Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Siebenzehntes Quartier St. Benoit.[]

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Beim Anfange dieses Quartiers am Petit Pont lag sonst das Petit Chatelet, es ist aber, wie bereits an einem andern Orte gesagt worden, abgetragen, und dadurch diese enge und volkreiche Gegend gesünder und freier geworden. *) Nicht weit davon lagen die Ecoles de Medecine, oder die Hörsäle der medizinischen Fakultät; sie sind aber nicht weit davon nach der Rue St. Jean de Beauvais in die ältern Hörsäle der Juristen Fakultät, welche neue Gebäude bekommen hat, (wovon weiter unten,) verlegt worden. Die Professoren hören Sonnabends alle Kranken, die sich melden, umsonst, gegen ihnen guten Rath, und besuchen sie hernach auch. Vier Professoren lesen täglich; zween über die Physiologie und Pflanzen früh, und zween über die Pathologie und Chirurgie Nachmittags. Zween lesen öffentlich über die Anatomie, und die Stadt giebt die Kadaver her. Im Sommer führt einer die Studenten botanisiren. Der Dekanus ernennt zween Lehrer, welche diejenigen, die Apotheker werden wollen, in der Kenntniß der Apothekerwaaren und Kräuter unterrichten, und auch die Apotheken der Stadt zuweilen visitiren, und Acht geben müssen, ob lauter gute Sachen vorhanden sind. Die Fakultät hat ihre eigne Bibliothek, welche alle Donnerstage offen steht.

*) Man sehe den sechszehnten Brief bei den neuen Gefängnissen des Quartiers St. Antoine.

Nicht weit von diesem Gebäude liegt das ehemalige College de Beauvais, jetzt Lisieux, wie denn überhaupt dies Quartier voll von Kollegien ist, die zur Universität gehören, aber nicht alle angeführt zu werden verdienen. In der dazu gehörigen Kirche des heil. Johannes hat le Brun denselben auf der Insel Pathmos auf dem Altare abgebildet. Nach der Verjagung der Jesuiten ist dies Kollegium zu dem von Ludwig dem großen geschlagen, und das College de Lisieux ist in dieses verlegt, weil es wegen des Baues der prächtigen Kirche von St. Genevieve abgetragen worden. Franz Xaver, und der durch seine Gesandtschaften bekannte Kardinal Ossat eine Zeitlang gelehrt. Hier lehrten außerdem in diesem Jahrhunderte noch ein Paar gelehrte Männer, die sich durch ihre Schriften bekannt gemacht haben, nämlich Karl Rollin, welcher 1741. starb, und Coffin, welcher ihm 1749. folgte. Letzterer hat das große Verdienst um die Universität zu Paris, daß er es dahin brachte, daß die Kollegia auf derselben umsonst gelesen werden, wofür den Professoren von dem Könige der 28ste Theil des Pachts von den Posten und Messagerien zum Gehalte angewiesen ward.

In dieser Gasse St. Jean de Bauvais liegt auch die privilegirte königliche Notendruckerei. Sie ist die einzige in Paris, und die Familie Ballard besitzt das Privilegium von 1552. bis auf den heutigen Tag. Ferner liegt hier eine ansehnliche Komenthurei des Malteser Ordens, St. Jean de Latran genannt; zu der viele Häuser gehören, die von nicht zünftigen Handwerkern bewohnt werden, weil ihnen die Zünfte hier nichts anhaben können. Der Komenthur hat Ober- und Niedergerichte. Die Kirche ist schon ums Jahr 1200. gebauet. Man sieht darin das marmorne Grabmal von de Souvre, Ambassadeur seines Ordens und nachmaligen Großpriors. Er starb 1671. ward aber im Temple begraben, nachdem er schon einige Jahre vorher, ehe er Großprior ward, dies Zenotaphium für sich errichten lassen. Der Meister heißt Michael Anguier. Die beiden Termen auf den Seiten nehmen sich schlecht aus. Souvre ist halb liegend auf dem Grabe abgebildet. Ein Engel hält ihn; zu seinen Füssen stehen Helm und Harnisch.

Aus dieser Komenthurei kömmt man auf dem Platz Cambray, welcher den Namen von dem daran liegenden College de Cambray hat, darin eine gewisse Anzahl Stipendiaten mit ihren Lehrern wohnen. Von den sechs Professoren der Juristenfakultät lesen zween hier. Außerdem hat Ludwig XIV. auch einen Lehrstuhl für das französische Recht darin gestiftet.

