Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Biographien.[]

(1797) Europäische Annalen Jahrgang 1797 von D. Ernst Ludwig Posselt.

(1799) Gallerie interessanter Personen. Oder Schilderung des Lebens und Charakters der Thaten und Schicksale berühmter und berüchtigter Menschen der ältern und neuern Zeit. Herausgegeben von Karl August Schiller.

(1811) Moderne Biographien, oder kurze Nachrichten von dem Leben und den Thaten der berühmtesten Menschen, von Karl Reichard. Leipzig, 1811.


Paul Franz Johann Nicolas Barras.[]

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Paul Franz Johann Nicolas Barras, gewöhnlich der junge Director genannt, ist doch 42 Jahre als, da er den 30 Jun. 1753 zu Foxemphoux, im Departement des Var, gebohren ist.

Musée Carnavalet Paris

Niemand kan dem Herzen nach mehr Plebejer, und der Geburt nach mehr Patrizier seyn. Man sagte in der Provence, wenn von den angesehensten Familien die Rede war: "sie sind edel wie die Barras", und von den Barras: "sie sind alt, wie die Felsen der Provence." Geboren für den Krieg, weyhte er sich demselben frühzeitig, und ward Offizier im Regiment Pondichery; im Jahre 1776 segelte er mit dem LinienSchiffe der Herzog von Duras nach OstIndien ab, wo der Krieg seinem Ausbruch nahe war. Nicht weit von de Maldivischen Inseln litt er Schiffbruch: in dieser ungeheuren Gefahr zeigte er eine Unerschrokenheit, die viel dazu beitrug, daß noch ein Theil der Mannschaft gerettet ward; er landete auf einer wüsten Insel, und kam erst nach langem und mühsamen Umherschweifen auf der Küste von Koromandel an. Hier war er mit bei der Belagerung von Pondichery; mehrere wichtige Unternehmungen, die General Belcombe ihm auftrug, führte er mit ausgezeichneter Tapferkeit aus; auch bewies er diese, als das ParlamentirSchiff der Sartine, auf dem er die RükReise nach Frankreich machte, unter dem Kap St. Vincent ein ungleiches Gefecht gegen ein englisches KriegsSchiff bestand. Nach der Zeit schiffte er sich auf der Escadre des Admirals Suffren ein, und war bei dem Treffen von St. Jago. Sein aufbrausender, sich gegen die Subordination stemmender Charakter, worüber der SeeMinister, Marschall von Castries, mehr als einmal Klage zu führen sich veranlaßt sah, stand seiner Beförderung im Wege, und einige unverzeihlichen JugendStreiche, die, während er unter dem General Conway auf dem Cap der guten Hofnung diente, das Maas seiner derartigen Vergehungen füllten, zogen ihm eine so nachtheilige Auszeichnung zu, daß kurz darauf, aus Anlaß einiger neuen Händel, der Hof einen VerhaftsBrief gegen ihn erlies, der zwar nicht vollzogen ward, aber dem man doch den Haß zuschreibt, den er von da an gegen die Regierung hegte. Mit grosem Feuer umschlang er sofort die Sache der Revolution. Vom Jahre 1789 an, schrieb er gegen die Minister und die Höflinge; er stellte sich an die Spize der Insurgenten, die die Bastille zerstörten; er ward als Commissair der NationalVersammlung bei der Armee in Italien gebraucht, und ward Mitglied des hohen NationalGerichtsHofes in Orleans, der den Herzog von Brissac und andre Angeklagten richten sollte, die man nachher bequemer fand in Versailles zu ermorden. Barras ist der erste, der die Absezung des Königs zu fodern wagte; auch war er einer der HauptUrheber des entscheidenden 10 Augusts. In den NationalConvent gewählt, erhielt er von diesem die Ernennung zum Commissair bei den Armeen im Departement der NiederAlpen, wo er sich befand, während die scheusliche Partei Marat's und Robespierre's in Paris Gräuel auf Gräuel häufte: man kan daher nicht sagen, daß er dazu mitgewirkt habe, aber sein Eifer wider die Gegner dieser abscheulichen Regierung, machte ihn dennoch verdächtig, deren Mitschuldiger zu seyn. Toulon hatte sich an die Engländer und Spanier ergeben; General Brunet, an der Spize der bewafneten Royalisten, sezte sich in Fassung, den englischen Admiral zu unterstüzen. Barras kam ihm