Reichsstadt.[]
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Reichsstadt, in Deutschland, war eine dem Kaiser und Reich unmittelbar unterworfene Stadt, die Sitz und Stimme auf dem Reichstage hatte. Solche Städte hatten entweder von jeher ihre Unmittelbarkeit, oder sie wurden von Kaisern unmittelbar gemacht und der Gewalt ihrer vorigen Landesherren entzogen; theils erkauften sie auch die Freyheit von denjenigen, die sonst über sie zu befehlen hatten, oder sie kamen, bey Erlöschung der fürstl. Häuser, unter denen sie stunden, unmittelbar unter das Reich.
Nebst der Unmittelbarkeit besassen diese Städte die Regalien und Rechte, die andern Reichsständen zukamen; und verschiedene hatten auch ihr Gebieth.
Die Regierungsform in diesen Städten war nicht einerley Art. In den ältesten Zeiten wurde der Rath und die obrigkeitlichen Aemter, theils mit eingebohrnen und begüterten Bürgern, theils auch mit Personen von dem Landadel besezt, der, aus mancherley Ursachen, sich in die Städte zog, und nicht nur bürgerliche Rechte, sondern auch, und zwar mit gutem Willen der Bürger, obrigkeitliche Würden erlangte, welche endlich nur gewissen Familien oder Geschlechtern eigen wurden. dieses gab, jedoch erst in spätern Zeiten Anlaß, daß Rechtsgelehte, die alles nach Römischer Verfassung benennen wollten, diesen Theil der Bürger, der zu Rathsstellen und obrigkeitl. Aemtern fähig war, Patricier benennten. Da diese allein den Zutritt dazu hatten und ihre Gewalt öfters mißbrauchten, so entstunden, besonders im 14ten Jahrhundert, Bewegungen unter der Bürgerschaft, durch welche das zünftische Regiment eingeführt wurde. Jedes Handwerk, das einen, oder, wann es zahlreich war, 2 Männer in den Rath zu geben hatte, hieß eine Zunft. Von Handwerkern, die nicht zahlreich waren, thaten sich 2 oder mehrere zusammen. Jeder Bürger sollte sich in eine Zunft begeben, wenn er auch das Gewerbe derselbe nicht trieb; wiewohl doch auch hier und da denen, die mit keinem Handwerk etwas zu thun hatten und deren Aeltern schon von ihren Renten und Gütern lebten, eine eigene Gesellschaft (Geschlechterstube) bewilliget und aus derselben eben so wohl, als aus den Zünften, eine Anzahl gewählt wurde. So wie jede Zunft ihren Vorsteher oder Zunftmeister hatte, so hatten auch die Rathsglieder, die aus den Zünften genommen wurden, ihren gemeinschaftlichen Vorsteher, welcher der oberste Zunftmeister hieß. Diese zünftische Verfassung, die am ersten in den Helvetischen Städten eingeführt ward, wurde im 16ten Jahrhundert von K. Carl V. in vielen Reichsstädten abgeschaft und ein Rath, der aus Geschlechtern meistentheils bestund, dafür aufgerichtet. Es war also die Verfassung in den Reichsstädten verschieden. Einige hatten ihr Patriciat, und eine aristokratische Verfassung, die mehr oder weniger Zusatz von Demokratie hatte. In andern fand sich noch die zünftische Einrichtung.
Die Zahl der Reichsstädte war sonst größer, als in spätern Zeiten; da dem Reiche nach und nach ansehnliche Länder entzogen, und viele deutsche Reichsstädte von den Kaisern verpfändet und nicht eingelöset, viele auch von Fürsten unterwürfig gemacht wurden. so sind 10 Reichsstädte in Elsaß, näml. Hagenau, Colmar, Schletstadt, Weissenburg, Landau, Ober-Ehnheim, Rosheim, Münster in St. Gregorienthal, Kaisersberg und Türkheim, an Frankreich gekommen: Altenburg, Zwickau, Chemnitz, Eger, verlohren durch Verpfändung ihre Unmittelbarkeit; Donauwörth kam, durch die kaiserl. Acht, unter den Herzog von Bayern.
Die Reichsstädte theilten sich in 2 Bänke, die Rheinische und die Schwäbische; und diese Abtheilung nahm auf dem Reichstage zu Augsburg 1474 ihren Anfang. Denn als damals die sämmtlichen Abgeordneten der Reichsstädte eine Zusammenkunft auf dem Rathhaus hielten, und die Rheinischen, Elsassischen, Wetterauischen, Thüringischen und Sächsischen besonders auf einer Seite, die Schwäbischen und Fränkischen hingegen auf der andern ihren Sitz nahmen: so verglichen sie sich mit einander, daß in Zukunft, zu Vermeidung alles Rangstreits eben diese Art zu sitzen bey dergleichen Versammlungen sollte beobachtet werden.
Es saßen also auf der Rheinischen Bank 14 und auf der Schwäbischen 37 Reichsstädte. Sie alle, bis auf die sechs beträchtlichsten, sind im J. 1802 bey den großen Umwandlungen in unserm Vaterlande den benachbarten Fürsten als Landstädte zugetheilt worden; doch so, daß sie unter die am meisten begünstigten Orte jedes Landes gehören sollen. Die der im Hauptdeputationsschluß 1803 angesezten Reihe: Augsburg, Lübeck, Nürnberg, Frankfurt, Bremen, Hamburg. Als Handelsstädte sollten sie bey allen künftigen Kriegen, in welche das reich verwickelt wird, für neutral gelten, über Krieg und Frieden keine Stimme haben, und daher auf immer von allen ordentlichen und außerordentlichen Kriegsbeyträgen befreyt seyn; ihre Reichsstandschaft und Landeshoheit sollte bleiben und sie das dritte Kollegium auf dem Reichstag, aber nicht mehr zwey Bänke bilden. Mit der Auflösung der Reichsverfassung änderten sich diese Verhältnisse. Augsburg und Nürnberg kamen 1806 an den König von Baiern und Frankfurt an den Fürsten Primas. Die drey Hansestädte scheinen sich unter französischen Auspicien frey zu erhalten, u. ihnen ist noch als vierte Hansestadt Danzig beygefügt.
Quellen.[]
- ↑ Geographisch- Historisch- Statistisches Zeitungs-Lexikon von Wolfgang Jäger, Professor der Geschichte zu Landshut. Landshut, bei Philipp Krüll, Universitätsbuchhändler. 1811.