Biographien.[]
Rutger Johann Schimmelpennink.[]
Erster Pensionair der batavischen Republik. [1]

Schimmelpenninck Rathpensionnaire der Batavischen Republik.
Noch sind es nicht zwei Jahrhunderte, daß die sieben vereinigten Provinzen den Rang einer Nation in Europa einnahmen, und schon sind sie in vollem Sinken. Holland ist noch Reich, aber es gränzt nahe an Armuth, und ohne heroischen Dazwischentritt eines günstigen Zufalls scheint sein Ruin unvermeidlich und nicht weit entfernt. Seine Bevölkerung beträgt nicht zwei Millionen Menschen, und davon vermag sein Gebiet kaum den achten Theil zu nähren. Von jeher mußte es also seine Mittel zur Existenz größtentheils, und seine Macht ganz, im Handel suchen. Wenn andere Staaten untergiengen, so lag der Grund stets in einer Reihe von Irrthümern und Verbrechen; Batavien ist mit dem nemlichen Unglük bedroht, ohne sich die nemlichen Vorwürfe machen zu können. Es geht unter, nicht weil es sich selbst verändert hat, sondern weil Alles um dasselbe herum geändert ist. Eigentlich ist Batavien noch, was es zur Zeit seines größten Wohlstandes war. Man erblikt die nemliche Liebe zur Arbeit, den nemlichen Sparsamkeits- und Ordnungs-Geist, die nemliche Industrie, die nemliche auf guten Unterricht gegründete Kultur unter dem Volke. Batavien also ist es nicht, das seine Vortheile aufgiebt; seine Nachbarn entreißen sie ihm, die ganze Welt hat sich zum Sturz seines Handels verbunden. Aber nicht blos sein Handel ist gesunken, es ist keine unabhängige Macht mehr. Es ist überhaupt keine Macht mehr; denn das Recht begründet nur den Zustand eines Volks in den geographischen Lehrbüchern; die Kraft sich zu vertheidigen konstituirt es zu einer Macht. Holland zählt jezt auf allen Meeren 14 oder 15 Linienschiffe, und wenn es 30,000 Mann Landtruppen aufstellt, so überschreitet es schon alles Verhältniß zu seiner Bevölkerung und zu seinem Einkommen. Wird es bedroht, so denkt es freilich noch an seine Dämme, die es durchschneiden kann. Aber sein Land ertränken, heißt nicht, es retten, und Holland hat weder Schiffe noch Energie genug, um, wie 1672, seine ganze Bevölkerung nach andern Welttheilen zu schaffen. Beim ersten Kanonenschuß unter den drei großen umgebenden Mächten wird sich eine davon immer Hollands, als eines guten Militairpostens und reichen Magazins, bemächtigen. Um diesen Fall nicht eintreten zu machen, müßten drei große Mächte zu gleicher Zeit Moral haben, und wäre das wol je erhört! . . . . . . Die Anwesenheit der Franzosen kostete Batavien bereits einige hundert Millionen Gulden, sie verdoppelte seine Ausgaben zu einer Zeit, wo seine Einnahme durch den Krieg mit England um die Hälfte fiel. Schon war die Regierung genöthigt, nachdem sie alle Gegenstände der Abgaben erschöpft hat, auch die Kapitalien zu taxiren. Diese Thatsache allein reichte hin, Holland zu verderben, denn Abgaben von Kapitalien nehmen, heißt, sie vernichten, und die Kapitalien vernichten, heißt, Holland selbst vernichten. Schon fangen die Handelshäuser an, auszuwandern. Zu Vollendung des finstern Gemähldes dauert neben allen diesen Uebeln, die freilich die Gemüther nur noch mehr erbittern, auch der Partheigeist heftiger als je fort; Republikaner von der alten Partei, Republikaner von der neuen, oder Demokraten nach französischem Sinn, Oranischgesinnte und Neutrale und Katholiken feinden sich an und verfolgen sich um die Wette. Je phlegmatischer der Holländer ist, desto aufmerksamer beobachtet er die politischen Ereignisse und den fortschreitenden Ruin seines Vaterlandes. Sein Haß ist tief, wenn er gleich selten ausbricht; er sucht nicht leicht Rache, aber er verzeiht nie.

