Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Neuester Zustand von Ostpersien.[]

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(Candahar oder Afghanistan.)

Der Bürgerkrieg in Cabul, zwischen den Kirzilbaschen und den Afghanen, der im Anfange des Jahrs 1804 über einen unbedeutenden Streit ausbrach, war von sehr blutigen und außerordentlichen Scenen begleitet. Drei Tage lang stellte Cabul das unaufhörliche Schauspiel von Brand, Raub und Verwüstung dar. Die Zahl der blos in der Stadt umgekommenen Personen ging auf 4000 hinan. Die Gegenwart des Königs Schah Mahmood selbst konnte die Unordnungen nicht hemmen und die Folgen derselben waren auch für ihn unglücklich und unerwartet. Die Partheilichkeit, die er während des Streits für die Kirzilbaschen zeigte, erbitterte seine Afghanischen Unterthanen aufs höchste und der Geist der Unzufriedenheit bemächtigte sich ihrer ohnehin zu Aufruhr und Revolutionen gewöhnten Gemüther.

Die Empörung, die größtenteils in den unpolitischen Maaßregeln der Regierung ihren Grund hatte, nahm mit jedem Tage zu, und als sie zur Reife gekommen war, geriethen die Aufrührer auf den kühnen Entschluß, den König abzusetzen. Die Verschwörung wurde so geschickt und geheim geleitet, daß vor dem Augenblicke, da sie ausgeführt wurde, niemand sie argwöhnte. Die Empörer bedurften blos eines Anführers und diesen fanden sie in der Person des Schah Zadé Chejah-ul-Mulq, Bruders des abgesetzten Zemaun Schah und eines seiner getreuesten Anhänger. Man glaubte, er habe bei der Usurpation des Mahmood Schah seine Zuflucht nach Indien genommen; da man ihm indes sorgfältig nachspürte, wurde er entdeckt und unerkannt und insgeheim nach Cabul geführt. Nun machten die Verschwörer ihn mit ihrer Absicht bekannt und bemächtigten sich Mahmood's. Er wurde entsetzt, geblendet und auf die Veste von Cabul, Balla Kissar, wo er Zemaun Schah gefangen gesetzt hatte, in Verwahrung gebracht. Schah Zadé Chejah-ul-Mulq wurde nun als König der Afghanen ausgerufen. -- Spätern Nachrichten aus Persien zufolge, scheinen die Conspiranten von den Kilidgezeg, einen mächtigen Stamme der Afghanen, unterstützt gewesen zu seyn. Eben diese sagen, Chejah-ul-Mulq habe zu Gunsten seines ältern Bruders, Zemaun Schah, dem ihm so plötzlich zugetheilten Throne entsagt und sich erboten, denselben bei seiner Blindheit als Regent zur Seite zu bleiben.

Schah Zadé Kamran, Mahmoods Sohn und Gouverneur von Candahar, sammelte Geld und Truppen, um seinem Vater in Cabul zu Hülfe zu eilen; als aber das bei des letztern Entsetzung und Gefangenschaft fehl schlug, beschloß er sich in der mächtigen Stadt Candahar zu befestigen. Schah Zadé Phirouz ud dien, Mahmoods Bruder und Gouverneur von Heraut, hat sich von allen Parteien, wie von dem gesetzmäßigen Könige von Cabul, unabhängig erklärt. Er hat sich krönen lassen und läßt Münzen in seinem Namen schlagen.

So ist der gegenwärtige Zustand von Afghanistan, nach den zuverlässigsten, wenn gleich indirecten, Berichten, daß heißt, den Nachrichten zufolge, die man in Indien aus Persien und Chorassan hatte. Die drei Hauptstädte von Afghanistan haben sich jede als unabhängiger Staat erklärt. Die Heerstraßen sind nicht zu passiren; Anarchie herrscht unaufhaltsam über das ganze Reich. Von dem Resultate kann man aber bis dahin, daß directe Nachrichten von Cabul, Candahar und Heraut ankommen, nichts bestimmtes behaupten.

Vorstehende Nachrichten aus dem Asiatic annual for 1804. (Chronicle p. 116.) sind, da sie erst im Jahre 1806 in London publicirt und nachher die Communication unterbrochen worden, wahrscheinlich das neueste, was man bis jezt in Deutschland über die Regierungsveränderungen in Ostpersien weiß. Sie bestätigen detaillirter, was darüber im Moniteur an XII. No. 243. aus einem Briefe von Constantinopel, vom 1sten März 1804 datirt, und aus diesem in den Allgemeinen geograph. Ephemeriden, vom M. Julius 1804. S. 301 übersetzt, mitgetheilt war.

Man sieht indes aus dem obigen, daß Zemaun Schah, der jüngste Sohn Timur's, zwar (im Jahre 1800) vom Thron gestoßen und geblendet, aber nicht ermordet ist.

Folgende Erinnerungen aus der Geschichte werden hier nicht am unrechten Orte stehen:

Nadir Schah, bekannter unter dem Namen Thamas-Kouli Khan, starb als Beherrscher von ganz Persien im Jahre 1747. Er hatte den Gross-Mogul Mahomed Schah im Jahre 1739 gezwungen, ihm die Provinzen am rechten Ufer des Indus, warunter Candahar, abzutreten. Einer von Nadirs ersten Staats Beamten, Ahmed-Abdallah, aus Herat in Chorassan gebürtig, gründete nach ihm das Ostpersische Reich Candahar oder Afghanistan. Er ist berühmt durch sieben Züge, die er in den Jahren 1747 - 1767 nach Hindustan machte. Er starb am 4ten Jun. 1777. (nicht 1768, wie man bisher glaubte;) und hinterließ sein weites Reich seinem ältesten Sohne Timur Schah, provisorischem Regenten von Herat. Diesem succedirte, nach seinem 1792 erfolgtem Tode, sein jüngster Sohn Zemaun Schah.

