte ihm nicht mehr ausweichen, und ward, da ihm Niemand Hülfe leistete, von dem gefräßigen Thiere verschlungen. Der Präsident, oder jetzige Kaiser, Christoph erfuhr dieß, und befahl, Köder an den Schiffen auszuhängen, welches sogleich geschah. Aber der Hayfisch kam nicht, bis er wieder Hunger fühlte, welches am folgenden Morgen der Fall war, an dem er einen Köder zugleich mit einem spitzigen Haken verschluckte. Wie er seine Gefangenschaft spürte, tobte er auf das heftigste, und die Mannschaft von drey bis vier Schiffen kam zusammen, um ihn auf das Verdeck eines Schiffes zu ziehen, und ihn zu tödten. Wie er aufgeschnitten ward, fand man nur noch das Gerippe des Knaben bey ihm. Das ganze Schiff lief voll Thran und Speck, mit dem der Kapitän seine Schweine fütterte. Da ich mit diesem und dem Kaufmanne, dem das Schiff gehörte, gut bekannt war, bath ich um den Rachen, oder die Kinnladen dieses Thieres, die ich auch nach vielen Bitten erhielt. Dieser Hayfisch war sieben Jahre alt, welches man an der Zahl der Zahnreichen erkennen kann. Er hatte deren sieben, die so scharf wie eine Säge, und eben so zackigt waren.
Man baut auf St. Domingo die Häuser wegen öfterer Erderschütterung nicht hoch. Geht man in den Waldungen spazieren, so wird man oft von den Affen tüchtig mit Kokosnüssen geworfen. Die dort einheimischen Papageyen sind sehr schön, und zum Theil s erh gut abgerichtet.
Der Präsident Christoph besitzt viele persönliche Tapferkeit. Er soll bey der Einnahme von Nicolay-Moll über 100 Menschen mit eigener Hand erlegt haben. Viele seiner Leute wurden auch stark verwundet. Er schickte daher seinen Arzt nach dem Cap. Allein die Blessirten wurden alle wegen Verpflegungs-Mangel und des heißen Klima's vom Brande ergriffen, wie sie transportirt wurden, und der Arzt konnte keinem mehr das Leben retten. Christoph gab diesem die Schuld, ließ ihn bey der Nacht hinaus führen, und ihm den Kopf abschlagen. Der Körper ward in einen Abgrund gestürzt.
Christoph's Gegner heißt Pethion. Man sagt zu seinem Lobe: il n'a jamais fait couler les larmes de personne. Die Madame Dessaline ist eine sehr edle Frau, obschon ihr Mann so grausam war, und die Weißen heftig verfolgte. Er gab seinen Soldaten nähmlich die Instruction: "wenn sie einen Weißen sehen, sollten sie ihm auf die Fersen treten. Wenn er sich dann umkehren, und mit ihnen zanken würde, sollten sie ihn arretiren. Er wolle ihn dann schon verurtheilen." Oft hielt seine Frau einen Verurtheilten im nächsten Zimmer, wo </ig>Dessaline schlief, so lange verborgen, bis er Gelegenheit fand, auf einem Schiffe sich zu retten. Die zum Tode Verurtheilten wurden an den Zehen aufgehängt. Ich sah einen, der diese Marter erlitt, und die Madame Christoph mit so häßlichen Nahmen und Schimpfworten belegte, welche in unserer Sprache unbekannt sind, daß man ihm zuweilen Stiche mit dem Bajonette gab. Zuletzt hieng man ein Gewicht von 100 Pfund an seinen Kopf, welches sogleich seine Leiden endigte.