durch ein Wagestük zuvor; er eilte nach Nizza, drang unter Begünstigung der Dunkelheit hinein, und verhaftete den General Brunet an der Spize seiner Armee, die er durch seine Ermahnungen und durch seine kühne Zuversicht gewann. Von da zog er mit ihr gegen Toulon, erstürmte das Fort Pharon, und ward, nach 2 täglichen Gefechten, Meister von der Stadt, nach deren Einnahme das Blut der Royalisten, die sich noch darin ergreifen liesen, in Bächen floß; die Gewalt der Umstände, und der überwältigende Strom des ParteiGeistes hatten ihn hier hingerissen. Menschlicher in Marseille, zog er Robespierre's Haß auf sich, indem er die Gefangenen, die man morden wollte, rettete, und die Urheber des Komplots verhaften lies; mehr ward nicht erfordert, um den ProscriptionsBefehl gegen ihn zu veranlassen, den die Tyrannen jedoch nicht zu vollziehen wagten. Er rächte sich an ihnen am 9 Thermidor (27 Jul. 1794), indem er sich an die Spize derer stellte, die sie zu strafen schwuren: er hatte an diesem Tage das Commando über die bewafnete Macht, grif den Dictator an, siegte über Henriot und seine furchtbaren Kanoniere, und trug viel dazu bei, Frankreich von den Ungeheuern zu befreien, die es im Blute zu ersäufen drohten. Am 13 Vendemiaire des folgenden Jahres (5 Oct. 1795) erfocht er dem NationalConvent den Sieg über die Sectionen. Im ersten Falle war er, nach aller Urtheil, das Werkzeug einer gerechten Rache; im zweiten schien er vielen das einer unterdrükenden Gewalt; aber in beiden folgte er nicht sowohl eigentlichen Grundsäzen, als der Impulsion der Umstände, und seinem natürlichen Hange, mit Kraft und Gewalt zu thun, was der Augenblik zu gebieten scheint. Auf diese Art muß man die Widersprüche erklären, auf die man in seinem Betragen stöst; nicht nur daß er, nachdem er Robespierre's eifriger Anhänger war, sich zu dessen Untergang bewafnete, sondern auch in mehrern spätern Gelegenheiten und selbst seit seiner Beförderung zum Directoriat. Im Verdacht, noch immer die Rotte der Terroristen zu begünstigen, stimmte er doch für die Zerstreuung ihrer MordGruppen, für die Schliefung des Pantheon, für die Gefangennehmung des Gracchus Baböuf, für die Bestrafung der Legionarier, die Paris mit neuen MordSzenen bedroht hatten; und während die öffentliche Meinung ihn anklagte, als verstünde er sich mit ihnen; während ihm Schuld gab, als hätt' er bei der Verschwörung des Lagers von Grenelle ein Auge zugedrükt, war er von den Verschwörern als eines ihrer ersten Opfern bezeichnet; Rossignol, einer ihrer Chef's, hatte ihnen seine Kopf versprochen. Gleicher Contrast herrscht in den einzelnen Zügen, die seinen Charakter bilden. Zuweilen erschien er als rachsüchtig und unmenschlich; dann zeigte er sich oft wieder mild und mitleidig. Nacht selten unhöflich und heftig, ist doch sein gewöhnliches Benehmen zuvorkommend ruhig: mit allen Symptomen eines heftigen Ehrgeizes, ist er ein gefälliger Gesellschafter: es scheint sogar daß er Freund der Ruhe seyn würde, wenn sie nur von seiner Seite freiwillig wäre; denn der wahre GrundZug seines Charakters ist, durch Schwierigkeiten nur noch mehr gereizt zu werden. Unter den 5 modernen Archonten scheint er der gefährlichste zu seyn.


Barras.[]

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Paul Johann Nikolaus Barras ist zu Fauxemphoux, das in dem dermaligen Departement du Var liegt, den 30. Juni 1755 aus einem der ältesten adelichen Häuser in der Provence gebohren. In seiner Jugend schon trat er den Militärstand an, und diente als Freiwilliger bei den Dragonern von Languedoc; er wurde bald Offizier, und begab sich zu dem Gouvernement der Insel Isle de France, einem seiner Anverwandten. Es schien, als wollte ein Krieg in Indien ausbrechen; er wünschte ihn mitzumachen, und trat daher im Jahre 1775 in das Regiment Pondichery. Im Jahre 1780 erhielt er die Stelle eines Lieutenants; im Jahre 1784 wurde er, weil ihn die Reihe traf, Hauptmann.