Das war die traurige Lage, in der sich Batavien befand, als der französische Kaiser zu Anfang des Jahrs 1805 den Gedanken faßte, ihm durch eine neue Verfassung zu helfen, die sich der monarchischen so sehr nähert, als es, wenn man den Namen Republik beibehalten wollte, nur möglich war. Der Mann, der er an die Spize der Geschäfte zu stellen beschloß, was Schimmelpennink. Der Kaiser hatte ihn auf dem batavischen Gesandtschaftsposten in Paris kennen gelernt; aber auch die Nation und Europa hegten ein günstiges Vorurtheil für ihn, da er sich seit Anfang der batavischen Revolution in ihren verschiedenen Scenen immer als einen einsichtigen, uneigennüzigen, und von allen Extremen entfernten Staatsmann gezeigt hatte. Wirklich glaubten ihn die Orangisten fast als einen der Ihrigen reklamiren zu können, während von der andern Seite seine härtsten Gegner, die Demokraten, wenn nicht seinen Grundsätzen, doch seinen Intentionen, Gerechtigkeit widerfahren ließen. Die dem holländischen Volke zugleich mit der neuen Konstitution vorgelegte Frage: "Wollt ihr die Person von Ruther Johann Schimmelpennink zum ersten Pensionair erkennen, mit der nöthigen Gewalt und Vollmacht, um die Verfassung in Thätigkeit zu setzen, und zugleich die erste Ernennung der Mitglieder der Versammlung der Generalstaaten, so wie alle andre zu Einführung der Verfassung nöthigen Ernennungen vorzunehmen?" ward von demselben, größtentheils stillschweigend, bejaht, und am 15 May 1805 Herr Schimmelpennink im Haag feierlich, und mit einem grössern Machtumfang, als je ein römischer Diktator besessen hat, für einen, fünf Jahre nach dem Frieden mit England zu Ende laufenden, Zeitraum, als Großpensionair eingeführt. Seine nachherige Verwaltung trägt durchaus den Stempel seines Charakters, und beweist, daß sich Napoleon in seiner Wahl nicht vergriffen hat. Ob aber dessen ungeachtet Herr Schimmelpennink, oder überhaupt irgend eine menschliche Weisheit, Bataviens Selbstständigkeit als Nation zu retten im Stande seyn, oder ob selbiges nicht vielmehr über kurz oder lang, von dem allgemeinen Impuls hingerissen, Genua's Beispiel folgen wird, scheint uns sehr problematisch. Ausser der großen Tendenz unsers Zeitalters erblicken wir auch noch in H. Schimmelpenninks Gesundheitsumständen einen Zweifelsgrund, welche nach den neusten Berichten von der Art sind, daß sie in keinem Fall ihm auch nur zu einer fünfjährigen Amtsführung Hofnung lassen.
R. J. Schimmelpenninck.[]
Schimmelpenninck (R. J.),[2] Holländer, eines der ausgezeichneten Mitglieder des batavischen National-Konvents in den Jahren 1795 und 1796. Er wurde hierauf zum Bothschafter bey der französischen Republik ernannt, kam im July 1798 mit dem Admirale Dewinter zu Paris an, wurde aber erst den folgenden 1. November in seinem öffentlichen Charakter dem Direktorium vorgestellt. 1802 wohnte er in Frankreich den Konferenzen bey, welche den Vertrag von Amiens herbeyführten, und ging im Dezember als Bothschafter nach England. Vor seiner Abreise erhielt er vom ersten Konsul eine mit Diamanten reich besetzte Tabatiere. Da die Neutralität, welche er in London hatte unterhandeln sollen, nicht angenommen werden konnte, verließ er im Juny 1803 England wieder, und kam nach Haag zurück. Sein Eifer für das Interesse Frankreichs leitete ihn, daß er bey allen Gelegenheiten die Plane der französischen Regierung begünstigte, und er erhielt im May 1805 die höchste Staatswürde in seinem Vaterlande mit dem Titel eines Großpensionnairs von Holland. 1806 traf ihn das Unglück, ganz blind zu werden, und er legte seine Stelle nieder, da Napoleons Bruder, Ludwig, zum Königs von Holland erklärt wurde.