Auf diesem Platze steht auch eines der vornehmsten Kollegien in Paris, nämlich das vom Könige Franz I. gestiftete College Royal. *) Es ist vor wenig Jahren ganz neu gebauet, und besteht aus einem Mittelgebäude mit zween Flügeln. Anfangs sollten hier blos Sprachen, und vornämlich morgenländische gelehrt werden; nach der Zeit sind aber andere Wissenschaften hinzu gekommen, so daß jetzt 19 Lehrstühle vorhanden sind. Auf diesen wird gelehrt Hebräisch, Syrisch, Arabisch, Türkisch und Persisch, Griechisch, die lateinische Beredtsamkeit und Poesie, die französische Litteratur, die Geometrie, die Anatomie, die Mechanik, die Experimentalphysik, die Naturhistorie, die Chemie, die praktische Medizin, das kanonische, Natur- und Völkerrecht, und die Geschichte. Die hiesigen Professoren machten sonst ein besonderes Korps aus, und es gab beständig Zänkereien mit der Universität; endlich ist dies Kollegium 1775. mit der Universität vereinigt worden.

*) Man findet viel von diesem Kollegio und dem Studio der morgenländischen Litteratur zu Paris im 1. und 2. von Björnstähls Briefen, im 1. Bande.

Die lange Rue St. Jacques ist für die Litteratur und Künste merkwürdig. Hier haben die meisten Buchhändler ihre Laden. Man trifft daher auch alles, was der Buchhandel, von dessen Wichtigkeit in Paris schon an einem andern Orte geredet worden, nach sich zieht, nämlich viele Buchdruckereien, Buchbinder, Kupferstecher, Kupferhändler, u. s. w. an; manche wohnen auch in den Nebengassen, du Foin, des Mathurins, de la Harpe, xc. In der Rue du Foin lieset man über einer Thüre: Chambre Royale des Libraires et Imprimeurs. In diesem Hause halten nicht nur Buchhändler und Buchdrucker die Zusammenkünfte, sondern es werden auch alle aus den Provinzen und andern kommende Ballen mit Büchern Dienstags und Freitags von der darzu niedergesetzten Commission visitirt. Es dürfen auch keine Bücheraukzionen, sie mögen groß oder klein seyn, ohne vorgängige Besichtigung von dieser Kommission gehalten werden.

In der Gasse St. Jacques liegt die Kollegiat- und Pfarrkirche St. Benoit, welche diesem Quartier den Namen giebt. Das Chor ist mit korinthischen Pilastern nach der Angabe von Claude Perrault verziert. Dieser Uibersetzer des Vitruvs und Angeber der Kolonnade des Louvre liegt auch so wohl, als sein Bruder Karl Perrault, hier begraben. Letzterer veranlaßte den langwierigen Streit über den Vorzug der Alten und Neuern durch seine Parallele des Anciens et des Modernes. Bon andern berühmten Männern, die hier ihre Ruhestätte haben, führen wir die Kupferstecher Guillaume Chateau und Gerhard Audran: den Jean Domat, Verfasser des schönen Werks: Les Loix civiles dans leur Ordre naturel; den Antiquar und Doktor der Medizin Vaillant, und den großen Schauspieler Michael Baron, an.

Weiter hinauf liegt das College du Plessis, welches zur Sorbonne gehört, und dem Kardinal Richelieu das meiste zu danken hat. Es ist eines von den zehen Kollegien, die man de plein exercice nennt. Noch weiter hin stößt man auf

Das College de Louis le Grand. Es gehört ehemals den Jesuiten: nach ihrer Verjagung 1764. hat der König es der Universität eingeräumt. Die herrliche Bibliothek von mehr als 50000 Bänden, und das Münzkabinet sind zum Behufe der Kreditoren verkauft. Der Haupteingang ist erneuert, und hat ein auffallendes Ansehen. Die innern Gebäude sind ungemein weitläufig, und schließen sechs Höfe ein. Es haben über 600 Studenten Platz darin, ohne die vielen Lehrer. Im ersten Hofe vom Eingange sind die Klassen oder Hörsäle. Die Universität hat große Veränderungen in dem Gebäude vorgenommen. Das Archiv derselben wird hier aufbewahrt, und die Vorsteher halten ihre allgemeinen Zusammenkünfte darin. Den alten Professoren aus den übrigen Kollegien wird, wenn sie ihr Amt nicht mehr verrichten können, in diesem eine Wohnung angewiesen. Uibrigens werden hier alle zu einem Kollegio erforderliche Klassen nach der Pariser Einrichtung gehalten, und alle Stipendiaten der kleinen Kollegien sind zu diesem gezogen. Die Bibliothek der Universität steht Montags, Mittwochs und Sonnabends Vormittags und Nachmittags offen.

