Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Prytaneum.[]

Prytaneum hieß in Athen das Gebäude, wo die Prytanen, d. h. diejenige von den zehn Classen des Senats, welche (was der Reihe nach geschah) den Vorsitz hatte, sich versammelte, und während der 35 oder 36 Tage ihrer Amtsführung wohnte und gespeis't wurde. Die Speisung im Prytaneum gehörte zu den höchsten Ehrenbezeigungen, und wiederfuhr nur um den Staat hochverdienten Männern.

In Paris stiftete Napoleon eine Lehranstalt unter dem Namen Prytanée, in welcher einige hundert Schüler größtentheils auf Kosten des Staats erzogen und gebildet werden. Bis ins 12te Jahr erhalten sie gemeinschaftliche Bildung, werden dann entweder zu bürgerlichen Geschäften (worin 5 Professoren), oder zu Militärdiensten (worin 3 Professoren Unterricht ertheilen) bestimmt. Mit dem 15ten Jahre treten sie aus dieser Anstalt, um zur weitern Bildung in ihre Fächer vertheilt und angestellt zu werden.


Prytanée François.[]

Prytanée François, die größte öffentliche Schulanstalt zu Paris und zu St. Cyr. Sie wurde von dem Kaiser Napoleon, noch als erstem Consul aus den noch übrigen Universitätsgütern und neuen Zulagen gegründet, enthält etliche hundert Schüler, welche größtentheils auf Kosten des Staats erzogen und gebildet werden. Die Schüler erhalten bis in ihr 12tes Jahr eine gemeinschaftliche Bildung in den Anfangsgründen; dann aber wird ein Theil derselben zu bürgerlichen, der andere zu Militärgeschäften bestimmt. Die erstern werden von 5 Professoren in den Sprachen, schönen Wissenschaften, und der Philosophie, die leztern durch 3 Professoren in der Mathematik unterrichtet; beyde Abtheilungen erhalten gemeinschäftliche Unterweisung in der deutschen und englischen Sprache, im Zeichnen, Tanzen xc. und in den Waffenexerzicien.

Ein Zweig des Prytaneums hat seinen Sitz zu Compiegne, wo die Schüler blos in den mechanischen Künsten und im Seewesen unterrichtet werden. Mit 15 Jahren treten die Eleven aus der Schule und werden von den Ministern zur weitern Bildung vertheilt, und in ihren Fächern angestellt.


Von Reisende.[]

August von Kotzebue.

Das Prytaneum.

Ursprünglich ist diese Erziehungsanstalt für solche Knaben bestimmt, deren Väter auf dem Bette der Ehren fürs Vaterland starben, und denen nunmehr die dankbare Nazion den Vater ersetzt. Es werden aber auch Pensionairs aufgenommen, welche für Unterricht, Kost und Kleidung jährlich die sehr mäßige Summe von 1000 Livres bezahlen, und, wenn sie sich auszeichnen, dem Gouvernement bei ihrem Austritte besonders empfohlen werden. Der Zöglinge sind überhaupt 450. Der Direktor der Anstalt ist ein sehr wackerer Mann, Namens Champagne. Sämmtliche Lehrer, so viele ich davon gesehen, sind feingebildete Leute, und zuvorkommend bereit, Alles zu zeigen, Alles zu erklären. Die sehr weitläuftigen, vormals den Jesuiten gehörigen Gebäude, enthalten mehrere große Höfe, deren sich die Jugend zu Spielplätzen bedient. Die verschiedenen Klassen, die Schlaf- Speise- Zeichensäle, die Küche, Alles war geräumig, luftig, reinlich. Nur die Kleinern schlafen in Sälen beisamen, unter Aufsicht von Lehrern und Bedienten; die Größern haben Jeder seine eigene Schlafkammer, eine seltene aber treffliche Einrichtung.

Die Zöglinge werden sehr gut genährt. Ich ließ mit ein Stück von ihrem Brode reichen; es war besser und weißer als bei dem ersten Restaurateur Naudet im Palais royal. Alle sehen aber auch gesund und frisch aus -- Eine schöne Bibliothek von 3000 Bänden ist besonders reich im Fache der Geschichte. Man verdankt diese Bibliothek dem Minister Benezech, denn die vormalige war in der Revoluzion ganz verschleppt und zerstreuet worden.

