Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Parliament of the United Kingdom of Great Britain and Ireland. (1801)


Das Parlament in England.[]

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In jedem Lande, wo die gesetzgebende Gewalt nicht von der vollziehenden und richterlichen durch die Verfassung getrennt ist, herrscht Despotie. Das Leben, die Freiheit, das Vermögen und die Ehre der Bürger stehen in der Willkühr desjenigen, der die Gesetze vollzieht, weil er dieselben auch giebt. Ist der Regent zugleich Gesetzgeber, so kann er thun, was er will; er kann gebieten, was er will; niemand darf, niemand kann sich ihm widersetzen. Er schaltet uneingeschränkt über alles, was der Menschheit und dem Bürgerthume gleich ehrwürdig und theuer ist.

Jeder Staat hat eine abgesonderte gesetzgebende Gewalt nöthig, damit nicht Willkühr, sondern das Gesetz, nicht Despotie, sondern Freiheit herrsche. Die Gesetzgeber müssen aus dem Volke und durch das Volk gewählt seyn, damit sie seine Bedürfnisse kennen und sein Interesse berücksichtigen. Was sie als Gesetz aussprechen, das muß sich auf ein Bedürfniß des Volks gründen, indem man entweder Nachteile verhüten, oder Vortheile verschaffen will. Das Gesetz, das gegeben wird, muß sich auf das Princip der Gerechtigkeit gründen. Alle müssen vor demselben gleich seyn; es muß die Freiheit Aller achten und die Rechte Aller schützen. Ein solches Gesetz verdient allein den Namen eines Gesetzes, und es wirkt eben so wohlthätig, als es der Menschheit zur Ehre gereicht.

Alle im Volke müssen zur Wahl der Gesetzgeber auf diese oder jene Art mitwirken, weil die Gesetzgeber die Stelle des Volkes vertreten, seine Repräsentanten sind, in seinem Namen Gesetze geben und sein Interesse besorgen sollen. Kein vrrfallener Burgflecken wie in England, keine bloße Corporation wie in Teutschland, darf die Repräsentanten wählen, weil solche Wahlherren keinen Sinn für das allgemeine Beste haben, und solche Gesetzgeber dem Eigennutze derer fröhnen, denen sie ihre Wahl zu verdanken haben. Man muß zu Gesetzgebern die einsichtsvollesten, die edelsten und liberalsten Männer wählen. Nicht das Geld oder die Protektion darf, wie in England, über die Wahl entscheiden, sondern der gesammte Volkswille und die Einsicht; wählt man die kenntnißreichsten und gerechtesten Männer zu Gesetzgebern, dann kann es weder Bestechung, noch ungerechte, noch unzweckmäßige Gesetze geben.

In England ist die Bestechung sehr häufig und an zweckwidrigen Gesetzen ist kein Mangel. Der Buchstabe des Gesetzes soll zwar in jedem gut organisirten Staate jederzeit entscheiden, aber dieser Buchstabe muß gerecht seyn, er muß Geist verrathen und nicht Dummheit oder Aberglauben, wie es in England vor mehreren Jahren mit dem Gesetze der Fall war, das wohl die Zweiweiberei, aber nicht die Dreiweiberei verbot. Wer also zwei Weiber oder zwei Männer hatte, der nahm eine Dritte oder Dritten, und war nunmehro von aller Strafe frei. Solche Gesetze entehren die Gesetzgebung, die sie noch bestehen läßt, so bald sie einsieht, daß die Art, wie sie abgefaßt sind, nicht ihrem Zwecke entspricht. Gerechte und aufgeklärte Gesetzgeber verbessern das, was die Zeit oder vermehrte Einsicht als zweckwidrig oder gar als ungerecht zeigt; dies thut man aber nicht immer in England; man läßt das Alte bestehen, weil einige Gewalthaber das Neue fürchten, weil sie glauben, daß die Einführung einer Neuerung das ganze politische Gebäude über den Haufen stürzen werde. Ist dies zweckmäßig und gerecht eingerichtet, und hat es den Beifall des Volkes, indem es für sein Interesse sorgt, so ist auch keine Gefahr für dasselbe, wenn Veränderungen in demselben gemacht werden. Oder ahnden in England die Minister, daß die englische Verfassung jezt nicht viel mehr taugt? Dies würde ein Beweis seyn, daß selbst die, welche sie handhaben oder dich handhaben sollen, sie nicht genau kennen. Die englische Verfassung ist ihrer Grundlage nach gut, aber sie bedarf mehrerer Verbesserungen, um dem jetzigen Grade der Kultur und Einsicht in der Gesetzgebungslehre zu entsprechen. Es müssen Mißbräuche abgeschafft werden; dies ist vorzüglich mit dem ungeheuren Aufwande der Candidaten bei Parlamentswahlen und den Bestechungen der Fall. Der Minister wird stets die Mehrheit der Stimmen erhalten, so bald die Repräsentation ehrliebend ist und achtungswerthe Männer aus der ganzen Volksmasse gewählt sind, sobald er bloß auf das Interesse des Landes Rücksicht nimmt. Das Gerecht hat eine unwiderstehliche Kraft; niemand kann ihm seinen Beifall versagen; jedermann bringt ihm seine Huldigung dar und so wird auch der Vorschlag zu einem gerechten und zweckmäßigen Gesetze jederzeit den Sieg davon tragen, ohne daß der Minister seine Zuflucht zu Bestechungen zu nehmen braucht.