Das Kloster der Jacobins, mit welchem Namen man die Predigermönche oder Dominikaner belegt, ist sehr alt, und hat den Namen von der Gasse St. Jacques. Es ist nebst der Kirche von dem heil. Ludwig gebauet. Alles hat ein gothisches Ansehen, ohne die geringste Symmetrie. Für die Geschichte ist die Kirche merkwürdig; denn es liegen 22 Prinzen und Prinzessinnen aus königlichem Geblüte darin begraben. Die vornehmsten sind: Der Graf Robert von Clermont, ein Sohn des heil. Ludwigs, Stammvater des königlichen Astes vom Hause Bourbon; er ruhet in der Kapelle der Bourbons; der Graf Karl von Valois, von dem die valesischen Könige abstammen: Ludwig, Graf von Evreux, ein Sohn Königs Philipp III. dessen Nachkommen Könige von Navarra wurden. Außer diesen trifft man Begräbnisse von vielen fürstlichen und gräflichen Personen, und von vielen wenigstens ihre Herzen an, z. B. die Eingeweide Königs Philipps VI. dessen marmorne Statue man auf seinem Grabe sieht. Vor dem Altare liegt Humbert de la Tour du Pin, Herr von Dauphine, welcher Dominikaner ward, und seine Länder König Philipp VI. mit der Bedingung abtrat, daß der Kronerbe allemal den Titel Dauphin führen sollte. Er ist in Bronze abgebildet.

In der Gasse St. Etienne des Grecs, nicht weit von der Kirche dieses Namens, ist die Schule der Savoyarden befindlich. Es ist eine bekannte Sache, daß in Paris in allen Gassen eine Menge armer Knaben von allerlei Alter, und auch ziemlich erwachsene Bursche unter diesem Namen angetroffen werden, welche sich mit Schuhputzen, Gewerbe bestellen, Schornsteinfegen, Holzhacken, kurz durch die geringsten Arbeiten etwas zu verdienen suchen. *) Es sind aber bei weitem nicht lauter Savoyarden, sondern viele zum Theil von armen Eltern in Paris geboren, zum Theil aus verschiedenen Provinzen. Sie wohnen in den Vorstädten in sogenannten Chambrées, zu acht bis zehn beisammen, und haben einen alten Savoyarden zum Aufseher, bis sie sich selbst forthelfen können. Jeder hat den Tag über seinen angewiesenen Platz in den Gassen, und bringt Abends seinen Verdienst in die gemeinschaftliche Büchse; das Geld wird nach Gutdünken des Aufsehers zum Nutzen der Mitglieder angewandt. Diese Knaben liefen ehemals in der Unwissenheit herum, und wußten von der Religion gar nichts. Seit 1732. haben aber einige Geistliche deswegen Anstalten getroffen. Die vornehmste befindet sich in dem Hause, wovon jetzt die Rede ist, die übrigen Schulen, an der Zahl ungefähr zehen, sind in andern Gegenden, meist in den Vorstädten, wo sie wohnen, vertheilt.

*) S. den sechsten Brief.