Ein Beyspiel, wie hart Seefahrer in diesen Gewässern mit einander verfahren, ist folgendes. Ein Schiff, das neben anderen in einem Westindischen Hafen lag, hatte seine Ladung früher erhalten, als diese, die auch bald segelfertig waren. Der Kapitän des ersteren wollte aber nicht auf letztere warten, sondern fuhr ab, und hatte das Unglück, an einem Corallen-Felsenrisse, die im Westindischen Meere so häufig sind, zu scheitern, jedoch so, daß der Mastbaum über dem Wasser blieb, auf den der Kapitän und die Mannschaft in ihrer Noth kletterten. Diese dauerte drey Tage und Nächte. Endlich kam das Schiff in einiger Entfernung gesegelt, welches neben dem Gescheiterten im Hafen gelegen hatte. Aber es segelte vorbey, ohne sich den Schiffbrüchigen zu nähern, um die Verschmachteten, wo möglich, noch zu retten. Einige Matrosen mußten wirklich vor Hunger und Durst umkommen Erst nach zwey Tagen, also fünf Tage nach der Abfahrt dieser Unglücklichen, kam ein Schiff zu ihrer Rettung. Sie sollen in ihrer Noth die Leichen der gestorbenen Matrosen zu ihrer Nahrung gebraucht haben. Christoph und die Kaufleute auf Cape Henry unterstützten sie mit allem Nöthigen
Dessaline war sehr grausam, so lange er das Ruder führte. Er drohte den Einwohnern einer gewissen Stadt auf St. Domingo: "wenn sie sich nicht ergeben, wolle er sie alle morden lassen, und sich in ihrem noch warmen Blute baden. Dann würde er so unüberwindlich werden, als ein Löwe." Diese Drohung veranlaßte einen geheimen Bund zu seinem Morde, der auch auf dem Wege nach Gonaives erfolgte, da er seine Leibgarde schon vorausgeschickt hatte Einige Negerofficiere hatten sich in einer, mit Moos bedeckten Hütte versteckt. Wie er dieser vorüberfuhr, schrien sie: "Da ist Dessaline, der Tyrann, bringt ihn um!" Er sprang aus seiner Kutsche, schoß mit zwey Pistolen zwey Officiere todt, und vertheidigte sich dann mit dem Degen, ward aber überwältiget und getödtet.
Noch vor meiner Abreise von St. Domingo erklärte sich Christoph eigenmächtig zum Könige von Hayti, und bald darauf zum Kaiser, da er nicht weniger seyn wollte, als Dessaline vor ihm war. Bekanntlich ließ er sich eine goldene Krone in England machen, welche aber, weil sie heimlich ausgeführt werden sollte, confiscirt ward. Um aber Christoph einen Beweis ihrer Großmuth zu geben, und ihm anzudeuten, daß er unter ihrem Schutze stehe, machten ihm die Engländer ein Geschenk damit. Christoph ist sehr groß und corpulent, und sein Ansehen ist majestätisch. Die hohe Stirn, die dicken rothen Lippen, die kohlschwarze Wolle auf dem Kopfe, der schwarze Bart, die perlenweißen Zähne u. s. f. geben ihm einen imposanten und wilden Anblick, dem seine starke Stimme völlig entspricht. Er ist in Afrika geboren, und war in Kingston auf Jamaica eines reichen Kaufmannes Sclave, in dessen Kaffeh- und Zuckerpflanzungen er mit anderen arbeiten mußte. Als die Empörung auf St. Domingo ausbrach, flüchtete er mit noch mehreren seiner Gefährten von Jamaica nach erster Insel, nahm Dienste unter Dessaline, und zeichnete sich so aus, daß er nach dessen Ermordung zum Präsidenten erwählt ward. Christoph's Gemahlinn ist klein und untersetzt, und hat keine besonderen Reitze.
Man muß hier sehr diätetisch und ordentlich leben, sonst wird man ein Opfer des Klima's. Ich hatte das Glück gar nicht zu erkranken, ausgenommen, daß ich eine Entzündungs-Geschwulst des Magens bekam, welche aber bald durch den Genuß von Milchrahm, Wasser, Syrup, Orangen, Sapadillen, Feigen u. s. f. gehoben ward.
