Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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P. V. Vergniaud.[]

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Vergniaud (P. V.) geboren zu Limoges 1759, Advokat zu Bordeaux und Administrator des Girondedepartements, sodann Deputirter bey der Gesetzgebung, wo er sich durch seine Talente und durch die Kühnheit, womit er, von den ersten Sitzungen an, den König und die Monarchie angriff, einen grossen Einfluß verschaffte. Die Parthey der Gironde sah ihn seitdem als einen ihrer vornehmsten Anführer an, und brachte ihn im Oktober 1791 zur Präsidentschaft. Den 25. hielt er eine Rede über die Auswanderung, und war einer der ersten, die auf Maßregeln der Strenge gegen die Flüchtlinge, und vornehmlich gegen die französischen Prinzen, antrug. Er hatte einen äußerst thätigen Antheil an den Ereignissen des 20. Juny 1792 und half vornehmlich bewirken, daß eine Deputation vor den Schranken der Versammlung zugelassen wurde, welche dieselbe über die Forderung ausforschen sollte, die man ihr nächstens wegen der Entthronung des Königs vorzulegen gedachte. Im July hielt er eine Rede, in der er, in Folge blutiger Schmähungen gegen die Regierung, strenge Maßregeln gegen die Minister und Generale vorschlug. Endlich sah sich der Monarch, bis zu dessen Person man auf diese Weise durch den Sturz seiner Vertheidiger kommen wollte, in seinem Schlosse selbst angegriffen, und den 10. August legte Vergniaud den Dekrets-Entwurf vor, welcher die Absetzung des Fürsten und die Bildung eines Nationalkonvents aussprach. Der Kampf, der sich nunmehr zwischen den Girondisten und Terroristen erhob, fing an, jene zur Annahme von gemäßigtern Gesinnungen zu veranlassen, und Vergniaud widersetzte sich in Folge dessen den 20. und 26. August der allgemeinen Deportation der Priester und sodann der Errichtung eines Korps von Tyrannenmördern, welche Jean de Bry vorgeschlagen hatte. Als Deputirter der Gironde bey dem Konvent denunzirte er den 25. September die Gemeine von Paris, wegen der in dieser Stadt verübten Gräuelthaten, mißhandelte Robespierre und Marat, und verlangte, daß der letztere wegen seiner Brandschriften verfolgt werde. Den 31. Dezember hielt er eine Rede über die Nothwendigkeit, das Urtheil Ludwigs XVI. dem Volke anheim zu stellen. Diese Meinung brachte die Wuth der Terroristen vollends auf das Aeusserste und veranlaßte in den ersten Tagen des Januars 1793 mehrere heftige Streitigkeiten zwischen diesen und den Girondisten, welche darin, namentlich Vergniaud, eine grosse Ueberlegenheit an Beredsamkeit, Hülfsmitteln und Muth an den Tag legten. Bey Ludwigs XVI. Verurtheilung bekleidete er eben den Vorsitz des Konvents, und votirte dessen Tod, nachdem er in dem zweyten Namensaufruf verlangt hatte, daß das Urtheil dem Volke überlassen werden möchte. Er widersetzte sich hierauf aus ganzer Macht, jedoch fruchtlos, der Errichtung des Revolutionsgerichts, und den 10. Aprill sah er sich von Robespierre angeklagt. Nachdem er öfters unterbrochen worden war, gelang es ihm endlich, die Tribune zu behaupten, und er antwortete auf die studierte Schmährede seines Gegners mit einer improvisirten Rede, die als ein Muster von Muth, Geistesgegenwart und wahrer Beredsamkeit der Tribune angesehen werden kann. Bey dieser Gelegenheit war es, wo er sagte: "daß die Revolution, wie Saturn, ihre Kinder verschlänge." Den 18. handhabte er noch einigen Einfluß in der Versammlung, und ließ die Anklage der Pariser Sectionen gegen die Girondisten für Verleumdung erklären; die letzten Streiche wurden aber den 31. May, den 1. und 2. Jun. gegen seine Parthey geführt, und man sah den 31. deutlich, daß er, trotz seiner angenommenen Geistesruhe in der Sitzung, selbst schon an seiner Rettung verzweifelte. Er vertheidigte sich noch, aber mit weniger Energie als Valazé, Guadet und Rabaut; den 1. Juny erhob er kaum die Stimme und den 2. machte er nicht einen einzigen Versuch, das Anklagedekret, welches ihn und seine Kollegen traf, zurück zu weisen. Die Folge davon war, daß er den 30. Oktober zum Tode verurtheilt wurde.


Charakterschilderung.[]

Von Madame Roland. [2]

Vergniaux.

Er war vielleicht der beredteste Redner in der Versammlung; er spricht nicht aus dem Stegereif wie Guadet; aber seine vorbereiteten Reden haben eine starke Gründlichkeit, eine brennende Hitze, sind voll von Sachen und blitzenden Schönheiten, zeichnen sich durch einen edlen Vortrag aus, und lassen sich noch mit einem größern Vergnügen lesen.

Indeß liebe ich Vergniaux nicht; ich finde bey ihm den Egoismus der Philosophie; er verachtet die Menschen, ohne Zweifel weil er sie gut kennt; er genirt sich ihrentwegen nicht; dann muß man aber ein müssiger Privatmann bleiben; sonst ist die Trägheit ein Verbrechen; und Vergniaux ist in dieser Hinsicht sehr strafbar. Wie sehr war es Schade, daß ein Talent wie das seinige nicht mit der Wärme einer, von Liebe für das gemeine Wohl verzehrten Seele, und mit der Beharrlichkeit eines arbeitsamen Geistes gebraucht wurde!


Quellen.[]

  1. Moderne Biographien, oder kurze Nachrichten von dem Leben und den Thaten der berühmtesten Menschen, von Karl Reichard. Leipzig, 1811. In Commission bey Peter Hammer.
  2. Minerva. Ein Journal historischen und politischen Inhalts herausgegeben von J. W. v. Archenholz. Für das Jahr 1795. Im Verlage des Herausgebers.
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