Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Russisch-Österreichischer Türkenkrieg (1787 - 1792).

Zeitungsnachrichten.[]

1789.[]

Wien vom 22sten December. [1]

Man war in einigen Zeitungen schon bekümmert, das Cladowa von den Türken wieder erobert, und dadurch Orsowa entsetzt werde; zu diesem Kummer gab Anlaß, weil das Pranovacsische Freikorps, welches sich zuweit gegen Widdin und Nissa gewagt hat, von dannen mit Verlust zurückgetrieben worden, daß solches bis Kladowa verfolgt worden, ist ganz unwahrscheinlich, weil die Türken den Fluß Timock hätten übersetzen müssen, über welchen alle Brücken abgetragen worden, nachdem man die Kladowaer Garnison darüber convoirt hat. Aber sey es -- so hätten die Türken bei Nikotin den Obristlieutenant Liptai mit seinen Bataillon von Palfi Infanterie angetroffen -- die neue Garnison von Cladowa, die aus dem Lattermanischen Regiment und 2 Divisions von Erdödi besteht und von dem General von Leuchtenberg und Fabri kommandirt wird, wäre ausgerückt, und hätten denselben unterstützet

Zu diesen wäre das Reiskusche Infanterie-Regiment mit noch einer Division Huss. gestossen (wie aus Belgrad von 2ten Januar berichtet wird) -- es hätte sich also ein Corps von 6000 Mann wenigstens und ohne das Freikorps zu rechnen zusammen gezogen, um einem von Widdin und Nissa ausgezogenen Haufen Türken zu widerstehn, seye es, daß dieser Haufen 12000 Mann stark seye. -- Wer wird dieserwegen bekümmert seyn, nachdem man weis, was bei Marinesete geschehen ist?

Zudem kommt noch, daß man mit Grunde hoffen kann, Laudon wird auf einen solchen Fall gedacht, und alle nöthige Vorkehrungen getroffen haben.

Lieber wär ich für Widdin oder Nicopel besorgt, dann beide Orte in einen Aschenhauffen zu verwandeln, sollte einem Hohenlohe und Koburg gar keine Mühe machen.

Präliminar-Artikel zum künftigen Frieden zwischen den Kayserhöfen, wie sie zu Jassi den Türken vorgetragen sind worden.

Die Donau die Sau und die Verbasca sollen künftig die Grenzen zwischen diesen Höfen seyn.

Oesterreich bekömmt also türkisch Croazien -- die Wallachey und den Theil der Moldau an dem Szereth-Fluß mit der Raya von Choczim; giebt aber das eroberte Servien zurück, nachdem es zuvor die Festungen -- Belgrad, Czabacz und Semendria geschleift hat.

Rußland bekömmt die Moldau -- Bessarabien, und die Oczakovische Tartarey.

Die Türken schleifen die Festungen, welche sie übergeben -- mit Ausmahm -- Brailo und Orsowa.

Die Schiffahrt auf obgedachten Flüssen soll gemeinschaftlich seyn.

Ein neuer Commerztraktat zwischen diesen drey Höfen -- mit Ausschluß aller übrigen für das schwarze Meer solle verabredet und für immer festgesetzt werden.

Man glaubt, der Divan werde diese Bedingnisse um so lieber annehmen, als er dadurch wenig türkisches Land verlirt, folglich das Volk welches nur keine Moschee verliren will, desto ehender schweigen kann.

Sollte es wirklich zum Krieg kommen, so hat der Wiener Hof die Versicherung, daß ihn Spanien und Portugal so viel Geld vorstrecken werden, als er braucht.


1790.[]

[Januar]

Wien vom 8ten dieses [2]

Der Friede ist der allgemeine Wunsch und das Erheblichste, was man sich jetzt erzählt. Einige behaupten, man erwarte täglich die Unterzeichnung der Präliminarien. Gestern ist ein Kourrier aus Jassy hier eingetroffen. Man sagt, er hätte die Versicherung eines nahen Friedensschlusses mitgebracht.

London vom 5ten dieses.

Der englische Gesandte am Petersburger Hofe hat ministerielisch berichtet, daß der Russische Hof auf dem Zeitpunkt seye, den Frieden mit der Pforte zu schliessen. -- Man versichert, daß die Engländer durch diesen Frieden einen Hafen im mittländischen Meere erhalten, und daß sie ihre Handlung in der Levante merklich vergrösern werden. -- So bald England von dieser Seite entschädiget wird, so ist es zu hoffen, daß es sich Mühe geben werde, auch andere Angelegenheiten auf dem festen Lande auszugleichen. Man sagt, daß bei dem Friedenskongreß zu Jassy noch keine Frage wegen Schweden vorgekommen.

