Von Bastille bis Waterloo. Wiki

Ludwigs des XVI. Königs-Proceß. Verhör. Vertheidigung. Urtheile.[]

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Wir haben schon im vorigen Monatsstücke die Erscheinung Ludwigs vor dem National-Convente, am 11 December, angezeigt. Hier müssen wir noch anführen, daß man den unglücklichen Monarchen nicht einmal davon Nachricht gegeben hatte, daß er an diesem Tage vor dem Convente erscheinen sollte, und er in völliger Ignoranz darüber war. Dieß beweißt der Bericht, den der wachthabende Municipal-Beamte am 12ten December der Gemeinde von Paris abstattete. "Als Ludwig um 8 Uhr (berichtete er) den General-Marsch schlagen hörte, so fragte er, was das bedeuten habe. Der Municipal-Beamte antwortete, er wüßte es nicht. Als man Pferde unter im Hofe des Tempel-Thurms trampeln hörte, fragte Ludwig wieder, was dieß andeuten sollte? Der Beamte antwortete wiederum, daß er es nicht wüßte. Ludwig wollte mit seiner Familie frühstücken, fand sie aber in der ängstlichsten Unruhe, da sie ebenfalls nicht wußte, was vorgienge. Als aber nachher eine Schaar bewafneter National-Garden in den Hof eingetreten war, so sagte der Municipal-Beamte dem Könige endlich, er würde einen Besuch vom Maire erhalten, er müsse sich aber von seiner Familie trennen, weil der Maire nur ihn allein sprechen würde. Ludwig erwartete den Maire mit der ruhigsten Gelassenheit, erkundigte sich nach seiner Gestalt, Größe, und andern gleichgültigen Dingen, und fragte endlich: wissen Sie, was der Maire mir zu sagen hat? -- Er wird es Ihnen selbst sagen, antwortete der wachthabende Municipal-Beamte. Ludwig setzt sich in einen Lehnstuhl, und bleibt eine Stunde lang so sitzen, in tiefe Gedanken versenkt, ohne ein Wort zu sagen.

Endlich erscheint der Maire, und kündigt dem Könige an, daß der Convent ihn an seinem Gitter erwarte, und er ihn dahin begleiten werde. Er lieset ihm darauf das Decret vor: "daß Ludwig Capet vor dem Gitter des Convents erscheinen solle, um auf die ihm vorgelegten Fragen zu antworten." Ich heiße nicht Ludwig Capet, (sagt der König) meine Vorfahren haben diesen Namen gehabt; aber mich nannte man niemals so. Uebrigens ist dieß eine Folge der Behandlungen, die ich seit 4 Monaten von der Gewalt erleide."

Es war halb ein Uhr, als Ludwig in den Wagen stieg, von dem Maire und zwey Municipal-Beamten begleitet. Er beobachtete den ganzen Weg über ein fast ununterbrochenes Stillschweigen. Eine große Thräne benetzte einmal sein Auge. Der Zug gieng langsam, unter einer starken Escorte von Cavallerie, Infanterie, und Artillerie. Das Volk war nicht zahlreich auf den Strassen. Es schien sich dieses Aufzugs zu schämen, und man hörte nicht ein beleidigendes Wort. Es war schon nach 2 Uhr, als Santerre, der Brauer, und General der National-Garde, die Ankunft Ludwigs, den man in einem Zimmer warten ließ, dem National-Convente anzeigte. Der Präsident gab Ordre, Ludwig Capet vor das Gitter zu führen, wo man jedoch einen Stuhl hinsetzte. Die größte Stille herrschte im Saale. Der König hatte einen langen Bart, und einen alten gelblichen Rock von Calmouk an. Er sah, beym Eintritte, im ganzen Saale und auf den Gallerien mit ruhiger Miene umher.

Ein Augenzeuge drückt sich darüber in seinem Schreiben so aus: -- "Ich habe Ludwig den XVI. am Gitter vor dem Convente gesehen. Welch ein schreckliches und trauriges Beyspiel des Wechsels der menschlichen Größe! Dieser Prinz hat dabey eine Standhaftigkeit, eine Stärke des Geistes, eine Klugheit gezeigt, die jedermann in Erstaunen setzte. Man bewunderte die sanfte Würde, die Ruhe, die Gelassenheit, die er bey dieser harten Scene bewieß, und besonders die Präcision seiner Antworten auf die lange Befragung, über Artikel, wovon er vorher nichts wußte, und wovon jeder Gegenstand, jedes Wort ihn tief verwunden mußte. Wie viele Menschen würden an seiner Stelle sich so betragen haben! Keine Klage, keine Niedergeschlagenheit, kein Stolz, keine Affectation -- eine kalte gelaßne Gleichgültigkeit, mit sanfter Würde -- so zeigte sich Ludwig. Er zeigte bey allen Fragen nicht die geringste Verlegenheit, nicht die geringste Schwachheit, er antwortete mit Simplicität, Mäßigung, und bewundernswürdiger Präcision. -- Die schlechte Kleidung, in der man ihn, mit aufgerollten Haaren, in einem langen Barte sahe, machte dieses Gemälde noch mehr interessant, und der Gedanke -- das ist der König -- das ist, ach! wer kann alle die Empfindungen sagen, die diese Scene erweckte!" -- .

Da die Fragen an den unglücklichsten der Fürsten, die eigentlichen Beschuldigungen sind, die man Ludwigen macht, und darauf alles ankommt, um richtig zu urtheilen; so folget hier wörtlich das ganze Verhör, wie es gehalten worden. Es muß als das wesentlichste von allem in der Geschichte aufbewahrt bleiben.

Nachdem die Artikel der Anklage von einem H. Mailhe vorgelesen worden waren, wobey man nicht die mindeste Alteration, oder Veränderung in des Königs Gesichte bemerkte, wiederholte sie der Präsident, einzeln, wie folget:

Frage. "Ludwig, das Französische Volk klagt Sie an, eine Menge von Verschwörungen angestiftet zu haben, um die Tyranney einzuführen, und die Freyheit zu vernichten.

Sie haben den 20sten Junius 1789 die Seßionen der constituirenden Versammlung unterbrochen, welche sich daher in einem Ballhaus hat versammlen müssen. Was haben Sie darauf zu antworten?