Die berühmte Abtei der heil. Genevieve hat ein hohes Alterthum, indem sie bereits vom Könige Clodovig und der Königin Clotilde gestiftet worden. Sie gehört regulären Domherren, Augustinerordens, welche 70000 Livres Einkünfte und große Privilegien haben, auch unmittelbar unter dem päbstlichen Stuhle stehen. Die Kirche ist aus dem zwölften Jahrhunderte, groß und mit allerlei Merkwürdigkeiten versehen. Mitten im Chore ist das Grab Königs Clodovigs; die Statue mit Krone und Szepter ist erst 600 Jahre nach seinem Tide verfertigt, denn damals wußte man noch nichts von den französischen Lilien, die dabei angebracht sind. Der Körper der heil. Clothilde wird in einer Kapelle hinter dem Chore aufbewahrt. Der Hauptaltar steht frei, und das Tabernackel an demselben ist schön gearbeitet. Hinter diesem Altare bemerkt man vier marmorne ionische Säulen, welche den silbernen der heil. Genevieve tragen; vier weibliche Statuen über Lebensgröße scheinen ihn zu halten; bei öffentlichen Kalamitäten pflegt man den Kasten, weil diese Heilige die Schutzpatronin von Paris ist, in Prozession nach Notre Dame zu tragen. In einer Kapelle beim Hauptaltare ist das Grabmal des Kardinals de la Rochefoucauld, eines großen Wohlthäters dieser Kirche. Es ist von schwarzem Marmor; die Statue des Kardinals aber von weißem. Unschicklich ist die Idee, daß ein Engel die Schleppe des Kardinals trägt. *) An einem Pfeiler bemerkt man die Büste des berühmten Philosophen Descartes, der 1650. in Stockholm starb, und erst 17 Jahre darauf nach Frankreich gebracht, und hier begraben ward. Daneben ruhet das Herz seines Schülers, des Physikers Jakob Rohault. Von den vier großen Gemälden im Schiffe stellen drei Gelübde der Stadt Paris wegen überstandener Hungersnoth, und das vierte von Tourniere, eines dergleichen wegen der Krankheit Ludwigs XV. zu Metz 1746. vor. Wer Lust hat, kann in die reich verzierte unterirdische Kapelle hinabsteigen, und den Ort sehen, wo die heil. Genevieve 512. begraben worden. Es ist hier auch das Grab des heil. Prudentius, Bischofs von Paris, xc.

*) Saintfoix sagt mit Recht spöttisch: es sey zu bewundern, daß man diesem Pagen nicht lieber eine Livree gegeben, als ihn halb nackend vorzustellen. Essais hist. de Paris. T. 1. p. 155.

Der Saal der prächtigen Bibliothek, von 60000 Bänden, formirt ein Kreuz, und wird in der Mitte durch eine von Restout mit einer allegorischen Vorstellung von heil. Augustin sehr gut vermalte Kuppel erleuchtet. Nach der königlichen ist sie eine der besten in Paris, und hat Bücher aus allen Wissenschaften aufzuweisen. Sie stehen hinter Drathgittern in Schränken. Mittwochs und Sonnabends Nachmittags hat jedermann freien Zutritt, und kann sich ein Buch geben lassen. Hin und wieder stehen Brustbilder berühmter Männer in den Wissenschaften und Künsten. Den größten Zuwachs erhielt die Bibliothek durch die vom Erzbischof le Tellier zum Rheims, welcher die seinige hieher vermachte.

In ein Paar Seitenzimmern wird ein Naturalien- und Antiquitätenkabinet verwahret. Ersteres ist schlecht; letzteres aber durch die Sammlung des Peiresc ansehnlich. Der Pater du Molinet hat die meisten Verdienste darum, und auch 1692. eine Beschreibung davon mit Kupfern in Folio herausgegeben. Man sieht römisches Maaß und Gewicht, Waffen, Hausgeräthe, xc. Insonderheit aber alte Münzen. Von großen bronzenen Medaillen sind über 400, von mittel Bronze 1400, und von klein Bronze 1200, der silbernen 700 vorhanden. Auch von neuern Medaillen ist die Sammlung ganz ansehnlich. Von Jettons, die von Franz I, bis auf Ludwig XV. in Paris bei verschiedenen Gelegenheiten geschlagen worden, sind über 600 da. Der Herzog Ludwig von Orleans, der sich in den letzten Jahren oft in diesem Kloster aufhielt, und 1752. darin starb, hat auch eine Sammlung von geschnittenen alten Steinen geschenkt.

