Ueber die Pariser Policey.[]
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Von Limodin, Mitglied des Centralbureau zu Paris.
Geschrieben im December 1796.
Seit langer Zeit scheint man sich, mit einem Anschein von Recht über den Mangel der Wirksamkeit der Pariser Policey zu beklagen. Die Diebereyen werden mit einer Unverschämtheit vervielfältigt, die allerdings jeden ehrlichen Mann beunruhigen muß. Indessen verdient es wohl eine Untersuchung, ob dieß Schuld der Policey, oder bloß der Umstände sey.
Die, welche seit acht Monaten diese drückende Last tragen, haben, unausgesetzt Tag und Nacht, die größte Thätigkeit gezeigt; die subalternen Agenten schienen einige Augenblicke ihre Obern nachahmen zu wollen; und die Thätigkeit war so groß, daß man, die verschiedenen Arrestaten abgerechnet, die sie vor die Friedensrichter brachten, bloß in der einzigen Arreststube des Centralbureaus innerhalb sieben Monaten, sowohl an Räubern, als Verschwörern, Emigranten und Lustmädchen, 2047 Personen sah, ohne die Haussuchungen darunter zu begreifen, welche zweytausend Individuen dahin nöthigten; aber die Unzulänglichkeit einiger Gesetze, die dem Verbrecher Mittel übrig lassen, sich der Strafe zu entziehen, die davon herrührende Unverschämtheit der Diebe, und mehr als alles dieses, das Vertrauen auf die aus Mangel entspringende Bestechlichkeit der untern Bedienten, und besonders der Gefangenen-Wärter, die, wenn sie auch von Natur ehrliche Leute sind, doch von der Dürftigkeit gedrückt, großentheils durch die unglückliche Gewohnheit, mit denen in Gemeinschaft zu leben, die sie arretiren sollen, verdorben werden.
Nach unserer gegenwärtigen Lage, da wir kaum die großen revolutionairen Erschütterungen überstanden haben, befinden wir uns in einer neuen Welt, mitten unter einem Volke, das durch dem Mißbrauch der Worte unrichtige Begriffe von seiner wahren Macht erhalten, und sich noch nicht alle Sitten und Gewohnheiten der Freyheit erworben hat. *)
- *) Ganz übereinstimmend mit den Aussagen aller Beobachter ist die in einer Schilderung des Pariser Pöbels von einem französischen Journalisten gemachte Bemerkung: daß der Pöbel von Paris während der Revolution sich nur noch mehr verschlimmert habe, an Grausamkeit und Wucher-Geist gewöhnt, und durch die verfälschte Ideen von Freyheit und Gleichheit zur Zügellosigkeit und zu unverschämtem Trotze gegen alle Obern sey geleitet worden; so daß die Vollziehung der spätern Gesetze zur Einschränkung der Pöbelmacht mit vielen Schwierigkeiten verbunden ist, um so mehr, da jede Leidenschaften und Vorurtheile von den Resten der Jacobiner sorgfältig genährt und gepflegt werden. Auch findet die vollziehende Gewalt noch immer so manchen Widerspruch zwischen den schonenden Grundgesetzen und der Vollziehung der etwas strengern Neben-Gesetze -- wie man von neuem aus dem Verfolge dieses Aufsatzes sieht. A. d. Ueb.
Bey diesen Unordnungen, die eine Folge der grausamsten Anarchie sind; bey diesem schrecklichen Kampfe des Verbrechens und der Tugend -- wagten es muthige Magistratspersonen, sich eine Last aufzubürden, die sie zurückschrecken konnte, doch in der Hofnung, daß eine glücklichere Zeit sie in den Stand setzen würde, alles das Gute zu thun, das sie so eifrig wünschen.
Aber trotz aller unerhörten Bemühungen müssen sie leider noch ihre Unmacht eingestehen. *) -- Die Lustmädchen überschwemmten die Stadt, deren Schande und Aergerniß sie sind; die Policey-Verwalter können sie nicht greiffen, weil die Gesetze stumm sind. -- Aus schrecklicher Sorglosigkeit der Einwohner von Paris in Betreff des Dienstes fehlt es an hinlänglicher Wache, um die Diebe anzuhalten. -- Die Hazardspielhäuser sind zwar durch die ehemaligen nicht abgeschaften Reglements proscribirt; aber kaum darf man sich an sie wagen, weil es in dieser Rücksicht an einer Auslegung des 359sten Artikels der Constitution fehlt, welcher das Haus eines Bürgers während der Nacht für eine unverletzliche und geheiligte Freystätte erklärt, und die Uebertreter der Spielverbote auf frischer That zu greiffen hindert. -- Eben so ist es mit den Inhabern der Logis-Häuser, die, wie bekannt, die Personen, die sie Nachts verbergen, unrichtig angeben, und den Policey-Agenten die Nachsuchungen verweigern, indem sie auf den gedachten Artikel der Constitution trotzen, den sie lächerlicher Weise auf sie anwenden wollen. -- Die Caffeehäuser und Schenken überschreiten die in den Policey-Verordnungen angesetzten Stunden; werden sie, nach dem Gesetze vom 3ten Brumaire in die Municipal-Policey gebracht: so verurtheilt man sie zu einer Geldstrafe von dreytägigem Arbeitslohn, über die sie, als eine Kleinigkeit, lachen; die ehemaligen Reglements verurtheilten sie zu einer Geldstrafe von hundert Livres. -- So wichtig im Policeyfache die Pässe sind, so ist doch Paris der einzige Ort, wo sie streng gefodert werden. In der ganzen übrigen Republick schweift man ungestraft umher, und zufolge des Gesetzes vom 10ten Vendemaire haben wir uns genöthigt gesehen, eine zur Verfolgung der Betrüger sehr nützliche Maaßregeln abzuschaffen, die dahin gieng, den Reisenden auf ihren Pässen ihren Weg vorzuschreiben, und ihnen auferlegte, sich nicht von demselben zu entfernen, so daß die Policey den Reisenden mit ihren Blicken folgen konnte.