Wien vom 16ten dieses. [3]

Es ist keine Frage mehr vom Frieden mit den Türken. Die Pforte will es darauf noch ankommen lassen, wie sie von ihren Freunden unterstützt wird.

Wien vom 20sten dieses. [4]

-- Die Türken haben Crajowa wieder besetzt, aber man hofft, Koburg wird sie bald wegjagen Sie wollten über Kladowa fallen, wurden aber zurückgeschlagen.

Wien vom 22sten dieses. [5]

Die Stände von Ungarn haben zwey Deputirte an den Monarchen abgeschickt, die ihm einen warmen Dank abstatten sollen, daß er ihnen versprochen, alle ihre Privilegien zu bestättigen. Auch haben sich diese Stände erklärt, den Krieg wider die Türken allein über sich zu nehmen, und alles dazu herbeizuschaffen, was nöthig ist. Schon haben die Stände alle ungarische Regimenter kompletirt, und alle Mannschaft ersetzt, die theils durch Krankheiten, theils durch andere Zufälle abgängig war. -- Die Kayserin von Rußland hat einen Kourrier, der vorgestern angekommen, hieher geschickt. Sie verspricht gegen die Grenzen Pohlens und Preusens sechzig tausend Kalmucken und Kosasien zu schicken, die alles verheeren und verbrennen werden, bis unterdessen eine Armee von regulirten Truppen ihnen nachkommt.

Zehntausend Türken wollen mit bewaffneter Hand der hungrigen Garnison von Orsowa Lebensmittel zuführen; aber das Corps des Generals Wartensleben, und besonders Herr Liptay schlug sie. Gleich darauf ist wieder Crajowa von den unsrigen besetzt worden, und unsere brave Krieger, welche Orsawa blokiren, traktiren sich jetzt mit den Lebensmitteln, die die Türken für die Orsowaner bestimmi hatten, und die sie ihnen weggenommen.

Es werden zwey Freikorps errichtet -- Odonell und Kurner werden sie an.

Die letzten Nachrichten aus Belgrad melden, daß der türkische Tefterdar mit unserem Internuntius nach Widdin zum Grosvizir abgereist sind. Dies läßt hoffen, daß vielleicht der Grosvizir, der den Frieden wünscht', noch zur Ausgleichung bereit seye.

Man sagt: die Türken und ihre Freunde dringen ausserordentlich darauf, daß Choczim wieder der Pforte zurück gegeben werde. Dies soll der eigentliche Stein, worauf alle Friedensunterhandlungen anstossen, seyn. Ohne dieser Festung aber wären die Kayserlichen Besitzungen in Pohlen nicht genug vom türkischen Angriffe gesichert.

Wien vom 26sten Januar [6]

Ein Schreiben aus Konstantinopel meldet, daß von den 1178 österreichischen Gefangenen 577 gestorben sind. 76 sind zu Bootsknechten bei der türkischen Flotte gezwungen worden, und in dem Gefängniß, Banja genannt, sind noch 542. Aber die Türken biethen sich nun an, ihre Gefangenen gegen die unsrigen auszuwechseln.

Jassy vom 12ten Januar.

