Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Paris

zur

Zeit der Kaiserkrönung.

Nebst einer Schilderung

der

Hauptpersonen

bei diesem

merkwürdigen Schauspiele.

Aus den Briefen eines Augenzeugen.

Kölln, bei Peter Hammer.

1805.


Erster Brief.[]

Herrschende Stimmung in den Provinzen. -- Folgen der letzten Conspiration -- Tag des heiligen Napoleon -- Zustand des ehemals blühenden Marseille.

Marseille im September 1804.

Du weißt es, mein Lieber, daß er immer mein Held war, wie er der Held des Tages ist, daß ich die gute Seite einiger seiner Handlungen aufsuchte, wo die große Menge in deinem Vaterlande nur Ehrgeiz und Herrschsucht fand: ich brachte, wie du weißt, 6 Monate zu in dem lieblichen W --, war eben da, als die letzte, hoffentlich auf immer letzte Conspiration gegen sein Leben die Zeitungen ausfüllte, das Gespräch des Tages ausmachte; schon lange herrschen in jener großen Stadt zwei Ungeheuer, das eine ist entstanden und ernährt sich durch das andere, es sind die Dummheit und die Furcht: diese letzte Furie zeigte sich in einer ihrer lächerlichsten Gestalten bei der Bekanntmachung der genannten Affaire, es war nämlich gleich ihre ganze Dienerschaft in den Caffeehäusern der Stadt herumzerstreut, um zu horchen, ob jemand das Wort Bonaparte oder Moreau nannte, und dann zugleich das Gespräch abzubrechen, weil, wie es hieß, weder für, noch gegen den Erstern gesprochen werden durfte. Ich verließ dieses geduldige Volk und kam nach Italien. Hier, dachte ich, kannst du dich mit allen über deinen Helden unterhalten, und ich hatte nicht sobald das schmutzige Venedig verlassen, nicht sobald den Fuß in das schöne Bologna hineingesetzt, als ein beschäftigter Müßiggänger von einem Wirthe anfing, mir lang und breit zu demonstriren, wie Bologna vormals tausendmal besser regiert wurde, als jetzt xc. xc. und das Ende oder der Beweis war endlich, daß er selbst ehemals Koch bei einem Kardinale gewesen wäre, wobei er sich besser befunden hätte als jetzt, da er in einem Wirthshause den wenigen Reisenden schlechtes Essen theuer verkauft. Du kennst meine Route durch Italien: in verschiedenen Reise-Gesellschaften, in verschiedenen Städten nahm ich oft in fröhlicher Laune mein Glas und mein Toast war: eviva Napoleone! cazzo, riefen die gelbsüchtigen Italiener: nun laß es gut seyn, dachte ich, du wirst doch wohl einen finden, der in deine Gesundheit mit einstimmt, und ich ging weiter, aber ich bin jetzt schon einen Monat in dem elenden Lande, wo er eine neue Verfassung aus den Trümmern schuf, unter dem zu bemitleidenden, durch Privat-Meinungen, Hinsichten und Verhältnisse getrennten, aus Furcht und Kleinmuth mißtrauischen Volke, aus welchem er einen Staat bildete, der mit den größten Europas sich mißt, so wie er vor 6 Jahren aus weniger zusammengerafften Haufen eine Armee bildete, mit der er disciplinirte und nicht muthlose Truppen schlug, so daß sie sich dessen auf immer erinnern -- einen ganzen Monat bin ich unter diesem Volke gewesen, habe den ganzen östlichen Strich ihres Landes durchreist, und noch keinen getroffen, der auf sein Wohl mit mir trinken wollte. Cazzo, sagten die Italiener zu meinem Toast, foutre, sagten die Franzosen; und wer weiß, was aus ihnen geworden wäre, wenn er nicht gekommen wäre, lange konnte die allgemein verhaßte Anarchie der Direktoren nicht dauern: als ein ganzer Staat befinden sich doch wohl die Franzosen besser, als wenn sie verschiedenen siegenden oder im trüben Wasser fischenden Herren zu Theil geworden wären: unter einer festen Regierung mit einer Wiedergeburt der allgemeinen Sicherheit befinden sie sich doch wohl besser als zu jenen Zeiten, da sie schuldlos des Morgens aufstanden und nicht wußten, ob bis zum Abend nicht die Guillotine sie mit hundert andern eben so schuldlosen in die andere Welt expediren würde. Aber der Leichtsinn der Franzosen sieht dieses nicht ein, und die Undankbarkeit verschließt ihre Herzen vor dem Manne, der wegen des vielen Guten, was er schon in der Zeit ausgeführt hat -- welche tausend Andern nicht zum Anfangen genug gewesen wäre, den ersten Platz darin verdient. Es ist wahr, ich habe unangenehme Folgen der letzten Conspiration gesehen: ich bin lange in der Gesellschaft eines Mannes gereist, der, weil er mit Moreau in einer schuldlosen Correspondenz stand, von Weib und Kindern weggeschleppt und aus einer entfernten Provincialstadt nach Paris geführt, in den Tempel geworfen, vor die Tribunale gestellt und da man ihn des angeschuldigten Verbrechens nicht überführen konnte, nach 3 Monaten mit einem öffentlichen Lobspruch in den Zeitungen, der ihn für einen braven Bürger erklärte, freigelassen wurde, und doch immer jede Woche sich der Polizei seiner Vaterstadt zeigen muß. Sein Hauptverbrechen ist freilich das, daß er lebt und gut lebt, ohne daß man weiß wovon; denn reich ist er nicht, und keinen Nahrungszweig treibt er. Daß solche Fälle in den letzten Zeiten viele statt gehabt haben in Frankreich, will ich nicht bezweifeln: aber man bedenke die Geschäfte eines Polizeiministers in Frankreich zu allen Zeiten und besonders zu den Zeiten einer so ausgebreiteten Conspiration als die letzte: wie ist es möglich, daß ein einziger Mensch das auf einmal übersehen kann, worüber hunderte Jahre lang gebrütet haben, und wie ist es möglich, daß, indem er mit eins seine Gewalt zur Erhaltung des Staats anwendet, er den beiden Fehlern ausweichet, den wirklich Schuldigen unbestraft entschlüpfen, oder den Unschuldigen leiden zu lassen. Bedenke, wie es in Irland heut zu Tage zugeht, wie es in deinem aufgeklärten Vaterlande zuging, da ein Mann deportirt wurde, weil er den Marseiller-Marsch übersetzt hatte. Daß die Zahl der Unzufriedenen in Frankreich groß war, konnte ich mir freilich vorstellen, denn, wenn auch der eine Hut für 24 von 31 Millionen Menschen paßt, so sind immer die übrigen 7 Millionen eine große Zahl; daß aber die Zahl so groß war, wie ich jetzt glaube, habe ich vorher nicht gedacht: Wenn ich hier an einer table d'hôte in einem öffentlichen Wirthshause speise, so führt der halbe Theil von 20 und mehr Gästen ein Gespräch über die Regierung, da es in meinem Vaterlande niemals erlaubt war, über diesen Gegenstand zu sprechen und noch weniger in W.; und wer ist es, der so unvorsichtig ist, Fremde etwa? oder vormalige Emigrirte? nein, Menschen, die jetzt im Staate dienen, Officiere, ja Mitglieder der Ehrenlegion, die die Insignien derselben tragen und vorzüglich dazu verpflichtet sind, die Regierung zu erhalten. Es war gestern bei diesem Tische ein 30jähriger Mensch, der hier im Wirthshause eine Eskadre von drei Fregatten kommandirt, die auf der Rheede hin und her segelt, er führte das Wort bei einem Gespräche über den Tod des Enghien, über die Moreauische Affaire und andere dergleichen Steckenpferde der Unzufriedenen: ihm gleich gegenüber saß ein Mann, dessen Aussprache zeigt, daß er ein Fremder war; de quelle nation étes-vous, Monsieur? fragte der Officier -- je suis Anglais war die Antwort -- touchez, sagte jener, und gab ihm die Hand, vous-êtes un brave homme, j'aime beaucoup les Anglais, und jetzt fing er an Englisch mit ihm zu sprechen.