Der Engländer Will. Playfair schlug den Umfang seiner Länder auf 320,000 Englische, oder etwa 15,240 geographische Quadratmeilen, die Bevölkerung auf neunzehn Millionen, und die Einkünfte auf acht Millionen Pfund Sterl, an. Dieser Anschlag mag immer etwas zu hoch seyn; aber man sieht doch, von welchem beträchtlichen Reiche hier die Rede ist, und was man von den Nachrichten zu halten hat, die uns einige öffentliche Blätter von der Unterwerfung dieses Reichs unter einen Schah von Westpersien haben erzählen wollen.

Westpersien wurde nach Nadir's Tode durch Erbfolgekriege zerrüttet. Muhamed-Kerim Khan, ein Kurde, behauptete sich endlich in diesem Theile, seit 1759; allein nach seinem 1779 erfolgtem Tode, wurden die innern Streitigkeiten unter mehreren Prätendenten erneuert. Sein Sohn, Abdul-Fat, regierte kaum ein Jahr; Kerims Bruder Sadik, ließ ihn hinrichten, mußte aber auch selbst schon 1781 den usurpirten Thron wieder verlassen.

Unterdeß theilte sich Westpersien wieder in zwei Reiche.

Des Nördlichen Theils bemächtigte sich ein Verschnittener aus angesehenem Persischen Geschlechte, Aly-Mehemed Khan; er behauptete sich hier bis 1796, wurde aber dann ermordet und sein Neffe, Baba Chan, als Schah von Persien ausgerufen. Dieser nahm seine Residenz zu Teheran. Ihm ist, wie es scheint, man weiß aber noch nicht, wie? oder wann? Fat-Aly Schah in Teheran gefolgt, der durch seine Missionen und Allianzen bekannt genug ist. Die Sache ist um so dunkler, da bekanntlich Baba Schah noch im Frühjahre 1805 Krieg mit den Russen führte.

In dem Südlichen Theile von Westpersien hatte wenigstens bis 1798 Baba Chan einen mächtigen Gegner, Mehemed Chan Zeky, einen Abkömmling aus dem Stamme Kerim's, der sogar die vormalige Haupt- und Residenzstadt Ispahan eroberte und selbst Teheran damals bedrohete.

Sollte die Nachricht gegründet seyn, daß im Herbste 1803 der Sofi von Persien von seinen Weibern im Serail ermordet worden, sodann zwei von ihm mit einer Schwester erzeugte Söhne, mit ihrem Halbbruder, der Mavadeck genannt wird, um die Oberherrschaft gestritten und letzterer Ispahan in Besitz genommen habe, (Allgem. geograph. Ephemeriden, B. XIII S. 517) so kann dies wol nur eine Revolution in dem südlichen Theile von Westpersien betreffen.

An zuverlässigen nähern Nachrichten fehlt es noch. -- Wer die erheblichen Zweifel und Dunkelheiten in der Persischen Geschichte der letzten zehn Jahre aufzuklären vermöchte, würde sich unstreitig, besonders im gegenwärtigen Augenblicke, viel Verdienst um historische und politische Kunde erwerben.


Zeitungsnachrichten.[]

1807.[]

Großbritannien. [2]

Der Oberste M'Carr, in Diensten unter den Truppen der Ostindischen Kompagnie, ist so eben aus Ostindien angekommen. Er hatte Aufträge an den Persischen König. Bey seiner Ankunft zu Bagdad durfte er nicht weiter reisen, obgleich der König sich bey seiner Armee in der Gegend von Bagdad befand. Er mußte sich erst die dazu erforderlichen Pässe in der Persischen Hauptstadt Teran holen. Bey seiner Ankunft im Lager, erfuhr er, daß ein Franz. Bothschafter Se. Persische Majestät begleite; daß ein allgemeiner Friede mit den Feinden Persiens unterzeichnet sey, und daß der Persische Monarch die engste Allianz mit Frankreich beschlossen habe. Da der Oberste M'Carr keine Audienz bey dem König erhalten konnte, reiste er nach Bagdad zurück. Hier wurde ihm angedeutet, unverzüglich den nächsten Weg nach den Persischen Gränzen zu nehmen. Nach langem Herumirren auf unbekannten Wegen, gelangte er endlich an das kaspische Meer, und von da durch Rußland und Schweden nach England. Hr. M'Carr hält es jetzo, das Frankreich lauter Alliirte in Europa hat, für nicht schwer, daß eine Franz. Armee sich Ostindiens bemächtigen könne, da sie nur eine Wüste von 3 bis 4 Tagemärschen, mit Hilfe der Kameele zu passiren habe.


Quellen.[]

  1. Politisches Journal nebst Anzeige von gelehrten und andern Sachen. Jahrgang 1808.
  2. Wiener-Zeitung. Nro. 11. Sonnabend, den 6. Februar 1808.
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