Wäre das englische Parlament das, was es seyn sollte, so wäre es eine ehrwürdige Institution und verdiente durchgängig die Achtung, welche man einigen Theilen desselben nicht verweigern kann. Das Parlament, sagt Blackstone, kann die Thronfolge bestimmen oder umkehren; es kann eine neue Constitution des Königreiches machen, ja selbst das Parlament umändern. Das Parlament ist also der Verfassung nach die höchste Autorität. Es besizt die Souverainetät, weil es Fundamentalgesetze umändern kann. Es kann jedes weise Gesetz geben, jedem Mißbrauche steuern, jede ungemessene Gewalt einschränken, und alles thun, was zum Hein des englischen Volkes dient. Erfüllt dasselbe aber treu die Pflichten, welche ihm die Verfassung auflegt? Im Ober- und Unterhause herrschen die Minister; sie thun, was sie wollen, weil sie der Mehrheit der Stimmen gewiß sind. Nun ist zwar nicht zu leugnen, daß der Minister die Mehrheit der Stimmen in allem dem haben muß, was er als Gesetz geltend machen will und was er zur Aufrechthaltung der Constitution zu thun verpflichtet ist; allein wenn das Parlament aus ächt patriotischen Männern bestände, wenn diese die Freiheit und das Gesetz über alles achteten, so würden sie den Minister in allem eifrig unterstützen, was sich auf das Wohl des Staates bezieht, hingegen sich ihm in Allem widersetzen, was dem öffentlichen Interesse nachtheilig ist. Auf diese Art würde stets das Beste und Zweckmäßigste siegen und das Böse unterliegen; der jetzige Krieg würde längst geendigt seyn, und die Erde und das Meer würden nicht mehr durch Menschenblut gefärbt werden: denn wenn das Parlament in der Mehrzahl den Frieden verlangt, so muß das Ministerium entweder diesen abschließen, oder solche Gründe vortragen, welche die Fortsetzung des Krieges rechtfertigen. Sobald der Krieg entweder dem Lande nachtheilig, oder sein Zweck nicht mehr zu erreichen ist, dann müßte Frieden geschlossen werden. Allein jezt ist dies ganz anders, weil ein großer Theil der Parlamentsmitglieder aus Söldlingen der Minister besteht, ein Anderer ihm aus Vorurtheil oder Nationalegoismus seine Stimme giebt. Der Minister kann daher seine Zwecke, mögen sie auch nachtheilig oder ungerecht seyn, so lange verfolgen, als er der Stimmenmehrheit im Parlamente versichert ist.

Der gesetzgebende Körper zerfällt in England in das Oberhaus und in das Haus der Gemeinen. In jenem haben alle Lords in England, die Peers sind, und Mehrere aus Schottland und Irland Sitz und Stimmen; in diesem befinden sich die Stellvertreter der Nation, wovon aber der größte Theil durch den Einfluß des Hofes und seiner Anhänger erwählt wird.

Die Lords, welche Regierungsstellen besitzen, kann man in zwei Classen theilen. Zu der Erstern gehören die, deren Stellen temporär und widerruflich sind, zu der zweiten die, welche ihre Stellen lebenslänglich besitzen. Zu der ersten Classe kann man wenigstens vier und dreißig Peers rechnen, und ohne Bedenken behaupten, daß wenigstens zwei Drittel von jeder Classe von der Krone Belohnungen und Vortheile erwarten, und ministeriell gesinnt sind. Es giebt sechs und zwanzig Bischöfe, welche der König ernennt, und die alle nach höhern, reichern Stellen streben; ferner sind vier Admirale und achtzehn Generale und Obristen, zusammen acht und vierzig Lords, welche alle an die Krone gebunden sind. Nimmt man nun davon nur zwei Drittel, also zwei und dreißig, und rechnet dazu diejenigen Lords, welche widerrufliche Stellen besitzen, nämlich vier und dreißig, so hat man von zwei hundert neun und funfzig schon sechs und sechzig Lords. Gesezt nun auch, die übrigen hundert und drei und neunzig Peers gehörten zu keiner bestimmten Classe, so kann man dennoch mit Gewißheit behaupten, daß ebenfalls zwei Drittel von ihnen der Krone ergeben sind; man wird diese Angabe immer noch mäßig finden, wenn man bedenkt, wie lang das Verzeichniß von Stellen ist. Von dem Könige erhalten die Lords Befehlshaberstellen bei den Flotten und Armeen, Gesandtschaftsstellen, Intendantenstellen, Orden u. d. m.; ihre Weiber und Töchter werden Gesellschaftsdamen, Hoffräuleins und Kammerfrauen, und ihre Söhne machen sich Hoffnung, bei der Armee, dem Seewesen und der Administration angestellt zu werden, so wie endlich auch die Lords ihren Kreaturen einträgliche Stellen zu verschaffen suchen. Macht man nun die mäßige Berechnung, daß von hundert und drei und neunzig Peers zwei Drittel Kreaturen des Hofes sind, so bleiben nur sechs und sechzig übrig, welche man unabhängig nennen kann, und das Ministerium hat zu allen Zeiten im Oberhause eine Majorität von drei gegen eins.

Da der Adel in England im Ganzen sehr reich ist, so könnte er auch seine Unabhängigkeit behaupten, und ungehindert seine Vorrechte genießen; allein fast alle Adlichen streben nach einträglichen Stellen, weil ihre Einkünfte zur Bestreitung ihres Luxus nicht hinreichen. Statt daß man also von ihnen erwarten könnte, daß sie als freie, unabhängige Männer handelten, kriechen sie bei Hofe, vergessen ihre eigene Würde, und geben das Wohl ihres Vaterlandes Preis. Dieser niedrige Charakter des englischen Adels ist zum Theil auch eine Folge des eingeführten Majorats, welches jederzeit und allenthalben die nämlichen Folgen haben wird. Denn da die Güter immer auf die älteste Linie der Familie fallen, so sind sie gezwungen, für die jüngern Söhne bei Hofe Stellen zu erschmeicheln. Man darf sich nur bei der Armee und dem Seewesen umsehen, so wird man finden, daß die mehrsten Stellen von jüngern Linien und weitläuftigen Anverwandten der Adelichen besezt sind; und diese Stellen erhalten sie nicht umsonst, sondern sie müssen sie mit der Unabhängigkeit ihrer Meinungen bezahlen und die Absichten des Ministeriums befördern.

