Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Ueber die Preßfreyheit.[]

Von Xavier Audouin.*) [1]

(geschrieben im März 1796.)

Seine Gedanken öffentlich zu bekennen, ist ein Recht, welches die Natur uns gegeben, und die Gesellschaft uns gesichert hat. Frey und mittheilend geboren, fühle ich das Bedürfniß, mein Herz auszuschütten. An demselben Tage, wo man der Ausübung dieser Fähigkeit Hindernisse in den Weg legen wird, will ich, wo man nicht zu gleicher Zeit meinen Körper und meine Einbildungskraft fesselt, mein entehrtes Vaterland fliehen. Lieber in einem Walde, als in einer Gesellschaft, die den Menschen erniedrigen, und die Natur beleidigen würde!

Freylich entsagt der Mensch durch die gesellschaftliche Verbindung einem Theil seiner natürlichen Rechte, um Sicherheit für den andern Theil zu erlangen; aber diese wechselseitige Entsagung kann sich nur auf diejenigen seiner Rechte beziehen, deren Ausübung einem Andern schaden würde. Laßt uns nun untersuchen, ob die Freyheit der Meinungen der gemeinschaftlichen Sicherheit schaden können oder nicht. Ehe wir die Streitbahn betreten, wollen wir die Bedingungen des Kampfes festsetzen.

Zuförderst unterscheiden wir wohl die Freyheit der Meinungen von Empörung und Verläumdung. Die Freyheit der Meinungen ist das Recht, seine Gedanken öffentlich zu äussern. Sie ist also die Sprache des Herzens; der Ausdruck der Empfindung, der Mensch erhält den Antrieb zu dieser Mittheilung durch den Reitz der Wahrheit, und durch das Bedürfniß, dasjenige andern mitzutheilen, was ihm nützlich und gut zu seyn scheint.

Läßt man diese Definition zu: so ist das alles wovon man weiß, daß es nicht wahr sey, alles, bey dem man fühlt, daß es nicht nützlich sey, weder der Ausdruck des Gedankens, noch derjenige der Empfindung. Wir wollen nun diese Grundsätze auf die Verläumdung und Empörung anwenden.

Die erstere ist eine solche Behauptung von einer Person, deren Falschheit man erkennt, und deren Ungerechtigkeit man fühlt. Die zweyte ist eine Unternehmung gegen die Gesellschaft, wodurch man die Verpflichtungen, die man gegen dieselbe übernommen hat, verletzt. Die Erstere ist weder Ausdruck des Gedankens noch der Empfindung, weil man, indem man verläumdet, ganz etwas anders denkt, und empfindet, als man ausdrückt. Die andere ist keine Handlung der Freyheit, da sie mit der freyen Handlung im Widerstreit ist, durch welche man zum gesellschaftliche Vertrage seine Zustimmung gegeben hat, der durch die Empörung vernichtet wird. Man ist entweder nicht aufrichtig gewesen, als man den Gesetzen beypflichtete, oder man ist jetzt meineidig.

Die Verläumdung ist eine gesellschaftliche Ermordung. Man vernichtet durch sie das Recht des Bürgers, auch die Achtung seiner Mitbürger. Die Empörung ist eine Handlung des Despotismus; denn durch die Empörung will die kleinere Zahl den Willen der Majorität lähmen.

Das Naturrecht verbietet die eine sowohl, als die andere; die Gesetze der Gesellschaft müssen sie beyde bestrafen. Laßt uns nun nach diesen Grundsätzen weiter gehen.

Niemand kann wegen der Aeusserungen seiner Meinungen zur Rede gestellt werden, wenn ihre Bekanntmachung nicht die eingeführte Ordnung stöhrt. Behalten wir nun unsern obengemachten Unterschied bey, so sieht man, daß die Mittheilung der Gedanken der Gesellschaft nützen könne, ohne ihr schädlich zu werden.

In der That öffentlich geäußerte Meinungen beziehen sich entweder auf Personen, oder auf Sachen; laßt uns sehen, welche Wirkung sie in dem einen und dem andern Falle hervorbringen.

1) Sie beziehen sich auf Personen. Wenn ihr die Republik wollt, wenn alle Bürger zusammenberufen werden, um zu wählen, und sich wählen zu lassen, so ist es allen wichtig den Mangel an Kenntniß verschwinden zu lassen, der die schlechten Wahlen erleichtert, und es verhindert bessere Wahlen zu treffen. Haben wir nun alle ein Interesse dabey, sich untereinander zu kennen, und bekannt zu seyn; durch welche Mittel wollen sie dazu gelangen, wenn es nicht erlaubt ist, weder von Talenten noch von Thorheiten zu sprechen? Wenn ein öffentlicher Beamter Euch wegen einer neuen Art von Verbrechen der beleidigten Majestät zur Strafe ziehen kann, weil Ihr eure Pflicht erfüllet, indem ihr ihn entlarvt habt?

***r.


*) Audouin ist ein Schwiegersohn von Pache, der jetzt frey ist, und nicht weit von Paris auf dem Lande lebt. Er giebt gegenwärtig ein Journal heraus, unter dem Titel: Der philanthropische Publicist. Bisher sind erst zwey Nummern davon erschienen; die letztere, die den Aufsatz über die Pressfreyheit enthält, kam zu der Zeit heraus, da dieser wichtige Gegenstand im Rath der 500 abgehandelt werden sollte, wo Louvet und seine sich jetzt mehr zum Terrorismus neigende Parthey, zum Scandal der Aufklärung gegen die Pressfreyheit zu Felde zog; glücklicher Weise aber von der besser gesinnten Majorität überstimmt wurde. Anmerk. des Eins.


Quellen.[]

  1. Minerva. Ein Journal historischen und politischen Inhalts. Herausgegeben von J. W. v. Archenholz. Hamburg 1796.
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