Man kann der Welt nichts mit mehr Zuverlässigkeit berichten, als daß es mit der Pforte unvermeidlich zum dritten Feldzuge kommen muß. Der unerträgliche Stolz der Muselmänner bei allen ihren Unglücksfällen, und der hohe Ton, aus dem der Fürst als Sieger spricht, läßt sicher nichts anders vermuthen. Man glaube nur nicht, daß der in Jassy angekommene Reis-Effendi, als Minister des oft geschlagenen Theiles, vortheilhafte Anträge mache, oder die Sprache eines Deputirten führe, der für seinen Herr den Frieden sucht. Bei seiner ersten Unterredung mit dem Russischen Oberbefehlshaber sagte er, daß er im Namen seines grosmächtigsten unüberwindlichsten Kaysers gekommen sey, dem Fürsten zu eröffnen, daß, da Se. Hoheit gar nicht gesonnen wären, die Christenheit ganz zu vertilgen, noch den Umfang des ungeheuern Osmanischen Reichs zu erweitern, er, der Gesandte, den Auftrag habe, zu Gunsten des deutschen Kaysers und der Kayserin aller Reussen, jedoch ohne alle Nachtheil der Pforte, einen Frieden anzubieten, oder zu erklären, daß der Sultan den Krieg mit einen Nachdrucke, von dem seine Feinde noch keine Probe gesehen hätten, fortsetzen würde, wann diese ihr eigenes Wohl, und die Billigkeit der Pforte nicht erkennen wollten. Der Fürst von Potemkin erwiederte: daß der Herr Deputirte am besten wissen müsse, wie viel die unüberwindlichsten Osmanen im Jahre 1789 an ihren Besitzungen verlohren haben; daß die verbundenen Mächte sich nie entschliessen werden, so viel von ihren Eroberungen zurück zu geben, als der Grosherr etwan vorschreiben will; daß die Pforte den hohen Ton, als wenn sie so ganz unüberwindlich wäre, nach so vielen widrigen Ereignissen einmal vergessen möchte; daß es den beiden hohen Bundesgenossen gar nicht unbekannt sey, was der Divan wider sie mit England, Holland und andern Höfen unterhandelt und betrieben hat; daß es den Siegern nicht schwer fallen sollte, bei fernern günstigen Umständen so gar Konstantinopel selbst zum Ziele ihrer Unternehmungen zu bestimmen. Zuletzt erinnerte der Fürst den Reis-Effendi, daß er an den Sultan, seinen Herrn, schreiben möchte, gegen die Ohristen nicht so viel Mitleid zu äussern, sondern sich, so mächtig er nur könnte, zum dritten Feldzuge rüsten.

Temeswar vom 22sten Januar. [7]

In voriger Woche sind 50 türkische Deserteurs aus Orsowa zu uns gekommen. Sie sahen ausgehungert, und ganz blaß aus. ---Die hier liegende Artillerie-Reserve muß sich bis ersten Merz in Bereitschaft halten, daß sie höchstens bis 4ten Werz gegen Widdin vorrücken kann.

[Februar]

Wien vom 12ten dieses [8]

Der Plan dauert fort, über die Türken loszuziehen. Laudon soll einen Entwurf gemacht haben, Orsowa und Widdin zu erobern, und dann soll die Armee sich defensive verhalten.

Gallizien vom 7 Februar. [9]

Ein Schreiben aus der Moldau vom 27sten Januar meldet: "Nicht umsonst hat sich die grose Russische Armee, unter dem Befehle des Feldmarschalls von Potemkin, gleich nach ihrem Abmarsche von Bender getrennt. Vier Regimenter Infanterie blieben in gedachter Festung zurück: die übrige Infanterie wurde in der Moldau vertheilt; die Kavallerie aber bezog die Winterquartiere an der Gränze von Weisrußland. Allein diese Winterquartiere waren von keiner langen Dauer, weil die Kavallerie schon vor einigen Wochen gegen die Ukraine aufbrechen mußte. Die Einwohner in diesem Lande sind der Rußischen Nation sehr zugethan; welches man keiner andern Ursache als der Religion zuzuschreiben hat. Uebrigens wird unter unsern dortigen Truppen eine so strenge Mannszucht gehalten, als man sich nur immer vorstellen kann, damit je niemand Ursache finden möge, sich über den Rußischen Soldaten zu beklagen. Daher kömmt es auch, daß der Landmann mit ihm auf die friedfertigste Art lebt, und einer den anderen gerne mit dem unterstützt, was er an Lebensmitteln besitzt. Bei unserer Armee geht allenthalben die Rede, daß man in Petersburg, nach Berichten von dort, an gar keinen Frieden denke, und daß in dieser Hauptstadt des Rußischen Re_chs die Rüstungen gegen die Türken und Schweden, sowohl zu Wasser als zu Land nur mit noch gröserer Thätigkeit betrieben, und Werbungen ununterbrochen fortgefahren, und es scheint daß man alle Kräfte aufbieten wolle, um allen Feinden, die sich wider Rußland verbinden könnten, Trotz zu bieten. Unsere Monarchin soll beschlossen haben, mit den Türken nicht eher Frieden zu machen, als bis das Russische Reich gegen diesen gefährlichen Nachbar auf immer gesichert ist. So lauten unsere Berichte aus Petersburg. Dennoch hören wir, daß die Türkischen Deputirten, nachdem sie Jassy verliessen, ihre Reise nach Konstantinopel eben nicht sehr beschleuniget, sondern in Husch wieder Halt gemacht haben, -- ohne daß man weis, ob sie dort von dem Divan neue Verhaltungsbefehle, daß ist: neue Vollmachten zur Fortsetzung der Unterhandlungen erwarten. Ein Umstand, der Aufmerksamkeit erregt."