In dem Oberhause sitzen nicht mehr als sechzehn schottländische Peers, welche, seit der Vereinigung dieses Landes mit England, die Peerschaft von Schottland repräsentiren. Diese Zahl stand nun freilich niemals mit der Zahl der englischen Peers im Verhältnisse; allein jezt ist dies der Fall noch weit weniger, da die Zahl der Leztern sich täglich außerordentlich vermehrt. Hierzu kommt noch, daß die schottländischen Peers durch den Einfluß des Ministeriums gewählt, oder wohl gar von den Ministern vorgeschlagen werden, und so ist es so gut, als wären sie gar nicht da, weil man kein Beispiel anführen kann, daß ein schottländischer Peer sich dem Willen der Minister widerszet hätte. Hat aber ja einer unvermuthet Energie genug, sich unabhängig zu zeigen, so kann man sicher darauf rechnen, daß er bei der folgenden Wahl entfernt wird. Dies widerfuhr vor einiger Zeit dem Lord Lauderdale, der wegen seiner Talente und seines Patriotismus. Einer der ausgezeichnetesten Männer Englands ist. Da die Regierung ihres Einflusses auf die Wahl der zum Oberhause bestimmten Lords gewiß ist, so sind auch seit der Vereinigung Schottlands mit England keine neuen Peers gemacht worden, welches auch künftig der Fall mit Irland seyn wird. Im vorigen Jahrhunderte hatte der König eine Menge neuer Peers gemacht, um sich der Majorität des irländischen Parlaments zu versichern, für die Zukunft aber wird er nicht mehr das nämliche Interesse haben, und sich also bloß darauf beschränken, die Wahl der acht und zwanzig irländische Lords zu leiten, welche in dem Oberhause des kaiserlichen Parlaments sitzen. Dies war der Fall gleich bei der ersten Wahl, wo man mehrere Lords, die man als die Häupter der irländischen Peerschaft ansahe, ausschloß, weil sie nicht für das Interesse des Hofes stimmten.

Die geistlichen Peers sind eigentlich das, was man das caput mortuum des Oberhauses nennen kann. Da sie von der Krone gewählt werden, und von dieser ihre Beförderung zu erwarten haben so stimmen sie beständig für dieselbe; sehr selten nehmen sie an Debatten Theil, und tritt der Fall je ein, so geschieht es bloß, um neue Beweise ihrer Ergebenheit zu geben. Bei allen Kriegen, sie mochten zum Gegenstande haben, was sie wollten, unterstüzten sie das Ministerium; eben so sezten sie sich gegen die amerikanische Freiheit und die Freilassung von Irland. Der Krieg gegen Frankreich war, nach ihrer Behauptung, Gott angenehm, und sollte ein Krieg der Ausrottung seyn. Sie setzen die Religion immer an die Seite des Fürsten, und glaubten, es sey schon genug, dem Volke etwas von ihr zu predigen. Vor einigen Jahren stimmte zwar ein geistlicher Peer, der Bischof von Landaff gegen den Hof, allein die Ursache davon was, daß er sein Bisthum der Verwendung der Whigs, während ihrer ministeriellen Laufbahn, zu verdanken hatte, und nun gegen sie nicht undankbar seyn wollte. Seine Anhänglichkeit an die Häupter der Opposition war auch schon vor dem Kriege der Grund, warum er keine einträglichere Pfründe erhielt, obgleich kein Prälat von England es mehr verdiente als er.

Einige politische Schriftsteller, und unter andern auch Burke, betrachteten das Oberhaus als die Basis und den Hauptpfeiler der Sicherheit des Territorial-Vortheils; Andere hingegen bewiesen, daß nach allem, was es bisher gethan habe, zu urtheilen, das Oberhaus seine Macht bloß dazu angewandt habe, Taxen von sich abzulehnen, und diese bloß auf solche Artikel zu legen, wo seine Mitglieder am wenigstens dabei zu leiden hätten. So viel ist indessen gewiß, daß, wenn auch die Taxen auf alle Gegenstände der Konsumtion erhöht und vermehrt worden sind, die Landtaxe, welche den gerühmten Hauptpfeiler zunächst traf, vermindert wurde. Eben so weiß man, daß die Armentaxe, welche seit den vermehrten Auflagen auf die Consumtion sich beträchtlich vermehrt hat, die reichen Grundeigenthümer und den übrigen Theil der Gemeinheit nicht im gleichen Verhältniß trift; daß ferner die drückendsten und einträglichsten Taxen auf eine Art berechnet sind, daß der Hauptpfeiler davon frei bleibt. Dahin gehört z. B. die Auflage auf das Bier, welches zum Verkauf gebrauet wird; die großen Eigenthümer haben sich von derselben dadurch freigemacht, daß sie auf ihre eigene Rechnung brauen lassen; und um die Wichtigkeit dieses Privilegiums ganz einzusehen, darf man nur bedenken, daß die Taxe auf das Bier beinahe eben so viel einträgt, als die Landtaxe.

Die Mitglieder des Unterhauses werden theils durch den Einfluß der Krone gewählt, zum Theil auch nachher durch Pfründen gewonnen. Bei den sogenannten verfallenen Burgflecken (rotten boroughs) ist die Wahl bloß eine lächerliche Form, da weder zum Wählen, noch zum Gewähltwerden Jemand da ist, und nur die Besitzer des Orts hier ihren Markt halten. Auch jezt noch arbeitet man daran, andere bewohnte und volkreiche Burgflecken verfallen zu lassen. Diese verfallenen Burgflecken sind fast alle das Eigenthum von Peers, von reichen Commoners oder von dem Schatz. Sie sind, wie öffentliche Fonds und Handelswaaren, eine Geldsache, und bei jeder Sitzung steigt ihr Werth, je nachdem man zur Verkäuflichkeit Ermunterung giebt, oder die Besitzer dieser Burgflecken Stellen, Pensionen oder Titel erhalten. Ein sicherer Beweis, daß man sie als Eigenthum betrachtet, ist die Entschädigung von einer Million und fünf mal hundert tausend Pfund Sterlinge, welche man den Besitzern der Burgflecken in Irland verwilligte, die seit der Vereinigung beider Reiche keine Repräsentanten mehr schicken. Auf diese Art bezahlt die Nation die Mitglieder ihres Parlaments, damit ihre Repräsentation ganz verdorben wird, ehe man sie zerstört.

