Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Pavia.[]

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Pavia, eine alte und ansehnliche Stadt im Lombardisch-venetianischen Königreiche, am Tessino, über den eine Brücke die Stadt mit der Vorstadt verbindet. Man schätzt die Einwohnerzahl auf 24,000. Sonst ging das sardinische Gebiet bis an die Stadtthore, daß selbst die Garten- und Feldfrüchte dem Gränzzolle unterworfen waren. Unter den Gebäuden verdienen ausgezeichnet zu werden: die Paläste Mezzabarba, Bellisomi und Botta, und die neu erbaute Kathedralkirche, wo die Lanze Rolands gezeigt wird. Die Universität soll Carl der Große gestiftet haben; Carl IV. verbesserte sie, und 1770 ist sie auf Vermittelung ihres Directors, des Grafen von Firmian, neu und zweckmäßiger eingerichtet worden. Unter ihren dreizehn Collegiis haben das borremäische und das Collegium Pius V. den Vorzug. Das physikalische Museum, der botanische Garten, das anatomische Theater und die Bibliothek sind noch jetzt ausgezeichnet, obgleich sie durch die Franzosen manchen Verlust erlitten haben. Im J. 1802 wurde den beiden Universitäten zu Pavia und Bologna die jährliche Summe von 666,000 Lire ausgesetzt. Die Citadelle ist nach alter Art gebaut. Uebrigens ist Pavia merkwürdig, weil hier im J. 774 der letzte Longobardenkönig Desiderius von Carl dem Großen und im J. 1525 König Franz I. von Frankreich von Kaiser Carl V. gefangen wurde. Zum Andenken an die letztere Begebenheit stand in dem berühmten Cartheuserkloster (Certosa), das viele Merkwürdigkeiten enthält, eine Säule, die aber 1735 von den Franzosen weggenommen wurde.


Von Reisende.[]

Karol Fryderyk Wojda.[]

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Mailand den 2. Juni 1798.


Die Sonne fing schon an sich den Spitzen der Berge zu nähern, als wir über den Tecino kamen und gleich darauf in Pavia angelangten. Unter dem Thore verlangte man unsere Koffer zu visitiren, allein die Erklärung, dass wir Franken seyen, war hinreichend, um jeden weitern Versuch der Zollbeamten aufzuhalten. Ich ging mit meinem Reisegefährten sogleich aus, um mich doch wenigstens mit dem Aeussern dieser in wissenschaftlicher Rücksicht merkwürdigen Stadt bekannt zu machen. Für eine der berühmtesten hohen Schulen Italiens, und der Volta in unsern Zeiten eine neue Celebrität erworben hat, schien sie mir sehr arm an Einwohnern zu seyn, und ich glaube dies um so mehr behaupten zu können, da ich sie in der Kühle des Abends sah, wo alles aus den Häusern auf die Strassen oder die öffentlichen Promenaden zu strömen pflegt. Die mancherlei politischen und militairischen Schicksale, die sie seit einigen Jahren zu bestehen gehabt, müssen nothwendig viel zum Verfall einer Stadt beigetragen haben, auf welche die Lombardische Regierung selbst nicht die grösste Aufmerksamkeit verwendete.

Sie werden sich aus Buonaparte's Feldzügen erinnern, dass nach der Uebergange der Armee über die Adda, bei Lodi, Pavia der Mittelpunkt einer Verschwörung wurde, die nichts weniger zur Absicht hatte, als ihr am Tecino und Po alle Kommunikation mit Frankreich abzuschneiden, und im Falle sie geschlagen würde, jeden Rückzug unmöglich zu machen. Der Plan dazu war sehr gut angelegt, denn die Insurgenten waren Meister von zwei Flüssen, die das obere Italien durchschneiden, und konnten mit geringer Mannschaft die Armee nicht nur ausserordentlich beunruhigen, sondern sie auch zwingen, eine solche Stellung zu nehmen, wodurch sie alle bis dahin errungenen Vortheile würde wieder haben aufgeben müssen. Die ersten Spuren dieser Verschwörung wurde man zu Mailand gewahr, wo man nur die zur Blokade der Citadelle nöthige Anzahl Truppen zurückgelassen hatte. Es kam daselbst zwischen den, in der gegen Pavia gelegenen Vorstadt versammelten bewaffneten Volkshaufen zuerst zu einem ernsthaften Gefecht, und nachdem sie da glücklich aus einander gesprengt worden waren, wurde in allen Dörfern die Sturmglocke geläutet und gegen sechstausend Bauern zogen nach Pavia und blokirten die im Schlosse eingeschlossene französische Garnison.

Buonaparte hatte so eben Mailand verlassen, als die Aufstand daselbst ausbrach. Auf die davon erhaltene Nachricht kehrte er sogleich von Lodi mit einiger Mannschaft dahin zurück und stellte durch seine Ansehen und eine nothwendige Strenge die Ordnung wieder her. Als dies geschehen war, eilte er nach Pavia, denn es kam alles darauf an, diesen Aufstand so schnell als möglich zu unterdrücken. In Bignasco stiess er auf den Vortrab der Insurgenten. Sie vertheidigten den ihnen anvertrauten Posten mit vieler Entschlossenheit, wurden aber dennoch daraus vertrieben; wen man mit den Waffen in der Hand gefangen nahm, wurde auf der Stelle niedergemacht, das Dorf wurde geplündert und in Brand gesteckt. Dieses fürchterliche Beispiel schreckte die Einwohner von Pavia nicht ab, sie gaben keinen Vorstellungen zur Güte Gehör und waren entschlossen, ihre Stadt aufs Aeusserste zu vertheidigen. Buonaparte musste in der That Gewalt gegen sie anwenden; der General Dammartin erhielt Befehl zur Sturme; die Thore wurden eingeschossen und die sechste Grenadierbataillon drang mitten durch die fliehenden Volkskaufen und stiess nieder, was ihm in den Weg kam. Mehrere Stunden lang ward den Soldaten zu plündern erlaubt, es fielen Gräuel ohne Gleichen vor und nur wenige Häuser blieben verschont, von denen sich die Einwohner Sicherheitsbriefe zu verschaffen gewusst hatten. Ich sah noch an mehrern Thüren diese Talismane angeklebt und an versicherte mich, dass sich der französische Soldat an keiner von ihnen vergriffen habe. -- Der Fanatismus der Einwohner, die natürliche Abneigung der Italieners gegen die Franken und die Kunstgriffe einer Parthei, die all ihr Ansehen zu verlieren befürchten musste, wenn Buonaparte seine Eroberungen behauptete, waren Schuld an einem Aufstande, der mehrern Hunderten das Leben kostete und Tausende in Trauer, Jammer und Elend stürzte.

Den folgenden Tag brachen wir noch vor Sonnenaufgang von Pavia auf.


Quellen.[]

  1. Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
  2. Briefe über Italien geschrieben in den Jahren 1798 und 1799 vom Verfasser der vertraulichen Briefe über Frankreich und Paris. Leipzig bey Pet. Phil. Wolf und Comp. 1802
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