Antwort. Damals war kein Gesetz über diese Sache gegeben.

Frage. Den 23sten Jun. haben Sie den Versammlungssaal mit Bajonetten umgeben lassen. Sie haben eine tyrannische Declaration gegeben, und den Repräsentanten der Nation befohlen, nach Hause zu gehen.

Antwort. Wie die vorige.

Frage. Sie haben lange gesucht, der Vollziehung der Gesetze, welche die herrschaftlichen Gefälle und Rechte, und die Zehnten abschaft, auszuweichen; Sie haben sich lange geweigert, die Erklärung der Rechte anzuerkennen; Sie haben das Regiment Flandern herbeygerufen und ihre Wache verdoppelt; Sie waren schuld an dem Tode mehrerer Bürger in Versailles. Der Beweis dieser Verbrechen ist in ihren Observationen vom 10ten Sept. 1789 enthalten.

Antwort. Ich hatte damals das Recht, Truppen marschiren zu lassen. Nie war mein Wille, Blut zu vergiessen. Ueber die Decrete konnte ich meine Bemerkungen machen.

Frage. Die Nationalkokarde ist in ihrer Gegenwart bey einem Gastmahl der Leibgardisten, mit Füssen getreten, und die weisse Kokarde aufgesteckt worden.

Antwort. Es ist falsch, das dieses in meiner Gegenwart geschehen. Nie ist es geschehen.

Frage. Den 20sten Jul. 1790 haben Sie einen Eid geschworen, den Sie nicht gehalten. Sie haben Millionen ausgetheilt, um den Volksgeist zu verpesten. Sie haben eine falsche Popularität angenommen, um die Freyheit zu morden. Sie haben sich des Talon und Mirabeau bedient, um den Gemeingeist zu verderben.

Antwort. Ich besinne mich nicht genau, was damals geschehen ist: aber das alles geht vor der Annahme der Constitution her.

Frage. In Gefolge eines Contre-Revolutions-Plans, welchem von ihrer Hand Bemerkungen beygefügt sind, haben sie sich in die Vorstädte begeben, und daselbst Geld ausgeworfen.

Antw. Mein gröstes Vergnügen war jederzeit, denen zu helfen, welche Hülfe bedurften. Aber ich hatte keine Absicht dabey, gefährliche Anschläge auszuführen. (Man sahe in Ludwigs Augen Thränen zittern.)

Frage. Im Jahre 1791 hatten Sie eine Flucht vor. Den 28sten Februar waren viele Edelleute in den Tuilerien versammelt, um ihre Flucht zu decken.

Antw. Diese Anklage ist absurd.

Frage. Sie haben den 21sten Junius die Flucht ergriffen und sich dazu eine verfälschten Passes bedient. Kurz vorher hatten Sie der constituirenden National-Versammlung geschrieben und ihr versprochen, die Gesetze vollziehen zu lassen.

Antw. Ich beziehe mich auf das, was ich in der National-Versammlung über meine Reise damals erklärt habe.

Frage. Sie haben das Blutvergiessen zu Nancy verursacht und gebilligt. Sie haben mit la Fayette und dem Bischofe von Clermont eine Correspondenz geführt, welche beweiset, daß Sie die Constitution umstoßen wollten. Es ist im Marsfeld Bürgerblut gefloßen.

Antw. Alles, was seit dem 14ten Julius 1791 sich zugetragen hat, kann mir nicht zur Last gelegt werden. Uebrigens weiß ich auch nichts davon.

Frage. Sie haben durch bezahlte Libellisten die Aßignaten herunter zu setzen gesucht. Sie haben die Ausgewanderten beschützt, und ihnen große Summen zugeschickt. Sie haben gewußt, daß die Könige von Ungarn und Preußen sich in Pillnitz verbunden haben, um Sie wieder auf den Thron zu setzen, und Sie haben der National-Versammlung keine Nachricht von dieser Convention, als erst späte, gegeben.

Antw. Ich habe diese Convention mitgetheilt, so bald ich sie kannte. Uebrigens geht dieses, nach der Constitution, die Minister an.

Frage. Arles und Avignon haben Bürgerblut fließen sehen. Die Commissarien, welche Sie dahin geschickt, haben das Unglück noch vergrößert.

Antw. Die Commissarien hatten ihre Instructionen. Ich kannte keinen davon, da sie mir durch die Minister vorgestellt wurden.

Frage. Zu Nismes, Montauban, Jalés ist Blut geflossen, und Sie haben nichts gethan, um diesen Saamen der Contre-Revolution zu ersticken, bis der Aufruhr in den Cevennen unter Dusaillant ausbrach.

Antw. Die Sachen gehen nicht mich, sondern die Minister an, welche deswegen verantwortlich sind. Ich habe ihnen deshalb alle nöthigen Befehle gegeben.

Frage. Sie haben ihre Leibgardisten zu Coblenz bezahlt.

Antw. Sobald ich erfuhr, daß man ein Corps Leibgardisten über den Rhein errichtete, befahl ich, nichts mehr zu bezahlen.

Frage. Ihr Brüder haben die Ausgewanderten gesammelt, und sich an ihre Spitze gestellt. Erst, da es zu spät war, haben Sie sich widersetzt. Der Beweis davon liegt in einem Billet, das einer von ihren Brüdern geschrieben hat, und worin steht: Ich habe Ihnen mit der Post geschrieben. Wir sind hier zwey, die nur eine Seele, nur eine Begierde haben, Ihnen zu dienen xc.


Antw. Ich erkenne die Briefe meiner Brüder nicht an. Von diesem Billet weiß ich nichts.

Frage. Zu Ende des Novembers 1791 war die Armee nur 100000 Mann stark. Sie haben allso nicht gehörig für die Sicherheit des Staats gesorgt.

Antw. Ich habe den Ministern alle Befehle gegeben, um die Anwerbung der Truppen zu beschleunigen. Die Verzeichniße sind in der National-Versammlung vorgelegt worden. Meine Schuld ist es nicht, wenn die Minister betrogen haben.