- *) In der That kann man diese Bemühungen, die leider nur zu nothwendig sind, unerhört nennen, wenn es wahr ist, daß die gegenwärtigen Polizey-Verwalter in Paris Sartine und seine Helfershelfer an Wachsamkeit wenn nicht übertreffen, doch ihnen gleich kommen, welches unter den jetzigen Umständen, die, wie man sieht, ihre Wirksamkeit so sehr hindern, nichts geringes ist.
Als Heilmittel dieser Uebel dürften vielleicht folgende die wirksamsten seyn. 1) Das Zusammendrängen der Sicherheits-Policey in die Hände der Policey-Commissarien, wie das Directorium verlangt hat. Es ist zu bedauern, daß diese Bothschaft Schwierigkeiten gefunden hat, aus dem Grunde, weil man dadurch zu viel Macht in die Hände von Männern geben würde, welche die Agenten der Regierung sind, und weil die ehmalige Macht der Pariser Gemeine gemißbraucht wurde. Grade deshalb, weil wir die Agenten der Regierung sind, ist die Macht, die sie uns übergeben mag, nicht zu fürchten, weil sie sie jeden Augenblick vernichten kann. Die ehemalige Pariser Municipalität im Gegentheil war eine Volksmacht, die der Regierung furchtbar war, weil sie ohne diese handelten, und von ihr nicht vernichtet werden konnte. Keine Furcht kann aber dem unschätzbaren Vortheil das Gleichgewicht halten, den dieß in einen so weitläuftigen Gemeine nöthige Zusammendrängen durch die daraus entspringende Kraft und Einheit der Wirksamkeit hervorbringen muß. -- 2) Die Wiederherstellung einer Wache zu Pferde und zu Fuße, für die besondere Bewachung von Paris; die unter dem unmittelbaren Befehle des Centralbureau stehen, und auf dessen Befehlen marschiren müßte. -- 3) Eine ausgedehntere Disposition über die Fonds. Mit Unrecht betrachtet man die Ausgaben der Pariser Policey als bloße Localausgaben; denn man kann sichs nicht verhehlen, daß die Pariser Policey wesentlich mit der allgemeinen Policey der Republick zusammenhängt, und Paris, so zu sagen, das große Magazin der Diebe, Betrüger und Beutelschneider aller Art ist.
Nach Berechnungen und bekannten Datis giebt es in Paris in den acht und vierzig Sectionen, in welche die Stadt getheilt ist, 150,000 Mann, welche auf die Wache ziehen. Jährlich kommt wenigstens zwölfmal die Reihe an sie. Thun sie den Dienst selbst: so kostet es ihnen die verlohrne Zeit, so wie es ihnen Geld kostet, wenn sie den Dienst durch andre thun lassen.
Es wäre demnach gut, den Pariser Bürgern, zur Bestreitung der Kosten einer besondern Wache und einiger andern Policey-Ausgaben, eine Zusatz-Abgabe (ausser den gewöhnlichen Steuern) aufzulegen, um wenigstens vorläufig der Regierung diese Ausgabe zu erleichten. Ueberdieß sollten die Vollmachten der Policey mehrere Ausdehnung erhalten. Bey dem gegenwärtigen Zustande der Sachen kann man keinen Menschen verhaften, als der ein Verbrechen gegen die Ordnung und das Interesse der Gesellschaft begeht. Aber ist es nicht z. B. ein Verbrechen gegen die Gesellschaft, kein Gewerbe zu treiben, wenn man sich nicht mit einer Einnahme ausweisen kann, womit man die Bedürfnisse des Lebens zu bestreiten im Stande ist? Muß nicht ein solcher Mensch nothwendig entweder ein Dieb, oder die Betrüger seyn? -- Ist es nicht ein Verbrechen gegen die Gesellschaft, auf Kosten einer Unglücklichen zu leben, die durch die schimpflichste Erniedrigung sich der eckelhaftesten Liederlichkeit ergiebt, mit ihren Reizen einen empörenden Handel treibt, und sich den ersten besten, gleich verächtlichen Menschen Preis giebt? Ist es nicht eine Verletzung der Sitten und der öffentlichen Moral, die durch eine gute Policey unterdrückt werden muß? -- Ist es nicht endlich ein Verbrechen gegen die Gesellschaft, vom Spiele und von ähnlichen Hülfsquellen zu leben? Und muß nicht die Policey den Menschen strafen, der keine andere Existenz hat, als die er sich durch den Ruin eines Hausvaters verschaft, den Trunkenheit oder eine augenblickliche Verirrung in diese Räuberhölen des Lasters führt? -- Und doch kann die Policey solchen Menschen, durch die Paris vergiftet wird, nichts anhaben, weil die Gesetze stumm bleiben. Man gebe uns alle Mittel, und führe die Strafe der Verbannung wieder ein, um aus den großen Städten die Uebelthäter zu entfernen; und wir bürgen für die Ruhe in Paris.
