Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Leihbank.[]

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Leihbank, Lehnbank, Leihhaus oder Lombard (Mons pietatis), ist eine öffentliche Anstalt, bei welcher Jedermann, vorzüglich aber die bedürftigen Bürger gegen Pfand kleine und große Anleihen auf kurze Zeit für billige Zinsen erhält, um dadurch zu verhüten, daß die Borger nicht dem übertriebenen Wucher unbeschnittener und beschnittener Juden preis gegeben seyn mögen. Nach Verlauf der bedungenen Schuldzeit werden die Pfänder öffentlich versteigert und der Ueberschuß nach Abzug der Zinsen und aller Kosten wird dem Eigenthümer zurückgegeben oder ein Jahr für ihn aufbewahrt; wenn er sich jedoch binnen dieser Zeit nicht zur Empfangnehmung meldet, so ist alsdann der Ueberschüsse den Armenkassenanstalten anheimgefallen. Die Leihbank gibt Scheine aus, in welchen der Tag der Verpfändung, die Summe des empfangenen Geldes, der Name des Verpfänders, das Folium des Leihbankbuchs und das Verzeichniß der Pfänder enthalten sind. Wer sich mit einem solchen Scheine bei der Leihbank meldet, der bekommt die Pfänder zurück, es wäre denn, daß der wahre Eigenthümer den Verlust des Scheines bereits öffentlich bekannt gemacht hätte. Den Anfang der Leihhäuser hat Dorotheus Ascianus d. i. Matthias Zimmermann, der 1639 als Superintendent zu Meissen starb, in die Zeit des Papstes Pius II. oder Paulus II., der von 1464 bis 1471 regiert hat, am richtigsten gesetzt. Allein der Minorit oder Franziskaner Barnabas Interamnensis legte zuerst zu Perugia im Kirchenstaate das erste Leihhaus vor dem Jahre 1564 oder im letztern selbst an, ob dasselbe gleich erst 1467 vom Papst Paulus II. seine Bestätigung erhielt. Ein geschickter Jurist zu Perugia, Fortunatus de Copolis, billigte diesen Einfall und war zu der Ausführung sehr behülflich. Nach im J. 1464 bestätigte auch Paulus II. das errichtete Leihhaus zu Orvieto; und Sixtus IV. bestätigte sowohl das von einem Minoriten Franciscus de Viterbo 1469 zu Viterbo angelegte Leihhaus 1472 als auch 1479 das an seinem Geburtsorte Savona nach und nach fast in allen Städten Italiens während des 15ten und 16ten Jahrhunderts Leihhäuser. In Deutschland ward unter Genehmigung des Kaisers Maximilian I. zu Nürnberg 1498 das erste Leihhaus unter dem Namen Wechselbank angelegt. In den Niederlanden, wohin die aus der Lombardei in Italien ausgewanderten reichen Kaufleute das Geschäft auf Pfänder zu leihen brachten, in England und Frankreich nannte man von diesen Longobarden die Leihäuser zuerst Lombarde. Gegenwärtig ist diese heilsame Anstalt fast in allen großen volkreichen Städten in Europa aufgenommen worden.

X.


Aufhebung der Leihhäuser und dem Mont de piété ertheilte Privilegium.[]

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Die Aufhebung der Leihhäuser, welche durch ein im Monat Februar gegebenes Gesetz anbefohlen wird, ist eine der heilsamsten Polizei-Maaßregeln für Paris. Es ist beynahe unglaublich, wie stark die Zahl dieser Häuser war und wie viel Unheil sie anrichteten; fast in jeder Straße der Stadt waren welche, und die meisten glichen finstern Höhlen, in welchen die niedrigste Gewinnsucht auf den armen Handwerker lauerte, und ihm gegen ein Pfand von vierfachem Werth einen kärglichen Vorschuß reichte, der ihm zwar augenblicklich aus der Noth half, um ihn aber dagegen in der Zukunft einen großen Verlust auszusetzen. Gewöhnlich befanden sich auch Leihhäuser in der Nähe von Spielhäusern, damit unglückliche Spieler durch die nahe verderbliche Gelegenheit vollends ganz unvermeidlich in den Abgrund gerissen werden konnten. Wie nachtheilig es war, zu diesen Häusern Zuflucht nehmen zu müssen, kann man daraus ersehen, daß 1. die in Pfand gegebenen Effecten von dem Inhaber der Anstalt beliebig und so niedrig als möglich abgeschätzt wurden, daß man also drei bis viermal mehr in Pfand geben mußte, als sich die vorgestreckte Summe belief. 2. Daß der Verkauf der verfallenen Pfänder so schlecht betrieben wurde, daß meist nur das geliehene Geld nebst den Zinsen daraus gelöst wurde; vielleicht waren auch die Steigerer mit dem Leihhaus interessirt, und so konnte ein ungeheurer Gewinn statt haben. 3. Daß der Zinsfuß außerordentlich hoch war, und die Verlegenheit des Entlehners bei der Einlösung seiner Effecten sehr vermehren mußte. Diese Häuser waren eine wirkliche Pestbeule für diese Stadt, in welcher die Glücksumstände so ungleich vertheilt sind, und wo Leichtsinn, Verschwendung und Prachtliebe alle Stände ergriffen haben.

Es ist auffallend, daß bis auf das Jahr 1777. die Wohlthätigkeits-Leihhäuser, die in Italien unter dem Namen Monte di pietà sich schon im Mittelalter gebildet haben, in Frankreich der Sache nach ganz unbekannt waren. In diesem Jahre wurde zu Paris eine solche Anstalt (Mont de piété) errichtet, welche unter der Aufsicht der Regierung Geld auf Pfänder lieh. Der Zins war gesezlich auf 10. vom Hundert festgesetzt. Es wurde ein besonderes Haus mit weitläufigen Magazinen, in welchen alle Arten von Effecten sicher aufbewahrt werden konnten, dazu gebaut. In sehr kurzer Zeit lieh diese Anstalt jährlich über zehn Millionen aus. Die Revolution, welche durch eine Menge von Umständen das öffentliche Zutrauen fast ganz zernichtete, hob diese Anstalt auf, und seit dieser Zeit bildeten sich alle die Pfandleihhäuser, welche blos auf Gewinnsucht sich gründeten, und denen jeder Wohlthätigkeits-Zweck ganz fremd bleiben mußte. Erst im Jahr 1796. verordnete die Regierung die Wiederrichtung des Mont de piété, dessen Fond durch Aktien gebildet wurde. Neben der ungeheuren Zahl von Privat-Anstalten, welche im Verborgenen sich alle möglichen Uebertretungen der Gesetze erlaubten, konnte sich diese Anstalt nicht schnell heben.

Die neue Verordnung ertheilt dieser Anstalt, welche blos auf Wohlthätigkeit berechnet ist, die ausschließliche Befugniß auf Pfänder zu leihen. Alle Privatleihhäuser werden durch sie aufgehoben, und müssen innerhalb eines Jahres liquidiren. Die Vollziehung dieses Gesetzes geschieht mit vieler Strenge. Schon jetzt sieht man die günstigen Folgen desselben ein, denn die Verwaltung des Mont de piété ist im Stande gewesen, den Zinsfuß auf 1. vom Hundert monatlich herabzusetzen. Der Handel von Paris gewinnt auch sehr bey der Unterdrückung der Leihhäuser, indem nun die beträchtlichen Fonds, welche die Inhaber immer vorräthig halten mußten, nach und nach wieder in Cirkulation gesetzt werden.


Quellen.[]

  1. Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1817.
  2. Französische Miscellen. Tübingen in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. 1804.
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