Von Reisende.[]
Ralph Fell.[]
- [1800]
Das Zuchthaus und Spinnhaus, -- Gefängnisse zu Bestrafung und Besserung der Verbrecher beiderlei Geschlechts, -- können von jedermann gegen Erlegung eines kleinen Trinkgeldes von zwei Stübern für den Gefangenwärter in Augenschein genommen werden. Im Zuchthause beschäftigen sich die Gefangenen mit Sägen und Reiben des Campeche-Holzes und anderer Farbehölzer. Sie müssen täglich funfzig Pfund reiben, eine Arbeit, die sie an einem Nachmittage, wenn sie stark und fleissig sind, verrichten können. Das Zuchthaus ist ein viereckigtes drei Stockwerk hohes Gebäude mit einem Hofe in der Mitte, der sehr schmutzig und mit einer Menge hölzerner Pfähle bedeckt war. Es werden hier nur Männer verwahrt und ihre Anzahl belief sich auf siebenzig. Die Hauptverbrecher befinden sich auf dem Flur, je zwei in einer Zelle, die ein offnes durch eiserne Stäbe verwahrtes Fenster hat, in welcher sie schlafen und arbeiten; sie waren ohngeachtet ihrer sauern Arbeit stark gefesselt. Alle Arbeiteten hier ohne Hemde und ich bemerkte auf einigen Rücken Striemen, die nicht mit sparsamer Hand ausgetheilt waren. Wenn ich sage, dass ihre Arbeit des Nachmittags verrichtet werden kann, so behaupte ich damit nicht, dass sie leicht sey; es findet vielmehr das Gegentheil Statt: aber die Züchtlinge arbeiten desto eifriger des Morgens, um sich für den Abend Erholung zu verschaffen.
Ehemals wurden die Nachlässigen Arbeiter in einen Behälter gesteckt, wohin man Wasser in solcher Menge leiten konnte, dass die Gefangenen, um sich vom Ertrinken zu retten, beständig pumpen mussten; hierdurch bekamen sie dann bald wieder zur weniger gefährlichen und unangenehmen Arbeit des Holzreibens Lust. Aber diese barbarische Methode, die Verbrecher zur Arbeit zu zwingen, wurde abgeschafft, als ein durch seine Lage in Verzweiflung gestürtzter Unglücklicher einst das Wasser überströmen liess und ertrank. Körperliche Strafen, einsame Verwahrung und Entziehung der Speisen sind jetzt Mittel, wodurch man die Widerspenstigen zur Arbeit zwingt, und ich fürchte, sie werden mit einer solchen Härte angewandt, dass man den beabsichtigten Zweck nie verfehlt.
Im Ganzen scheinen die Züchtlinge durch die Einkerkerung, ungesunder Luft, schlechte Nahrung, harte Behandlung und schwere Arbeit sehr mager geworden zu seyn. Ihre Zellen sind ausserordentlich schmutzig und ihre Betten, -- Matrosen-Hängmatten, -- befinden sich in einer elenden Verfassung.
Die Dauer der Gefangenschaft ist nach Beschaffenheit der Verbrechen von einem Monat bis auf fünf Jahre verschieden; bei besonders schweren Vergehen und hartnäckigen Verbrechen dauert sie sieben bis vierzehn und mehrere Jahre, zuweilen, -- doch dieser Fall ist selten, -- wird ein Delinquent zu lebenslänglicher Gefangenschaft vorurtheilt.
Von dieser letzten Art befand sich hier nur ein Einziger. Die moralische Schändlichkeit seiner That war gross; nimmt man aber auf die Triebfedern der Menschen und ihre Schwäche Rücksicht: so bin ich geneigt zu glauben, dass die Strafe mit dem Vergehen in keinem Verhältniss stand. Er war einst ein vornehmer und angesehner Kaufmann, dem die Fonds zur Unterhaltung und Versorgung der Amsterdamer Wesen anvertraut waren. In diesem Amte missbrauchte er das in ihn gesetzte Vertrauen und blieb sechzig Tausend Gulden schuldig. Die Sache ward entdeckt, man machte ihm den Prozess und wie der Beweis vollkommen war, wurde er zur Genugthuung des Publikums zu lebenslänglichem Gefängniss verurtheilt. In England wäre diese That wie ein blosser Betrug behandelt und mit Landesverweisung oder einer Gefangenschaft von bestimmten Jahren bestraft worden. Der Missbrauch eines Zutrauens, das man besonders heilig halten sollte, vergrösserte freilich die Schuld: aber man muss auch bedenken, dass die Verführung zum Missbrauch mit diesem Zutrauen im Verhältniss stand.
Dieser Plünderer der Waisenkasse hatte die Miene eines ganz gemeinen Bösewichts. Er ging im Hofe frei und ohne Fesseln umher, und schien durch seine Lage wenig niedergebeugt zu seyn, ohngeachtet ihn seine Mitgefangenen wie einen Verbrecher behandelten, dessen Schuld die ihrige weit überträfe, und mich auf ihn durch meinen Lohnbedienten, der die Stelle des Dollmetschers vertrat, als auf einen Bösewicht aufmerksam machten, der den grössten Abscheu verdiene.
Mehrere Züchtlinge arbeiteten nicht, und ich erfuhr, dass man diese Befreiung von der Arbeit mit Geld erkaufen könnte. Im Ganzen täuschte dieses Gefängniss meine Erwartungen sehr. Das Amsterdamer Zuchthaus war mir von mehrern Personen in Holland als ein Muster seiner Art geschildert worden; auch hatte ich in verschiedenen Büchern über Holland eine vortheilhafte Beschreibung davon gelesen. Aber in jeder Hinsicht fand ich mich betrogen. Der Ort selbst ist schmutzig und die Behandlung grausam. Diejenigen, die die Menschlichkeit des Gefangenwärters zu bestechen im Stande waren, wurden mit Sanftmuth behandelt; der dürftige Gefangene aber, den wahrscheinlich bittrer Mangel und nagender Kummer zu Vergehungen gereizt hatte, wurde mit saurer Arbeit überladen und mit beständiger Strenge gequält.
Über dem Thore des Zuchthauses steht eine schlecht gearbeitete die Strafe vorstellende hölzerne Figur, mit einer Ruthe und zwei gefesselten Verbrechern zu ihren Füssen; neben ihr erblickt man verschiedene Straf- und Tortur-Instrumente. Die lateinische Inschrift:
Virtutis est domare, quae cuncti pavent, bezeichnet die Nothwendigkeit und den Nutzen der Gefängnisse.
Quellen.[]
- ↑ Fell's Reise durch die Batavische Republik Aus dem Englischen übersetzt, und mit Anmerkungen begleitet von D. Karl Murhard. Leipzig, bei C. H. Reclam. 1805.