Von Reisende.[]
F. J. L. Meyer.[]
- [1801]
Paris.
Das erste, wovon man sich in Paris im täglichen Leben überzeugt, ist die Vortreflichkeit der Polizei in allen ihren Zweigen, unter dem jezigen Vorsiz des bekannten Fouché, als ihr Minister. Allzu grosse Strenge wirft man dieser Polizei zwar oft genug vor. Strenge aber ist die Seele einer guten Polizei, ernste Vollziehung der Befehle ihrer Beamten, schnelles Gehorchen; und schwer mag in einem Paris und bei einem an Zügellosigkeit lange gewöhnten Pöbel, die Mittelstrasse zwischen dieser Strenge und dem Despotismus zu treffen seyn. Nur gegen Willkühr der Behörde, und gegen beleidigende Angriffe ihrer Diener, sollten feste Schranken den Bürger schüzen. Sie sollten nicht klagen dürfen, wie es jezt laut genug geschieht, über Ueberrumplung in seinem eignen Hause, über scharfe Eingriffe in das Eigenthum des Bürgers, ohne vorhergegangne Untersuchung; nicht über übereilte Verhaftungen unschuldiger Personen, welche hinterher mit einem Versehen oder mit Verwechslung der Personen entschuldigt werden. Man sollte vor Mishandlungen durch Bajonnette sicher seyn. Unzweideutige Beweise von diesem allem sind nicht selten. -- Die Aufmerksamkeit der Pariser Polizei zur Erhaltung der öffentlichen Ordnung -- Sittlichkeit mögte ich's nicht nennen -- erstrekt sich bis ins Lächerliche und Kleinliche. An einem heissen Tage, geht einer meiner Bekannten, ohne Halstuch, aber mit zugeknüpftem Hemde, nach dem Tuilleriengarten. "Pardonnez Citoyen, ruft ihm die Schildwache der KonsularGarde am Gitterthor entgegen, on n'entre pas ici sans cravate" (um Verzeihung, ohne Halsbinde kommen Sie hier nicht herein). Das war nun wohl höflich erinnert, -- und diese wohlerzognen Gardesoldaten reden nur eine höfliche Sprache, und beschämen darin oft selbst ihre Officiere -- aber ist es nicht, wenigstens sehr inkonsequent, den Männern das Nichttragen eines Halstuches an dem bedekten Hals, zu verbieten, und die bis zur völligen Nacktheit unbekleideten Weiber ungehindert passiren zu lassen, ohne dass die Wache sie -- wenigstens an die kalte AbendLuft erinnert, der sie alle ihre reize Preis geben? Verhüllen nicht die jungen Pariser ihre ganze Blösse, und verbergen selbst die Hände, in den Hosenlaz? -- -- Tyrannin, Mode! du bist ein bestechlicher Sittenrichter.
Nüzlicher ist das Amt der Polizei, wenn es das Verbrechen bis in seine tiefsten Schlupfwinkel verfolgt. Jede grosse Stadt ist der Lärmplaz losen Gesindels aller Stufen, und Paris steht hierin auf der höchsten. Mehr als hier ist nirgend der Diebstal und jede Art der Gaunerei, in ein System gebracht, und planmässiger organisirt. Aber die Polizei wacht, und weiss sich die Diebe selbst als Kundschafter ihres Verbrechens, oft noch ehe es begangen wird, zu verbinden. Eins der gefährlichsten Komplotte, ward in diesen Tagen entdekt. Es hatte seine Zweige durch die ganze Stadt verbreitet. Man fand eine grosse Tabelle der im Werk begriffnen nächtlichen Einbrüche und der Beraubungen bei Tage durch Hauseinschleichen, und durch alle die alten und neuen Räuberkünste dieses Gesindels. Die Häuser, die Lagen der Zimmer, die Schränke und Chatoullen mit den darin befindlichen Diamanten, Silbergeräthe und andere Sachen von Werth waren nach ihren Namen und Gewicht verzeichnet, die Tagesordnung der Diebsstäle angesezt, Dietriche und Modelle zu den Zimmerschlüsseln vorräthig. Die Eigenthümer der bezeichneten Häuser wurden sogleich von der Entdeckung benachrichtet, und wegen der ihnen entwandten Schlüsselmodelle gewarnt.