Vor einigen Tagen wurde hier der Namenstag Napoleons, welchem bekanntermaßen der St. Roch in den Almanachen hat weichen müssen, gefeiert. -- Ich befand mich den Vormittag bei dem Consul meiner Nation und wußte von dem Feste nichts, als ein Polizeikommissarius hereintrat und anzeigte, daß heute Abend die Häuser der Stadt illuminirt werden sollten, wegen des Namenstages S. M. des Kaisers: dieses wurde sehr gleichgültig angehört und, da er weg war, erfuhr ich, daß dieses nichts bedeutete, daß die Polizei bei allen Feierlichkeiten sich solche Erinnerungen erlaubte, die aber nie geachtet würden. Der Abend erschein: ich ging den schönen Cours hinunter, und nicht ein Fenster war illuminirt: ich folgte den wenigen Spazierenden, und diese brachten mich zu dem großen Schauspielhause, welches nun über und über mit Lampen behängt war; in zwei Fenstern waren transparente Gemälde angebracht; auf dem einen von diesen las man:

Napoleon le grand
Empereur des Français,

auf dem andern einen jämmerlichen Vers zu Ehren des Tages: außer diesem Gebäude war auch die Wohnung des Präfekts, das Rathhaus und ein Paar andere öffentliche Gebäude illuminirt, und nach ein Paar Tagen erzählten die Zeitungen viel schönes über diese allgemeine Illumination: -- die jetzige Lage dieser ehemals blühenden Stadt ist auch zu nichts weniger geeignet, als zu Illuminationen: die Armuth ist hier grösser und allgemeiner als man je glauben sollte: auf einem neuen Vorhange eines während meines Aufenthaltes eröffneten Theaters (deren Marseille jetzt fünf hat) finden sich freilich Merkurius, Flora, Neptunus u. dgl., die Glück und Wohlstand über Marseille ausgießen: sie stehen aber hier, wie die Krebse im Briefe, und kurz nach meiner Abreise hat der Entreprenneur eines sehr niedlichen Theaters Bankerot gemacht. Die Stadt sucht bei der Regierung um Privilegien und Erleichterungen an, deren sie so sehr bedarf, um ihren gänzlichen Ruin zu verhüten: auch hofft man von der Gemahlin des Prinzen Joseph und ihrer Familie, daß diese die Aufmerksamkeit des Kaisers auf ihre Vaterstadt hinleiten werden. Bekanntermaßen heirathete der Prinz Joseph die Tochter eines reichen Kaufmanns Clary in Marseille, und der Prinz Louis soll um die Hand ihrer Schwester angehalten haben; der Vater aber, dem die Zukunft verhüllt war, und der die so genannten Patrioten gar nicht liebte, soll geantwortet haben: ich habe die eine meiner Töchter einem Patrioten gegeben, es ist genug. –

In wenigen Wochen gehe ich von hier weg, und da ich diesen Winter in Paris zubringen muß, so will ich suchen, so früh da einzutreffen, daß ich dem Krönungsfest beiwohnen kann und dir, mein Lieber, ein so umständliches Gemälde von dieser seltenen Begebenheit machen, als es mir meine Geschäfte erlauben.


Zweiter Brief.[]

Abreise von Marseille -- Reisegesellschaft -- Bittschriften um den Orden der Ehren-Legion.

Paris am 8. November 1804.

-- Beinahe wäre ich nicht von Marseille weggekommen; gleich vor meiner Abreise kam eine strenge Ordre aus Paris, keinen Fremden in dem Lande herumreisen zu lassen ohne besondere Erlaubniß des Großrichters: ein grober Schreibers-Gehülfe bei der Polizei, der ehemals im Revolutionstribunale gewesen war, wollte durchaus meinen Paß nach Paris schicken; aber es wurde endlich eine Clausel dieses Verbotes entdeckt, daß diejenigen, die in öffentlichen Geschäften reiseten, ungehindert passiren sollten, und aus dieser Ursache bekam ich endlich einen Paß. So wie sich die Krönungs-Epoche mehr und mehr näherte, wurden die Schwierigkeiten für den Franzosen selbst, nach Paris reisen zu können, vermehrt: bald sollten sie die Erlaubniß dazu bei den Mairen ihrer Städte, bald bei den Präfekten ihrer Departements suchen, bald hieß es, daß auch keiner von diesen mehr dazu autorisirt wäre, sondern, daß man solche bei dem Gross-Richter Regnier zu Paris suchen müßte. Hierdurch hat man freilich theils das immer gefährliche Zuströmen des Volks aus den Provinzen nach Paris zu verhindern gesucht, theils die als mißvergnügt und suspekt Bekannten von der Hauptstadt abzuhalten, welches denn wohl auch zum Theil in Rücksicht der Erstern, und gänzlich in Rücksicht der Letztern (die alle unter der Aufsicht der Polizei ihres Wohnortes stehen) erreicht wurde. -- Um von Marseille nach Paris zu gehen, machte ich einen langen Umweg, und da ich allerlei Reisearten versuchte, (die Post, die Diligence, die Velociferes und sogar das Schiffen) so hatte ich auch allerlei Gesellschaften, wovon der größte Theil Deputirte von der Nationalgarde waren, und diese waren nun entweder durch einen Stern, einen Ehrensäbel, oder einen minus-Arm, minus-Fuß ausgezeichnet -- Sie gingen alle nach Paris, in der Hoffnung etwas zu erhalten; wer keinen Stern hatte, hoffte diesen und brachte eine Bittschrift mit, wovon ich viele las, und nun um so viel klüger wurde, daß ich jetzt weiß, daß man in Frankreich die Auszeichnung sucht; so war ein gewisser Husaren-Obrister von T. lange Zeit mein Gesellschafter: ihm hatten einige Oestreichische Husaren verschiedene souvenirs gegeben: er scheint aber die Säbelhiebe und Kugeln nicht mehr zu achten, als der Asbest das Feuer; denn er hatte drei Löcher in dem Kopfe gehabt, und war nur erst kürzlich von einer Schußwunde, wo die Kugel an der Seite des Kehlkopfes hinein- und dicht unter dem Ohre wieder herausgegangen war, gänzlich geheilt: dieser Held brachte seine Bittschrift mit, um den Orden zu erhalten, und hatte außer seiner vielen und tiefen Narben mehrere Zeugnisse seiner Kameraden über seine Tapferkeit, denen er noch, wenn ich mich dessen recht erinnere, einen in seiner Vaterstadt gefundenen elfenbeinernen Becher beifügen wollte, den er für das Antiquitäten Kabinet des Kaisers bestimmt hatte -- Wer von meinen Reisegesellschaftern schon den Orden trug, hoffte diese oder jene Bedienung zu bekommen; kurz, jeder hoffte etwas und deswegen waren sie im Allgemeinen nicht unzufrieden mit ihren neuen Regierung, nur vergaßen sie nicht ihr foutre, wenn die Gedanken auf die kleine Summe fielen, mit der ihre Reisekosten vergütet werden sollten. –

In solcher Gesellschaft, unter Erzählungen von Kriegs- und Revolutions-Geschichten, und was man hier macht, soll dir mein künftiger Brief erzählen.


Dritter Brief.[]

Palais royal in der Krönungszeit -- die Deputirten -- Théatre Montansier, Brunet.

Am 18. November 1804.

-- Es ist dir bekannt, das das Palais royal (unter allen Namen Palais national, Palais d'egalité, Palais du tribunat immer noch das alte Palais royal) dasjenige für Paris ist, was das Centrum für den Cirkel: es ist von Kotzebue, Reichart und Consorten oft genug beschrieben worden, daß ich nicht noch eine Beschreibung des Lokale dir geben werde, wenn ich deine Frage: wie sieht es in diesen Tagen im Palais royal aus? beantworte. Die Zahl der herumspatzierenden in den Arcaden ist beiläufig um das doppelte vermehrt, es ist aber dennoch Unwahrheit, was die alles erhebenden Zeitungen erzählen, daß man hier nicht fortkommen könne -- man kommt immer fort unter Rippenstößen, Molestirung der Leichdornen und dem zarten Anschlagen von den Fächern oder gar Händen der durch ganz Paris berühmten nächtlichen Syrenen dieses Orts, alles so wie vorher: aber um das Doppelte ist wohl die beständige Volksmenge des Palais royal jetzt vermehrt, und die neu hin zugekommenen, sind größten Theils Deputirte der Nationalgarde zu der Krönung. -- Von Morgen bis zum Abend marschiren hier Hand in Hand diese Provincialen aller Art: du hörst in einem Augenblicke alle Arten von Patois sprechen, auch sehr häufig Deutsch; laut schreien diese Menschen auf aus Freude, wenn sie einen oder andern aus ihrem Departement treffen, der nicht mit ihnen die Reise gemacht hat: da wird gefragt, erzählt, gelacht und wieder spatziert. Der Pariser geht vorbei und wirft einen mitleidigen Blick auf diese weniger polirten Menschen. Für sie nur scheint Palais royal und ganz Paris zu existiren, alles ist zu ihrem Dienst: alle machen sich Hoffnung, ihnen bei der Ausleerung der zu Hause gut gespickten Beutel behülflich zu seyn: da werden ihnen Manuels, Etrennes, Almanachs u. dgl. angeboten, die den Titeln nach ausdrücklich nur für sie geschrieben sind. *)