Der Schatz, oder die Regierung, leitet die Wahl aller der Burgflecken, welche nicht unmittelbar gekauft sind, und dazu braucht man folgende Mittel: Man handelt nach und nach mit den Privatpersonen, welche im Besitz der verfallenen oder halbverfallenen Burgflecken sind, man verspricht ihnen, sie zu Peers des Reichs zu machen, man sichert ihnen diese oder jene Stelle für ihre Söhne oder Anverwandten zu, wenn sie stets solche Männer ernennen, welche für das Ministerium stimmen. Ist der Contrakt abgeschlossen, so werden sie Lords, und dies hat man unter der jetzigen Regierung so oft gethan, daß man  jezt im Oberhause hundert und zwanzig Lords mehr sind, als im Jahre 1770. Diese Speculation ist für die Krone doppelt vortheilhaft, weil sie sich in der nämlichen Zeit nicht nur der Majorität der Stimmen im Unterhause versichert, sondern auch zugleich die Zahl ihrer Diener im Oberhause vermehrt, und auf diese Art den Einfluß des ersten und alten Adels des Reichs sowohl bei Wahlen, als in dem Parlamente und bei den Ministern nach und nach vermindert oder vernichtet.

Selbst die ministerielle Partei wagt es nicht, diese Fehler der Volksrepräsentation zu verneinen, da die, welche auf eine Reform des Parlaments dringen, so wie die Menge Bittschriften von Städten und Grafschaften, das Mangelhafte in das hellste Licht gesezt haben.

Vor der Vereinigung mit Irland bestand das Unterhaus aus fünf hundert und acht und funfzig Deputirten, und unter diesen wurden ausschließlich vier und neunzig von englischen Peers ernannt. Hiervon ernennt der Herzog von Bedford neun, der Herzog von Norfolk acht, der Herzog von Newcastle sieben, der Graf von Lansdale sieben, der Graf Edgecombe sechs, der Lord Elliot sechs u. s. f. Auf die Wahl von hundert und vier und vierzig haben die Peers so viel Einfluß, daß nothwendig immer nur ihre Candidaten gewählt werden müssen, wo von vier Fünfteln immer zwei Fünftel von den Ministern bestimmt sind. Der Schatz hat ausschließend zwei und zwanzig Deputirte zu ernennen. Gewisse Mitglieder der Gemeinen, welche fast ganz in der Gewalt der Minister sind, ernennen ausschließend fünf und siebenzig Mitglieder, und leiten die Wahl von vier und achtzig andern Mitgliedern so, daß sie immer ihrer Sache gewiß sind. Auf diese Art sieht man leicht, daß die Wahl von vier hundert und sechzehn Mitgliedern des Unterhauses, das heißt, vier Fünftel des Hauses der Gemeinen, von hundert und sieben Peers und hundert und drei Mitgliedern des Unterhauses abhängt, und von der englischen Nation ganz unabhängig ist, ob man gleich den Ausdruck braucht, daß diese Mitglieder die englische Nation repräsentiren.

Auf eben diese Art trift man auch mancherlei Vorkehrungen, um sich der Wahl in den Grafschaften und Städten zu Gunsten des Ministeriums zu versichern. Hier sind zwar die Wahlmänner unabhängig, aber man nimmt seine Zuflucht zu Bestechungen, und nur zu oft ist es der Fall, daß der Schatz die Kosten für die Candidaten trägt.

Unter den oben angegebenen fünf hundert und acht und funfzig Mitgliedern ist die Repräsentation von Schottland mit begriffen, bei der aber eben so viele Mängel sich eingeschlichen haben, als bei der von England. Die Burgflecken, von denen Mehrere oft nicht mehr als sechs Wahlmänner haben, hängen größtentheils von aristokratischen Familien oder Agenten des Schatzes ab. Ihre Repräsentanten werden von acht und neunzig Wahlmännern erwählt, und was die Grafschaften betrift, wo man doch wenigstens einen Schatten von Unabhängigkeit zu finden glauben sollte, so sind von dreißigen sieben Privatbesitzungen; in den andern aber ist das Stimmrecht so eingeschränkt, und es herrscht so viel Feudalbedrückung, daß die Parlamentsmitglieder nicht von dem Volke gewählt werden, sondern von zwei bis drey tausend Wahlmännern, welche sich entweder von ihrem Privatvortheile, oder dem aristokratischen und königlichen Einflusse leiten lassen. Endlich muß man auch bekennen, daß Schottland, bei einer Bevölkerung von einer Million und fünf mal hindert tausend Einwohnern, nicht mehr als fünf und vierzig Deputirte in das Parlament schickt, während die einzige Grafschaft Cornwallis durch vier und vierzig Deputirte repräsentirt wird.

Um sich einen richtigen Begriff von der Unabhängigkeit dieser so gewählten Deputirten zu machen, darf man nur wissen, daß mehr als hundert ostensible Stellen, von denen die mehresten temporär und widerruflich sind, von Mitgliedern des Unterhauses besezt sind; andere Mitglieder haben ebenfalls einträgliche, aber dunkle Stellen, welche sie von Subalternen verwalten lassen, und viele Andere stehen auf der Civilliste mit Pensionen. Da die Zahl der Stellen, welche von Mitgliedern des Unterhauses besezt werden können, dreimal beträchtlicher ist, als jene der Nation, so sind die, welche nach diesen Stellen streben, dem Ministerium ebenfalls ergeben. Bisweilen geschieht es zwar, daß sich die Meinungen in beiden Häusern unvermuthet ändern, aber dann liegt der Grund davon mehrentheils darinn, daß von Seiten des Hofes die Wünsche Einiger unbefriedigt blieben. Einer der ersten Lords in England, der Herzog von Marlborough, der wegen seiner persönlichen Eigenschaften allgemein geschäzt wurde, hatte die Hoffnung auf den Orden des blauen Hosenbandes; man vergaß aber, ihm Wort zu halten, und sogleich waren die Stimmen der Parlamentsmitglieder, welche durch seinen Einfluß gewählt worden waren, gegen das Ministerium. Durch einen Entschuldigungsbrief und durch neue Versprechungen des Königs wurde die Kränkung wieder gut gemacht, und alles gieng nun seinen alten Gang fort. Eben dieser Herzog brachte es durch seinen parlamentarischen Credit dahin, daß der Lehrer von Einem seiner Brüder, ein Mann, der sich gar nicht auszeichnete, erst zum Bischof erwählt wurde und dann sogar ein Erzbisthum erhielt.