Er hatte allerdings viel Muth, und schon in seinen frühern Jahren eine philosophische Kaltblütigkeit. Im Jahre 1766 litt das Schiff, auf dem er fuhr, Schiffbruch; der Tod war fast unvermeidlich. Man zimmerte in Eil einen Floß, der bald zu Stande kam: weil alle, die auf dem Schiff waren, Hand anlegten. So bald der Floß fertig war, drängten sie Matrosen und Soldaten, um denselben besteigen, und ihr Leben retten zu können; Barras trat allen aus dem Wege, und war einer der letzten, die die unsichere Stütze eines schon größtentheils zerlöcherten Schiffes verliessen. Der Floß mit der Mannschaft wurde durch einen Sturm auf eine wüste Insel getrieben, wo sie von Durst und Hunger sehr gequält, und von der Furcht vor den unmenschlichen Bewohnern dieses Eilandes geängstiget wurden. Nachdem sie nun in diesem elenden Zustande ein ganzes Monat zugebracht hatten, erschien in der Nähe dieser Insel ein Schiff, dem sie Signale gaben, durch die sie um Rettung baten. Das Schiff steuerte hinzu, nahm die Flehenden auf, und brachte sie auf die Küste von Koromandel.

Barras kam fast halb nakt nach Pondichery. Hier war er in die Stadt mit andern eingesperrt, da sie von den Engländern belagert wurde. Die Franzosen machten einen Ausfall, wurden aber von den Engländern sehr übel empfangen, und würden vielleicht aufgerieben worden seyn, wenn nicht Barras seine zerstreute Division wieder gesammelt, und mit ihr den Rückzug der übrigen in die Stadt mit besonderer Klugheit gedeckt hätte. Bald darnach wurde ein Parlamentarschiff, auf dem er eben reisen mußte, von den Engländern, die es für ein Kriegsschiff hielten, angegriffen und stark beschossen, ohne daß selbes die harte Begegnung erwiedern, und sich vertheidigen konnte. In dieser Noth schwang sich Barras mitten in einer Feuersäule zu jener Fahne, die den Irrthum der Engländer veranlaßt hatte, riß sie mit der größten Lebensgefahr herab, und rettete dadurch das schon durchlöcherte Schiff und das ganze Schiffsvolk vom gewissen Untergange.

Als er hierauf glücklich nach Frankreich zurückkam, schiffte er sich bald wieder mit der Eskadre des Generals Suffren ein, und wohnte dem Treffen von Sanjago bei. Bald darnach gab er seine Abneigung gegen die Regierung, und gegen den Minister Castries, nicht nur allein mit Worten und Handlungen, sondern auch in verschiedenen Schriften zu erkennen, die er im Jahre 1789 auszustreuen anfing, so wie er auch einer der ersten war, welche die Absetzung des Königs verlangten. er war ebenfalls unter der Zahl derer, die im erstgedachten Jahre am 14. Juli die Bastille bestürmten und einnahmen.

Auf gleiche Weise befand er sich bei dem Aufstande des Volkes, das am 10. August des Jahres 1792 einen Angriff auf die Thuillerien wagte, und trug durch seine Geschäftigkeit viel zum Siege der Aufrührer bei. Er wurde deßwegen auch zum Mitgliede des Nazionalkonvents, der den 20. September eben dieses Jahres zusammenkam, ernannt. Bald hernach erhielt er die Stelle eines Konventskommissärs, um sich in das Departement der untern Alpen zu begeben, und dort das Geschäft der Rekrutenaushebung zu betreiben.

