Rostock.[]
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Rostock, die größte Stadt des Großherzogthums Mecklenburg-Schwerin, im Warnow- oder Rostocker District, liegt an der schiffbaren Warnow, welche zwei Meilen von demselben in die Ostsee fällt. Rostock hat ein heiteres, freundliches Ansehn, und besteht aus der Altstadt, mittlern Stadt und der Neustadt. Die Stadt, welche viele besondere Vorzüge genießt, z. B. eine ganz freie Verfassung, das Münzrecht, enthält ein Jungfrauenkloster zum heiligen Kreuz, 9 Kirchen, darunter die Marienkirche mit den Gebeinen des Hugo Grotius sich auszeichnet, ein Zucht- und Waisenhaus, zwei Hospitäler, 2200 Häuser und 14,300 Einwohnern. Es ist hier eine im Jahre 1419 von den Herzogen Johann und Albrecht im Verein mit dem Magistrat gestiftete Universität, welcher die von Bützow 1760 einverleibt wurde. Sie hat vier Facultäten, jetzt mit 22 ordentlichen Professoren, nämlich 4 bei der theologischen, 4 bei der juristischen, 4 bei der medicinischen und 10 bei der philosophischen Facultät. Auch gehören dazu eine Bibliothek, ein botanischer Garten, ein Münzkabinet, ein Museum, ein pädagogisch-theologisches Seminarium und eine naturforschende Gesellschaft, und auf dem nahen Carlshofe befindet sich eine Thierarzneischule. Außer den zahlreichen Handwerken und Künstlern sind hier eine Stärke-, eine Seifen-, eine Cichorien-, 3 Tabaksfabriken und 2 Zuckersiedereien. Die Stadt treibt einen ansehnlichen Handel, besonders mit Wolle, Getraide und Vieh, und hält jährlich eine Messe. Unter den Einwohnern zählt man daher 171 Kaufleute, 59 Branntweinbrenner und 98 Schiffer. Der Hafen der Stadt ist an der Mündung der Warnow in die Ostsee, bei dem Flecken Warnemünde, wo jährlich gegen 700 Schiffe aus und einlaufen. Bemerkenswerth ist auch, daß Rostock der Geburtsort des berühmten Fürsten Blücher ist, dem jetzt von dem Lande ein Denkmal errichtet wird. Rostock, obgleich schon 1161 eine wendische Stadt, wurde 1218 von dem Fürsten Heinrich Borwin I. zu Meklenburg mit der Stadtgerechtigkeit versehen. Von 1257 bis 1301 war es die Residenz der Herren zu Rostock, und seit 1323 meklenburgisch, und zwar von 1352 bis 1471 den schwerinschen Herzogen, in den folgenden Landestheilungen aber (1555 bis 1621) beiden regierenden Linien zu Schwerin und Güstrow gemeinschaftlich, und nach Erlöschung der letzteren (1695) der schwerinischen Linie wieder allein zugehörig.
Von Reisende.[]
Johann Friedrich Zöllner.[]
Rostock, den 15ten August 1795.
Bald hinter Damgarten kamen wir auf die Mecklenburgische Grenze. Der Boden ist in dieser Gegend bei weiten nicht mehr so fruchtbar, als in schwedisch-Pommern. Einen Wald von Eichen, Buchen, frischem Unterholze und Kieferkämpen, der etwa eine halbe Meile lang ist, fanden wir mit schönem Wilde bevölkert, das gar nicht scheu war. Ein paar wilde Schweine unter andern brachen mit sechs oder acht Jungen am Wege so ruhig, als wenn sie noch nicht wüssten, daß ihr Sicherheitsbrief längst zu Ende gegangen ist.