Man betrachte nun das Unterhaus, aus welchem Gesichtspunkt man will, so wird man finden, daß die Freiheit in Gefahr ist. Die Repräsentanten der eingegangenen Burgflecken stehen unter dem aristokratischen Einflusse, und verschaffen der Krone die Majorität über die unabhängigen Mitglieder und die Opposition. Die, welche Stellen, Titeln und Personen haben, verbunden mit denen, welche nach diesen Dingen streben, machen ebenfalls eine neue furchtbare Majorität aus. Wo nun diese beiden Majoritäten durch den Einfluß der Krone sich vereinigen und zusammen wirken, da muß die Macht der Bestechung unwiderstehlich seyn. Ein Engländer behauptet, "diejenigen, welche ohne Prüfung der Thatsachen und ohne Erfahrung die britannische Constitution bloß nach den Romanen von Blackstone und Delolme beurtheilen, werden vielleicht sagen: giebt es denn gar keinen Distrikte mehr, der unabhängig wäre? Ist der glorreiche Streit, welcher zu Gunsten der Whigs in Westminster vorfiel, kein Beweis davon? -- Ich gebe es zu, daß die Siege, welche von Zeit zu Zeit die Wahlmänner einiger Grafschaften über die Agenten des Schatzes erhalten haben, der Sache der Freiheit günstig zu seyn scheinen; aber wenn man bedenkt, daß man, zur Erhaltung dieser Siege, ungeheuere Summen verschwenden, die Sitten des Volkes verderben, die Industrie unterbrechen und ganze Familien an den Bettelstab bringen, daß man das Leben der Bürger immer in Gefahr setzen und bisweilen sogar aufopfern mußte, daß endlich der ganze Streit gar nicht den Zweck hatte, einen Mann von Verdienst in den gesetzgebenden Körper zu bringen, sondern bloß dem Ehrgeize und dem Verdrusse irgend eines aristokratischen Hauses Genüge zu leisten, dem man vielleicht eine Gouverneur- oder Gesandtschaftsstelle abschlug, so muß der Freund des Vaterlandes mit dem Pyrrhus ausrufen: "solche Siege sind schlimmer als Niederlagen!" –

Es ist bekannt, wie viel Mißbräuche bei den Wahlen herrschen; fast überall zeigen sich hier Scenen der Niedrigkeit, der Trunkenheit und des Rausches; sie verursachen ungeheuern Aufwand, und ziehen das Verderben einer Menge Familien nach sich. Man hat zwar eine Menge Gesetze gemacht, um Bestechungen und Verkäuflichkeit zu verhindern, Burgflecken haben ihr Wahlrecht verloren, wenn sie sich hatten bestechen lassen, Privatmänner wurden zu schweren Strafen verurtheilt, wenn sie auf eine ungeschickte Art zu den Mitteln der Bestechung ihre Zuflucht genommen hattten; allein das persönliche Interesse, welches immer gegen das allgemeine Interesse ist, findet leicht einen Ausweg, dem Buchstaben des Gesetzes auszuweichen, und Parlamentsstellen, welche man sonst als lästig ansah, werden jezt theuer verkauft und gekauft. Es ist bekannt, was ein Deputirter von Berwick seinen Committenten für eine Antwort gab, als sie ihm verschiedene Aufträge gaben, nach ihrem Sinn zu votiren: "den Teufel mit euern Instructionen, antwortete er ihnen, ich habe euch gekauft und werde euch verkaufen."

Die Besitzer der Burgflecken lassen meistentheils ihre Freunde oder Günstlinge wählen, welche dann ehrenhalber nach dem Sinn ihrer Patrone stimmen müssen. So erzählt man von einem Deputirten, der auf diese Art gewählt war, und lieber seine Stelle niederlegte, als gegen sein Gewissen stimmen wollte; allein dies Beispiel ist selten, und beweiset, daß man die Verbindlichkeit gegen den Wahlherrn als unverletzlich ansieht. Die Besitzer der Burgflecken lösen bisweilen bei einer Wahl fünf bis sechstausend Pfund Sterling, auch wohl noch mehr, und die Entschädigung, welche man den Besitzern der Burgflecken in Irland, die bei der Union ihr Recht verloren, zugestand, ist ein Beweis, daß das Recht, das Volk zu repräsentiren, gewissermaßen ein konstitutioneller Handel geworden ist.

Ueber die Mittel, die Mißbräuche bei Wahlen abzuschaffen, ist sehr oft besprochen worden, aber nie kam es zur Ausführung. Jezt ist die allgemeine Meinung, daß eine Parlamentsreform, das einzige wirksame Mittel, für die Freiheit traurig seyn würde.

Man hat über die Wahlen eine Menge Anekdoten, aus welchen man sehr leicht sehen kann, wie sehr Intrigue und Verkäuflichkeit dabei herrscht; wir wollen aber hier nur Einige der auffallendsten anführen.