Ein anderer Brief aus

Warschau vom 24sten Febr. [10]

sagt ausdrücklich, daß 1) die Allianz zwischen Preusen und Pohlen bis auf den 3ten Merz unterzeichnet werden müsse. 2) Daß die Friedensunterhandlungen zu Jassi gänzlich abgebrochen sind, und daß die Russen Befehl erhalten haben, den Feldzug zu eröffnen. General Suwarow wird den ersten Angriff machen. 3) Das im Januar zu Konstantinopel auf die Ulemas oder türkische Priester eine Kriegssteuer gelegt ist worden; das 60 von diesen Ulemas in einer Moschee den Mufti und den Kaimakan massakriren wollten; daß der Sultan Mühe hatte, aus dieser Moschee zu entfliehen, und daß die Janitscharen endlich die Ulemas zwar massakrirt haben, aber daß man einen grosen Aufstand zu befahren hätte.

Wien vom 12ten Merz. [11]

Der König von Spanien treibt unsern neuen König am meisten an, den Krieg wider die Türken fortzusetzen. Er verspricht unserem Hofe alle mögliche Hilfe, und nun spricht man von einer spanischen Flotte, die im Juni im mitländischen Meer erscheinen wird. Der König von Neapel vermehrt seine Seemacht, und es werden in der Havana zwey Kriegsschiffe für Sicilien erbauet. -- Dies alles läßt unsere Politiker schliessen, daß die Türken so ins Gedränge kommen, daß sie um einen Frieden bitten müssen.

Die Unterhandlungen zu Jassy gieng von der türkischen Seite auf heimliche Wege. -- Man weis jetzt, daß die Türken nur einen Waffenstillstand verlangten, und dies aus dem Grunde, weil sie erst sehen wollten, ob ihnen ihre Freunde helfen werden oder nicht. Aber Potemkin hat ihre Absicht errathen, und mit ihnen alle Unterhandlungen auf einmal aufgehoben. Es bauet sich eine Oppositionspartie gegen England, Preusen, Schweden, und Holland auf. Wäre Frankreich konsolidirt, so wär es ein leichtes, diese Partie mit Bedeutenheit auftretten zu lassen. Unterdessen kann Spanien und Portugal in Orient viel thun. Dieses letztere hat sich angebothen mit allen Kräften daran zu arbeiten, daß die inspirirten Türken gezüchtiget werden.


1790 - Aussichten.[]

[12]

Militairische-Uebersicht über die dermalige Stellung der drey Kayserhöfe.[]

Neopolem
Neopolem

Nach der entscheidenden Schlacht bei Martiniesti haben die Türken weder in der Moldau oder Bessarabien noch in der der Wallachei mehr Stand halten können; -- injener wurden sie von Repnin bis an die Donau getrieben, wodurch Bender von allmöglichem Succurs abgeschnitten, sich auf Descretion ergeben muste; -- aus dieser flohen sie von selbst, nach dem sie erfahren, daß Koburg in selbe einrückt: die Türken haben also ihre Winterquartiere über die Donau in Bulgarien nehmen müssen, und behielten an dem linken Ufer derselben nur noch einige feste Plätze besetzt, nemlich Kilia, Ismael, Braila, Gjorgevo, Turnul, und Orsowa. Ihre Hauptsammelplätze zur künftigen Kampagne werden Ternova und Sophia seyn.

Die Russen haben sich nach der Eroberung Benders in die Moldau, und weil man sie in Pohlen nicht aufgenommen hat, längst des Dnieperflusses bis Kiow in die Winterquartiere zurückgezogen: ein Korps derselben zieht eine Linie von Ackirmann bis an den Pruth, und ein anders von dannen bis an den Szereth, wo es an die Oesterreichische Truppenkette anschließt. Ihre Hauptsammelplätze zur künftigen Kampagne sind Kiow, Bender, und Purlath.