Nicht weit von der alten Kirche der heil. Genevieve bauet man, seit 1758. an eine neue, nach den davon bereits in Kupfer vorhandenen Rissen *) des verstorbenen Soufflot, welche in Ansehung der reinen edlen Architektur ohne viele Künsteleien, eine der schönsten Kirchen nicht nur in Paris, sondern in Europa, wird. Sie ist 250 Fuß breit, und 340 Fuß lang, die Halle mit eingeschlossen. Diese Halle vor dem Haupteingange giebt dem Gebäude ein ungemein prächtiges Ansehen. Sie hat 22 korinthische Säulen von 5½ Fuß im Durchmesser; wovon die vordern sechse einen Giebel, von mehr als 100 Fuß breit, tragen. Die innere Form der Kirche ist ein griechisches Kreuz, in dessen Armen rings umher Säulen stehen, auf denen das Gewölbe ruhet. Die Kuppel ruhet in der Mitte auf vier massiven dreieckigen Pfeilern, und wird 25 Klafter hoch, unter denselben kömmt der Reliquienkasten der heil. Genevieve zu stehen. Die Schiffe sind 80. Fuß hoch, und nach halben Zirkeln gewölbt. Es wird aber noch viele Jahr erfordert, bis der ganze Bau zu Stande kömmt, weil die dazu verordnete Lotterie nicht so viel einbringt.

*) Es sind sechs Blätter, von Belicard gestochen.

Vor der Kirche ist nach Soufflots Plan ein Platz angelegt, dessen Gebäude aus geraden und krummen Linien zusammengesetzt sind; und eine 114 Fuß breite Gasse soll gerade nach dem Luxembourg führen. Die beiden großen Hauptgebäude sind fertig; das auf der einen Seite hat man der Juristenfakultät zu ihren Hörsälen und Wohnungen angewiesen, und das auf der andern zu Privatwohnungen bestimmt. Ihre Vorderseite fällt prächtig in die Augen, indem sie einen Giebel mit vier Säulen hat.

Die Pfarrkirche St. Etienne du Mont ist groß und helle, aber von keiner regulären Architektur, weil sie etlichemal vergrössert worden, wodurch Flickwerk entstanden ist. Sie liegt so nahe an der alten Kirche St. Genevieve, daß man ehemals durch diese in jene gieng. Die Vorderseite mit vier römischen Säulen fällt Anfangs in die Augen, ist aber mit schlechten Zierrathen überladen. An den Gewölben findet der Liebhaber der Architektur manches zu bemerken; insonderheit werden ihm die beiden Wendeltreppen auf den Seiten des Chors wegen ihrer dreusten Anlage auffallen; sie zeigen von des Baumeisters Wissenschaft, nehmen sich aber schlecht fürs Auge aus. Die Bildhauerei der Kanzel ist zwar nur von Holz, verdient aber ihr Lob wegen des Fleisses, obgleich die ganze Angabe nicht viel taugt. Hier liegen, außer vielen andern, der Maler Eustache le Sueur, der dramatische Dichter Johann Racine, und der berühmte Blaise Pascal, welcher 1662. starb, und auf dem Kirchhofe Joseph Pitton de Tournefort, welcher durch ein neues Pflanzensystem zu seiner Zeit Epoche gemacht hat, und 1708. die Welt verließ, begraben.

Wenn man den Weg durch die Gasse St. Jacques welche durch die ganze Vorstadt dieses Namens läuft, fortsetzt, kömmt man an verschiedene öffentliche Gebäude, zuerst an das Kloster der Filles de la Visitazion de St. Marie, und hernach an das von den Ursulinerinnen, welche sich mit dem Unterrichte junger Mägdchen beschäftigen. Gegen über liegt das Seminarium St. Magloire, den Priestern de l'Oratoire gehörig, welche junge Geistliche zu ihrem künftigen Stande vorbereiten.

Neben diesem Seminarium liegt die Kirche St. Jacques du Haut-Pas, welche ein gutes Portal von vier dorischen Kolonnen mit einem Giebel, inwendig aber nichts merkwürdiges hat. In derselben liegen die Gebeine des berühmten Astronomen Johann Dominikus Cassini; er starb 1712. auf der königlichen Sternwarte, die Perrault nach seinen Vorschlägen angegeben hatte. Ein anderer großer Astronom und Mathematiker Philipp de la Hire, ein Sohn des Malers, der 1718. starb, liegt hier ebenfalls begraben.

Die Kirche der englischen Benediktiner ist klein, aber artig. Hier ruhet der Körper Königs Jacob II. der aus England verjagt ward, und 1701. zu St. Germain-en-Laye starb.