Rütger Jan Schimmelpennink.[]
Schimmelpennink (Rütger Jan),[3] der letzte Oberbeamte oder Präsident der Republik der vereinigte Niederlande unter dem Titel eines Großpensionärs der batavischen Republik, aber mit fast monarchischer Gewalt bekleidet, ist in Amsterdam aus einer angesehenen Familie geboren. Er widmete sich der Rechtsgelehrtheit, und war zu der Zeit des Ausbruchs der Revolution gegen das Haus Oranien, nach dem Einrücken der Franzosen in Holland unter Pichegru im Jahr 1795, einer der berühmtesten Advocaten in seiner Vaterstadt. Er wurde an die Spitze der neuen provisorischen Regierung gestellt, und trat nachher in die Nationalversammlung, wo er einer der vorzüglichsten Wortführer wurde, und den größten Einfluß auf alle Geschäfte gewann. Dann erhielt er den wichtigsten Posten eines ersten Gesandten bei der französischen Republik. Er wußte sich hier geltend zu machen; und bei den Unterhandlungen von Amiens, denen er als außerordentlicher Botschafter beiwohnte, hielt er sehr glücklich die Interessen der batavischen Republik aufrecht.Nach geschlossenem Frieden wurde er zum batavischen Ambassadeur am englischen Hofe ernannt. Bei dem wieder ausbrechenden Kriege von 1803 versuchte er, die Neutralität Hollands zu behaupten, und dies würde ihm gelungen seyn, wenn Bonaparte, damals erster Consul, sie hätte zugestehen wollen. Er kehrte jetzt wieder nach Paris zurück, wo ihn Bonaparte zuerst nicht sehr günstig aufnahm, da er ihn als dem Interesse Englands ergeben ansah; bald aber gewann Schimmelpennink Bonaparte's ganzes Vertrauen, und als des Letztern Verlangen, mehr Einheit in die Staatsform Hollands zu bringen, realisirt und in diesem Sinne eine neue Constitution gebildet wurde, trat statt der zeitherigen executiven Gewalt (eines Collegiums von zehn Personen unter dem Namen Staatsbewind), Schimmelpennink im Mai 1805 als Präsident unter schon angeführtem Titel an die Spitze. Er diente sich seiner bedeutenden Gewalt zur Einführung vieler nützlichen Einrichtungen. Insbesondre gründete er ein ganz neues Abgaben- und Finanzsystem, wobei ihn sein Studium der englischen Staats- und Finanzwissenschaft trefflich leitete. Im Jahr 1806, nach kaum einjähriger, den Umständen nach glücklicher Regierungsverwaltung verschlimmerte sich eine vieljährige Augenkrankheit so sehr, daß er fast gänzlich erblindete, und sich keinem Geschäfte mehr unterziehen konnte. Bonaparte benutzte diesen Umstand, seinen Bruder Louis als König vorzuschlagen, und obgleich Schimmelpennink alles anwendete, diesem gewaltsamen Aufdringen eines nicht geachteten Fremdlings, dem freie Bürger zu Unterthanen überliefert werden sollten, entgegenzuwirken, so waren doch seine Bemühungen vergebens. Er erwartete die Ankunft Louis nicht, sondern zog sich auf seine Güter im Geldrischen zurück. Als Holland ganz mit Frankreich vereinigt wurde, ernannte ihn Napoleon zum Senator. Nach dessen Sturz und Rückkehr des oranischen Hauses zog sich Schimmelpennink ganz in den Privatstand zurück.
Quellen.[]
- ↑ Staatsgeschichte Europa's. Als Taschenbuch für 1806. Tübingen, im Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung.
- ↑ Moderne Biographien, oder kurze Nachrichten von dem Leben und den Thaten der berühmtesten Menschen, von Karl Reichard. Leipzig, 1811. In Commission bey Peter Hammer.
- ↑ Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.