Von Reisende.[]
F. J. L. Meyer.[]
- [1801]
Paris.
Das erste, wovon man sich in Paris im täglichen Leben überzeugt, ist die Vortreflichkeit der Polizei in allen ihren Zweigen, unter dem jezigen Vorsiz des bekannten Fouché, als ihr Minister. Allzu grosse Strenge wirft man dieser Polizei zwar oft genug vor. Strenge aber ist die Seele einer guten Polizei, ernste Vollziehung der Befehle ihrer Beamten, schnelles Gehorchen; und schwer mag in einem Paris und bei einem an Zügellosigkeit lange gewöhnten Pöbel, die Mittelstrasse zwischen dieser Strenge und dem Despotismus zu treffen seyn. Nur gegen Willkühr der Behörde, und gegen beleidigende Angriffe ihrer Diener, sollten feste Schranken den Bürger schüzen. Sie sollten nicht klagen dürfen, wie es jezt laut genug geschieht, über Ueberrumplung in seinem eignen Hause, über scharfe Eingriffe in das Eigenthum des Bürgers, ohne vorhergegangne Untersuchung; nicht über übereilte Verhaftungen unschuldiger Personen, welche hinterher mit einem Versehen oder mit Verwechslung der Personen entschuldigt werden. Man sollte vor Mishandlungen durch Bajonnette sicher seyn. Unzweideutige Beweise von diesem allem sind nicht selten. -- Die Aufmerksamkeit der Pariser Polizei zur Erhaltung der öffentlichen Ordnung -- Sittlichkeit mögte ich's nicht nennen -- erstrekt sich bis ins Lächerliche und Kleinliche. An einem heissen Tage, geht einer meiner Bekannten, ohne Halstuch, aber mit zugeknüpftem Hemde, nach dem Tuilleriengarten. "Pardonnez Citoyen, ruft ihm die Schildwache der KonsularGarde am Gitterthor entgegen, on n'entre pas ici sans cravate" (um Verzeihung, ohne Halsbinde kommen Sie hier nicht herein). Das war nun wohl höflich erinnert, -- und diese wohlerzognen Gardesoldaten reden nur eine höfliche Sprache, und beschämen darin oft selbst ihre Officiere -- aber ist es nicht, wenigstens sehr inkonsequent, den Männern das Nichttragen eines Halstuches an dem bedekten Hals, zu verbieten, und die bis zur völligen Nacktheit unbekleideten Weiber ungehindert passiren zu lassen, ohne dass die Wache sie -- wenigstens an die kalte AbendLuft erinnert, der sie alle ihre reize Preis geben? Verhüllen nicht die jungen Pariser ihre ganze Blösse, und verbergen selbst die Hände, in den Hosenlaz? -- -- Tyrannin, Mode! du bist ein bestechlicher Sittenrichter.
Nüzlicher ist das Amt der Polizei, wenn es das Verbrechen bis in seine tiefsten Schlupfwinkel verfolgt. Jede grosse Stadt ist der Lärmplaz losen Gesindels aller Stufen, und Paris steht hierin auf der höchsten. Mehr als hier ist nirgend der Diebstal und jede Art der Gaunerei, in ein System gebracht, und planmässiger organisirt. Aber die Polizei wacht, und weiss sich die Diebe selbst als Kundschafter ihres Verbrechens, oft noch ehe es begangen wird, zu verbinden. Eins der gefährlichsten Komplotte, ward in diesen Tagen entdekt. Es hatte seine Zweige durch die ganze Stadt verbreitet. Man fand eine grosse Tabelle der im Werk begriffnen nächtlichen Einbrüche und der Beraubungen bei Tage durch Hauseinschleichen, und durch alle die alten und neuen Räuberkünste dieses Gesindels. Die Häuser, die Lagen der Zimmer, die Schränke und Chatoullen mit den darin befindlichen Diamanten, Silbergeräthe und andere Sachen von Werth waren nach ihren Namen und Gewicht verzeichnet, die Tagesordnung der Diebsstäle angesezt, Dietriche und Modelle zu den Zimmerschlüsseln vorräthig. Die Eigenthümer der bezeichneten Häuser wurden sogleich von der Entdeckung benachrichtet, und wegen der ihnen entwandten Schlüsselmodelle gewarnt.
Quellen.[]
- ↑ Briefe aus der Hauptstadt und dem Innern Frankreichs, von F. J. L. Meyer Dr. Domherrn in Hamburg. . . Tübingen in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. 1802.