Unter den Kandidaten für Berwick befand sich auch Taylor, der aber wohl wußte, daß die Freimänner dieser Stadt, welche sich zu London aufhielten, von seinen Nebenbuhlern gewonnen waren, und sich auf der Themse einschiffen sollten, um in Masse zur Wahl zu kommen. Was war nun hier zu thun? -- Taylor gewann den Capitain des Schiffes für fünfhundert Pfund Sterling, und dafür brachte dieser seine Schiffsladung von Wahlherren wohlbehalten an die Küste von Norwegen. Dadurch erhielt Taylor die Mehrheit der Stimmen, ohne weiter Kosten aufwenden zu dürfen.

So baten zwei Kandidaten einen Schuhflicker um seine Stimme, die sie durch Geschenke zu erhalten hofften. Allein Crispin war großmüthig genug, sie auszuschlagen, mit der Erklärung, daß er dem seine Stimme geben wollte, der ihm der Hand küßte. Der ehrgeitzigste dieser Kandidaten ließ sich diese Erniedrigung gefallen, und forderte dann die versprochene Stimme. "Diese bekommt ihr nicht, antwortete der Schuhflicker, denn wer sich so wegwirft, meine Hand zu küssen, der wird sich auch nicht weigern, dem Minister den Hintern zu küssen."

Bei einer Wahl von Shrewsbury wurde ein Offizier auf Kosten des Kandidaten Kinaston mit nach London genommen, wo er an allen den Feten Theil nahm, welche der Kandidat seiner Partei gab. Als es aber zur Wahl kam, gab der Offizier seine Stimme einem Nebenbuhler von Kinaston, und als man ihn darüber zur Rede sezte, entschuldigte er sich damit, daß er viele Feldzüge mitgemacht, und von den Generalen immer gehört habe, man müsse die Quartiere bei Feinden nehmen.

Sir John Wood wollte gern die Stimme eines Barbiers haben und Sir James Belfield verdrängen. Er führte daher dem Barbier zu Gemüthe, daß er ihn sehr gut bezahlt habe, als er ihm das leztemal den Bart abnahm; fünf Guineen für einen Bart sey wirklich honnet, und eine Großmuth sey der andern werth; er hoffe also, er werde ihm seine Stimme nicht verweigern. "Von Herzen gerne würde ich Ihnen meine Stimme geben, antwortete der Barbier, aber Sir James bezahlt mir für einen Bart eben so viel als Sie, und er läßt sich wöchentlich zweimal barbieren."

Aus dem bisher Gesagten sieht man, daß es bei den Wahlen eigentlich zwei Arten von Einfluß giebt; die eine Art entspringt aus der Gewalt, welche der König konstitutionsmässig besizt, als das Commando der Armee und der Flotte, die Besetzung von bürgerlichen, militairischen und geistlichen Stellen; die andere Art aber beruht auf gesetzwidrigen Mitteln, als Versprechungen und Bestechungen bei den Wahlen der Volksrepräsentanten und außer diesen auch bei den Berathschlagungen im Unterhause.

Der gesetzmäßige Einfluß ist im Grunde unzertrennlich mit der Constitution verknüpft, und wurde gleichsam eine defensive Waffe, die ausübende Gewalt gegen die Eingriffe der gesetzgebenden zu schützen; die andere Art von Einfluß aber ist offenbar ihrer Natur nach offensiv, und ihr Zweck ist, die Gewalt der Volksrepräsentanten, welche nach der Constitution immer volle Kraft haben sollten, zu schwächen.

Diese zweite Art von Einfluß nennt man Bestechung, und die Ministerialpartei gesteht nicht nur, daß sie da sey, sondern sie behauptet auch, daß sie nothwendig sey.

Es bedarf keines Beweises, daß durch die Anwendung des Einflusses oder der Bestechung der ursprüngliche Zweck des Unterhauses gänzlich vernichtet wird. Durch Einfluß verschlingt die Krone die Macht der ganzen Gesetzgebung, die eigentliche Regierung ist von der scheinbaren verschieden, und das Unterhaus ist eine Täuschung, und zwar eine gefährliche Täuschung, weil sie nicht verantwortlich ist, sondern weil alle Verantwortlichkeit auf die Krone fällt.

"Fremde fragen uns, sagt ein Engländer, welches der Unterschied zwischen ihrer und unserer Constitution sey? -- Euer König, sagen sie, macht durch das erkaufte Parlament, was es will; der unsrige thut das nämliche, ohne das er Jemanden zu erkaufen braucht. Wo ist nun für das Volk der Unterschied? -- Wir antworten ihnen: "ihr wißt nicht, wie viel der König wünschen würde, zu erhalten, was er aber sich nicht untersteht, dem Parlamente vorzutragen, weil er weiß, daß seine Freunde es ihm nicht zugestehen würden oder dürften. Hieraus kann man nun unsere Constitution gut erklären. Die Macht des Königs ist in allen den Dingen absolut, wo die Vorurtheile und Neigungen des Volkes nicht zu sehr beleidigt werden. Was aber die Gewalt über die Geldbeutel betrift, welche nach der Meinung vieler politischer Schriftsteller alle Gewalten in sich enthält, so ist hier unser König eben so uneingeschränkt, als der König von Spanien, weil das Volk in England constitutionsmäßig gewöhnt ist, daß alle Foderungen des Königs von dem Parlamente bewilligt werden."

"Bei allgemeinen Handlungen scheint die königliche Macht ohne Controle zu seyn, bei Privathandlungen aber hat sie eben so ihre Grenzen, wie in jedem andern Lande von Europa. Gesetze, welche das ganze Volk gleich betreffen, kann die Krone machen; entfernt sich aber der König von dem allgemeinen Grundsatze, und giebt willkührliche Befehle, wodurch ein Individuum gemißhandelt oder getödtet werden könnte, so findet er in dem Augenblicke seine Macht eingeschränkt. Auf diese Art würde es ihm viel leichter seyn, mit einem Schlage die Pressfreiheit zu vernichten, oder durch eine ungeheure Taxe das ganze Reich zu unterdrücken, als eine Hütte ihrem rechtmäßigen Besitzer zu entreißen. Er kann zwanzig Millionen Pfund Sterlinge erheben, aber John Wilkes kann er den Kopf nicht abschlagen lassen. Diesen Unterschied muß man nothwendig machen, wenn man von unserer Constitution spricht; denn darauf beruht gerade das Hauptwesen derselben. Alle allgemeinen Gesetze sind der Gewalt der Krone unterworfen, alle besondern Handlungen aber müssen den Charakter der Freiheit haben."