Ein, durch widrige Winde lange auf seiner Fahrt hierher verspätetes amerikanisches Schiff langte während meines Aufenthaltes hier an. Die Bemannung desselben erlaubte sich gleich nach der Ankunft alle mögliche Genüsse, und sowohl der Kapitän, als die Mannschaft, starben 24 Stunden nach ihrer Ankunft sämmtlich am gelben Fieber. Ein guter Freund von mir, Hr. Britchard, der stark und gesund war, ward auch gleich nach seiner Ankunft vom gelben Fieber befallen, und 24 Stunden darauf war er todt. Ich mußte noch für sein Begräbniß sorgen. Schlimm ist's, daß die Neger keinen ordentlichen Sarg verfertigen können. Sie schlagen nur sechs unbehobelte Bretter zusammen, machen auch kein tiefes Grab, und bedeckten den Sarg nur mit etwas Sande.
Denkt man an die hiesige Revolution, so wird man vom Entsetzen ergriffen. Man kann sagen, daß fast jeder Fleck dieses Landes mit dem Blute der Revolutionsopfer gedüngt ist. Damahls wurden die Weißen in einen weiten Platz zusammen getrieben, und ohne Schonung erwürgt. Einige der wohlhabenderen hatten sich in ihren Häusern versteckt. Allein die Neger wußten sie aufzuspüren, nahmen ihnen alles, was sie hatten; flüchteten sie, so eilten diese ihnen nach, und mißhandelten sie so lange durch Schläge und Verwundungen, bis sie den Geist aufgaben. Selbst das englische Haus d'Orge, d'Arcey und Comp. mußte sein ungeheuer großes Vermögen aufopfern, und erkaufte manchem Weißen das Leben. Jetzt hat sich dieses Haus wieder zu seiner vorigen Größe erhoben. Sie haben die Wohnung inne, welche sonst Christoph's Gemahlinn gehörte.
Der Sonnenstich (Coup de Soleil) ist hier sehr gefährlich. Man muß gegen denselben den Kopf mit einem weißen Baumwollenen Tuche verwahren. Ein betrunkener Kapitän ging Mittags von seinem Schiffe auf einem Boote an den Strand, zu welcher Zeit andere Leute hier zu schlafen pflegen. Sein Hut fiel ihm vom Kopfe, und der Sonnenstich traf ihn so, daß er gleich todt hinstürzte.
Ich sollte bey Christoph als Hofmeister für seinen Prinzen Victor und seine beyden Prinzessinnen bleiben, fand aber für rathsam, dieß auszuschlagen, da er nicht mit baarem Gelde bezahlt, sondern nur ein Stück Landes zum Anbau anweiset. Seinen Soldaten und Matrosen gibt er sehr wenig, und beynahe gar keine Kleidung. Letztere gehen ohnedieß ganz nackend.
Der Admiral Goodall hat dem Christoph eine Marine verschafft, seit er von diesem zum Admiral ernannt ward. Er erhandelte in England Kauffahrteyschiffe, und formte sie am Cap zu Kriegesschiffen um. Für die Schiffe erhielt er von Christoph eine ungeheure Quantität Kaffeh und Zucker. Die Engländer haben auf Ergreifung dieses Goodalls eine sehr hohe Prämie gesetzt.
Jeder fremde Weiße muß vor Christoph erscheinen. Mich führte der General Tabar bey ihm ein, da ich ein Missionar war, und Briefe an Christoph hatte. Dieser kann aber nicht selbst lesen. Seinen Nahmen soll er zwar schreiben können, aber so undeutlich, daß es nöthig ist, jedem Buchstabe einen anderen beyzusetzen, der die Charaktere Christoph's erklärt.
Während der Fastenzeit finden hier auch Maskeraden Statt, und die possirlichsten Larven kommen dann haufenweise vor den Pallast Christoph's. Abends wird ein Maskenball angestellt, über den er selbst und die von ihm geschaffenen Prinzen, Herzoge und Baronen ihren Beyfall zu erkennen geben. Alle Morgen stellt sich Christoph an seine Hausthür, um Audienz zu geben. Seine Officiere stehen ihm rechts und links. Sieht er zornig aus, so dürfen sie kein Wort mit ihm sprechen.
