- An die Einwohner Wiens.
Während daß die Armee für die gerechteste und erhabenste Sache, für welche jemals die Waffen geführt worden sind, mit Entschlossenheit und Beharrlichkeit kämpft, könnte eine oder die andere Abtheilung des feindlichen Heeres einen Einfall in die Residenz-Stadt auszuführen versuchen.
Se. Majestät, der Kaiser, haben mich hierher gesendet, um ein solches Unternehmen durch die wirksamsten Gegenanstalten zu vereiteln.
Von Eurer Bereitwilligkeit, edle und großgesinnte Einwohner von Wien, mich bey diesem Auftrage kräftig zu unterstützen, ist Se. Majestät zum voraus überzeugt. Eure bey jeder Gelegenheit bewiesene Liebe zum Vaterlande, Eure Treue gegen einen allgeliebten Monarchen hat nie in hellerem Glanze gestrahlet, als in diesem über Jahrhunderte entscheidenden Augenblicke. Ich weiß, und die Welt wird erfahren, wessen Ihr fähig seyd!
Eure Vorfahren haben unter Ferdinand und Leopold einen mächtigen Feind von den Mauern der Hauptstadt vertrieben. Wenn es dem, der uns heute bedroht, vor einigen Jahren gelang, in diese Mauern zu dringen; so hatten Unglücksfälle von ganz ausserordentlicher Art ihm den Weg dazu gebahnt. Aber jetzt, wo eine Masse von Kräften, die dem Kriege eine uns günstigere Wendung zu geben im Stande ist, auf allen Seiten dem Staate zu Gebothe steht, jetzt, wo es mehr als Kleinmuth, wo es Pflichtvergessenheit wäre, an der Möglichkeit eines glücklichen Ausganges zu verzweifeln, jetzt sollten wir ihm diese ehrwürdige Stadt, diesen Mittelpunkt der Monarchie, diesen Sitz so vieler glorreichen Fürsten, die Oesterreichs Nahmen groß und herrlich gemacht, und Wohlfahrt und Segen über ihre Völker verbreitet haben, ohne Widerstand überlassen?
Solche Schmach sey fern von uns! Tief gerührt durch das von Sr. kaiserl. Majestät mir geschenkte Zutrauen, werde ich stets mitten und unter Euch seyn. Euer unermüdeter Beystand, Eure Bereitwilligkeit zu jeder löblichen Tat, Eure gewissenhafte, kraftvolle Mitwirkung bey jeder Maßregel, welche die Sicherheit dieser Hauptstadt, welche Selbst-Erhaltung und Ehre von und fordern, sind mit gewiß. Wenn und alle nur Ein Wille beseelt, wem wird es gelingen uns zu überwältigen?
Die Gefahr, der wir Trotz biethen wollen, wird, wenn sie wirklich eintritt, in keinem Falle von langer Dauer seyn. Die Armeen werden von allen Punkten herbeyeilen, um unsern Anstrengungen ein glückliches Ziel zu setzen.
Wenn unterdessen der Anblick Eures rühmlichen Entschlusses ringsumher Tausende und Tausende Eurer Mitbürger entflammt, wenn Euer Beyspiel das Vaterland gerettet hat, welcher Lohn, welche Zukunft wartet Euch!
- Wien den 5. May 1809.
Quellen und Literatur.[]
- Wiener-Zeitung. Verlegt von den v. Ghelenschen Erben. Nro. 36. (1809)