Dieser Unterschied scheint im Allgemeinen von den Engländern angenommen zu werden; indessen behaupten doch viele, daß, unabhängig von der habeas corpus Akte, man seit einiger Zeit allgemeine Gesetze gemacht habe, wodurch die Agenten der ausübenden Gewalt Mittel bekommen hätten, die Freiheit der besondern Handlungen anzugreifen.


Die Opposition im englischen Parlamente.[]

[2]

Vor ungefähr hundert Jahren theilten sich die Engländer in die zwei politischen Parteien, in die Wighs und Torys. Jene behaupteten, daß die bürgerliche und religiöse Freiheit angeborne Rechte des Menschen wären und daß sie keinem Britten geraubt werden dürften; diese, daß die Könige von Gott eingesezt, daß der leidende Gehorsam Pflicht wäre u. s. w. Die Grundsätze dieser beiden Parteien wurden aber schon sehr schwankend, als das Haus Braunschweig auf den Thron von Großbritanien gelangte, und jezt sind sie kaum mehr sichtbar. Die Parteien zerfallen jezt in die Opposition und in die Ministerialpartei im Parlamente. Jene tadelt jede Maaßregeln, welche die Minister ergreifen, denen die Letztere in allen Stücken blinden Beifall giebt. Jene will die Minister stürzen und selbst ins Ministerium gelangen, diese wollen sich auf ihrem einträglichen Posten behaupten. Auf diese Art ist der Kampf zwischen den beiden Parlamentsparteien nicht ein Kampf für Wahrheit und Recht, sondern für den Eigennutz und die Herrschsucht. Nicht das, was dem Vaterlande vortheilhaft ist, nicht die Freiheit der Nation und die Aufrechthaltung der Constitution sind die Treibfedern, welche das Verfahren der Opposition leiten, sondern der Wunsch, Minister zu werden und die Vortheile zu genießen, in deren Besitz jezt die Minister sind.

In einer freien Verfassung ist eine Opposition unvermeidlich; wo jeder seine Meinungen ohne Furcht vor Gefahr bekannt machen kann, wo jeder nach seiner Einsicht spricht, da muß auch eine Verschiedenheit der Ansichten herrschen, da muß auch ein Widerspruch zum Vorscheine kommen. Ein solches Phänomen ist der Wahrheit zuträglich; man untersucht die Sache von allen Seiten, prüft sie in allen Hinsichten, und der Nutzen und das Recht behalten endlich die Oberhand in dem, was man beschließt. Sind auch mehrere Parlamentsmitglieder in England ächte Patrioten, die keine andere Maaßregeln vertheidigen, als diejenigen, die gerecht und vortheilhaft sind, so ist ihre Anzahl doch klein. Die beiden Parteien widersprechen sich bloß, weil sie Partei sind. Kommt die Opposition ins Ministerium, so spricht und handelt sie wie die vorige Minister, und wenn auch einige kleine Verschiedenheiten Statt finden, so sind diese mehr ein Werk der Umstände als der Grundsätze. Den Ministern liegt ob, die Regierung im Gange zu erhalten, und es war daher kein Wunder, daß Pitt und Fox als Minister ziemlich einerlei Sprache führten. Beide Parteien führen oft weiter nichts als ein Klopffechterspiel auf, bei denen der Witz und der Scharfsinn das Ausgezeichneteste sind, mit der jede Partei ihre Rolle durchführt.

Wer Mitglied des englischen Parlaments werden will, der mnß oft eine ungeheuere Summe darauf verwenden, wenn er sich gewählt sehen will. Einige richten sich dadurch gänzlich zu Grunde; Andere stürzen sich in Schulden. Wollen sie sich retten, so treten sie auf die Seite der Minister, welche ihnen einträgliche Aemter verschaffen, dadurch ihre Stimmen erkaufen und sie zu ihren blinden Werkzeugen machen. Diese Mitglieder stimmen den Ministern in jedem Vorschlage bei, welchen diese machen; sie sind die Drahtpuppen, welche die Minister aufziehen. Was der Nation zum Vortheile, zur Ehre gereicht, darum bekümmern sie sich nicht, sondern ihr Ziel sind die Minister und deren Beifall. "Das Parlament ist bestochen, sagt Arthur Young, Bestechung ist das Oel, womit die Maschine der Regierung geschmiert wird, damit sie gut geht. Verschwenderische Höfe, egoistische Minister, bestochene Majoritäten sind so innig mit unserer praktischen Freiheit verbunden, daß ganz andere Politiker als unsere neuen Reformatoren dazu gehören, um den Beweis zu führen, daß wir den Uebeln, die sie heilen wollen, nicht unsere Freiheit zu verdanken haben. "Wenn dies wahr ist, und Young ist ein Anhänger der Minister, so hat die Freiheit in England eine eben so schwache als ehrlose Stütze; allein Hr. Arthur Young scheint im Eifer für seine Partei und aus Haß gegen seine Gegner mehr einzuräumen, als die Wahrheit gestattet.