*) Manuel imperial (kaiserliches Handbuch) so wird ein Büchelchen betitelt, das nach der Inhaltsanzeige liefern soll 1) die Senatus consultus und kaiserlichen Dekrete, die die Kaiserwürde angehen, 2) eine Darstellung der wichtigsten Epochen der Revolution, 3) ein alphabetisches Verzeichniß der constituirten Autoritäten, Administrationen, aller öffentlichen und Privat-Einrichtungen, die die Aufmerksamkeit der Fremden auf sich ziehen, und ihre Neugierde reitzen können xc. xc. alles um 2 Fr. -- Guide des députés pour le couronnement de S. M. l'Emperéur -- Plan gravé de la Gallerie Napoléon, oder Sammlung der Gesetze, bestimmt für die H. H. Deputirten zu der Krönungsfeier, enthaltend außer der Beschreibung der neuen Wappenschilder, Inskriptionen im Lapidarstil, die die Gesetze und Akten des Gouvernements angeben, desgleichen die Siege und Feldschlachten, die die Erinnerung des ersten erblichen Kaisers der Franzosen aufklären xc. Aehnliche Schmierereien giebt es zu Dutzenden -- diese langen Titel werden nun von den Colporteurs im Palais royal ganz fürchterlich ausgeschrien, bis zu Sa. Majesté l'Empereur, womit die mehrsten Manuels gudes, étrennes, almanachs, etc. sich endigen -- auch scheint es, daß die Zeitungsschreiber nöthig haben sich zu üben, da sie den neuen Titel bei allen Gelegenheiten in seiner Ausführlichkeit anbringen, ja der Publiciste, -- eine in meinen Augen mit den mehrsten geographischen und statistischen Kenntnissen geschriebene Zeitung der Pariser -- scheint sich zu viel Mühe bei dieser Uebung gegeben zu haben; denn er gab sogar vor einigen Tagen dem alten Erzbischof von Paris den Titel von Seiner Majestät statt S. Eminenz.

Da werden die Deputirten durch allerlei Affiches in allen Farben zu Entreprisen eingeladen, die nur für sie entstanden sind: in jenem Salon des deputés pour le couronnement de S. M. l'Empereur ist alles, was sie verlangen können, Zeitungen, Verordnungen die Deputirten angehend, xc.: das Senatus consultum, wodurch die Kaiserwürde etablirt wurde, mit den Vor- und Nachreden, das Reglement der Ehrenlegion, die neuen Titel, die der Kaiserlichen Familie und den Großbeamten des Reichs in Briefen und Anreden zukommen; Bedienten und Commissionairs erwarten ihre Befehle. Erfrischungen von allerlei Art, kurz, alles mögliche wird in diesen Plakaten den Deputirten versprochen: diese mit ellenlangen Buchstaben geschriebene Réunion des étrangers giebt jenen im Versprechen nichts nach: hier steckt ihnen ein Vorbeigehender les quarante manières, -- oder das Verzeichniß der Nymphen, die zu Palais royal ihre Tempel haben in die Hände: da ziehen ihn auf den Abend 2 - 3 von diesen Kreaturen selbst nach verschiedenen Richtungen, und aus Neugierde vielleicht folgen viele diesen Lockungen: dort steckt ihnen ein anderer ein Billetchen in die Hand, durch welchen ein Bertrand, Colomb, ja sogar ein Colombier père der sich ancien chirurgien du 1er bataillon de l'Oise, chirurgien et chef de la 183me demi -- brigade et 28me de ligne, pensionné par S. Majesté imperiale nennt, verspricht ihnen, alle unangenehme souvenirs von neuen oder alten Bekanntschaften dieser Art ohne Merkurius, ohne Thee, ja ich glaube ohne alles zu vertilgen, und das in 5 - 12 Tagen. Kurz alles bemühet sich um den sejour dieser lieben Deputirten in der Hauptstadt so angenehm und ihre Beutel so leer zu machen als möglich. Das einzige, was sie erinnert, daß sie hier nicht ganz Herren sind, ist daß sie -- Gott weiß warum -- so häufig nach Versailles gehen müssen, um bald von Murat bald von einem Obersten Curto gemustert zu werden, womit sie auch höchst mißvergnügt sind und ihre foutre nicht vergessen. -- Wenn du von den Logen im Théatre Montansier auf das Parterre hinunter schauest, so siehst du nichts als blaue Röcke mit rothen Aufschlägen und ellenlangen Plümagen.

Hier haben die Deputirten ihren festen Sitz genommen: hier lachen sie aus vollem Halse über den drolligen Possenmacher Brunet, wenn er in Mylord Go (ein elendes Stück, welches jeden Tag gegeben wird) die Rolle eines von den Franzosen gefangenen Engländers spielt, eine Englische-Französische Sprache führt, und da er seine Aussprache entschuldigen will, sagt: vous fasvez, méssieurs, que les Anglais ont un máuvais párlement.

So ist eigentlich das Palais royal der Wohn- und Belustigungsort dieser Herren Deputirten, die dann hier alles finden, was zur Vertreibung ihrer Langenweile dienen kann. –

In den Kaffeehäusern wird gewöhnlich über allerlei politische Gegenstände disputirt, besonders aber über die Reise des Papstes, die von einigen als gewiß behauptet, von andern aber bezweifelt wird, und überhaupt unterhält man sich hier mit der größten Zwanglosigkeit über Staatsaffairen, die in W. nicht von ferne berührt werden dürfen.


Vierter Brief.[]

Zubereitungen in der Kirche Notre Dame -- Eröffnung aller öffentlichen Kabinette und Gallerien für Fremde -- Verfertigung der Reichs-Insignien -- Zeremoniell bei dem Krönungsfest -- Segur -- Militairische Parade -- Bittschriften.

Am 28. November 1804.

Noch sieht es hier sehr weit aus mit den Vorbereitungen zu den Feierlichkeiten, die in 3, 4 Tagen unwiderruflich vor sich gehen sollen: die Kirche Notre Dame sieht freilich äußerlich aus, als bauete man sie aufs neue, und ich sehe nicht ein, wie man in diesen 3 Tagen nun alles das Holzwerk wird herunterreißen können, welches an der Façade aufgethürmt ist. Mit einem von dem Oberceremonienmeister Segur unterzeichneten Billet wurde ich heute in das Innere dieser Kirche eingelassen. Da steht nun etwas, welches in den Zeitungen un arc de triomphe genannt und als vollendet angesehen wird, dieser aber mit sammt den Bänken, die längs den Wänden stehen, und der Thron des Papstes ist so wohl in Rücksicht der Malereien als der Form nach ein solches Theatermachwerk, wie bei mir zu Hause von einem Abend zum andern zusammengeschlagen wird, wenn eine neue Oper gegeben werden soll. Die großen Worte: Honneur, Patrie, scheinen als Symbolum des Tages erwählt zu seyn und wechseln so wohl auf diesen so genannten Triumphbogen als auf einer Art von Coulissen, die vermuthlich an der Seite angebracht werden sollen, mit den Buchstaben N und J ab. –