Da im Monat August 1793 Toulon durch Hilfe derer, die der Pariser Grausamkeiten müde waren, von den Engländern eingenommen wurde, war General Brunet in Nizza bereit, oder wenigstens im Verdachte bereit zu seyn, sich ebenfalls an die Engländer zu ergeben. Barras erfährt es; begiebt sich mit der Vollmacht von dem Nazionalkonvent versehen mit Lebensgefahr nach Nizza; läßt den General an der Spitze seiner Armee verhaften; sammelt eine Menge Soldaten und andere Menschen, und marschiert mit ihnen gegen Toulon. Hier werden zwei Kolonnen formirt; Barras führt die Linke, ersteigt mit dem Schwerte in der Hand im Sturme das Fort Pharon, und dringt am zweiten Tage in die Stadt ein. Diese That verschaffte ihm allgemeines Ansehen, und die Zuneigung der meisten Republikaner.

Bald darnach schien er den Anhängern des Robespierre gefährlich zu werden, und sie wollten ihn auf die Seite schaffen: weil er zwei vorzügliche Glieder derselben, Quiraud und Maier, nach Paris vor das Revoluzionsgericht hatte führen lassen. Dreimal unterzeichneten sie Verhaftsbefehle gegen ihn; und fürchteten doch dieselben vollziehen zu lassen. Er blieb also frei. Sie wollten ihn nun wenigstens entfernen, und zur Rheinarmee senden; allein er ging nicht, und sagte: seine Gegenwart sey jetzt im Konvente nothwendig, was er bald darnach Vieles zum Sturze des Robespierre, der am 27. Juli (9. Thermidor) 1794 erfolgte, beitrug.

Bei dieser Gelegenheit hatte er auch unaufgefordert, und für sich selbst das Kommando über die bewaffnete Macht in Paris übernommen, und war die ganze Nacht die Stadt durchwandert, um zu verhindern, daß nicht die Anhänger jenes blutdürstigen Bösewichts zum Besten ihres Günstlings und Oberhauptes eine neue Unruhe stifteten. Barras begab sich überall hin, wo die Gefahr dringend war, und die wankenden Bürger Aufmunterung bedurften; und ruhte nicht, bis nicht Robespierre, seine Freunde, und die ihm anhängende Munizipalität hingerichtet worden waren. Sobald dieses geschehen war, legte er das Kommando wieder ab, und zeigte dadurch, daß er es aus Haß gegen Grausamkeiten, und nicht aus Ehrgeitz übernommen hatte.

Als im Oktober des Jahres 1795 die dritte Konstituzion eingeführt wurde, so sollten auch zwei Drittheile des aufgelösten Konvents in den neuen Rath der Jungen und der Alten eintreten; aber diesem Beschlusse widersetzten sich die Pariser Sekzionen, und es kam daher zu einer Aufstande, der am 5. Oktober dieses Jahres ausbrach. Barras wurde zum Anführer der bewaffneten Macht des Konvents ernannt, und unter ihm kommandirte Buonaparte: die Pariser Sekzionen unterlagen und Barras siegte. Er ward daher auch zur Belohnung für seine Thätigkeit, am 28. Oktober, als zur Wahl der fünf Direktoren geschritten wurde, einer derselben.

Barras ist groß und schön gewachsen: es läßt ihm daher auch die neue prächtige Amtskleidung der Direktoren bei feierlichen Gelegenheiten sehr gut. Er genießt unter den Direktoren des Lebens am Meisten, und hat in Surene bei Paris ein artiges Landhaus in einer treflichen Lage. Er hat Feinde in Paris und in ganz Frankreich, besonders unter dem gemeinen Volke: aber die Zahl seiner Freunde ist doch grösser. In seinem Betragen ist er freundlich und zuvorkommend, giebt Tafeln, und alle seine Gäste gehen vergnügt von ihm: denn jedem sagt er etwas Verbindliches, jedem erweiset er eine besondere Höflichkeit. Er dienet mit vielem Eifer selbst Unbekannten, wenn er es, seinem Systeme nach, für billig hält. Er ist Meister in der Kunst, andern ihre Geheimnisse zu entlocken; für sich selbst aber ist er äusserst vorsichtig im Sprechen. Noch muß ich bemerken, daß Barras dem Buonaparte die erste Gelegenheit verschaffte, sich dahin zu erheben, wo er jetzt steht.