Wenn die gesetzgebende Gewalt einer Nation bestochen ist, wenn sie sich entweder durch Geld oder Furcht und Hoffnung leiten läßt, wenn sie bloß dem Parteihasse fröhnt, so ist die Freiheit eines Landes in der größten Gefahr. Man beschließt nicht mehr das, was Allen zum Vortheile gereicht, was die Freiheit Aller schüzt, sondern bloß das, was die Anführer der Parteien für ihren Vortheil für zuträglich finden, was ihre Macht zu vermehren scheint, oder was ihre Gewalt verlängert. Dies ist in England nur zu häufig der Zweck der beiden Parteien, welchen nicht das Interesse ihres Vaterlandes, das Wohl der Menschheit, sondern bloß ihr eigener Vortheil am Herzen liegt. Ihr Egoismus wird zwar einigermaßen durch die Freiheit der Presse in Schranken gehalten, allein diese vermag doch nicht alles da, wo man sich ungescheuet über Pflicht und Ehre hinwegsezt. Sie stört wohl den Sündenbock bisweilen in seinem Schlafe auf, aber bald lullt sich dieser wieder durch die Vortheile in denselben ein, welche ihm seine Rolle gewährt. Allein selbst die meisten englischen Zeitungen sind Parteigänger; die Eine vertheidigt alles, was die Opposition thut, die Andere alles, was die Minister vornehmen. Auf diese Art gewährt die Presse auch nicht den Vortheil, den sie für das Land und die Freiheit haben würde, wenn man bloß der Wahrheit und Gerechtigkeit huldigte.


Parlamentsauflösung.[]


Die Proklamation des Prinzen Regenten, wegen Auflösung des Parlaments, lautet so: [3]

"Von Sr. Königl. Hoheit, dem Prinzen von Wales, Regenten der vereinigten Königreiche Großbrittannien und Irland, im Namen und von Seite des Königs. Proklamation wegen Auflösung des gegenwärtigen Parlaments und Zusammenberufung eines andern. George, P. R. xc. Da wir im Namen und von Seite des Königs handeln, so erachten Wir nach der Meinung des geheimen Rathes Sr. Majestät für zweckmäßig, das dermalige Parlament, welches gegenwärtig bis zum Freytage, dem zweyten Tage des künftigen Monats Oktober, vertagt ist, aufzulösen. Indem Wir dem zufolge also handeln, wie oben gesagt ist, machen Wir diese Proklamation bekannt, und lösen hiermit das besagte Parlament auf, und die geistlichen und weltlichen Lords, die Ritter, Bürger und Kommissarien für die Grafschaften und Flecken des Unterhauses sind davon befreyt, sich in dasselbe zu begeben, und besagten Freytag, den zweyten Tag des künftigen Monats Oktober, beyzuwohnen. Zugleich thun Wir, da Wir wünschen und entschlossen sind, sobald es seyn kann, das Volk Sr. Majestät zu versammeln und seinen Rath im Parlamente zu vernehmen, hiermit allen geliebten Unterthanen Sr. Majestät zu erkennen, daß Wir nach der Meinung des geheimen Rathes Sr. Majestät heute befohlen haben, daß der Kanzler von Seite des vereinigten Königreichs, genannt Großbrittannien, und der Kanzler von Irland, unverzüglich Mandate in den hergebrachten Formen und den Gesetzen gemäß erlasse, um ein neues Parlament zusammen zu berufen, und Wir fordern auch im Namen und von Seite Sr. Majestät durch gegenwärtige, mit dem großen Siegel des vereinigten Königreichs versehene Proklamation, die besagten respektiven Kanzler auf, zu dem Ende Mandate zu erlassen, damit die geistlichen und zeitlichen Lords, so wie die Gemeinen, welche in dem besagten Parlamente dienen sollen, schuldigerweise erwählt werden, und dem besagten Parlamente beywohnen, welche Mandate am 24sten Tage des künftigen Monats November vorgezeigt werden müssen.

Gegeben am Hofe zu Karltonhouse, den 29sten September 1812, und im 52sten Jahre der Regierung Sr. Majestät."


Zeitungsnachrichten.[]

1812.[]

London, den 30sten September. [4]

Gestern ist die Proklamation des Prinz Regenten zur Auflösung des gegenwärtigen Parlaments und zur Zusammenberufung eines neuen erschienen, welches am 24sten November zusammenkommen wird.


London, den 13ten Oktober. [5]

Das neue Parlament wird am 24sten November zusammen kommen, 3 bis 4 Wochen versammelt bleiben und sich alsdann bis zum nächsten Februar prolongiren. Wenigstens ist dies die Absicht der Minister.

Die Auflösung des Parlaments, die bloß seit einigen Wochen verkündigt worden, ist zu Stande gebracht und schon schreitet man zu neuen Wahlen. Diese Maßregel kann als der Knote des großen Dramas angesehen werden, welches in England gespielt wird, und dessen Entwickelung, allem Anschein nach, schrecklich seyn dürfte.


London, den 10ten November. [6]

Es ist gewiß, daß das Parlament sich den 24sten dieses Monats versammelt. Man glaubt jetzt, der Prinz Regent werde die Sitzung in Person durch eine Rede, die er auf dem Throne halten wird, eröffnen. Lord Castlereagh hat an die Mitglieder des Unterhauses ein Umlaufschreiben erlassen, um sie zu bitten, sich den 24sten dorthin zu verfügen.


London, den 23sten November. [7]

Das Parlament ist heut eröffnet worden, aber nicht von dem Regenten selbst, sondern von einer Kommission, welche die Mittheilung der Regierung ankündigt, sobald die Glieder vereinigt und der Sprecher gewählt seyn würde. Diese Wahl ist nun wie gewöhnlich auf den vorigen Sprecher, Herrn Abbot, gefallen.


Quellen.[]

  1. Brandraketen, ein Feuerwerk für Engländer. In zwanglosen Heften. London, 1808. Im Büreau der Ausländer.
  2. Brandraketen, ein Feuerwerk für Engländer. In zwanglosen Heften. London, 1808. Im Büreau der Ausländer.
  3. Allgemeine deutsche Zeitung für Rußland. No. 283 Montag, den 25. November/7. December 1812.
  4. Allgemeine deutsche Zeitung für Rußland. No. 260. Dienstag, den 29. Oktober/10. November 1812.
  5. Allgemeine deutsche Zeitung für Rußland. No. 263 Freytag, den 1. /13. November 1812.
  6. Allgemeine deutsche Zeitung für Rußland. No. 285 Mittewoch, den 27. November/9. December 1812.
  7. Allgemeine deutsche Zeitung für Rußland. No. 307. Montag, den 23. December 1812.
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