An die Gerüste für die Zuschauer in den Straßen, durch die der Zug gehen soll, scheint noch nicht gedacht zu seyn, obwohl die Polizei dazu durch eine lange Ordonance gleichsam eingeladen hat. Auf eine liberale Art hat der hiesige allgemein geschätzte Minister des Innern, Champagny, an die Bequemlichkeit der Fremden gedacht, indem er die Ordre gegeben hat, daß durch einen ganzen Monat alle seinem Ministerium untergebenen Etablissements allen Fremden unter der Vorzeigung ihrer Pässe offen stehen sollen; obgleich nun das Interessanteste von allem, [[das Musée Napoleon]] recht oft geschlossen ist, und ein Plakat dem Fremden, der eine halbe Meile gelaufen ist, sagt: fermé par ordres superieurs, so findet doch keine Ausnahme in allen andern Kabinetten, Collectionen und Etablissements Statt. -- Mit deinem Passe oder Sicherheitskarte gehst du jetzt gerade hinein, in dieses oder jenes öffentliche Haus, wo sonst 4 Tage in der Woche ein imposanter Portier dir den Weg vertrat und dir anzeigte, daß du in 3 -- 4 Tagen wieder kommen möchtest. Ich genieße jetzt, indem ich freien Eintritt in die hiesige elende National-Bibliothek habe, diesen Sieg über einen hochmüthigen Gehülfes Gehülfen, der mir, wenn ich die durch geflochtenen Eisendraht wohl verwahrten Bücher nur anschaute, zurief, Monsieur, la bibliotheque n'est pas publique aujourd'hui! das will nämlich so viel sagen, als: die Bibliothek ist zwar wohl alle Tage der Woche für Lesende offen, aber nur zwei Tage ist es jedem erlaubt, in den Saal hineinzugehen und die eingeschlossenen Bücher anzuschauen, wobei dich mehrere Aufseher begleiten, um zu verhüten, daß du nicht durch verschlossene Thüren gehst. Es kann aber wohl seyn, daß dieses ein ewiges Denkmahl jenes niederträchtigen Englischen Diebes ist, der aus dieser Bibliothek einen Theil eines sehr kostbaren Werkes stahl und nach seiner Zurückkunft nach England zurückgeben mußte, so wie der Fremde viele Unannehmlichkeiten in Frankreich den Englischen Conspirationen zu verdanken hat. –

Jetzt kann man zu gewissen Zeiten des Tages nicht in der rue St. Honoré wegen des Zuströmens der Neugierigen fortkommen, die bei einem gewissen Mr. Marguerite das Diadem, die Krone, und den Gürtel der Kaiserin sehen wollen und -- wie die Zeitungen erzählen, ist die Bewunderung getheilt zwischen der Schönheit der Edelsteine und der Vollkommenheit der Arbeit. –

Endlich erscheint das Ceremoniell bei dem Krönungsfeste in Druck, von dem Oberceremonienmeister Segur verfaßt, und hier findet sich nun das drollige, daß man in der Kirche nach der Krönung schreien solle: vive l'empereur en y ajoutant celui de vive l'Imperatrice: dieser Befehl zum Vivat-Jauchzen, welches doch gewiß bei dieser Gelegenheit nicht nöthig war, nimmt sich doch bei dem: en y ajoutant, noch dolliger aus (nachher ist in dem Reglement für die Honneurs dem See-Etat befohlen worden, wie oft vivat geschrieen werden soll, wenn der Kaiser ein Schiff besteigt, wie oft wenn ein Prinz u. s. w.)

Segur ist aus einer alten adelichen Familie -- es ist dieses der unglückliche Vater, dessen hoffnungsvoller Sohn, nachdem er an einem Tage mit dem durch die Gefangennehmung, den Prozeß und die Execution des Enghien berühmten Calincourt, Adjutant des Kaisers, einen Disput gehabt haben soll, den künftigen Morgen verschwand, und so verschwand, daß sein Schicksal noch immer ein Räthsel für das Pariser Publikum, und sogar, wie man sagt, für die Polizei ist, welche schon Tausende aufgewandt haben soll, um ihm nachzuforschen.

Endlich habe ich ihn gesehen, -- meinen Helden, recht deutlich gesehen, dem letzten Sonntag auf der Parade: er ließ freilich seine Legionen, mit und die übrigen Zuschauer abscheulich lange warten, aber ich vergaß es bald. Er nimmt sich auf dem großen weißen Pferde recht hübsch aus, in seiner simplen Nationalgarden-Uniform unter den goldgestickten Uniformen der Generaladjutanten, Aides de Champ ect.: aber diese Feierlichkeit ist nur dem Namen nach eine Revue, denn der Zug geht in solchem Galopp, daß ich gewiß bin, daß er nichts von dem, wo er vorbeireitet, unterscheiden kann: auch that er bei der vorletzten Revue einen fürchterlichen Sturz, kam aber glücklicher Weise zu keinem Schaden, und gab gleich noch in den schmuzigen Hosen dem Corps diplomatique Audienz. Das Galoppiren durch die Reihen bei der heutigen Revue war gewiß in drei Minuten gemacht, und nachdem hielt er sich ein wenig bei seinem Lieblings-Corps, der Artillerie, auf, und gleich strömte eine Menge Menschen mit Bittschriften zu, die er sehr gutmüthig annahm, ja ein Paar auf der Stelle beantwortete. Eine davon wurde von einem Blinden, einem Zögling des von der ganzen Menschheit als verdienstvoll anerkannten, durch die Verläumdungen des Erz-Pfaffen Sicard zurückgesetzten Hauy überreicht. In den wenigen Minuten, als die Revue dauerte, war der Altan auf den Tuillerien vollgestopft von besternten Herren, dem diplomatischen Corps und den Fremden, die nach der Parade vorgestellt werden sollten.


Fünfter Brief.[]

Bengalische Feuer -- Die eiserne Brücke Pont neuf -- Auszug des Papstes -- la mule du Pape -- Zug des Kaisers -- Artillerie-Salven -- Die Kirche Notre Dame -- Rückzug des Kaisers nach der Krönung -- Gerüste längs der Boulevards -- Illumination -- Wildes Getümmel -- Die Magdalenen Kirche -- Die Mitte des Platzes de la Concorde -- Befohlne allgemeine Illumination.

Paris am 3. December 1804.

Der in der Geschichte Frankreichs und den Jahrbüchern der ganzen Menschheit immer merkwürdige Tag ist vorüber. Ausgenommen, daß eine für den Franzosen kalte Luft an diesem Tage herrschte, die in gleichem Grade mit der Kälte der Gemüther stand, war das Wetter frisch und schön, und der Himmel schien so in die Feierlichkeit dieses Tages beizustimmen. Man bot mir den Sonnabend ein Fenster in [[der rue St. Honoré]] an, um von da aus den Krönungszug zu sehen, da ich aber schon um 6 Uhr des Morgens da seyn mußte, und meine Wohnung zweitausend Klaftern von diesem Punkte der Stadt entfernt ist, so nahm ich dieses Anerbieten nicht an, und ließ es dahin stehen, ob ich etwas von diesem seltenen Schauspiele genießen würde oder nicht. Es sollte dem Programme nach das Fest des Sonnabends Abends mit flammes de Bengale und Artilleriesalven angekündigt werden: von den letztern hörte ich nichts; das Bengalische Feuer aber sah ich und hörte den ganzen Tag darüber sprechen; da wurde gefragt, da wurde gerathen, ob das Feuer in Bengalen anders aussähe, als das Feuer in Paris, und die Neugierde Tausender wurde unbefriediget gelassen, denn mehr als Tausende sahen das Bengalische Feuer nicht, weil man entweder immer gen Himmel sehen mußte, um das schwache Licht, welches es verbreitete, wahrzunehmen, oder auf einem Platze seyn, wo man einen Thurm sehen konnte, um die angezündete Flamme selbst bemerken zu können. Es war nämlich dieses Bengalische Feuer nichts mehr und nichts weniger als Strohbündel und andere leicht verbrennliche Sachen, die auf den Thürmen hier und da angezündet wurden, und durch wenige Sekunden am Firmamente ein schwaches röthliches Licht verbreiteten, so wie es in einer finstern Nacht simple Fackeln, brennende Schornsteine u. dgl. machen. Alle Schauspielhäuser gaben gratis diesen Abend Vorstellungen, ich ging zufälligerweise beim Théatre Montansier vorbei -- kam leicht hinein, ob man gleich schon spielte -- les deux grenadiers wurde gegeben -- alle Logen, das Parket und Parterre war mit Pöbel angefüllt, der so lachte bei dem bloßen Erblicken von Brunet, daß seine Stimme nicht gehört werden konnte. -- Ich ging heraus, und als ich nach einer halben Stunde wieder zurück kam, war alles so voll, daß niemand mehr eingelassen wurde. –