Neopolem
Neopolem

Die Oesterreicher haben sich nach der Eroberung Belgrads längst der Donau bis ins Oesterreich in die Winterquartier zurückgezogen. Koburg hat den grösten Theil der 7benbürger Truppen in die östliche Wallachei an sich geheftet, und damit von Szerth bis an die Alt, ziemlich nahe an dem linken Ufer der Donau, einen Kordon gezogen. Hohenlohe ist mit dem anderen Theil der 7bürger Truppen in die westliche Wallachei eingerückt, und hat von der Alt bis an die Cserna ebenfalls nahe an der Donau einen Kordon gezogen. -- Orsowa blieb blockirt, Kladowa wird genommen, und von dannen am rechten Ufer der Donau bis an den Timock ein Kordon gezogen; -- durch Servien ziehen die 2 grosen Freykorps, -- das Branovacsisch und Michaelövicsche, einen Kordon bis an die Drina, von wannen der Sclavonische längst der Sau und der kroatische Kordon längst der Unna fortläuft.

Da sich in Pohlen ein Ungewitter zusammen ziehen will, so hat Oesterreich aus Mähren Cavallerie und aus Oesterreich Infanterie dahin geschickt, um auch da gefaßt zu seyn: gleichwie es sich in Mähren und Böhmen auf alle Fälle gefaßt hält. Brodi, Bucharest, Schupaneck, Ratscha und Gradiska sind die Sammelplätze zur künftigen Campagne.

Die grose Flotte der Türken ist diesen Winter wieder in Puju~terra, und die der Russen zu Sebastopel in der Krim; -- die kleinere Flottillie der Russen liegt in den Limans des Dniesters und des Dniepers vor Ackirmann und vor Kinburn gedeckt.

Aussicht zur künftigen Kampagne.[]

Allem Ansehen nach wollen die Pohlen heuer thun, was sie verflossenes Jahr haben thun sollen, wenn sie ihren herzallerliebsten Freunden -- den Türken hätten beistehen wollen; vermuthlich dermalen erst, weil sie dies Jahr erst eine Soit-Disante Armee und eine eben solche Reichskonstitution zusammen gebracht haben, auf welche hin sich Preusen mit ihnen verbinden kann. Allem Ansehen nach wird diese Verbindung nur defensive ausfallen, folglich wenn Pohlen weder von Russen noch von Oesterreich angegriffen werden, den Türken nichts nützen können, denn wenn die Pohlen einen oder den andern Kayserhof angreifen, wird sich Preusen doch nicht dazuschlagen, besonders wenn ein solcher Angriff zu Gunsten der Türken- der Feinde des christlichen Namens, und diseerwegen auch des heiligen römischen Reichs, wovon Preusen ein so mächtiges Schutzglied ist, geschehen sollte: allein was ist bei derlei Gelegenheiten nicht schon geschehen? hat nicht Frankreichs allerchristlichster König von jeher den Erbfeind der Christen geschützt, und unterstützt? warum sollen es nun Englands und Preusens Könige nicht thun, wenn sie schon zugleich Kurfürsten des heil. Römis. Reichs sind?

Wir wollen es derohalben immer als möglich annehmen, und die 2 christlichen Kayserhöfe dafür sorgen lassen.