Ich kann die Geschicklichkeit der Negerinnen und der Mulattinnen, so wie ihr artiges, schönes Betragen nicht genug rühmen, vorzüglich das der Gemahlinn Christoph's, und der verwittweten Dessaline. Wenn sie englisch, spanisch oder französisch sprechen, so haben sie alle einen singenden Ton, und alle Mädchen singen sehr schön. Mir machte der Gesang dieser schuldlosen Geschöpfe viel Vergnügen. Ich sage: schuldlose, weil die in dem Dienste obengenannter Damen sich befindenden jungen Frauenzimmer eine Art Nonnen bilden. Sie sticken auch sehr gut.
Die Europäer brachten die erste Cultur der Künste und Wissenschaften nach Westindien. Es gibt dort vorzüglich geschickte Uhrmacher, Goldschmiede und Schneider. Ich ließ mir bey einem der letzteren, der ein Neger, und zu gleicher Zeit Adjutant in der Haytischen Armee war, auch über 20 Gesellen hatte, einen Rock machen, der sehr gut gearbeitet war.
Übrigens herrscht in diesem neuen, größtentheils von Afrikanern bevölkerten, Staate das größte Sittenverderbniß und die äußerste Zügellosigkeit. Sie sind nicht mehr im Naturzustande, aber nicht sowohl Menschen, als Thieren zu vergleichen, aus welchem Zustande sie nur eine wahre Religion emporheben kann.
Zeitungen.[]
Ein seltsames politisch-litterarisches Phänomen ist die Erscheinung einer Neger-Zeitung in Domingo. Sie kommt unter dem Titel: Gazette politique et commerciale d'Hayti, seit dem 22sten März zu Cap François bei Roux, Buchdrucker des Kaisers Jakob Dessalines, wöchentlich einmal heraus, und hat das Voltairesche Motto: l'injustice á la fin produit l'independance, an der Spitze. Der Finanzminister Vernet hat die Censur dieser Zeitung, von der Westindische Kauffahrteischiffe kürzlich mehrere Stücke nach London gebracht haben. Den mehrsten Raum füllen Auszüge aus Französischen und Englischen Zeitungen aus, und das interessanteste sind die Nachrichten über Nord-Amerika, und die Handelsverhältnisse der Nord-Amerikaner gegen den Negerstaat auf St. Domingo. Der große Vortheil der Amerikanischen Kaufleute, heißt es hier mehrmals, sichern dem jungen Staate die Befriedigung aller seiner Bedürfnisse, und Freiheitssinn und Arbeitsamkeit werde seine Bemühungen krönen! --
Quellen.[]
- ↑ Post- und Ordinari Schaffhauser Mittwochs-Zeitung. Vom 29. May, 1793. Num. 43.
- ↑ Post- und Ordinari Schaffhauser Samstags-Zeitung. Vom 16 Wintermonat, 1793. Num. 92.
- ↑ Post- und Ordinari Schaffhauser Mittwochs-Zeitung. Vom 25. Christmonat, 1793. Num. 103.
- ↑ Politisches Journal nebst Anzeige von gelehrten und andern Sachen. Jahrgang 1797.
- ↑ ?
- ↑ ?
- ↑ Wiener-Zeitung. Nro 75. Sonnabend, den 17. September 1808.
- ↑ Wiener-Zeitung. Nro 81. Sonnabend, den 8. Oktober 1808.
- ↑ Wiener-Zeitung. Nro. 97. Sonnabend, den 3. Dezember 1808.
- ↑ Allgemeine deutsche Zeitung für Rußland. No. 199. Montag, den 19/31. August 1812.
- ↑ Allgemeine deutsche Zeitung für Rußland. No. 215. Freytag, den 6/18. September 1812.
- ↑ Allgemeine deutsche Zeitung für Rußland. No. 218. Dienstag, den 10/22. September 1812.
- ↑ Archiv für Geographie, Historie, Staats- und Kriegskunst. 1813.
- Chronik des neunzehnten Jahrhunderts. Erster Band, enthaltend die Jahre 1801, 1802 und 1803 von G. G. Bredow, Professor der Geschichte in Helmstädt. Altona bei Johann Friedrich Hammerich 1805.
- pj1805
- Allgemeine deutsche Zeitung für Rußland. No. 218. Dienstag, den 10/22. September 1812.