Paul Franz Johann Nikolas, Vicomte von Barras.[]

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Barras (Paul Franz Johann Nikolas Vicomte von), Deputirter bey dem Nationalkonvent, nachher Mitglied des vollziehenden Direktoriums, gebohren zu Fohempoux in der Provençe den 20sten Juny 1755, aus der Familie der Barras, deren Alter in der Gegend zum Sprichwort geworden war: "Ein Adel, sagte man, gleich dem der Barras, so alt wie die Felsen der Provençe." Er fieng seine militärische Laufbahn als Unterlieutenant im Regiment von Languedoc an, bey dem er bis 1775 blieb. Um diese Zeit machte er eine Reise nach Isle de France, wo einer seiner Verwandten Gouverneur war, trat in des Regiment von Pondichéry und wäre beynahe, als er sich nach der Küste Koromandel begeben wollte, umgekommen. Nachdem Pondichery sich ergeben, diente er auf Süffrens Eskadre und auf dem Vorgebirge der guten Hoffnung. Nach seiner Rückkunft nach Frankreich mit Charakter eines Kapitains, überließ er sich seinem Hange zu dem Spiel und den Weibern und zerrüttete damit seine Vermögensumstände. Die Revolution trat ein und er zeigte sich sogleich von 1789 an als Gegner des Hofes und figurirte in den Versammlungen der dritten Standes, während dessen sein Bruder in denen des Adels saß. Den 14ten July nahm er Theil an dem Angriffe auf die Bastille, so wie den 10ten August gegen die Thuillerien. Im August 1792 ward er zum Geschwornen bey dem hohen Gerichtshof von Orleans ernannt und im September zum Deputirten bey dem Nationalkonvent, wo er den Tod Ludwigs XVI. votirte. Im Oktober ward er nebst Freron in die mittägigen Provinzen geschickt und zeigte sich zu Marseille ein wenig minder heftig als dieser. Als er nach Toulon gehen wollte, eben wo sich die Stadt den Engländern ergeben hatte, gerieth er in Lebensgefahr; mehrere Kerls fielen seinen Wagen an, er mußte sich mit gewaffneter Hand durchschlagen, entkam glücklich, schiffte sich zu St. Troyez ein, kam in der Nacht zu Niza an und ließ den General Brünet, in der Mitte seiner Armee, arretiren, weil er ihn nebst dem Contreadmiral Trogolff beschuldigte, heimlicher Urheber der Uebergabe Toulons an die Engländer gewesen zu seyn. Er verfolgte alle Belagerungsoperationen dieses Platzes und nahm darauf eine schreckliche Rache. So fest er sich den Ruf eines Patrioten in den mittägigen Provinzen Frankreichs begründet hatte, so mißfiel er Robespierre, der, bey seiner Rückkunft nach Paris, dreymahl Willens war, ihn arretiren zu lassen. Nur Barras Charakter und seine Drohung, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben, hielten ihn zurück und er beschloß, ihn in die grosse Proskription, mit der er umgieng, zu verwickeln. Barras vereinigte sich mit Ausschußmitgliedern, die ebenfalls ihren Fall nahe sahen und einen Machtstoß versuchen mußten, ihren Unterdrücker zu stürzen, und spielte auf diese Art eine Hauptrolle am 9ten Thermidor (27sten July 1794). Er erhielt das Kommando der bewaffneten Macht, trieb die Truppen Henriots zurück und bemächtigte sich Robespierres. Den