Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Staatsveränderung im Hochstift Lüttich.[]

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Der achtzehnte August 1789.

Unter den Einwohnern des Hochstifts Lüttich herrschte schon geraume Zeit Mißvergnügen, indem sie behaupteten, daß die Rechte des Volks unterdrückt würden und der Hof das Ansehen der Landstände und Städte zu sehr herabsetze. Als die französische Revolution ausbrach, kam auch das Lütticher Volk in Gährung, und um dem Ausbruch zuvor zu kommen, that der Bischof dem Domkapitel den Vorschlag, die Landstände zusammen zu berufen, in deren Versammlung die Geistlichen auf ihre bisherige Befreyung von Abgaben Verzicht leisten und alle Klassen der Staatsbürger in Absicht der öffentlichen Lasten auf gleichen Fuß gesetzt werden sollten. Das Volk war hiemit zufrieden, aber noch nicht ganz, denn es hatte ausser diesen noch andere Beschwerden. Es wollte z. B. in der Versammlung der Stände eben so, wie der Adel und die Geistlichkeit, repräsentirt seyn, die Mängel der Gesetze verbessert, und die bürgerliche Freyheit gegründet wissen. Am 16ten August steckte ein Theil des Volks die Vaterlands-Kokarde auf; am 17ten folgten mehrere nach, und am 18ten setzte es die beyden bisherigen Bürgermeister ab, die es beschuldigte, das Volk verrathen zu haben, doch ohne ihnen etwas zu Leid zu thun. Man schritt zu einer neuen Wahl, und das Volk ernannte -- seit 1648 zum erstenmal wieder -- seine Bürgermeister und den Rath. Die neu hergestellte Bürger-Militz erhielt, während dies vorgieng, überall die strengste Ordnung und nur der einzige Fehler gieng vor, daß man die Gefängnisse öffnete, und die Gefangenen los ließ. Sonst sah man nicht den mindesten Exeß, geschweige daß ein Tropfen Bluts vergossen worden wäre, das bey der französischen Staatsveränderung bekanntlich in Strömen rann.

Nachdem dies geschehen war, wurde eine Deputation an den Fürstbischof in sein Schloß Seraing abgeschickt, ihm den Wunsch des Volks zu eröffnen, daß es seine Gegenwart wünsche. Er war es sogleich zufrieden, und als er in der Stadt erschien, spannte man die Pferde aus, und zog seinen Wagen unter dem grösten Jubel durch die Strassen. Er unterzeichnete auf dem Rathhaus alles, was an diesem Tag geschehen war, der mit Erleuchtungen und tausend Freudensbezeugungen endete.

So war der Druck der geistlichen Aristokratie in wenigen Stunden von dem Volke genommen, und die Revolution von Lüttich hatte sogleich ein Ende.


Das Gouvernement zu Brüssel schickt Truppen nach Lüttich.[]

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Den 20. December 1790.

Schon seit dem Jahre 1785 stritt man sich in Lüttich, ob der Fürstbischof über Gegenstände der Polizey allein Verfügungen erlassen könne, oder ob er hierzu der Einstimmung der Stände bedürfe. Der Ausbruch der französischen Revolution erhitzte die Köpfe des Volks, es wollte seine Rechte durch die Gewalt der Waffen entscheiden, setzte die Magistratspersonen ab, und ernannte an deren Stelle andere. Das Reichkammergericht erließ ein scharfes Mandat, wodurch alles, was zu Lüttich vorgegangen war, gemißbilligt, und den kreisausschreibenden Fürsten des westphälischen Kreises der Auftrag ertheilt wurde, mit erforderlicher Mannschaft, auf Kosten der lütticher Rebellen, öffentliche Ruhe und Sicherheit wieder herzustellen. Da Preußen den Weg der gütlichen Vermittlung zweckmäßiger fand, so requirirte das Kammergericht am heutigen Tage das Gouvernement zu Brüssel, unter dem Titel des burgundischen Kreises, die Vollziehung seiner Decrete zu bewirken. Die Regierung zu Brüssel eilte damit so sehr, daß schon vierzehn Tage nachher ein hinreichendes Corps Oesterreicher ins Lüttichische einrückte. Die Lütticher unterwarfen sich völlig. Der Bischof kam mit dem Domcapitel am 13. Februar 1791 nach seiner Residenz zurück, und nahm von allen Vorrechten, die er vor der Revolution ausübte, wieder Besitz. Die neuen Magistrate wurden abgesetzt, und die Urheber der Revolution als Rebellen bestraft.


Zeitungsnachrichten.[]

1790.[]

Lüttich vom 11ten dieses. [3]

Der Fürstbischof von Lüttich hat auf das Einladungsschreiben des Klevischen Direktoriats geantwortet, daß er sich erstens berathschlagen und reiflich überlegen müsse, um dem Klevischen Direktoriat beizupflichten, was in der Angelegenheiten dieses Landes zu thun ist. Der Lütticher ziehen aus dieser Verzögerung einen glücklichen Ausgang für ihre Sache.

Mastricht vom 24sten dieses. [4]

Es wird bei uns als eine Gewißheit erzählt, daß der Fürst Bischof von Lüttich den Antrag, den der König von Preusen entworfen, zum Vergleich annehmen werde: mit der Bedingung, daß die Häupter der Revolution exilirt, und aus dem Lande verwiesen werden. Deswegen, sagt man, ist Herr Chestret mit dem Herrn Bassange nach Berlin abgegangen, um dieses Unglück von sich abzulehnen.

Lüttich vom 26sten dieses. [5]

In der Antwort des Fürst Bischofs an den preusischen Kriegsdirektorialgesandten, Herrn von Dohm, datirt von Trier vom 9ten dieses, sieht man, daß obgedachter Fürst immer auf der unbedingten Erfüllung des Dekrets von Wetzlar bestehe. Das heißt wirklich seine gerechte Sache standhaft fordern.


Quellen.[]

  1. Neues historisches Handbuch auf alle Tage im Jahr mit besonderer Rücksicht auf die Ereignisse der neuesten Zeiten von Wagenseil Königl. baier. Kreißrath. Augsburg und Leipzig in der Jenisch und Stageschen Buchhandlung.
  2. Denkwürdigkeiten aus der Geschichte der österreichischen Monarchie. Auf jedem Tag des Jahrs gesammelt. Von G. A. Griesinger. Wien. Bey J. V. Degen, Buchdrucker und Buchhändler. 1804.
  3. Fünfte Beilage zu politischen Gesprächen der Todten. Freytag den 15ten Januar 1790.
  4. Geheimer Brief-Wechsel zwischen den Lebendigen und den Todten. No. 4. 27. Januar. 1790.
  5. Neunte Beilage zu Politischen Gesprächen der Todten. Freytag den 30ten Januar 1790.
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