Anstatt nun um 6 Uhr des Morgens schon in [[der rue St. Honoré]] zu seyn, und da von dieser Zeit bis um 11 Uhr die Ankunft des Zuges zu erwarten, so ging ich erst um 10 Uhr aus, in der Absicht das Benehmen des Pöbels an dem Tage, da der Person seines Herrscher gehuldigt wurde, zu beobachten. Das erste Zeichen der Feierlichkeit, welches ich auf meiner Wanderung auf dem Quai bei dem Flusse hinunter bemerkte, war etwas hin und her geworfener gelber Sand, welches bedeutete, daß hier ein Zug entweder passiren sollte, oder schon passirt war; es war das Corps legislatif, welches schon um 8 Uhr hier gegangen war, und dem also schon lange in der Kirche Notre Dame die Zähne klapperten, da ihr putzähnliches Akteurcostume gar nicht für den Winter gemacht ist. -- Ich sah nun, daß man die neue eiserne Brücke recht bequem passirte: ja sogar in so fern bequemer als sonst, indem die mehrsten nicht ihren Sous zahlten, weil die Menge zu groß war, und 10 durchschlüpften, ehe der Invalide mit dem hölzernen Fuße einen festhielt und ihm den Sous abforderte; unter den ersteren war ich und habe also das Vergnügen, sagen zu können, daß ich diese Brücke passirt bin, ohne zu zahlen; etwas, welches sogar dem Herrn von Kotzebue, der sie doch so hübsch beschrieben hat, schwerlich geglückt ist. Ich ging nun auf den pont neuf hinunter, wo der Zug vorüber kommen sollte, und hier war freilich nicht an das Fortkommen zu denken, vielmehr wurde ich hier gleich so eingeschlossen, daß ich weder vor noch rückwärts kommen konnte. Aus dieser unangenehmen Lage half mir aber gleich die Industrie der Franzosen: es waren einige elende Gerüste vor dem Kaffeehause auf der Mitte der Brücke und einige gerade gegenüber so vollgepackt mit Menschen, daß sie einzustürzen drohten, und ein Geländer wirklich mit vier bis fünf Menschen herunter fiel: die Mauern an den Seiten der Brücke waren von ganzen Reihen Menschen besetzt, die in der größten Gefahr standen, in den Fluß herunter zu stürzen. Die großen Piedestale aber, deren sich 10 auf jeder Seite der Brücke erheben und die ehedem entweder Helden oder Heiligen gedient haben, wurden in der Revolution abgeräumt, gewiß nicht, um Zuschauer bei der Krönungsfeier eines Kaisers der Franzosen einst zu tragen; man hatte nicht sobald diese schönen leeren Plätze erblickt, als gleich einige Savoyarden wegliefen und bald mit kleinen Leitern zurückkamen, die zusammengebunden wurden und gehörig unterstützt, eben das Gewicht eines Menschen tragen konnten, und gleich wurden nun auf diese Art 20 neue Erhöhungen gemacht, die das sonderbare hatten, daß das Schauspiel den Einnehmern im geringsten keine direkten Kosten verursachte. Da ich gar keine Wahl hatte zwischen meiner Stelle unter der Menge, die mich einschloß, abscheulich drückte und die Aussicht von allen Seiten benahm, und einem Platze auf einer der genannten Erhöhungen, wo ich bequem stehen und alles ansehen konnte, so gab ich meine 6 Sous, stieg die Leiter hinauf und konnte nun das ganze Menschen-Gewimmel übersehen. -- Doppelte Reihen von Nationalgarden bestimmten die Passage des Zugs bis auf die Mitte der Brücke, und dann weiter den Quai des Orfevres hinab; auf der Mitte der Brücke paradirten Grenadiere zu Pferde und machten allerlei Bewegungen um die Wärme so viel möglich zu conserviren. Zwischen den Soldatenreihen und den Mauern der Brücke war ein solches Gedräng, daß sich ein Dampf in die Luft erhob: in den Fenstern der Häuser lagen Menschen auf einander wie eingelegte Heringe. Ich hatte kaum meinen genannten Platz eingenommen, als der Zug des heiligen Vaters sich näherte: vor seinem Wagen leiteten zwei Bedienten einen Maulesel, auf diesem saß ein Mönch in einer langen blauen Sutane und hielt das doppelte Kreuz: diese sonderbare Kavalkade ergötzte nun weidlich den Pöbel, und es wurde recht herzlich gelacht; -- mir beilbt immer das Kreuz von Christus von einem Esel getragen ein passendes Emblem des katholischen Pfaffenthums und ein Seitenstück zu dem von Blumauer treffend angegebenen: der Pfau,

"weil wenn dies Thier, sonst stolz gebaut,
herab auf seine Füße schaut, --
so schämt es sich verzweifelt."

Der Zug Seiner Heiligkeit bestand aus 6 Wagen und wurde von Kavallerie eskortirt. Nun dauerte es über 11½Uhr, als endlich Murat in leichtem Trapp mit Kürassiren, Jägern von der Garde und Mamelucken erschien, und das war nun der Anfang des kaiserlichen Zuges. In einigem Abstande folgten zwei erstaunlich dicke Reuter in altmodischer Rittertracht und ihre Pferde wurden von Bedienten geleitet, es waren dieses die sogenannten Herauts d'armes, diesen folgten eilf Wagen, jeder mit 6 Pferden bespannt und alle von einer Farbe, einer Auszierung und mit dem kaiserlichen Wappen: und jetzt erschien endlich die wirklich prächtige Equipage des Kaisers selbst -- acht große weiße Rosse mit übermäßigen Federbüschen arbeiteten sich paradirend hervor, und schüttelten die stolze Mähnen: die Marschälle, Commendanten, die Leibgarde und die Aides de champs eskortirten die Wagen, aber von dem Truppengehege, welches dem Programme nach die Wagen umgeben sollte, sah ich gar nichts: mit Heyducken und Lakaien war sie so bespickt, daß kein Platz mehr übrig war, als oben auf der Imperiale, wo die Reichs-Insignien prächtig vergoldet paradirten. 6 Lakaien hingen einander hinten auf dem Wagen, 2 standen an den hintersten und 2 an den vordersten Ecken und 4 vorne hinter dem Kutschersitze: es erschienen diese alle zum erstenmal in ihrer Staatslivree und nahmen sich mit den ungeheuern Haarbeuteln drollig genug aus, (die kaiserliche Livree ist dunkelgrün mit breiten Goldtressen) -- in dem Wagen befanden sich der Kaiser zur rechten, die Kaiserin zur linken und die Brüder des Kaisers vorne; es waren also in und außer diesem Wagen 19 Menschen placirt. Der Kaiser nahm sich in seinem neuen Staatskostume recht gut aus; besonders kleidete ihn der kleine dreieckigte Hut mit Federn, so wie zu Zeiten Heinrichs des Vierten gebraucht wurde, überaus gut: er sah sehr freundlich aus, und grüßte das Volk auf dem ganzen Wege. -- Es hat nun in den Zeitungen oft genug gestanden, daß er mit Vivatrufen bei dieser oder jener Gelegenheit vom Volke begrüßt worden sey, und es ist selten wahr gewesen, dieses Mal war es aber zu meiner herzlichen Freude wirklich der Fall: unter dem verwirrten Geschrei, welches bei dem Vorbeifahren der Wagen ertönte, konnte man deutlich das vive l'Empereur unterscheiden! -- nun folgten wieder 12 kaiserliche Wagen, jeder mit 6 Pferden bespannt, und dann schlossen reitende Grenadiere von der Garde mit Pelotons von Kanonieren zu Pferde den Zug, welcher dann weiter den quai des Orfevres hinab nach der Kirche Notre Dame ging. Indem nun da das Schauspiel vorbei war, so wünschte jeder die verschiedenen Gerüste, Piedestale u. dgl. zu verlassen, da aber hierzu wegen der Volksmenge in einer ganzen Stunde keine Möglichkeit war, so verkündigte schon ein fürchterlicher Kanonen-Donner die Ankunft des Kaisers in der Kirche: wenn ich ausnehme, daß diese Kanonenschüsse, weil sie zu nahe waren und den mehrsten unerwartet kamen, viele Ohnmachten unter den Damen verursachten, so machte diese vortrefflich unterhaltene Salve eine so feierliche Wirkung, wie es möglich ist, daß solche machen kann, denn die Kanonen waren in der Mitte des pont neuf gestellt, und ihre Mündungen wendeten sich den Fluß hinab, so daß die großen Palais, der Louvre, die Tuillerien, [[das des quatre Nations]], das Münzhotel xc. nur deswegen da zu seyn schienen, um das schönste Echo hervorzubringen und es noch stark von einem Schusse bis zum andern zu unterhalten: es waren diese Batterien in dem kleinen freundlichen Gärtchen, welches Meyer so hübsch beschreibt, und also hinter dem von ihm genannten Caffée du bon Henri. Hier stand einst die Statüe des letzten Königs zu Pferde; wer von den Menschen, die dieses Denkmal der Liebe und Dankbarkeit errichteten, hätten ahnen können, daß es einst von einem Haufen Schandbuben zerstört werden sollte, und wer von diesen Unsinnigen hätte gedacht, daß sie diesen Platz abräumten, um einst Kanonen zu tragen, deren Donner Paris und Frankreich verkündigten, daß ihr Kaiser gekrönt würde: wahrhaftig die Hülle der Zukunft thut dem Guten und dem Bösen gleichen Dienst.