Rostock sieht man schon in einer Entfernung von anderthalb Meilen. Seine vier höchsten Türme ragen weit über alle kleine Anhöhen empor, von denen es an dieser Seite umgeben ist. Die Stadt hat im Ganzen ein sehr empfehlendes Ansehn, ungeachtet viele Straßen schmahl und krumm sind, auch mehrere bergauf und bergab gehn. Die Neustadt ist ungleich besser gebaut als die Altstadt, welche von jener durch einen Kanal getrennt wird. Von einem ganz guten Geschmacke zwar auch in erstern nicht sehr viele Häuser, aber die meisten sind hübsch; und da die Einwohnen viel auf das Abputzen derselben zu halten scheinen: so lacht dem Fremden überall eine gewisse Reinlichkeit und Nettheit entgegen. Die sonderbare Art, die Gebäude mit schwarzgrauem Putze zu bewerfen, und dann kleine Glasscherben hinein zu mischen, wol Figuren von Glas darauf zu kleben, (wie man es auch in Lübeck findet,) scheint durch einen besseren Geschmack verdrängt zu werden. Noch stehn viele Giebelhäuser in den Straßen, und manche sind mit unendlichen Schnörkeln verziert. Das Finstre, welches sonst diese Bauart hat, wird indessen sehr dadurch aufgeheitert, daß man die tiefen Haustüre artig ausputzt. Oft sind sie in der Mitte mit Glastüren verschlossen, so daß man sich gleich beim Eintritt ins Haus in einem kleinen Saale befindet, der mit Spiegeln Sophas, Uhren, Stühlen, Gipsfiguren etc. geziert ist, und in heißen Sommertagen einen eben so kühlen als erheiternden Aufenthalt gewährt. Es nimmt sich in der Tat ungemein gut aus, einmal über das andere auf einem solchen Flure Damen mit ihrer Arbeit sitzen zu sehn, deren Putz durch die Dekorationen des Zimmers gehoben wird, und die an allem, was auf der Straße vorgeht, einen so unmittelbaren Anteil nehmen können, als wenn sie unter freiem Himmel säßen. Vor vielen Häusern sind kleine schmahle Plätze, wie wir sie etwa unter unsern Fenstern mit Gitterwerk einschließen, mit Fliesen gepflastert und von Pfählen, die durch Ketten verbunden sind, auch wol von Bäumen umgeben. Die Sauberkeit dieser Plätze und die schönen Fenster von Böhmischem Spiegelglase geben der Stadt ein so wohlhabendes und heiteres Ansehn, wovon ich einen ähnlichen Eindruck noch in keiner andern Stadt gefunden habe; ungeachtet Rostock sonst sehr viel Ähnliches mit Lübeck hat.
Der Markt ist ein ansehnlicher viereckter Platz, auf welchem in der Mitte ein Brunnen und der Schandpfahl (Kahk) stehn. Beide könnten besser ins Auge fallen, wofern man nicht lieber den letzteren gan hinweg nehmen wollte. Die Häuser, welche den Marktplatz einschließen, sind lauter Giebelhäuser. Das Köblerische Wirtshaus, worin wir wohnen, gibt demselben kene geringe Zierde. Es ist groß, drei Stockwerke hoch, und in einem guten Geschmack gebaut, dagegen viele der übrigen Gebäude mit Schnörkelwerk überladen sind. Den größten Teil der östlichen Seite des Marktes nimmt das Rathaus ein. Der vorspringende, drei Stockwerk hohe Teil desselben, scheint erst in neueren Zeiten angebaut zu sein; wenigstens sind die sieben Türmchen, die sonst wol eine Zierde der ursprünglichen Fassade waren, jetzt von vorn kaum sichtbar. Unten sind Schwibbogen, worin Waren verkauft werden. Das schönste Gebäude ist das Palais, worin sonst der Herzog vermöge seines Vergleichs mit der Stadt, jährlich eine Zeitlang residierte, jetzt aber der hier studierende Erbprinz wohnt.
Der sehr hohe Wall ist ein angenehmer Spaziergang. Ein Graben, der aus einem Arme der Warnow bewässert wird, umzieht denselben, und oben hat man überall im Schatten der Linden, die doch schöner wären, wenn man sie nicht geschoren hätte, eine angenehme Aussicht, bald auf Gärten, bald auf den Fluss. Von einer Stelle sieht man ein weißes hohes Haus von Warnemünde und neben demselben die Ostsee, auf der eben mehrere Schiffe ankamen oder vor Anker lagen.