Ich habe das Prytaneum mehreremale besucht. Als ich zum erstenmale dahin kam, schlug die Uhr gerade Eins und das Hofgitter wurde eben geschlossen, weil die Zöglinge vom Essen kamen, und nur Erlaubniß hatten, eine Stunde auf den Höfen herum zu spazieren, zu rennen, sich lustig zu machen. Der Thürsteher fragte mich, ob ich Geduld haben wolle, bis die Rekreationsstunde vorüber sey? Ich bejahte es, und er führte mich in ein Sprachzimmer, wo ich Langeweile befürchtete; doch mit Unrecht, denn hier war ich Zeuge von Szenen, die mit nie wieder aus dem Gedächtniße kommen werden. Es war nämlich die Stunde, in welcher die verwittweten Mütter ihre Söhne besuchen. Der Saal schien darauf eingerichtet, eine Menge kleiner einzelner Gruppen zu fassen, denn es standen rings umher wohl ein Dutzend kleiner, grünbeschlagener Tische, um jeden einige Stühle. Die Mütter hatten sich schon eingefunden, sie waren Alle früher da, als die Stunde schlug, Mutterliebe eilt der Zeit voraus. Mit Sehnsucht und Erwartung waren ihre Blicke auf die Thüre geheftet. Ein Sohn nach dem andern wird gerufen. Er tritt ein, sein Blick schleift hastig umher, dann rennen Mutter und Kind einander in die Arme. Die Eine nahm ihren Sohn, eine derben Buben, von wenigstens 12 Jahren, auf den Schoos, und herzte ihn wie ein säugendes Kind. Eine Andere saß mit dem Liebling am Tische, sie hatte ihm Kastanien mitgebracht, die er mit großer Eßlust verzehrte, während sie still weinte, und sich alle Augenblicke die Thränen verstohlen abtrocknete. Eine Dritte empfieng fröhlich ihren fröhlichen Sohn, der aber kaum einen Augenblick am Mutterbusen gelegen hatte, als er zuerst bitterlich zu weinen begann. -- Alle Mütter hatten Etwas mitgebracht, in Ridiküles, Schnupftücher, Körben, Servietten. Manche Söhne nahmen das fröhlich hin, bei manchen trocknete es die Thränen nicht. Ein paar Knaben, die vermuthlich ganz verwais't waren, saßen ernst an einem Tische, und hörten einem bejahrten Manne zu, der seht gütig mit ihnen sprach, vielleicht ein Freund ihrer verstorbenen Eltern. Ihre Blicke schweiften immer nach den von ihren Müttern geliebkosten und beschenkten Kameraden. -- Auch eine Menge Schwestern, große und kleine, hatten sich eingefunden, doch sah ich keine darunter gerührt. Geschwisterliebe ist ein Werk der Gewohnheit und nicht der Natur.

Sehr schnell verflog mit diese Stunde, Niemand nahm Notiz von mir, Alle waren nur mit sich beschäfftigt, ich konnte ungestört beobachten. Endlich erschallte der Ruf der Trommel, noch eine letzte Umarmung, und Alles zerstreute sich. -- Der Sprachsaal war einfach, aber zweckmäßig, durch Büsten berühmter Franzosen verziert, zwischen welchen Zeichnungen und Risse hiengen, die von Zöglingen, des Hauses verfertigt worden, und welchen man, als Belohnung, diesen Platz angewiesen hatte. -- Ich wünschte eben so viel Gutes von der Polytechnischen Schule. erzählen zu können, aber ich weis Nichts weiter von ihr zu sagen, als daß die jungen Militairs daselbst zu Ingenieurs, Wegbaumeistern u. s. w. gebildet werden.


Quellen und Literatur.[]

  • Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
  • Geographisch- Historisch- Statistisches Zeitungs-Lexikon von Wolfgang Jäger, Professor der Geschichte und Geographie zu Würzburg. Nürnberg, bey Ernst Christoph Grattenauer 1806.
  • Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. von August von Kotzebue. Berlin 1804 bei Heinrich Fröhlich.
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