Frage. Sie haben die Truppen zur Desertion verleitet, um sie ihren Brüdern zuzuführen. Der Beweis liegt in einem Briefe des Toulongeon an Ihre Brüder. Sie haben an den fremden Höfen keine andere Agenten gebraucht, als verrätherische Leute, wovon mehrere daran gearbeitet haben, den Frieden mit den Türken zu beschleunigen, damit die Oesterreichischen Truppen an den Rhein ziehen könnten. Dieß erhellt aus einem Briefe des Choiseul Gouffier.

Antw. Das ist alles falsch. Choiseul hat die Wahrheit nicht gesagt.

Frage. Zu spät, und erst da Sie im Anmarsche waren, haben Sie der National-Verdammung angezeigt, daß die Preussen an den Rhein ziehen.

Antw. Ich wußte es nicht eher.

Frage. Sie haben den Dabancourt zu Ihrem Minister ernannt, der ein Neffe des Calonne gewesen. Sie haben unsere Festungen von Truppen entblößt, und die Uebergabe von Longwy verursacht.

Antw. Ich wußte nicht, daß Dabancourt ein Neffe des Calonne war. Ich habe nicht befohlen, die Festungen von Truppen zu entblößen. Nie hätte ich mir so etwas erlaubt.

Frage. Sie haben unsere Marine zerstört. Die Officiere sind emigrirt, und andern haben Sie Abschied ertheilen lassen. Sie haben den Seeminister Bertrand beybehalten.

Antw. Ich habe gethan, was in meinen Kräften stand, um die See-Officiere zurück zu halten. Den Seeminister konnte ich beybehalten, weil die National-Versammlung nicht decretirt hatte, daß er das Zutrauen der Nation verlohren.

Frage. Sie haben Aufruhr und Unruhe in den Colonien erregt und unterhalten.

Antwort. Wenn es jemand in St. Dominique gethan hat, so war es gewiß gegen meinen Willen.

Frage. Sie haben sich als eine Stütze der fanatischen Priester gezeigt, welche den Staat im Innern zerfleischten. Sie haben fortgefahren, die Leibwache zu besolden, da sie abgedankt war.

Antwort. Sie ist bezahlt worden, bis sie wieder errichtet wäre.

Frage. Sie haben die Schweizer-Garde bey sich behalten, ob es Ihnen gleich die Constitution verbot. Sie haben in Paris heimliche Compagnien besoldet, welche Dangremont und Gilles commandirten.

Antwort. Davon weiß ich nichts. Nie ist mir ein Contrerevolutions-Gedanke in den Sinn gekommen.

Frage. Sie haben die Absicht gehabt, eine Gegenrevolution zu bewirken. Mehrere Personen haben Ihnen Plane mitgetheilt, und sich zur Vollziehung anerboten.

Antwort. Wenn sich welche präsentirten, so habe ich sie immerhin abgewiesen.

Frage. Wer hat Ihnen dergleichen Plane präsentirt?

Antwort. Es war so unbestimmt, daß ich mich nicht besinnen kann.

Frage. Was für Mitgliedern der National-Versammlung haben Sie Geld gegeben.

Antwort. Keinen.

Frage. Sie haben die französische Nation in Spanien, Italien, Teutschland herabgewürdigt, und die Beschimpfungen, die man ihr angethan, nicht gerächt.

Antwort. Die diplomatische Correspondenz beweiset des Gegentheil.

Frage. Den 10ten August haben Sie um 9 Uhr frühe die Schweizer gemustert.

Antwort. Ich habe alle Truppen im Schloße gemustert, und das in Gegenwart von Municipalbeamten und Departementsgliedern.

Frage. Sie haben ihre Wache in den Tuillerien im August verdoppelt.

Antwort. Ich that es, weil das Schloß bedroht war; da ich constituirte Gewalt war, mußte ich es vertheidigen.

Frage. Sie haben befohlen auf das Volk zu schiessen.

Antwort. Ich mußte mich vertheidigen.

Frage. Sie haben Blutvergießen veranlaßt und befohlen.

Antw. Nein, ich gewiß nicht.

Frage. Haben Sie den Septeuil authorisirt, Getraidehandel zu treiben?

Antw. Ich weiß gar nichts davon.

Frage. Warum haben Sie das Decret gegen die ungeschwornen Geistlichen mit dem Veto belegt?

Antw. Die Constitution gab mir das Recht dazu.

Frage. Haben Sie eine eiserne Thüre in einer Mauer des Schloßes machen lassen?

Antw. Ich weiß nichts davon.

Frage. Haben Sie noch etwas zu Ihrer Verantwortung beyzufügen?

Antw. Ich begehre die Mittheilung der Schriften, auf welche sie die Anklagen gegen mich gründen, und das Recht einen Rathgeber zu ernennen, der meine Sache besorgt."

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Nachdem sie Ludwig hinweg begeben hatte, erhob sich eine schändliche Debatte, ob man ihm auch einen Advocaten zur Vertheidigung und zum Menschlichkeit verwilligen wollte? Mit Mühe siegte die Menschlichkeit über die scheußlichste Grausamkeit, und man erlaubte dem Könige, daß er sich rechtlich vertheidigen dürfe.

