Der große Platz.[]
Madrid hat verschiedene große Plätze. Sie sind aber alle von unregelmäßiger Form, bis auf diesem einzigen, der wegen seiner Lage in der Mitte der Stadt, seines Umfangs und vielleicht auch des genannten Vorzugs der ausgezeichnetste ist, und schlechtweg der große Platz genannt wird.
Man hat Recht, darüber zu erstaunen, daß unter einer so langen Reihe glänzender Regierungen doch so wenig für die Verschönerung der Hauptstadt geschehen ist. Selbst der königliche Pallast, der auf einem der Vorgebirge der Anhöhe liegt, auf welcher Madrid gebaut ist, ist von seiner schönsten Seite gegen das freie Feld hin kaum zugänglich, und wird auf der Seite der Stadt nur mit Mühe durch krumme, enge, unebene Sträßchen gefunden. Und doch wäre es nirgends so leicht gewesen, wie hier, durchzubrechen, wenn man nur ein halb Dutzend Klöster aufopfern wollen, um damit diejenigen, welche ihre Häuser verloren, zu entschädigen.
Wenn der große Platz ein besseres Ansehn gewonnen hat, so ist es wohl der alten Sitte zuzuschreiben, die ihn immer zum Schauplatz großer Festlichkeiten gemacht hat. Die Freude über neue Regierungen wurde z. B. hier immer durch große Stiergefechte gefeiert, zu welchem Zwecke das Pflaster aufgebrochen, und ein hölzernes Amphitheater aufgeschlagen wurde. Die verschiedenen öffentlichen Gebäude, welche auf dieser Platz stehen, dienten dem Hofe, um aus ihren Fenstern das Schauspiel mit anzusehen. Der ganze Raum wurde dadurch zu einem ungeheuren Amphitheater, dessen Anblick bei solchen Gelegenheiten höchst interessant gewesen seyn muß.
In ganz anderer Rücksicht ist dieser Platz in den gewöhnlichen Zeiten merkwürdig. Es ist beinahe ganz mit kleinen bretternen Buden und mit hölzernen Tischen bedeckt, auf welchen alle diejenigen Artikel, die die gewöhnliche Tafel der Spanier versehen, zum Verkauf ausgestellt sind. Auch das hat für den Beobachter Werth, zu sehen, womit ein Volk sich ernährt, und er mag sehr leicht die Bemerkung machen, daß der Tisch der Bewohner einfach und mäßig bestellt seyn müsse.
Hierher muß man kommen, um die Originale von einer gewissen Gattung der spanischen Kunst aufzusuchen. Schon ehe die Gemälde der Niederländer in diesem Lande bekannt waren, gab es in denselben diese, wenn nicht geschmackvolle doch wahre Darstellungen aus dem gemeinen Leben und ihrer Natur; und es würde vielleicht nicht schwer zu beweisen seyn, daß die Kunst der Niederländer aus Spanien selbst diese sonderbare Richtung erhalten hat. Man hat von den ersten Künstlern dieses Landes, von Murillo, Velasquez u. s. w. dergleichen Werke, die an Reichthum der Erfindung und überraschender Wahrheit alle Flamänder übertreffen. In spätern Zeiten hat sich aber besonders die Schule des Bassano's in diesem Style sehr stark verbreitet. Orrente und Salmeron, die vorzüglichsten Schüler derselben, haben ihre Meister sogar zuweilen übertroffen; der wahre Kunstfreund kann sich aber dennoch ihrer Arbeiten nicht völlig erfreuen, indem sie selbst die höhern historischen Gegenstände in diesem Geiste behandelt, und den erhabensten Styl der Kunst unter die gemeine schmutzige Natur eines völlig verdorbenen Zeitalters heruntergewürdiget haben.
Quellen und Literatur.[]
- Spanien. Nach eigener Ansicht im Jahr 1808 und nach unbekannten Quellen bis auf die neueste Zeit von P. J. Rehfues, Bibliothekar des Kron-Prinzen von Würtemberg Frankfurt am Main, bei Varrentrapp und Sohn 1813.