Zeitungsnachrichten.[]
Der von den Russen zu dem gegenwärtigen Feldzuge angenommene Plan, meldet die Wiener Zeitung aus Wilna, wurde durch den General von Pfuhl (ehemals in königl. preuß. Diensten) entworfen. Er war in einer bisher unbekannten Ausdehnung dieses Worts defensiv; überall sollte die russische Armee sich vor Angriffen bewahren, überall, ohne Gefechte anzunehmen, ohne Rücksicht auf Länderverlust, sich bis an die befestigte Düna zurückziehen. Riga, Dünaburg und das verschanzte Lager bey Dryßa waren die Aufstellungspuncte; auf sie zog sich auch wirklich die erste russische Westarmee unter Barclay de Tolly zurück; man vermuthete also russischer Seits, der französische Feldherr würde seine Hauptbewegung nordöstlich gegen Petersburg nehmen. Unbegreiflich genug war bey diesem ersten freywillig angenommenen Plane gleich bey Eröffnung des Feldzuges die zweyte Westarmee unter Bagration von der ersten getrennt; die ersten russischen Bulletins beweisen, daß mit dem Anfange des Rückzugs auch die Sorge für die Vereinigung beyder Hauptarmeen entstand. Die Bewegung der französischen Armee entsprach jedoch keineswegs dem russischen Defensivplane. Anstatt die Düna und ihre Verschanzungen aufzusuchen, rückte der Kaiser rasch mit einer ungeheuern Masse in einer ganz östlichen Richtung gegen die Quellen der Düna und des Dniepers; sein Vordringen schien Moscau und die fruchtbarsten Strecken des russischen Reichs zu bedrohen. Die Verschanzungen an der Düna waren nun unnütz geworden; Niemand war da, um sie anzugreifen, und ihre Vertheidiger gingen nach den wirklich bedrohten Puncten ab. Die beyden Hauptarmeen waren getrennt.
Die Unzufriedenheit mit dem angenommenen Plane wurde allgemein. Se. Maj. der russische Kaiser gab den Vorstellungen der großen Mehrzahl nach; General von Pfuhl wurde von der Armee entfernt. Der General Barclay de Tolly entwarf dann einen neuen ganz offensiven Plan. Beyde Armeen mußten sich demselben gemäß vereinigen, um nicht einzeln aufgerieben zu werden; zum Vereinigungspuncte selbst wurde Smolensk bestimmt, und von dort aus sollte die Offensive ergriffen werden. Die Deckung der Straße von Petersburg wurde dem getrennten Corps des Grafen von Wittgenstein überlassen; die erste Westarmee verließ alle Verschanzungen an der Düna und zog sich in Eilmärschen nach Smolensk, wo ihre Vereinigung mit der Armee des Fürsten Bagration wirklich statt fand. Am 1sten Aug. speisten die Befehlshaber der beyden Armeen unter einem unbegreiflichen Jubel ihrer Truppen bey Smolensk. Aber auch den umgeänderten Plan vereitelten die Bewegungen des französischen Monarchen. Die bisher von ihm unmittelbar befehligten Corps hatten Witepsk am 28sten Juli erreicht. Die russischen Befehlshaber glaubten ihn noch immer an der Düna, seine Armee in Erholungsquartieren, nach einigen Auslegungen sogar auf dem Rückzuge, als er vor Smolensk selbst erschien. Die Einnahme von Smolensk führte zu allen nachfolgenden Ereignissen; der russische Offensivplan wurde von nun an in eine gezwungene Defensive verwandelt.
Quellen und Literatur.[]
- Leipziger Zeitung Nr. 206. Dienstags den 20. October 1812.