PortretLamoignonMalesherbes

G. F. Lamoignon Malesherbes.

Als er Abends halb 7 Uhr nach seinem Gefängnißthurme, unter ruhiger Stille des Volks, außer einzelnen wenigen Stimmen, die da schrieen, daß er sterben müsse, zurückgekommen war, so wurde ihm angedeutet, daß er von nun an Niemanden von seiner Familie mehr sehen dürfe, und ganz allein bleiben müsse. Wir haben im vorigen Stücke angezeigt, daß die beyden von Ludwig erwählten Advocaten sich weigerten, seine Vertheidigung zu übernehmen. So wurde es dem National-Convente selbst berichtet. Aber man hatte einen Brief von Tronchet falsch verstanden. Dieser übernahm wirklich Ludwigs Vertheidigung. Und noch ehe dieser sich bestimmt erklärte, bot sich ein großer Mann, Herr von Lamoignon von Malesherbes zu seinem Rechtsbeystande an. Dieser 78jährige ehrwürdige Mann war ehedem Justiz-Minister bey Ludwig selbst gewesen, und verabschiedet worden. Seine große Seele dachte nicht an die ehemalige Ungnade, sondern an Ehre und Pflicht. Er, und Tronchet, und noch ein Advocat, Herr de Seze, arbeiteten nun an Ludwigs Vertheidigung. Es kostete ihnen unendliche Mühe, nur einige Anklage-Acten zur Ansicht zu bekommen, welches um so nöthiger war, da der König sehr viele gar nicht anerkannte, und für untergeschoben erklärte. Der Termin zur Vertheidigung war auf den 26sten December von dem Convente angesetzt worden. Sie baten um eine Verlängerung des Termins, da es ihnen in der kurzen Zeit nicht möglich sey, die Vertheidigung auszuarbeiten. Aber man schlug die Bitte ab. Ludwig mußte am 26 December nochmals vor dem Convente erscheinen, um seine Vertheidigung vorzubringen. Ein Herr Bourdon schlug im Convente vor, daß alle die Acten und Schriften, die von den Ministern unterzeichnet wären, und alle diejenigen, welche Ludwig nicht als ächt anerkannte, nicht sollten mit zum Gerichte gezogen werden. Aber umsonst. Indessen meldete ein gewisser Herr Septeuil, dem man für todt gehalten hatte, und geglaubt, er sey am 2ten September mit ermordet worden, sehr überraschend aus London, an den Convent, daß er noch lebe, und daß eine ihm zur Beschuldigung des Königs zugeschriebne, und mit seinem Namen versehne Schrift, ein grober Betrug sey, indem er nie eine solche Piece geschrieben habe. Die Nation konnte aus diesem Beyspiele, wie aus so vielen andern, ersehen, durch welche Mittel man sie leiten wollte.

Ludwig blieb bey allen diesen schrecklichen, und grausamen Umständen sich immer gleich, immer unerschüttert gelassen, und heroisch gleichgültig. Herr von Malesherbes sagte zu einem wachthabenden Municipal-Beamten: -- "Ludwig ist nicht ein Mensch, wie andre; er hat eine starke Seele, er hat eine Energie, die ihn über alles erhebt." --

Doch blieb Ludwig Mensch. Am 19ten December reif er einen seiner Wächter, und bat ihn, sich zu erkundigen, wie seine Familie sich, in ihrem Gefängniße, befände. -- "Meine Tochter fängt heute ihr 15tes Jahr an, sagte der König, -- ach meine Tochter!" und ein paar Thränen benetzten das Gesichte des fühlenden Vaters!

Der fühlende Vater blieb heroisch-gelassen im eignen Unglücke. So wurde er am 26 December wiederum vor den National-Convent gebracht. Jedoch gieng dießmal der Zug sehr geschwind, in kurzem Galoppe, von dem Tempelthurme nach dem Versammlungs-Saale. Hier trat Ludwig mit seinen Vertheidigern an das Gitter, eben so ruhig, als bey dem unbedeutendsten Vorgange. Herr de Seze hielt die Vertheidigungs-Rede, die einige Stunden lang dauerte. Alles hörte in Stille zu.

Unsere Leser werden wohl nicht die Rede dazu nöthig haben, um über Recht oder Unrecht des Proceßes zu entscheiden, da schon oben die Beschuldigungen und Antworten befindlich sind. Als ein Stück der Beredsamkeit gehört sie nicht in unser Journal, und ist schon vielfach einzeln für die Liebhaber übersetzt geliefert worden. Wir führen davon hier nur an, daß die Rede zwey Haupttheile hat; der erste enthält die Gründe, welche der Angeklagte der Anklage entgegen setzt, der zweyte die Erörterung über die einzelnen Facta und Puncte. Der Hauptpunct der Vertheidigung ist eben derjenige, den wir selbst im vorigen Monate, im Journale angeführt haben, die Unverletzlichkeit des Königs, nach der Constitution, welche doch am 10ten August noch existirte, als man den König ins Gefängniß schleppte. Sehr richtig bemerkt auch der Redner, daß der Convent ihn nicht mit Fug und Recht richten könne. Ich suche Richter, sagte er, und finde nur Ankläger. Er schloß mit den so merkwürdigen, als wahren Worten:

"Sie klagen Ludwig an. Sie wollen ihn richten, ihn, der niemals einen grausamen Befehl gab, ihn, der lieber von Varennes gefangen zurück kommen, als das Leben eines einzigen Menschen in Gefahr setzen wollte; ihn, der am 20sten Junius alle Art von Hülfe abschlug, und allein, mitten unter dem Volke blieb? Hört die Geschichte sagen: Ludwig bestieg den Thron im 20sten Jahre, brachte des Beyspiel seiner Sitten, Gerechtigkeit, Sparsamkeit dahin; schafte die Knechtschaft in seinen Domainen ab; das Volk wollte die Freyheit, er gab sie ihn. Man kann Ludwigen den Ruhm nicht streitig machen, daß er immer den Wünschen seines Volks zuvor kam. Doch ich will nicht vollenden, ich will der Geschichte nicht vorgreifen: denken Sie nur daran, daß diese auch ihr Urtheil richten wird!"

Nach Endigung dieser Rede, sagte Ludwig selbst nur diese wenige Worte: "Man hat Ihnen nun meine Vertheidigung vorgelesen. Ich habe nichts hinzu zu fügen. Mein Gewissen ist rein, und ich versichre es, indem ich jetzt vielleicht zum letzten male zu Ihnen rede. Man hat mir vorgeworfen, daß ich habe wollen Blut vergiessen lassen. Eine solche Beschuldigung zerreißt mir das Herz."

Ludwig begab sich hinweg. Er war um halb zehn Uhr im Convente angekommen, und um halb drey Uhr wieder im Temple-Thurm. Er sprach unterwegens von verschiednen gleichgültigen Sachen ganz ruhig. Der Convent aber kam in tumultuarische Debatten, indem einige behaupteten, der Convent könne Ludwigen nicht richten, das müsse das Volk thun. Endlich ward doch beschloßen, die Discußion über Ludwigs Urtheil zu eröfnen, und bis zum entscheidenden Spruche damit zu continuiren.

Vom 27sten December an giengen nun die Debatten und Urtheile der Mitglieder des National-Convents fort, und am 7ten Januar, als so weit bis heute die Nachrichten aus Paris gehen, was noch kein End-Urtheil gefaßt.