Wie es nun in der Kirche Notre Dame zuging, daß würde ich dir nur vom Hörensagen erzählen können, wenn nicht meine Bekanntschaft mit einem Deputirten der Nationalgarde und dessen Bekanntschaft mit einem Gehülfen des Ceremonienmeisters mir ein Eintrittsbillet verschafft hätte, ich sah freilich nicht viel, weil alles schon voll war, da ich hinkam, aber von dem, was ich sah und was einer meiner Landsleute, der zum diplomatischen Corps gehörte, sah, weiß ich nur dieses, daß noch um 12 Uhr die Dekorationen nicht fertig waren, und daß das Hämmern, Sägen und anderes Handwerksgetöse dauerte bis zur der Ankunft des Kaisers, das endlich das in den Zeitungen beschriebene Ceremoniell mit Ordnung des Getümmels der Menschen nicht möglich war, weder die Worte des Papstes noch des Kaisers zu verstehen, und daß das: le très-glorieux et très-auguste Empereur des Français est couronné et intronisé, und, vive l'Empereur von dem Chef der Herolde mit fester Stimme ausgesprochen, das Einzige war, welches ganz zu allen Ohren der Versammlung hindurch drang.

Sobald es wieder erlaubt wurde, die Kirche zu verlassen, welches gegen eine halbe Stunde nach dem Abzuge des Kaisers geschah, eilte ich nach den Boulevards, wo ich eingeladen war, in einem Fenster den Zug noch einmal zu betrachten, und wegen der vielen Umwege, welche dieser machte, kam ich eher zu früh als zu spät: auf den Boulevards sah es nun zwischen 2 und 3 Uhr folgendermaßen aus: vor den Häusern waren hier und da Gerüste aus Bretern zusammengeschlagen, und einige fing man sogar 10 bis 12 Minuten vor der Ankunft des Zuges an mit gemahltem Papiere zu bekleiden: an diese Gerüste waren Zettel angeklebt mit: 1 Fr. la place bis auf 6 Fr. und von diesem letztern Preise war ein zierliches Gerüst meinem Fenster gegenüber: es blieb aber bis zur Ankunft des Zuges ganz unbesetzt und so wie dieser sich näherte, nahmen allerlei Leute hier ihre Plätze, indem sie ohne zu zahlen, hinaufstiegen, und es ganz in Besitz nahmen. An den Seiten der Allee waren hier und da Reihen von Nationalgarden aufgestellt, aber sie standen nicht, sondern sie liefen im Kreise herum wie wilde Menschen, schleppten alte Weiber mit sich fort, und machten allerlei kurzweilige Aufzüge, welches ich nachher in den Zeitungen als Zeichen der Freude auslegen sah, im Grunde aber geschah es wohl mehr um die Kälte, die sie schon seit 6 Uhr des Morgens ausgestanden hatten, ohne etwas anderes zu genießen, als was ihnen die herumgehenden Marketender für ungeheuere Preise verkauften, zu vertreiben, -- Zwischen den Bäumen stand hier und da ein mit Lampen behängter hölzerner Stern, und hier und da eine eben so behängte Scheibe, diese fing man an anzuzünden; von etwa 100 zu 100 Schritt hingen kleine Laternen von der eine Seite der Boulevards bis auf die andere herüber, die waren aber noch nicht alle angezündet, als der Zug ankam. Es hatten 3 Uhr geschlagen, als die ersten Truppen-Pelotons, die ihn eröffneten, erschienen: ihre Menge kam mir grösser vor, als beim Hinzug und ich glaubte, daß es kein Ende nehmen würde; endlich kamen die Wagen in ihrer vorigen Ordnung, und zuletzt der Wagen des Kaisers: er saß wie vorher und grüßte freundlich zu beiden Seiten, aber das unbeschreibliche Getümmel bei seinem Vorbeifahren machte mir für sein Leben angst und bange: die Nationalgarden schlugen ihre Trommeln, drei bis vier verschiedene Chöre von Janitscharenmusik, die ihre Musik zugleich ertönen ließen, das verwirrte Geschrei der Menge, alles machte einen unbeschreiblichen Lerm, und das Leben des theuern Helden stand wirklich in der Hand eines jeden Meuchelmörders, denn es konnte mit einer Kanonen geschossen werden, ohne daß es gehört wäre worden: hier, dachte ich, hat Pitt die Gelegenheit verfehlt, und sie hoffentlich zum Glück der Menschheit verfehlt -- keine Höllenmaschine, keine Conspiration hätte so gewiß ihre verwünschte Wirkung gehabt, als einige Meuchelmörder bei dieser Gelegenheit: mit diesen Gedanken beschäftigte sich meine Phantasie, als mit einem Mal der Zug still hielt, und über eine Viertelstunde nicht von der Stelle kam: es lief mir ein kalter Schauder über den Rücken, der Wagen des Kaisers war schon zu weit und der Abend schon zu dunkel, als daß ich sehen konnte, was den Aufenthalt verursachte: in dem verwirrten Geschrei, das noch dauerte, war es nicht möglich, etwas zu unterscheiden: es ging denn endlich weiter und ich erfuhr nachher, daß es das vorderste Gespann Pferde gewesen wäre, die durchaus nicht fortgewollt hätten und abgespannt hätten werden müssen. Es folgte der Zug des Papstes, noch einige Truppen-Kavallerie und diese Herrlichkeit hatte ein Ende. Der Zug ging die Magdalenen Kirche vorbei und ihre Ruinen waren hier und da mit Lampen behängt. -- Was hat wohl der stolze Napoleon gedacht, da er bei dieser Stelle vorbei fuhr, wo ungelöschter Kalk den Körper seines Vorgängers verzehren mußte, um auch gar keine Spur von seiner Existenz übrig zu lassen? Dachte er wohl, daß es unter der jetzt für ihn jauchzenden Menge noch Ungeheuer gäbe, die den Unschuldigen ermordet hatten, und deren Herrschsucht und Leichtsinn ihn selbst mit demselbigen Enthusiasm zum Grabe folgen würden, mit dem sie heute ihn als ihren Regenten zu grüßen schienen? . . Auch die Mitte des Platzes de la Concorde war nicht leer geblieben, wie wohl meiner Meinung nach das Gegentheil besser gewesen wäre. Hier, wo vor 14 Jahren nochdie Statüe Ludwigs des 15ten zu Pferde prangte, wo vor 13 Jahren die Guillotine das Leben des Nachfolgers desselben und so vieler Unschuldigen endigte, wo endlich vor 10 Jahren ein Ungeheuer vor einer Nationalsäule Ekel erregte und ein wahres Sinnbild des damaligen Zustandes der Nation gab, an eben diesem Orte und an der nämlichen Stelle thronte heute die Lieblings-Dekoration Napoleons ein großmächtiger Stern; war mit tausend Lämpchen erleuchtet, und machte den Hintergrund des prachtvollen Schauspiels, die von den Tuillerien betrachtete Erleuchtung des Gartens aus.

Eine allgemeine Illumination der Stadt war von zwei Autoritäten so gut als befohlen: denn in der Ordonance der Polizei für die Feierlichkeiten heißt es: le soir du dimanche les habitans de Paris illumineront la façade de leurs maisons, und in dem Programme des Ministers des Innern heißt es ebenfalls: le soir (du dimanche) illumination dans tout Paris. Diese Befehle wurden auf folgende Weise ausgeführt: an dem den Tuillerien entgegengesetzten Ufer der Seine waren vielleicht 20 oder 30 Häuser halb und halb erleuchtet; außer diesen fand ich auf einem dreistündigen Spaziergange in der Stadt herum auch sogar kein Privat-Haus illuminirt: dagegen war die Erleuchtung der öffentlichen Gebäude und der Tuillerien insbesondere sehr prachtvoll, wobei mir der Unterschied natürlicher Weise auffiel, daß in meinem Vaterlande bei einer Volksfeier die Privat-Häuser allein illuminirt sind, und die öffentlichen Gebäude, Schlösser, Palläste sind es nie; in Paris ist es umgekehrt, hier tanzt man selbst und spielt man selbst. Es sah deswegen sonderbar genug aus, daß es in der Ordonance der Polizeipräfekten hieß: il est defendu de tirer des fusées petards et d'autres pièces d'artifice (es ist verboten Raketen, Schwärmer und andere Arten von Feuerwerk abzubrennen). -- Es hatte gewiß niemand an solches gedacht; und es zeigte sich, daß die Polizei eben so sicher der Beobachtung ihrer Ordonance gewesen wäre, wenn sie die Illumination der Häuser verboten hätte, welches besser gelungen hätte als sie zu befehlen. -- Die Illumination der Tuillerien war wirklich eine der prachtvollsten, die ich je gesehen habe: der Thurm was bis an den Gipfel mit Lampen behängt, und sie nahm sich im ganzen überaus schön aus, wenn man sie von unten in dem Garten betrachtete: der Garten selbst, der so oft und bei so verschiedenen Gelegenheiten in dem letzten Jahrzehend erleuchtet worden ist, war es gewiß heute in der vollesten Pracht -- früh wurde es diesen Abend still, in den Tuillerien selbst, und man war vermuthlich müde von der Ausführung des großmächtigen Ceremoninells des Herrn Segur.