folgenden Tag legte er das Kommando wieder nieder und ward einige Tage darauf zum Sekretär ernannt. Den 4ten Februar 1795 ward er Präsident. Am 10ten Oktober 1795, als die Wahl des gesetzgebenden Korps neue Unruhen in Paris herbey führte und die Sektionskolonnen gegen den Konvent anrückten, erhielt Barras abermahls den Oberbefehl über die Truppen des Konvents und das Bataillon der dem Konvent zu Hülfe herbeygeeilten Patrioten. Bey dieser Gelegenheit berief er den General Bonaparte an seine Seite und machte von seinen Diensten vortrefflichen Gebrauch. In seinem Berichte schrieb er sogar den ganzen Sieg diesem noch so jungen Generale zu, und erhielt wenige Tage darauf für ihn das Kommando der Armee im Innern. Seine wichtigen Dienste beförderten ihn ins Direktorium. Er schien anfangs sich mehr um seine Vergnügungen, als um seine Geschäfte zu kümmern, wußte jedoch seine Kollegen durch seine Festigkeit in einer gewissen Abhängigkeit von sich zu erhalten. Man hat gesagt, daß Bonaparte ihm das Kommando der italienischen Armee zu verdanken gehabt habe: eine Meinung, die Carnot in seinen Memoiren verdächtig zu machen sucht. Wie dem auch sey, so fühlte doch Barras, daß Bonaparte dem, der ihn zu leiten hätte, ein entschiedenes Uebergewicht geben würde, und brachte von Carnot das Portefeuille des Kriegsministers an sich. Dieses entzweyte beyde und Carnot neigte sich deßhalb einige Zeit auf die Seite des Rathes, in dessen Mitte sich eine Parthey zur Einschränkung der Direktorialmacht und besonders der Gewalt des Barras gebildet hatte. Dieser ward der Gegenstand von Sarkasmen und Journalaufsätzen der Clichiparthey. Die Spaltung konnte sich nunmehr nur mit dem Sturze der einen oder der andern Parthey endigen, die des Rathes sank bey den Ereignissen des 18ten Fructidor (4ten September 1797), davon Barras einer der Haupturheber war. Von diesem Zeitpunkt an regierte er unumschränkt bis zum 18ten Juny 1799, wo Sieyes in das Direktorium trat, der von einem mächtigen Anhange unterstützt wurde. Barras gelang es dessenungeachtet, sich durch seinen festen Charakter neben jenem zu erhalten, während dessen Merlin von Douai, Treilhard und Réveillère-Lépeaux sich genöthigt sahen, ihren Abschied zu nehmen. Er ward aber ebenfalls ein Opfer des 18ten Brümaire (9ten November 1799). Zwar legte er in einem höchstungeordneten Briefe, den er nach St. Cloud sandte, seine Stelle nieder: allein Reue blickte in diesem Schreiben mitten unter den Anhänglichkeitsversicherungen an Ereignisse, denen er nicht zu widerstehen vermochte, deutlich hervor. Er erhielt auf sein Verlangen vom ersten Konsul eine Eskorte, die ihn noch denselben Abend auf sein Gut Grosbois brachte. Nachher verkaufte er dieses und zog sich nach Brüssel zurück, wo er mehrere Jahre lang ein ansehnliches Haus machte. 1805 erhielt er die Erlaubniß, sich in das mittägige Frankreich zu begeben. Barras ist ein grosser, schöner Mann; ohne ein grosser Kopf zu seyn, ist er nicht talentlos. Sein betragen ist zuvorkommend; er hat mehr Thätigkeit als Kenntnisse.