Die Russen haben dieserwegen zu Kiow, und die Oesterreicher zu Brodi, schon diesen Sommer, Magazine angelegt, sodann dabei diesen Winter Kavallerie zusammen gezogen; -- bei Kiow sollen 6 Russische, und bei Brodi 3 Oesterreichis. Reg. stehen, diesen wird bereits die nöthige Infanterie und Artillerie geschoben, folglich nach der Proportion der Kavallerie zurechnen, eine Armee von 60000 Mann formirt. Mit dieser Vorsicht warten die beiden Kayserhöfe auf die entscheidende Stunde, die in England schlagen soll; -- hat diese geschlagen, so wird ehe es sich Pohlen und Preusen versieht, von Kiow und Brodi aus durch die Ukraine ein Kordon gezogen, und dadurch dieses so fruchtbare Ländchen -- vielleicht auf immer -- von Pohlen abgeschnitten. -- Die in selben sich befindliche Pohlnischen Truppen, werden sich nach Kaminiek zurückziehen, und darin verhungern müssen, wenn solches nicht bald sich ergiebt. Da dieser Kordon den Rücken frey hat (dann die Ukrainer sind der Religion wegen lieber Russisch, als Pohlnisch) und seine Flügel gar gut angelehnt sind, auch vor sich die Flüsse Dniester und Styr hat, so wird es Mühe kosten ihn von Vorne anzugreifen, und auseinander zu sprengen, -- und was sollt es wohl dem nutzen, der diesen Heldenwerk ausgeführt hätte? indem er keinen Schritt vorwärts machen könnte, weil seine beide Flügel ungedeckt blieben? es bleibt also nichts übrig, als diesen Kordon durch Gallizien und durch Rußland zu umgehen; -- allein, dies wird wohl aus 99 Ursachen nicht geschehen können, worunter eine ist, daß man Oesterreich nicht direkte wird angreifen wollen, so doch geschehen müste, wenn man durch Gallizien gienge, denn daß Oesterreich den von den Pohlen angegriffenen Russen Hilfstruppen giebt, kann Pohlen und Preusen dich nicht übel nehmen, indem es der bekannte Bund zwischen diesen Höfen so fordert. Sollt aber diesem ungeachtet von den Pohlen und Preusen etwas feindliches auf Gallizien unternommen werden, so würde Preusen von Oesterreich in allen seinen Besitzungen angegriffen, und dadurch die gegen die Russen abgegebene Macht ziemlich geschmälert werden; wozu bereits unter Laudons Marschals-Staab in Böhmen und Mähren eine Armee von 100000 Mann gesammelt wird, die mit den bereits fertigen und mit allem sehr wohl versehenen -- Festungen -- Theresienstadt -- Pleß und Olmütz, den unterm Heinrich oder gar Wilheims-Kommando eindringenden preusischen und allenfalls auch sächsischen Herren so lang bis man mit den Türken fertig wird, gewiß widerstehen kann. -- Was nach geendigtem Türkenkrieg mit Pohlen, Preusen und Schweden geschehen kann, mag sich jeder selbst einbilden. Alle die Möglichkeiten, die sich in diesem Fall ergeben können, vorzusehen, wär wohl möglich, allein, weil noch Hofnung ist, daß sie unterbleiben, so ist es nicht schicklich, sie zu erzählen; wir wollen es derohalben bis zum Ausbruch sparen, und indessen die künftige Kampagne zwischen den 3 Kayserhöfen vornehmen.

Die Türken, stolz auf die neuen Unterstützungen ih-le ihre Kräften anstrengen, und wieder eine grose Armee zusam-rer christlichen Freunde; und geblendet von den in dem österreichis. Staate vorgegangenen Revolutionen werden al-men zubringen; -- mit dieser werden sie zur Vervollkommerung ihres Unglücks ganz gewiß wieder offensive agiren, folglich ihre Feinde aus ihren Eroberungen vertreiben wollen; sie werden dieserwegen ihre Truppen zu Ternova und zu Sophia in Bulgarien zusammenziehen, um solche gegen die Russen und die Deutschen zu führen, -- Bosnien werden sie wieder seinem Schicksal überlassen; -- allenfalls wider von Albanien aus unterstützen müssen, so dieses Jahr nicht so leicht seyn wird, als es voriges Jahr gewesen, in dem der Basch von Scutari nach so vielem auf seinem Rückzug ausgestandenen Elend, schwerlich mehr zu einem neuen Zug zu bewegen seyn wird. Jenes wird noch schwerer seyn, denn nachdem sie die Moldau und Wallachey -- zwey Korn- und Viehreiche Provinzen, dazu noch über 2000 Kanonen verlohren haben, müssen sie diese sammt der dazu gehörigen Munition und allem Proviant aus Romelien über das ungeheure Gebürg -- zu Pferd mitbringen, weswegen sie sehr langsam bis an obgedachte Sammelplätze vorschreiten, folglich sehr spät an der Donau erscheinen werden. -- Auf dieser werden sie sehr schwer eine Brücke zu Stand bringen, weil sie die Hinfahrt auf dem schwarzen Meer in derselben, und dazu noch das ganze linke Ufer davon verlohren haben, folglich die dazu nöthigen Schiffe nicht auftreiben und zusammenbringen werden, so man diesmal um so gewisser annehmen kann, als man nunmehro weis, daß die Anno 1788 im Herbst, da sie so zahlreich in das Bannat eingedrungen, und auf ihrem freiwilligen Rückzug hin, noch keine vollständige Brücke zu Stand gebracht hatten -- am 13ten 8ber mangelten ihnen noch 6 Schiffe dazu!