Sechster Brief.[]

Volksfest am 3. -- Programm zu diesem Feste -- Unfug des Pöbels in den Tuillerien-Garten -- Ansicht des Festes um 12 Uhr -- um 3 Uhr -- Luftballons -- Auswerfen der Krönungsmünzen -- Wagen mit Musik -- Illumination der Boulevards -- Feuerwerk.

Am 4. December 1804.

Dem Programme des Ministers des Innern nach sollte der gestrige Montag ganz den öffentlichen Ergötzungen gewidmet seyn: um dir nun zu zeigen, wie sich die Ausführung dieses Volksfests zu seinem Rituale verhielt, so muß ich dir erst das Letztere ausschreiben: Montag den 12. Frimaire, hieß es, öffentliche Belustigungen: sie werden statt haben von dem Platze de a Concorde, durch den ganzen Boulevard bis an das Arsenal (an Platz mangelte es dann wirklich nicht) -- in der Mitte des Platzes de la Concorde zwischen vier zum Tanzen bestimmten Tempeln wird sich eine große mit Fahnen gezierte Trophee auf einem Piedestal erheben. In den Boulevards sollen Theater, Tanzsäle, eine Menge von Mats de Cocagne und Ringelspiele befindlich seyn. Um 10 Uhr wird eine Artilleriesalve den Anfang des Festes ankündigen: Karren mit Musikanten werden sich auf dem Platze de la Concorde vereinigen. Um 12 Uhr soll ein großes harmonisches Concert von Gesängen, die auf das Fest anspielen, begleitet werden. Nach den Gesängen eine Artilleriesalve. Zu derselben Zeit wird sich die Trophee von dem Piedestal in die Luft erheben, so wie auch vier vergoldete Luftballons, die abknallen werden, wenn die Trophee eine gewisse Höhe erreicht haben wird. Verschiedene Herolde zu Pferde werden den Platz de la Concorde und die Boulevards durchstreifen und Medaillen austheilen, die bei Gelegenheit der Krönung geschlagen sind. Die Boulevards werden in Guirlanden, Kolonnen und Vasen erleuchtet. Karren von verschiedenen Farben mit Musikanten werden durch die Boulevards ziehen: die Musikanten werden auf dem Wege Fanfaren und Lustgesänge hören lassen. Die Karren werden endlich zurück kommen und sich in einen Zirkel auf dem Platze de la Concorde stellen. Um 8 Uhr des Abends großes Feuerwerk auf dem nämlichen Platze. Tanz durch den übrigen Theil der Nacht. -- Dieses war das erste öffentliche Blatt, welches, von Champagny und Degerando unterzeichnet, in Paris erschien. Wie alle diese Herrlichkeiten ausgeführt wurden, sollst du aus dem getreuen Journal meiner Wanderungen an diesem Tage erfahren. Ich verließ um 9 Uhr mein Logis und nahm den Weg durch den Tuillerien-Garten: hier hatte nun der muthwillige Pöbel seine Theilnahme an den Lustbarkeiten gezeigt, indem er in der Nacht die Talg-Näpfe zu hunderten in die Wasserbassins geworfen hatte, diese waren aber den Abend vorher zugefroren, daß die Näpfe noch gerettet und wohl zu noch einer Krönungsfeier gebraucht werden konnten -- in dem untersten Bassin waren die von der Stadt Amiens geschenkten Schwäne ganz eingefroren, schienen aber sich gut zu befinden -- auf dem Platze de la Concorde hatte man um 10 Uhr (da das Fest anfangen sollte) eben angefangen, vor dem aus Holz gemachten großen Stern an den vier Ecken Bäume in die Erde zu setzen zu einem viereckigen Hause, welches gegen 1 Uhr mit gemalten Bretern bekleidet wurde, und den ganzen Tag über als eine eben so dunkle Charade für die Pariser da stand, als das von Joseph dem Zweiten gebaute große Hause in Pesth noch heut zu Tage für die Ungarn ist: es sollte aber vermuthlich das in dem Programme genannte große Piedestal seyn, von welchem sich die Trophee und die Ballons erheben sollten. An den vier Ecken des Platzes bauete man eine Art Tempel in antikem Styl; sie waren offen von allen Seiten, und das Säulenwerk aus Bretern war mit weißgemalter Leinewand überzogen. Ich ging weg und kam nach 12 Uhr wieder, da war man im Begriffe, an der Seite der elyseischen Felder einen großen und vier kleine Luftballons zu füllen, und innerhalb des eingezäunten Platzes, wo dies geschah, lagen zwei ungeheure Flügel, ein Kopf und Füße, wovon ein Adler zusammengesetzt und an den größten Ballon befestiget wurde. Gegen 1 Uhr wurde man mit der Füllung dieser Ballons fertig und nun wurden sie aus dem Platze hinausgeführt, gegen das mittlere Gerüste hin: ob nun, weil dieses noch nicht fertig war, oder daß man wegen des Windes die Ballons nicht regieren konnte; genug man ließ sie alle viere steige zwischen den elyseischen Feldern und der Mitte des Platzes: die vier kleinen erhoben sich zu einer unbedeutenden Höhe, als sie zersprangen: der große mit dem Adler und den Fahnen kam etwas höher, zersprang aber auch gleich und der Adler mit der Trophee fiel auf dem Wege nach Versailles wieder nieder.

Man bauete noch immer an den vier Tempeln; man war im Begriff die Mats de Cocagne zu errichten; es waren vier Ringelspiele angekommen: neben diesen bauete man eine Art von Logen und diese wurden eben um 2 Uhr gemalt.

Erst um 3 Uhr schien nun das Fest eigentlich zu beginnen, und es sah jetzt auf dem Platze de la Concorde folgendermaßen aus: in der Mitte des Platzes stand das mystische viereckige Häuschen, welches so eben fertig geworden war, rundherum standen Menschen und guckten es an, und wagten Vermuthungen über seine Bestimmung; hinter diesen der allmächtige Stern von dem Lampenrauch ganz geschwärzt. An den vier Ecken des Platzes machten die Mats de Cocagne die einzige Belustigung der etwa aus 5 bis 6000 Menschen bestehenden Menge, die jetzt versammelt war, an diesen Masten wurde nun hinaufgeklettert und jeder fruchtlose Versuch mit allgemeinem Gelächter begleitet. In die vier Tempel begab man sich endlich, und schauete die Herrlichkeiten an -- einige Ringelspiele waren hier und da in Bewegung, und die darneben errichteten Logen, an denen die Farbe noch ganz frisch war, waren von den Gassenjungen in Besitz genommen, die sich auf den Bänken einen Zeitvertreib machten, und dieselben theils hinauf und herab hüpften, theils mit ihren hölzernen Schuhen einen Ticktack schlugen, um die Füße warm zu erhalten. Hier und da war Feuer gemacht, und um dieses standen die mehresten und wärmten sich, denn die Kälte dieses Tages war viel zu groß für die Pariser, ob sie gleich des Mittags nicht 1° war. Ich ging nun die Boulevards hinunter und hier begegnete mir ein Gewimmel von Menschen ohne Vergleich: in der Mitte desselben befanden sich die Herolde mit einer Eskorte von reitenden Grenadieren, die mit ihren Säbeln recht derb auf diejenigen zuschlugen, die ihnen zu nahe kamen: in der Mitte dieses Zuges befand sich ein Herold mit zwei Tonnen, aus denen er hier und da eine Hand voll von den elenden Schaumünzen auswarf, die an die Krönung des ersten Französischen Kaisers erinnern sollten.