Von Reisende.[]

F. J. L. Meyer.[]

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[1796]

Der grösste und schönste Mann unter den Direktoren, ist Barras; -- ein angenehmer und fröhlicher Gesellschafter, und wo die Gefahr des Vaterlandes zum Kampf ihn ruft, ein kühner Vertheidiger der Republik. Diesem Ruhm erwarb er sich besonders bei dem letzten Sekzionsaufruhr am 13ten Vendemiaire (5ten Oktober 1795), und verdankt ihm seine Ernennung zum Direktor, als ein Sieyes die Stelle ablehnte, und selbst der Tiefdenker Cambacères übergangen ward. Barras, welcher jetzt das Polizei-Departement der Republik dirigirt, war ein, durch Muth und Unerschrockenheit in Gefahren, ausgezeichneter Offizier, aus einer alt-adligen kriegerischen Familie in der Provence. Auch sein Oheim, der Vicomte de Barras, machte sich, als ein tapfrer Soldat berühmt. Mit dem Admiral Suffrein ging jener nach Indien; man sagt aber, dass dieser sein erster Feldzug sich nicht zu Barras Ruhm geendiget habe. Desto mehr that er sich bei der Belagerung von Toulon hervor, und trug auch am 9ten Thermidor, durch thätige Gegenanstalten, dazu bei, den von Robespierre's Mantelträger, dem Pariser Kommandanten, Henriot, versuchten Aufstand gegen den Konvent, niederzuschlagen. Man erzählt Züge seines militairischen Lebens, welche wegen Kühnheit und Entschlossenheit, Heldenthaten genannt zu werden verdienen. Am 13ten Vendemiaire focht er mit dem General Buonaparte, -- dem in Italien schönere Lorbern blüheten, -- an der Spitze der Konventsarmee, gegen den Rebellentross, und rettete den Konvent durch den entscheidensten Sieg. Die Tadler, -- und Barras hat unter diesen, so wie unter dem Volk, ein starke Partei gegen sich, -- beschuldigen ihn, er habe damals die, bei der Lage der Sachen nothwendig gewordnen strengen Massregeln des Konvents, sehr übertrieben, und noch in solchen Augenblicken viel Bürgerblut vergossen, wo der Sieg schon auf der Seite der Konventstruppen war. Als in diesem Bürgertumult die, durch den Widerstand bis zur Wuth gereizten Truppen, noch bis in die Nacht, die leeren Strassen mit Kartätschenfeuer bestrichen, wurden, wie man sagt, viel ruhige Bürger an den Fenstern und in ihren Häusern getödtet. -- Weiber, heisst es, tragen rachedürstend, noch die Kugel und Kartätschenstücke an ihrem Busen, womit ihre Männer oder Söhne getödtet wurden. -- So wenig nun Barras für das Blut verantwortlich gemacht werden kann, das bei diesem gefährlichen Volksaufruhre, von dessen schneller Stillung alles abhing, vergossen ward; so scheint er, bei der dadurch veranlassten Abneigung des Pöbels, doch selbst das Bedenkliche seiner Lage zu fürchten. -- So sah ich ihn, als dem Direktorium die ersten, in dem italienischen Feldzuge des vorigen Sommers eroberten vielen Fahnen, von dem Adjutanten Buonaparte's überbracht wurden, gerade an dem Morgen, da Drouet's Verschwörung wenig Stunden vorher zerstöhrt war, in der peinlichsten Ungeduld. Bei der Audienz wandte er sich, in der Stellung eines Mannes, der jeden Augenblick überfallen zu werden fürchtet, auf seinem Stuhle rastlos hin und her, während seine vier Amtsgehülfen ruhig, wiewohl in sich gekehrt und niedergeschlagen, da sassen. -- Barras, der unter den Direktoren überhaupt des Lebens noch am meisten geniesst. hat in Suresne bei Paris, ein sehr artiges Landhaus, in einer treflichen Lage.


Einzelne historische Züge, und Anekdoten.[]

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Man hat kürzlich in den öffentlichen Blättern Schilderungen von den fünf Französischen Directoren gelesen. Sie sind aus einem Pamphlet gezogen, welche zu Paris, mit dem Titel: die fünf Männer, erschienen; deren Verfaßer ein kriechender Schmeichler jener neuen Fürsten von Frankreich ist. Er rühmt besonders den Barras, wozu er seine Ursachen mag gehabt haben, da Barras, wie zuverläßige Briefe aus Paris, versichern, der vornehmste der Directoren ist und die meiste Autorität hat, und so herrscht, daß man ihn den neuen König von Frankreich nennt. Sein Lobredner rühmt ihn als einen Mann von einnehmende, und gefälligen Wesen, und den Man fälschlich für einen wüthenden Demagogen halte. Dagegen ist ein ander Portrait von Barras erschienen, welches in dem Pariser Journale. l'ami des loix, mitgetheilt wird, und folgende Züge enthält:

"Paul Barras ist aus der Provence gebürtig, und von einer alt-Adelichen Familie. Der junge Vicomte trat zeitig in die Kriegsdienste, blieb lange in einer subalternen Stelle, spielte viel, machte Schulden, und mißfiel durch seine Aufführung dem Marschalle von Castries, welcher ihn nicht weiter befördern wollte. Er schrieb ein Pamphlet gegen den Hof, und die Hofleute. Als die Revolution ausbrach war er in Paris, und half die Bastille stürmen. Er diente nachher bey Thionville, sein Bruder dagegen in der Armee des Prinzen von Conde. Paul Barras hatte sich als einen so heftigen Jacobiner bewährt, daß er ein Mitglied des Convents wurde. Er stellte sich auf die Seite des Berges, der Terroristen, und stimmte auf den Tod des Königs. Er bekam einen Auftrag ins südliche Frankreich, und zeichnete sich durch Strenge, und Härte zu Toulon aus. Zweymal war er an der Spitze derer, die den Convent retteten, am 27sten Julius, da er Robespierren stürzen half, indem er die Municipalität von Paris besiegte; und am 5ten October (oder am 13ten Vendemiaire) da er die Sectionen bekämpfte, die gegen den Convent marschirten. Dieser Begebenheit verdankt er seine Erhebung zum Director. Barras ist ein großer, starker Mann, und weiß sich, bey öffentlichen Gelegenheiten, viel Würde zu geben. Er ist sehr lebhaft, und thätig, besitzt aber sehr wenige Kenntniße."