Die Kirche der Karmeliterinnen verdient wegen ihrer Malereien besucht zu werden. Oben auf dem Giebel steht eine alte Statue, welche viele Streitigkeiten unter den Gelehrten veranlaßt hat; einige geben sie für eine Ceres, andere für einen Merkur, und noch andere für den Erzengel Michael aus. *) Die Kirche hat die meisten Verzierungen der Königin Maria de Medicis zu danken, welche ihren Maler Philipp Champagne viel darin arbeiten lassen. An dem Gewölbe hat er verschiedene biblische Geschichten auf nassem Kalk gemalt. Dem Chore der Nonnen gegen über hängt der englische Gruß, von Guido Reni. Rechter Hand sind sechs Gemälde, und darunter drei, nämlich die Ausgießung des heil. Geistes, Mariä Himmelfahrt, und die Auferweckung des Lazarus, von Champagne ganz allein, die drei andern aber von seinen Schülern, und von ihm ausgebessert. Die sechse auf der linken Seite sind von verschiedenen Meistern, und darunter zwei, nämlich Magdalena zu den Füssen des Heilandes, und Christus, wie er von den Engeln in der Wüste bedient wird, von le Brun. **) Von eben diesem Meister bemerkt man in einer Kapelle die berühmte bußfertige Magdalena, welche Edelink so meisterhaft gestochen, und ein Porträt der Herzogin von Valliere ist. *) In dieser Kapelle steht auch die marmorne Statue des Kardinals Berulle, welcher die Karmeliterinnen zuerst in Frankreich einführte, von Sarazin. Außer dem Geschichtsschreiber Varillas, liegen hier der Herzog von Montausier, und viele fürstliche Personen begraben.

*) Man glaubt, sie sey hier gefunden worden, weil ein Tempel der Ceres oder des Merkurs auf diesem Platze gestanden haben soll. S. Saintfoix Essais hist. sur Paris. T. I. p. 179.
**) Ersteres hat Poilly, und letzteres Mariette gestochen.
*) Sie war Maitresse Ludwigs XIV. und begab sich 1675. in dieses Kloster, wo sie 30 Jahre in der strengsten Frömmigkeit gelebt hat.

Die Benediktinerinnen Abtei Notre Dame du Val de Grace ist von der Königin Anna von Oestreich 1624. aus Dankbarkeit gestiftet, weil sie nach einer 22jährigen Unfruchtbarkeit Ludwig XIV. gebar. Das prächtige Gebäude ist von Mansard angegeben. Der Platz vor demselben ist mit einem eisernen Gitter eingefaßt. Die Kirche steht zwischen den Seitengebäuden auf 16 Stufen erheben, und hat eine ansehnliche Kuppel, darauf der Glockenthurm statt der Laterne steht. Acht korinthische Säulen tragen den Giebel, unter welchem der Haupteingang ist. Auf den Seiten stehen die marmornen Statuen des heil. Benedikts und der heil. Scholastica, von Anguiere. Darüber sind wieder römische Säulen mit einem Giebel angebracht. Zween Giebel über einander sind allemal unschicklich, die Vorderseite mag übrigens noch so schöne seyn.

Inwendig ist die Kirche mit kannelirten korinthischen Pilastern verziert. Die Kuppel hat 11 Klaftern im Durchmesser, und ruhet auf vier großen Bogen; im hintersten dem Eingange gegen über ist der prächtige Hauptaltar angebracht: nur Schade, daß er so tief hinein liegt, und daher den Augen zu sehr versteckt wird. Er steht unter einem mit Statuen versehenen Baldachin, der von sechs gewundenen korinthischen Säulen aus schönen bragantischen Marmor getragen wird. Statt des Gemäldes sieht man auf den Altare den Heiland in der Wiege, und Joseph nebst Maria in Lebensgröße von Marmor, welche auf den Seiten knieen. Alle Statuen sind von Anguiere. Hinterwärts steht das Tabernakel. An der Kuppel hat Mignard mit vieler Kunst den Himmel und die Herrlichkeit der Seligen vorgestellt. Es ist wohl das größte Freskogemälde in Frankreich, und besteht aus mehr, als 200 Figuren. Die größten haben 17 Fuß, und die andern 10 Fuß Höhe. Die sechs Kapellen des Schiffs sind noch nicht ausgebauet; aber auf der linken Seite des Hauptaltars ist die von der heil. Anna, darin seit 1662. alle Herzen der Königinnen, der Königlichen Prinzen und Prinzessinnen aufbewahrt werden. Sie ist beständig mit schwarzem Tuche behangen. In der Mitte steht auf einer Erhöhung ein Grab mit einem sammtnen Leichentuche bedeckt, worauf das französische und östreichische Wappen gestickt ist; darin das Herz der Königin Anna und ihres Sohns Philipp aufbewahrt wird. In der Gruft darunter werden die übrigen Herzen in verschlossenen Kasten aufbewahrt. Jedes liegt in einem silbernen Herzen, mit der Inschrift, wem es gehört hat. Die Anzahl derselben steigt schon über 40. In der Kirche liegen noch viele fürstliche und vornehme Personen, theils ihr ganzer Leichnam, theils nur ihre Herzen.