Die Meynungen der Deputirten im Convente und ihre Reden, deren Weitläuftigkeit viele Bogen füllen würde, reducirten sich auf dreyerley Urtheile. Nur wenige, unter denen der bekannte Rabaud war, behaupteten, der Convent habe sich übereilt, habe kein Recht, Ludwigen zu reichten, und könne seinen Fehltritt nicht anders bey der Nation gut machen, als daß er das Urtheil über Ludwig gänzlich den Urversammlungen des Volkes überließe. -- Die zweyte Parthey stimmte für Ludwigs Todes-Urtheil, aber so, daß die Bestätigung davon den Urversammlungen des Volks vorgelegt und an dieselbe verwiesen würde. Die dritte Parthey verlangte die Hinrichtung des Königs, ohne sich um das Volk zu bekümmern. Einige wenige urtheilten, man müße den König bis zum Frieden gefangen behalten, und dann verbannen.

Wir wollen von jeder Parthey hier die vornehmsten Namen in der Geschichte aufbewahren. Die mehrsten sind selbst in den Journalen des National-Convents nicht namentlich angezeigt. Die vornehmsten der ersten angeführten Parthey waren außer Rabaud, noch Salles, Biroteau, Focquelez, Verniaux. Von der Zweyten, Manuel, Pethion, Buzot, Brißot, Petit, Condorcet, Guillaumart, Guadet. Von der dritten, blutdürstigen Sorte, St. Just, Barbaroux, Lequinio, Robespierre, Marat, St. André, Dubois de Crancé, Carra, Chabot, Barrere, Thuriot, Merlin. Am 6ten Januar hatten sich noch 55 anzeichnen laßen, um für Ludwigs Todes-Urtheil, und 50 für eine andre Strafe, und Verweisung des Urtheils an die Urversammlungen des Volks, Reden zu halten. Merkwürdig ists, daß keiner von allen diesen Rednern sich auf die Vertheidigungs-Rede Ludwigs, noch auf die Facto und Beschuldigungen eingelaßen, oder irgend einen Grund aus den Beschuldigungen gezogen hat. Alle haben nur im allgemeinen declamirt, und politische Gründe angeführt, keinen einzigen rechtlichen, auch nicht einmal zum Scheine. Selbst ein Mitglied des Convents machte diese Bemerkung, Herr le Cointre Puiraveau, und sagte: wenn Niemand sich auf eine Widerlegung von Ludwigs Antworten beym Verhöre, und von dessen Vertheidigung einlaßen wolle, so würde der Verdacht der Ungerechtigkeit auf den ganzen Convent ruhen.

Indem sich Ludwigs Proceß im Convente in die Länge zu ziehen schien, nahm das Volk in Paris daran sehr lebhaften Antheil. Robespierre Rotte setzte alles in Bewegung, um Ludwigs Tod tumultuarisch zu fodern. Man rottete sich am 26, und 18sten December zusammen, man wollte gar die Sturmglocken lauten. Aber der Minister Roland hatte Anstalten getroffen, daß die Aufwiegler nichts ausrichten konnten, und verschiedne arretirt wurden. Andere Versuche mißlangen eben so sehr. Einige Sectionen versammelten sich, und setzten einen Schwur auf, Ludwigen zu ermorden, wenn ihn der Convent nicht zum Tode verdammte. Aber eine Parthey der Poißarden gieng in diese Sectionen, und kündigten ihnen ihre furchtbare Rache an, und zwangen sie, sich gemäßigter zu erklären. Man trieb sogar das Poßenspiel, und schickte einige Wittwen und Waisen von den am 10ten August getödteten, und einen Krüppel auf einer Tragbaare in den Convent. Die Wirkung davon war aber ein Unwille des Convents, den der Präsident mit den Worten äußerte: man würde keinen fremden Einfluß in die Berathschlagungen der Gerechtigkeit zulaßen. Verschiedne Sectionen bedrohten die unruhigen Königsfeinde mit den Waffen, wenn sie ihre Aufhetzungen fortsetzten. Zwar sahe man auch in den Straßen Bänkelredner, die Ludwigs Tod empfahlen; aber das Volk gab ihnen Zeichen der Verachtung und des Unwillens. Mehrere Umstände, selbst öffentlich gesungne Klagelieder über das Schicksal des Königs, und errichtete Anti-Jacobinische Clubs, die täglich zahlreicher wurden, machten in der ersten Woche des neuen Jahrs eine solche Veränderung in Paris, welche die Republicaner, und die Königsfeinde in Verwirrung brachte. Das Volk fieng an, sich in ganzen Truppe, an allen öffentlichen Oertern gegen den Convent, und für den König zu erklären, und heftige Drohungen hören zu laßen, wenn der Convent es wagen sollte, den König zu verurtheilen. man rief sehr häufig in den Straßen: Gardons le Roi!

So waren die Umstände in Absicht des Königs, zu Paris, am 7ten Januar.


Die Beratungen über das Urteil.[]

[2]
Paris, vom 18. Jenner.

Ludwigs, des Unglücklichen, Schiksal ist nunmehr entschieden; er ist zum Tod verurtheilt, ohne daß die Bestätigung dieses Urtheils erst noch der Nation überlassen werden soll. Ob dasselbe bereits vollzogen worden; melden die neuesten Pariser Zeitungen, so weit sie gehen, noch nicht. Hier folgt indessen, wie man es bey einem Ereigniß von dieser Wichtigkeit mit Recht erwarten wird, eine etwas umständlichere Erzählung dessen, was in den Sessionen des N. Convents am 14, 15 und 16 dieses vorgegangen ist. -- In der ersten der erwähnten Sessionen wurde, nach einer langen und ziemlich unruhigen Berathschlagung über die Art, wie bey dem Urtheilsspruch in diesem wichtigen Prozeß verfahren werden soll, endlich dekretiert: Daß am nächstfolgenden Tag durch namentlichen Aufruf die Stimmen gegeben werden sollen, über nachfolgende 3 Fragen: 1) Ist Ludwig strafbar oder nicht? 2) Soll das Urtheil, es mag ausfallen, wie es will, dem Volk zur Sanktion zugestellt werden? 3) Welche Straffe soll Ihm zuerkannt werden?