Rußland wird dies Jahr zeitlich die Kampagne eröfnen; -- es wird in den einzigen Schifbaren-Arm der Donau, aus dem schwarzen Meer Schiffe einlaufen und vor Ismael erscheinen lassen, wo zu gleicher Zeit das in Bessarabien sich befindliche Truppenkorps sich einfinden wird. Ismael wird auf diese Art unfehlbar erobert werden, worauf sich auch das abgeschnittene Kilia ergeben, dadurch ganz Bessarabien von Türken gesäubert, und alle Anstalt zu einem Brücken-Bau bei Ismael gemacht werden wird. Zu gleicher Zeit wird das in der Moldau an dem Szereth stehende Korps vereinigt mit dem da sich befindlichen Oesterreichischen bis Braila vorrücken, solches belagern, erobern und besetzen, sodann bis an die Jalomisca vorrücken. Bis dies geschehen ist, mag der Monat August; und mit solchem erst die grose Russische Armee an der Donau erscheinen.

Oesterreich wird eben so zeitlich mit halbem Merz -- vor Orsowa erscheinen, und solches, wenn es sich noch nicht ergeben hätte, zu erobern trachten, sodann dort eine Schiffbrücke über die Donau schlagen, um darüber eine Armee bis an den Timock und weiter führen zu können; sobald diese versammelt und vorgerückt ist, wird es mit Beihilf der in der westlichen Wallachei sich befindlichen Truppen Widdin belagern, und wenn es möglich ist noch vor der Ankunft der grosen türkischen Armee erobern.

Koburg wird zu gleicher Zeit die an der Donau sich befindlichen Plätze Turnul und Gyorgevo zu erobern, und die Schiffahrt auf der Donau - so viel möglich, unsicher zu machen, sich befleissen.

Wallis wird zu Belgrad das Korps de Reserve nach und nach sammlen, und nach Umständen verwenden.

Mitrowski wird von Natscha aus, an der Drina rechts und links in Servien und Bosnien vordringen, und alle haltbare Oerter zu erobern trachten.

Devins wird zu Gradiska ein Korps sammlen, und es an der Verbaska gegen Banjalucca vorschirben. Ob von Mitrowski Zwornik, und von Devins Bajalucca belagert werden kann, werden die Umstände zeigen; denn, müßte Oesterreich viele Truppen aus Ungarn wegziehen, so könnte es gegen Bosnien blos defensive agiren, widrigenfalls aber würde ein Einfall über die Ulutza und ein anderer durch die Szerep nach Seraglio die Eroberung von ganz Bosnien nach sich ziehen. Während dem dies geschieht, wird die Türkische Armee über Ternova oder Sophia vorrücken, so gewis spät im 7ber oder gar erst im 8ber geschehen wird, wo es sich sodann erzeigen wird, wohin ihre Hauptabsicht zielt; -- vermuthlich kömmt dieses Jahr wieder die Reihe an die Deutschen, und zwar nicht nur allein, weil sie die Reihe trift, sondern weil die Türken an der Möglichkeit, über die Donau zu setzen, verzweifeln müssen.

Sie werden also ihren schweren Zug über Sophia gegen Widdin richten, wo sie die Oesterreichische Armee an dem Timock antreffen werden, und nicht vorbei gehen können, weil sie sonst ihre rechte Flanke blos geben: haben die Oesterreicher Widdin schon erobert, so werden sie sich vor, widrigenfalls aber hinter dem Timock finden lassen, und die Türken, ehe sie es glauben, angreifen und schlagen: -- es wird ihnen vermuthlich wie bei Martiniestie gehen, -- sie werden sich in der grösten Verwirrung nach Sophia zurückziehen, und Nissa entweder verlassen oder besetzen, in welchem Fall es sodann noch belagert und erobert werden müßte, um damit von ganz Servien Meister zu werden. -- Sollte wider alles Vermuthen der Hauptzug nicht gegen die Deutschen geschehen, so haben sie gewonnenes Spiel, indem sie nur Widdin und Nissa zu erobern hätten, gleich wie im Gegentheil die Russen gewonnenes Spiel hätten, indem sie bei Ismael ungehindert über die Donau gehen, und längst dem schwarzen Meer bis Varna herabziehen könnten, wo sie vermuthlich die türkische Flotte antreffen, zu Wasser und zu Land angreifen, und wie bei Tsesme geschehen, zerstören könnten.

