Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Der Graf von Liverpool, die Triebfeder aller Bewegungen des englischen geheimen Cabinets.[]

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Selten ist ein Regent so selbstständig, daß nicht seine Umgebungen mehr oder weniger Einfluß auf seine Entschlüsse hätten. Der König von England ist alt und schwach, sein Verstand hat durch seine Geisteskrankheit sehr gelitten, und sein Charakter zeichnet sich mehr durch eine von Vorurtheilen geleitete Hartnäckigkeit, als durch feste Grundsätze aus. Von den frühesten Jahren her ist er an einen Mentor gewöhnt, der ihn leitet und der weit mehr Einfluß auf die Regierung hat, als öffentlich sichtbar wird. Anfänglich war diese Triebfeder des englischen geheimen Cabinets der Lord Bute und nach dem Tode dieses der Lord Liverpool.

Die englische Verfassung kennt in Ansehung der vollziehenden Gewalt bloß den König und die Minister, die für alles, was sie thun, verantwortlich sind. Man glaubt gewöhnlich, daß die englischen Minister nach Willkühr den Einfluß der Krone benutzen, daß sie eigenmächtig Beschlüsse fassen und daß sie beliebig über Krieg und Frieden entscheiden. Die wäre zwar der Verfassung gemäß, allein seit vielen Jahren hat sich in England ein geheimes Cabinet gebildet, das aus den Vertrauten des Königs besteht, das Minister ernennt und absezt und das alle Macht der Krone in Händen hat. Die Minister sind bloß leidende Werkzeuge, und selbst Pitt mußte seinen Abschied nehmen, als er nicht in alle Plane einstimmte, welche das geheime Cabinet entworfen hatte, das eigentlich die Stelle des Willens des Königs vertritt und daher auch nicht verantwortlich ist.

Seit Georg III. Thronbesteigung war der Lord Bute das Haupt und die Seele des geheimen Cabinets, und da er des Königs Hofmeister gewesen war, so vermochte er sehr viel über ihn. Bei seinem Tode empfahl der Lord Bute dem König seinen Sekretär Jenkinson, den er ihm als einen Mann schilderte, welchem er sein ganzes Vertrauen schenken und dessen Rathe er blindlings folgen könne: denn er werde nie einen andern Zweck haben, als das Interesse der Krone.

Diese Empfehlung wirkte, der König schenkte Jenkinson sein ganzes Vertrauen; dieser wurde darauf Lord Hawkesbury und endlich Lord Liverpool und Direktor des geheimem Cabinets, und nach Chatams Ausdrucke: eine Person hinter dem Throne, welche höher ist als der Thron selbst. Der Plan des geheimen Cabinets gieng von jener dahin, die Vorrechte der Krone zu erweitern und den Weg zu einer absoluten Gewalt zu bahnen. Diesen Zweck glaubte man vorzüglich durch die Kriege zu erreichen, die England unter Georg III. Regierung so häufig und lange geführt hat. Daher gab man den rechtmäßigen Foderungen der nordamerikanischen Kolonien nicht nach, daher wollte man sich in die inneren Angelegenheiten Frankreichs mischen und die Bourbons wieder auf den Thron erheben, um die Aufmerksamkeit des englischen Volkes von den Punkten wegzulenken, auf die man vorzüglich hinarbeitete, und die man gern unbemerkt lassen wollte. Pitt hatte anfänglich gar keine Lust zu einem Kriege gegen Frankreich, indem er sich bloß mit der Verbesserung des Finanzzustandes von England abgab, allein er wurde bald in das Interesse und in die geheimen Plane des Cabinets gezogen, indem man ihn theils mit dem Verluste seiner Stelle bedrohete, theils durch Ränke und durch die Furcht vor Aufruhr in England zu der Partei des geheimen Cabinets hinüberzog.

Der Lord Liverpool ist ein Mann von vielen Talenten, schlau, ränkesüchtig; er arbeitet unaufhörlich auf den Zweck hin, den er sich vorgesezt hat. Er nennt sich bisweilen, wie dies auch einige andere Mitglieder des geheimen Cabinets thun, einen Freund des Königs. "Dieser Freund Ihrer Person, Sire, sagt ein englischer Schriftsteller, ist ein Feind des Volkes; er hüllt sich in Butes Mantel, und hat alle die Geschmeidigkeit, Treulosigkeit, Härte und Gleichgültigkeit gegen Ehre und Volksmeinung, wodurch sich jemand nothwendig Verachtung und Haß zuziehen muß; er macht, daß man selbst vor dem Altar keine Ehrfurcht und Achtung hat. Dieser Mensch, Sire, ist Ihrem Volke schon seit dreißig Jahren verhaßt; selbst Ihre Minister hassen ihn, aber sie sind so schwach, so nachgiebig und genöthigt, sich vor Ihrem geheimen Rath zu krümmen und vor ihm zu kriechen, so daß sich sein Ansehen mit dem Abscheu des Publikums vermehrt, und daß die Einträglichkeit seiner Aemter alles übersteigt, nur nicht seinen Geitz und seine Niederträchtigkeit."

Ein anderer Engländer sagt von dem Lord Liverpool: "die Bande der Dankbarkeit und der Freundschaft sind für ihn fremd; für die Empfindungen einer erhabenen Ehrbegierde ist er todt; sein einziges Streben ist auf Macht gerichtet. Er rühmt sich, daß er den Thron schütze und zwar nicht bloß gegen die Opposition, sondern auch gegen die Diener desselben, und er hindert sie Gutes zu thun, bloß aus Mißgunst und Furcht, sie möchten etwas zu viel Popularität erhalten."

Der Lord Liverpool ist ein geschworner Feind des Franzosen und ihrer Regierung; er haßt die Freiheit und fürchtet, daß Frankreich in Ansehung seiner Macht und seines Reichtums mit England nicht bloß rivalisiren, sondern es auch endlich vielleicht gar verschlingen möchte. Sein Sohn ist der Lord Hawkesbury, der, im Jahre 1770 geboren, zu Oxford studirte, wo er sich in dem Griechischen und Lateinischen große Kenntnisse erwarb. Zu Anfange der französischen Revolution befand er sich in Paris, wo er mit den Häuptern der verschiedenen Parteien in Verbindung stand, über deren Charakter und Absichten er der englischen Regierung die genauesten Nachrichten mittheilte. Zu Ende des Jahres 1791 hatte er eine Unterredung zu Coblenz mit den angesehensten Ausgewanderten, und von jeher war er ein Feind der französischen Regierung, deren Untergang er auf alle Art zu befördern suchte.


Quellen.[]

  1. Brandraketen, ein Feuerwerk für Engländer. In zwanglosen Heften. London, 1808. Im Büreau der Ausländer.
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