Diesem Dekret zufolg wurde in der Session am 15 die erste Frage in folgenden Ausdrüken vorgelegt: Hat Ludwig Capet sich einer Verschwörung gegen die Freiheit der Nation und eines Verbrechens gegen die allgemeine Sicherheit des Staats schuldig gemacht? Die Stimmengebenden legten, wenn sie ihre Meinung sagten, die Hand auf die Brust, oder hielten dieselbe empor. Von den 745 Deputierten, aus denen das N. Convent besteht, waren 20 mir Urlaub, 5 wegen Krankheit, und einer, ohne daß man weiß, warum, abwesend; 26 begleiteten ihre Meinung mit einigen Bemerkungen, die meistens auf die Erklärung hinaus liefen, daß sie nicht glauben, ihre Stimme als Richter geben zu können; die übrigen 693 gaben ihre Stimmen einmüthig dahin, daß der Angeklagte schuldig sey. Als die Stimmen gezählt worden waren, verlas der President das Verzeichniß, und kündigte hierauf das Resultat in diesen Worten an: Ich deklariere im Namen des N. Convents, daß Ludwig Capet einer Conspiration gegen die Freiheit der Nation und eines Verbrechens gegen die allgemeine Sicherheit des Staats schuldig erfunden worden.

Nun schritt man zum namentlichen Aufruf über die zweite Frage: Ob bey dem Urtheil, welches soll gesprochen werden, eine Appellazion an das Volk statt finden soll? -- Sehr viele begleiteten ihre Stimmen mit Gründen, welches die Session bis Nachts um 11 Uhr dauren machte. Gegen die Appellazion an das Volk waren unter andern die Deputierten Egalite, (vormahliger Herzog von Orleans) "Boileau, St. Just, Condorcet; "für die Appellazion hingegen stimmten unter andern "Kersaint, Rabaut de St. Etienne, Barbaroux, Rebecqui und Pethion; "welcher deßwegen von den Galerien ausgezischt wurde. Ueberhaupt war das Resultat folgendes: 3 Mitglieder waren wegen Krankheit, 20 mit Urlaub oder als Commissarien abwesend, und 10 wollten ihre Stimme nicht geben: von den übrigen waren 424 gegen und 283 für die Appellazion an das Volk; der President sagte also: Ich deklariere im Namen des N. Convents, daß bey dem Dekret, welches dasselbe abfassen wird, keine Appellazion an das Volk statt finden soll.

Ehe in der folgenden Session am 16 über die Art der Straffe votiert wurde, dekretierte das N. Convent, daß der exekutife Staats-Rath, der Prokureur der Commüne, das Departement und die Munizipalität vor ihm sich einfinden sollen, um von dem Zustand der Stadt Paris Bericht abzustatten. Die Minister beruhigten zwar die Versammlung über diesen Punkt; doch meldete der Maire schriftlich: Es verbreiten sich bedenkliche Gerüchte; die in den Gefängnissen befindliche Bürger äussern grosse Furcht über ihren längern Aufenthalt in denselben, weil die Massakre vom 2ten September nächstens wiederholt werden soll; indessen hoffe er von der Einigkeit der gutdenkenden Bürger es werde nicht zur Ausführung dieses abscheulichen Vorhabens kommen. Noch wurde, ehe man zum Votieren schritt, entschieden, daß so, wie bei allen Dekreten des N. Convents, auch izt die absolute M~~rheit gelten, d. h. eine einzige Stimme mehr, die Majorität ausmachen soll. Es war Abends um halb 8. Uhr, als man über die dritte Frage: Welche Straffe dem Angeklagten zuerkannt werden soll? die Stimmen zu sammeln anfieng, und diese Seßion daurte fast die ganze Nacht hindurch. Es ist wohl der Mühe werth, die Namen einiger Mitglieder des N. C. (besonders solcher, die auch schon in diesen Blättern genannt worden sind) und die Ausdrüke, worinn sie ihre Stimme gaben, anzuführen. Maille war der erste und stimmte für den Tod; doch soll das N. C. nachher untersuchen, ob die Vollziehung des Urtheils beschleuniget oder aufgeschoben werden soll. Diesem leztern stimmten nachher mehrere bey. Isnard sagte: Ich gebe meine Stimme zum Tod, und verlange noch ausserdem, daß seine beyden Brüder, die so strafbahr sind als er, innerhalb 24 Stunden durch ein von euch zu ernennendes Tribunal verurtheilt und neben ihm in Effigie die Straffe an ihnen vollzogen werden soll. Egalite (Philipp von Orleans, also einer von des Angeklagten nächsten Anverwandten) sagte: Mich leitet hier blos das Gefühl meiner Pflichten. Ueberzeugt, daß alle, die sich an der Souveränität der Völker vergriffen haben, oder daran vergriffen sollten, des Todes würdig sind, gebe ich meine Stimme zum Tod. Barrere. Ich habe über die Straffe des Einsperrens nachgedacht und gefunden, daß Könige im Gefängniß eine schlechte Diplomatik sind; ich habe die Straffe der Verbannung untersucht, und gefunden, daß Könige gegen die Schande gefühllos sind. Ohne dem kann der Freiheitsbaum nur dann wachsen, wenn er mit dem Blut der Könige gewässert wird. Biroteau erregte durch die Ausdrüke, womit er seine Meinung begleitete; einigen Tumult und wäre beynahe zum Verhaft verurtheilt worden. Ich erkenne die Qualität eines Richters nicht an mir, sagte er; denn wenn meine Committenten mich als Richter hieher geschikt hätten, so würd ich mich nicht mit so viel Böswichten umgeben finden; ich gebe meine Stimme für die Todes-Straffe; aber daß sie erst nach dem Tod der Bourbons vollzogen werden soll.