Sollten sie aber ihren schweren Zug über Ternowa nehmen, so haben die Absicht, entweder zu Silistria, oder zu Isaccia über die Donau zu gehen, um in der Wallachei oder in Bessarabien ihre Feinde aufzusuchen und zu schlagen. Wenn man gleich die fast bewiesene Unmöglichkeit, eine Schiffsbrücke zu Stand zu bringen, für möglich annimmt, so sieht mach doch noch nicht ein, wie sie ihre Absicht erreichen können; denn, gehen sie bei Silistria über die Donau, so zieht Koburg, und gehen sie bei Isacia darüber, so zieht Potemkin, die zwischen ihren stehende vereinigte Armee an sich, und schlagt sie gewiß, wo sodann die Retraite über dieselbe ihre ganze Armee kosten kann. Aus dem Gesagten erhellet, daß die Türken diese Campagne eben so gewiß, als sie es in denen vorigen zwey gewesen, unglücklich seyn müssen, wenn gleich Rußland und Oesterreich, jedes um 30,000 Mann weniger gegen sie dies Jahr in das Feld stellt: denn, daß man mit 50,000 Mann disciplinirter Truppen jede türkische Armee, sie mag so stark seyn als sie will, schlagen kann, hat schon Warneri vorgesagt, und Koburg mit Suwarow bei Martiniestie bewiesen. -- Dieser soll jenem auf sein Erstaunen über die grose Zahl der Türken geantwortet haben: -- jemehr Türken, desto gröser die Verwirrung, folglich desto gewisser der Sieg.

Die lieben Türken werden also dies Jahr wahrscheinlich ihre Flotte und ihre Armee verlieren, und darauf auf der Stelle Frieden machen, ohne ihre Freunde die Schweden, Pohlen und deren ihre mächtigen Alliirten um Rath zu fragen; -- sie werden sich gefallen lassen, daß man ihre Grenze über den Hämus anweise, folglich zu den schon verlohrnen Provinzen noch Bulgarien -- ganz Servien und Bosnien verlieren. Hiemit würden die treulosen Nachbaren durch eine von der Natur selbst zu diesem Endzweck gebildete Mauer von Oesterreich, und von Rußland durch ein Meer geschieden, und da jene von dem schwarzen bis an das mitländische Meer zwischen Bulgarien und Rumelien, -- zwischen Servien und Macedonien, zwischen Bosnien und Dalmatien fortlaufende Mauer, nur an einigen Oertern übersteiglich ist, und diese Oerter leicht zu bewahren wären, daß sie sich nie übersteigen liessen, so wäre, wenn nicht ein ewiger, doch ein langwieriger Friede mit Grunde zu hoffen. Sie aus Europa zu vertreiben, wäre für dies Jahrhundert noch zu frühe.

Quellen.[]

  1. Neunte Beilage zu Politischen Gesprächen der Todten. Freytag den 30ten Januar 1790.
  2. Fünfte Beilage zu politischen Gesprächen der Todten. Freytag den 15ten Januar 1790.
  3. Siebente Beilage zu politischen Gesprächen der Todten. Samstag den 23sten Januar 1790.
  4. Geheimer Brief-Wechsel zwischen den Lebendigen und den Todten. No. 4. 27. Januar. 1790.
  5. Politische Gespräche der Todten über die Begebenheiten des 1790sten Jahrs. Nro. 5. Samstag den 29ten Januar.
  6. Geheimer Brief-Wechsel zwischen den Lebendigen und den Todten. No. 54. 3. Februar. 1790.
  7. Eilfte Beilage zu Politischen Gesprächen der Todten. Samstag den 6ten Februar 1790.
  8. Fünfzehnte Beilage zu politischen Gesprächen der Todten. Samstag den 20sten Februar 1790.
  9. Siebenzehnte Beilage zu politischen Gesprächen der Todtn. Samstag den 27ten Januar 1790.
  10. Politische Gespräche der Todten über die Begebenheiten des 1790sten Jahrs. Nro. 11. Freytag den 12ten Merz.
  11. Drey und zwanzigste Beilage zu politischen Gesprächen der Todten. Samstag den 20sten Merz 1790.
  12. Zwölfte Beilage zu Politischen Gesprächen der Todten. Dienstag den 9ten Februar 1790.

Literatur.[]

  • Ausführliche Geschichte des Krieges zwischen Rußland, Oesterreich und die Türkey, und des daraus entstandenen nordischen Krieges. Wien, 1791. Gedruckt und verlegt von Joseph Georg Oehler.
  • Geschichte des Oesterreich-Russischen und Türkischen Krieges, in den Jahren von 1787 bis 1792, in den Jahren von 1787. Bis 1792. Nebst Aktenstücken und Urkunden. Leipzig bei Wilhelm Gottlob Sommer 1792.
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