Die Untersuchung der Baboeufschen Verschwörung hat ihn neuerlichst in Verdacht gebracht. Man hat unter Baboeufs Papieren einen Brief von einem gewißen Germain gefunden, in welchem von einer Unterredung Nachricht gegeben wird, die Barras mit dem Germain gehabt hat. Barras ließ den Germain zu sich kommen, und sagte zu ihm, er sey ihm als ein braver Mann aus dem südlichen Frankreich empfohlen worden, der mit erklärten Patrioten in Verbindung stehe, und er wiße, daß diese jetzt eine Bewegung machen wollten; die guten Leute sollten aber nicht einen Aufruhr, wie am 20 Mai, sondern einen, wie am 5ten October, veranstalten. Nur auf solche Weise könne das Vaterland gerettet werden. Barras setzte hinzu: "Ihr andern werdet wohl so gut wißen, wie ich, daß die gegenwärtige Ordnung der Dinge nicht das Ziel ist, welches sich diejenigen vorgesetzt hatten, die die Bastille stürmten, und den Thron umstürzten; und ich weiß so gut, wie ihr, daß eine Veränderung gemacht werden muß, vielleicht ist diese Veränderung auch nicht so weit entfernt, wie manche glauben; aber je mehr man die Patrioten nöthig hätte, um diese Veränderung zu bewerkstelligen, je mehr trachten sie nach unserm Ruin. Unvorsichtige Leute desorganisiren alle unsre Plane, demoliren alle unsre Batterien. Wie nachtheilig sind uns nicht solche Inconsequenzen gewesen. Mein Betragen am 13ten Vendemiaire (5ten October) gründete sich aus die Furcht, daß ich an der Spitze der siegenden Republicaner ein trauriges, abschreckendes Beyspiel geben würde, sonst hatte ich gewiß so gehandelt, daß die Patrioten mit mir zufrieden gewesen wären. *) Es biete sich nur eine neue Gelegenheit dar, so wird man sehen, ob ich des Tadels der Royalisten unwürdig bin."

*) Barras stellte sich erst an die Spitze der Convents-Truppen, als man schon sahe, daß der Convent die Oberhand hatte. Er wollte vielleicht durch seine Erscheinung an der Spitze der Convents-Truppen ein Zeichen geben, daß jetzt mit dem Aufruhre nichts auszurichten sey, und die Häupter entfernen.

Diese Entdeckungen scheinen die Bemerkungen eines Pariser Journalisten zu bestätigen, daß Barras einer der ersten Chefs der Orleansschen Parthey sey, und die Terroristen-Parthey mit dieser Parthey zu verbinden suche. Die neuesten Briefe aus Paris melden auch schon, daß die democratischen Terroristen sich mit den Orleanisten insgeheim verbunden haben, woraus, bey den bevorstehenden Ur-Versammlungen und Wahlen, neue große Revolutions-Bewegungen und Vorgänge entstehen müßen.


Quellen.[]

  1. Europäische Annalen Jahrgang 1797 von D. Ernst Ludwig Posselt. Tübingen in der J. G. Cottaischen Buchhandlung 1797.
  2. Gallerie interessanter Personen. Oder Schilderung des Lebens und Charakters der Thaten und Schicksale berühmter und berüchtigter Menschen der ältern und neuern Zeit. Herausgegeben von Karl August Schiller. Wien im Verlage bei Anton Doll, 1799.
  3. Moderne Biographien, oder kurze Nachrichten von dem Leben und den Thaten der berühmtesten Menschen, von Karl Reichard. Leipzig, 1811. In Commission bey Peter Hammer.
  4. Fragmente aus Paris im IVten Jahr der französischen Republik von Friedrich Johann Lorenz Meyer Dr. Domherrn in Hamburg Hamburg bei Karl Ernst Bohn 1797.
  5. Politisches Journal nebst Anzeige von gelehrten und andern Sachen. Jahrgang 1797.
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