Barbaroux: Ich habe Ludwig für strafbahr erklärt, weil er's ist; ich habe meine Stimme für die Appellazion an das Volk gegeben, weil ich dieselbe für nothwendig halte, ich biete dem Schwerdt der Mörder troz und hab es immer gethan. Weil Ludwig, den Tod verdient hat, so verurtheile ich ihn dazu. -- Nach Verlauf einiger Stunden werde ich meine Stimme zur Landesverweisung des Lezten von den Bourbons geben. -- Condorcet sagte: Bürger, aller Unterschied der Straffen bey gleichen Verbrechen ist ein Vergehen gegen die Justiz; Ludwig hat den Tod verdient; aber meine Grundsäze erlauben mir nicht, in irgend einem Fall meine Stimme für die Todesstraffe zu geben; ich werde es also auch hier nicht thun. Ich stimme für die schärfste Straffe, wenn es nur nicht die Todesstraffe ist. -- Dabey blieb er dann auch, als man eine bestimmte Erklärung seiner Meinung von ihm verlangte. -- Bazire: Die alte Geschichte beweiset durch Beyspiele, daß verbante von berühmtem Namen ihr Vatterland an den Rand des Untergangs gebracht haben. Wenn Ludwig nur zur Verbannung verurtheilt wird, so könnte in kurzer Zeit das Mitleiden mit ihm die Oberhand gewinnen. Ich gebe also meine Stimme für Ludwigs Tod, um meinen Vatterland die Schande zu ersparen, jene Besorgniß einst realisirt zu sehen. -- Büzot: Meine Meinung ist bereit bekannt. Als ihr die Appellazion an das Volk verwarffet, erregte dieses Besorgnisse bey mir. Denn wenn Ludwig zum gefänglichen Verhaft verurtheilt werden sollte, so wird er ermordet werden. Wird er zum Tode verurtheilt, und dieses Urtheil sogleich vollzogen; so befürchte ich die unglücklichsten Folgen davon. Um diese zu verhüthen muß das N. Convent, wenn es die Todesstraffe erkennen sollte, sich das Zutrauen der Nation zu verschaffen suchen, und die Aufrührer zittern machen. Ich fand bey der Verurtheilung zum Tod Gefahr, aber hingegen Klugheit in dem entgegengese_ten Fall. Ich besorgte, man möchte dencken, es haben etwan Drohungen auf meine Meynung einen Einfluß gehabt. Das Urtheil muß ohne Leidenschaft gesprochen werden; denn Wehe dem, der ohne Schrecken ein solches Urtheil sprechen; wehe dem Volck, welches dasselbe ohne Gemüths-Unruhe anhören kan! von einem Volck, welches alle Moralität verlohren hat, ist nichts mehr zu hoffen. Ich wünschte, daß die Vollziehung des Urtheils nicht sogleich auf dasselbe folge; und erkenne mit Schrecken und Betrübniß die Todes Straffe gegen Ludwig.

Unter den Deputierten, welche ihre Stimmen mit Gründen begleiteten, haben sich auch noch Brissot, Lacroix und Pethion ausgezeichnet. Alle drey waren für das Todes-Urtheil; aber Brissot verlangte, daß die Vollziehung desselben aufgeschoben werden soll bis das Volck die Constitution ratifiziert habe. -- Alle Stimmen waren nun gegeben; als zwey dem Presidenten eingegebene Schreiben angekündiget wurden. Das eine war von Ludwigs Vertheidigern, welche angehört zu werden verlangten; das andere von dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten, begleitet mit einer Depesche von der Spanischen Regierung, Ludwigs Prozeß betreffend. -- In Ansehung des erstern wurde dekretiert, daß es nicht eher in Ueberlegung genohmen werden soll; bis man das Resultat der bisherigen Stimensammlung über die dem Angeklagten zuerkannte Strafe vernohmen habe.

In Ansehung des zweyten der erwehnten Schreiben wurde angemerckt: Je wichtiger die gegenwärtigen Umstände seyen, desto weniger müsse man den auswärtigen Mächten Anlaß geben zu glauben, daß sie auf die Berathschlagungen der Representanten des Französischen Volcks einigen Einfluß gehabt haben. Es wurde also beschlossen, von der Depesche der Spanischen Regierung keine Notiz zu nehmen. -- Noch wurde die Untersuchung der Stimmen-Sammlung durch einen neuen Vorfall verzögert. Ein kranckes Mitglied des N. Convents, Castel, fand sich in der Nachtmüze in der Versammlung ein, um seine Stimme zu geben. Man machte ihm dieses anfänglich streitig, aber nachher ward es ihm gestattet, und er stimmte für die Verbannung. -- Endlich konnte der President, Vergniaux, das Resultat der Stimmen eröfnen; er that es in folgenden Worten: -- Bürger, ich bin im Begriff das strenge über Ludwig gesprochene Urtheil euch bekannt zu machen. Wenn die Gerechtigkeit gesprochen hat, dann muß die Menschlichkeit ihre Stimme hören lassen. Ich fodere die Mitglieder der Versammlung und die Zuhörer auf den Galerien zur tiefsten Stille auf. Die Versammlung besteht aus 745. Mitgliedern; einer ist gestorben; von den übrigen 744. sind 6. wegen Krankheit, 2. ohne Ursache, und 11. wegen erhaltenen Aufträgen abwesend; 4. haben ihre Stimmen nicht gegeben; es haben also 721. votiert, von denen die absolute Mehrheit 361. ausmacht: 23. Stimmen sind für die Todesstraffe mit dem Zusaz, daß über die Zeit ihrer Vollziehung erst noch berathschlaget werden soll; 8. für den Tod mit Aufschub; 2. ebenfalls für den Tod aber erst nach wieder hergestelltem Frieden; 2. für den Verhaft (in Fesseln) 319. für den (Lebenslänglichen) Verhaft; 366. für die Todesstraffe; (diese vermuthlich ohne weitern Zusaz.) -- Bürger, die Ludwig zuerkannte Straffe ist also die Todesstraffe.

Nach Eröfnung dieses Urtheils wurden nun sogleich Ludwigs Vertheidiger vor das N. Convent gelassen. Herr de Seze, -- auf dessen Vertheidigungsschrift bey dieser Verurtheilung so gar keine Rücksicht genohmen worden; -- führte das Wort, und sagte: Bürger und Representanten, Ludwig hat uns den Auftrag gegeben, und uns ausdrücklich an euch abgeschickt, um euch eine von ihm eigenhändig unterzeichnete Schrift zu kommunizieren; sie lautet so:

"Ich bin es Meiner Ehre, Ich bis es Meiner Familie schuldig, eine Anklage, die Ich nicht verdient habe, nicht zu unterschreiben. Ich erkläre deßwegen, daß Ich von dem Urtheil, welches über Mich wird gesprochen werden, an die ganze Nation appelliere; und Ich ertheile Meinen Vertheidigern alle nöthige Vollmacht, damit diese Appellazion dem Protokol des N. Convents einverleibt werde."