Am äußersten Ende der Vorstadt St. Jacques liegt die königliche Sternwarte, und zwar so hoch, daß ihr Fussboden mit der Spitze der Thürme von Notre Dame gleich ist. Ludwig XIV. ließ dies Gebäude 1667. nach den Rissen des Claude Perrault aufführen. *) Es ist viereckig, mit zween achteckigen Thürmen gegen Süden, und einem viereckigen gegen Norden. Sie sind aber nicht höher, als das übrige, mit einem platten Dache versehene, 80 Fuß hohe Gebäude. Das Dach ist mit viereckigen Feuersteinen gepflastert, und darunter gewölbt; allein, obgleich alles mit Puzzolano gemauert ist, so hat der Regen doch nach und nach Oeffnungen gemacht, und die Feuchtigkeit hat die Gewölbe angegriffen, so daß das Gebäude sich seinem Untergange mehr und mehr nähert, wenn nicht halb große Kosten daran gewandt werden. Die feuchte Himmelsgegend von Paris schickt sich zu nichts weniger, als dergleichen Terrassen oder Plattformen, welche nur in heißern und trocknern Ländern von Dauer sind. Wegen der hohen Lage übersieht man von hier Paris sehr gut. Durch dieses Observatorium ist eine genaue Meridianlinie gezogen, und nach der Zeit durch ganz Frankreich auf der Südseite bis an die Pyrenäen, und nordwärts bis Dünkirchen verlängert. Uiberhaupt ist an dem Gebäude weder Holz, noch Eisen gebraucht, sondern alles gewölbt, und mit großer Genauigkeit gemauert worden. Die Treppe ist ebenfalls gewölbt, schneckenförmig, und sehr regelmäßig aufgeführt. Durch alle Säle geht ein rundes Loch durch, das mit einer Platte bis auf den Nothfall geschlossen ist. Im zweiten Saale läuft der Aequator von weisem Marmor über den Fussboden weg, und die Zeichen des Thierkreises sind darein gegraben.

*) Das Gebäude ist auf der darauf geprägten Schaumünze abgebildet, mit der Inschrift: Sic itur ad astra.

Der sogenannte Saal des Sekrets ist wegen der Fortpflanzung des Schalles merkwürdig. Er ist achteckig, und hat eben so viel Furchen im Gewölbe; läßt man nun eine Taschenuhr gegen eine Furche schlagen, so hört man es an der gegen über stehenden, wenn man das Ohr daran legt, ohne daß die in der Mitte befindlichen etwas davon vernehmen. Es ist heutiges Tages nicht besonders mehr, und man weiß, daß es von der Form des Gewölbes herrührt. Die Keller sind so tief, als das Gebäude über der Erde hoch ist; und aus denselben geht bis auf die Plattforme eine Oeffnung, um Versuche wegen des Gesetzes der Schwere zu machen. Eine Wetterfahne zeigt vermittelst eines Zeigers in dem darunter befindlichen Zimmer den Wind. In ein Paar Zimmer werden allerlei mathematische und vornämlich astronomische Instrumente aufgehoben. Gemeiniglich wohnen ein Paar von den königlichen Mathematikern der Akademie der Wissenschaften hier, welche mit den Instrumenten Beobachtungen anstellen. Zum Gebrauche der Instrumenten sind an den nöthigen Oertern Oeffnungen in der Wand, durch die sie gerichtet werden.


Quellen.[]

  1. Neueste Reisen durch Frankreich vorzüglich in Absicht auf die Naturgeschichte, Oekonomie, Manufakturen und Werke der Kunst von D. Joh. Jak. Volkmann.
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