De Seze bemerkte, es sey um so viel großmüthiger und billiger, daß das N. Convent dem Verlangen des Angeklagten Gehör gebe, da das eben gesprochene Urtheil nur mit einer Mehrheit von 5. Stimmen (über die absolute Majorität) gesprochen worden. Er verlangte, daß die vorgeschlagene Appellazion angenohmen werde. -- Tronchet, auch einer von Ludwigs Vertheidigern, verlangte, daß man ihm am nächstfolgenden Tag gestatte zu beweisen, das N. Convent habe das Dekret nicht abfassen können, wodurch er verordnete, daß bey dem von ihm zu sprechenden Urtheil die absolute Mehrheit gelten soll. -- Beyde Consulenten Ludwigs erhielten die Erlaubniß der Session beyzuwohnen, in welcher nun über ihr Andringen deliberiert werden sollte.

Robespierre und Guadet widersezten sich eifrig, daß das N. Convent die von Ludwig vorgeschlagene Appellation annehme. Guadet sagte, ein Angeklagter habe nicht das Recht, der Nation dasjenige zu sagen, was das N. Conv. allein berechtiget wäre ihr zu sagen. Das wäre eine Revision, das Volk würde nicht mehr eine politische Frage zu untersuchen haben, man müßte ihm alle zu dem Prozeß gehörigen Aufsäze zuschicken welches unthunlich sey; und in der Hierarchie der Justiz habe das National-Tribunal keinen höhern über sich, wenn es ein Urtheil spreche. Es sey also unmöglich, das Ansuchen der Vertheidiger Ludwigs zu gestatten. Ausserdem habe Ludwig darein gewilliget, von der National-Representation gerichtet zu werden. -- Das N. C. deklarierte nun einstimmig, daß es die Appellation des Angeklagten an die Nat__n nicht annehme. Von Tronchets Ansuchen wurde weiter keine Notiz genohmen, und auf den nächstfolgenden Tag die Untersuchung der Frage angesezt: Ob das über Ludwig gefällte Todesurtheil aufgeschoben oder sogleich vollzogen werden soll?

Man wird vielleicht oben unter den genannten Mitgliedern des N. C., welche bey Ludwigs Verurtheilung ihre Stimmen gaben, den in diesen Blättern auch schon erwähnten Namen Manuel vermißt habe. Dieser Deputierte hat, (vielleicht weil er der Versammlung nicht beywohnte) seine Meinung über diese Sache in einem dem Pariser-Journal eingerückten Schreiben gesagt; woraus hier, (weil der Raum seine ganze Mittheilung nicht gestattet) doch einige Stellen angeführt werden müssen. -- "Ich sehe, sagt Manuel, Gefahren bey allen Meinungen, es mag nun das N. C. den König, oder das Volk das N. C. richten. -- Vom Thron herabsteigen, und denselben nicht wieder besteigen können; das ist die Straffe für einen König. Die Politik einer Nation, die sich eine neue Verfassung giebt, ist die Moral. Ihre ganze Stärke muß in ihren Tugenden bestehen. Eine erhabene Handlung verspricht ihr mehr Erobernngen, als eine Armee. -- Ich will daß Ludwig lebe, weil ich nicht will, daß ein anderer regiere, und wenn Frankreich, welches zu den grossen Hülfsmitteln einer nüzlichen Revolution geschritten ist, nachdem es versucht hat durch republikanische Tugenden den unheilbaren Aussaz einer allzulangen Dienstbarkeit zu bedeken, jemals verdiente, wieder unter einen König zurükzufallen; so wollte ich noch lieber Ludwig als Philipp, aber dann würde Cato, der nicht wählt sterben können. Ich habe eine geheime Ahndung, daß die Republikaner von gestern her, die unter der Larve des Brutus den Parisern auf den Galerien das Traurspiel des Carousel (des Königs Hinrichtung) versprechen, lauter Priester oder Adeliche, den Kopf des Gefangenen der Nation nur darum unter der Güillotine wollen fallen machen, die einen, um eine Königs-Krone aufzuheben, und die andern, um ihm eine Märtyrer Krone aufzusezen. (Hier folgt ein heftiger, äusserst verhönender Ausfall auf Monsieur Marat; und dann schliest Manuel mit folgenden Worten:) Wenn der Tod eines grossen Verbrechers zu der Glükseligkeit von 25. Millionen Menschen nothwendig wäre; so würd' ich selbst ihm denselben anthun. Aber als Gesezgeber, ungewiß ob ich Richter bin, in einem N. Convent, welches den heiligen Charakter eines Tribunals nicht annehmen kan, schränke ich mich darauf ein, zu verlangen, daß der Temple mit den Riegeln der Bastille verschlossen werde, bis das Volk, welches sich zur Untersuchung des von ihm erwarteten Gesezbuchs versammeln wird, entweder die Verbannung, oder die immerwährende Gefangenschaft, oder den Tod des lezten der Könige durch seinen Urtheilsspruch erkennt."

Gestern haben die 48 Sektionen von Paris, die Föderierten der Departements und die Jakobiner sich nach dem Carrousel-Plaz begeben um sich eidlich zur Ausrottung aller Tyrannen zu verbinden. Das General Conseil der Commüne hat zufolg einer an dasselbe ergangenen Einladung dieser Föderation in Corpore beygewohnt, und der von den Marseillanern vor der Commüne beschworne Eid ist bey dieser Ceremonie verlesen worden. -- Die Sektion von den Korn-Hallen hat dem General Conseil zu wissen thun lassen, daß der Maire, Chambon, ihr Zutrauen verlohren habe.


Quellen.[]

  1. Politisches Journal nebst Anzeige von gelehrten und andern Sachen. Jahrgang 1793. Herausgegeben von einer Gesellschaft von Gelehrten. Hamburg, auf den Post-Aemtern und in der Hoffmannschen Buchhandlung 1793.
  2. Post- und Ordinari Schaffhauser Samstags-Zeitung. 8. Vom 26 Jenner, 1793.

Literatur.[]