Ich setzte meinen Weg in den Boulevards fort, und mir begegnete das abgeschmackteste, was ich wohl noch in meinem Leben gesehen habe -- Karren mit Musikanten: stell dir einmal vor, ein Paar Karren in altem Styl, wie in dem Zeitalter der Römer, langsam geschleppt von einem alten Pferde und vollgestopft mit Waldhornisten, Trompetern u. dgl. in verschiedenen Französischen Uniformen mit gewaltigen dreieckigen Hüten; waren es nun die antiken Karren zu den neumodischen Uniformen, oder war es die holpernde Musik, die durch das Fahren auf dem schlechten Steinpflaster hervorgebracht wurde, genug, ich habe noch über nichts so gelacht, wie darüber, und ich kann mich noch bei dem bloßen Gedanken an diesen Auftritt des Lachens nicht enthalten. Des Abends wurden die Wände der Boulevards hier und da erleuchtet, und nahmen sich von der Magdalenen-Kirche gesehen, recht hübsch aus, indem die in Bogen hängenden Laternen von der einen zur andern Seite quer über eine Strecke von 2000 Schritt lang eine schöne Perspektive bildeten. Der Tuillerien-Garten war, vermuthlich wegen des gestern getriebenen Unfugs des muthwilligen Pöbels geschlossen. Gegen 9 Uhr wurde auf der Seinebrücke, die an den Platz de la Concorde stößt, ein Feuerwerk abgebrannt, welches höchst mittelmäßig war und etwa 5 Minuten dauerte. Und hiermit war dieses von den gewöhnlichen Pariser Volksfesten durch seine Art und Ausführung in nichts verschiedene, durch seinen Gegenstand aber merkwürdige Fest beendiget. Das harmonische Concert mit den auf die Feier hindeutenden Gesängen sowohl als der Tanz, steht, wie du siehst, in dem Programme, und hatte außer diesem und in den Zeitungen in der Wirklichkeit nicht statt: in diesen letztern findest du vieles über die Groupes de Chanteurs, qui so faisoient entendre, über réunions grotesques, qui attiroient autour d'elles une foule nombreuse, über théatres placés de distance en distance, qui fixoient les regards par des pantomimes et des lazzi buffons -- alles dieses findet sich in den Zeitungen, wie die Krebse im Briefe des Bauers.


Siebenter Brief.[]

Austheilung der Fahnen auf dem Marsfeld -- Wasserprobe der Deputirten -- Hüte auf den Bayonnets -- Liberté ou la mort.

Am 6. December 1804.

Gestern hat der Himmel nicht mehr den Feierlichkeiten savorisiren wollen: es hat den ganzen Tag geregnet: von den Deputirten der Nationalgarde hörte man gestern Nachmittag und noch heute nichts als foutre, foutre -- und was meinst du, was diese Helden so aufgebracht hat? man hat sie um 6 Uhr des Morgens auf das Marsfeld geführt um den Eid abzulegen, und die Fahnen oder Adler, wie sie hier heißen, in Empfang zu nehmen: dem Ceremonielle nach, welches vorgestern bekannt gemacht wurde sollte der Kaiser um 10 Uhr die Tuilerien verlassen: dieses geschah aber nicht eher als um 12 Uhr: es hatte die ganze Nacht geregnet und regnete den ganzen Vormittag: auf dem Marsfeld stand das Wasser hier und da 2 Fuß hoch, und gerade hier mußten die Helden ihre Ergebenheit für ihren neuen Monarchen durch eine komplette Wasserprobe durch volle 8 Stunden beweisen, und kamen durch und durch naß zu Hause; daher ihre foutre. -- So wie es auf der einen Seite sonderbar ist, Menschen an einen Ort 6 bis 8 Stunden früher zu bestellen, als ihre Gegenwart nothwendig ist, so ist es nicht weniger sonderbar zu hören, daß Soldaten und zwar Französische Soldaten den Regen so scheueten: ihren Unwillen zeigten sie gerade bei der Ceremonie selbst: die mehrsten sprachen das vorgeschriebene nous le jurons nicht aus, und das in den Zeitungen beschrieben Jauchzen war ein leises Murmeln; besonders auffallend bleibt aber der folgende Umstand: dem befohlenen Ceremonielle zu Folge, sollten die Deputirten, indem sie den Eid aussprachen, die Hüte auf die Bayonnette setzen, (ein gewöhnliches Bravourzeichen) und so das Gewehr präsentiren; einige, die nahe an dem Throne standen, machten dieses, die andern aber nicht, und gleich sprengte Murat die Reihen hinunter und rief: l'Empereur ordonne qu'on mettra les chapeaux au bout des bayonettes, und es erfolgte dann endlich. Eine zweite Scene dieses Tages ist dir auch unbekannt, denn ich habe ihrer in keiner Zeitung erwähnt gefunden. -- Gleich nach der Ankunft des Kaisers fand ein wohl gekleideter Mensch für gut, auf dem Platze herumzulaufen und liberté ou la mort zu rufen, wurde aber auch gleich arretirt und man hört nicht, was aus ihm geworden ist: dieses wird heute in Kaffee- und Speisehäuser erzählt und jeder, der es hört, sagt: pardi, -- il avoit perdu la tête! ich will es auch glauben, mit steht aber dabei das alte mutantur tempora vor den Augen, wenn alle diejenigen, deren Symbolum einst das liberté ou la mort war, avoient perdu la tête, so wären drei Viertheile der Französischen Nation einst Narren gewesen, welches auch nicht unmöglich ist. --


Achter Brief.[]

Fest des Senats -- Illumination in Luxenburg -- Feuerwerk, mißlungene Eruption -- Rudera des Tempels auf dem Platze de la Concorde.

Am 14. December 1804. ---Gestern ist die so genannte Fête des Senats gegeben wurden. Sie war so höchst simpel, daß man es in der Stadt nicht gewußt hätte, wenn nicht hier und da einige Polizei-Trabanten den Wagen die Passage durch diese oder jene Straße verbot, die nach dem Luxenburger Garten ging, und für die Menge Fußgänger, die man erwartete, bestimmt war. Ich ging einige Mal des Nachmittags in den Garten hinunter, weil er gleich in meiner Nachbarschaft ist, und da sah ich einige Musikanten, die an dem Palais (unter den Fenstern des Prinzen Joseph) standen und Musik machten: einige mit kleinen Lampen behängte hölzerne Sterne und ein mit Raketen, Feuerrädern u. dgl. bespicktes Gerüste dem Pallaste gegenüber, an der südlichen Seite des Gartens sagte mir, daß man heute mit einer niedlichen Illumination und einem niedlichen Feuerwerke dem Publikum aufwarten wollte. Ich kam nun zwischen 8 und 9 Uhr wieder, und die Illumination war nun in ihrem höchsten Glanze, das ist, sehr elend und mager: die große Trommel der Janitscharen-Musik lautete immer noch und etwa 3 bis 4000 Menschen gafften schon zwei Stunden nach den Apparaten zum Feuerwerk hin; dieses wurde endlich um 9 Uhr angezündet, und war das hübscheste, was ich noch hier gesehen hatte: es war sehr pompös und dauerte unabgebrochen über eine halbe Stunde: eine Art der Repräsentationen sah ich dann zum zweiten Male, welche sehr kostspielig seyn muß, und eine augenblickliche Belustigung dem Auge darbietet, es ist eine Art feuerspeiender Gebirge, welches aus einigen Hundert Raketen zusammengesetzt ist: diese zünden sich nach und nach an, gehen aber nicht hoch, sondern beschreiben kurze Bogen nach allen Seiten und geben so mit Krachen und Sausen die Vorstellung einer vulkanischen Eruption. Eine starke Explosion die ein starkes Licht verbreitete und die Luft mit Millionen Funken erfüllte, machte das Ende dieses Feuerwerks, und war vermuthlich durch einen Fehler entweder der Einrichtung oder der Ausführung hervorgebracht, denn keine Figur war zu sehen die die Idee von einem Zwecke bei diesem Feuerwerke gab. Den Zeitungen nach sollte das Bildniß des Kaisers in Transparent sich zeigen, es war mit aber nicht möglich, solches zu entdecken. So eben bekomme ich den Moniteur, wo sich denn alles findet, so wie es hat seyn sollen: es sollte sich ein Gebirge präsentirt haben, eine Eruption entstanden seyn, wobei die Felsen von einander springen, und auf ihren Trümmern das Bild Napoleons sich zeigen sollte, auf seinem Haupte sollte ein Feuer, Emblem des Genies, brennen: zu seiner linken sollte die Victoria ihm eine Palme überreichen, zu seiner Rechten der Friede einen Olivenzweig; zu seinen Füssen sollte sich der Ueberfluß von Früchten der Erde und Gruppen von zufriedenen und glücklichen Landleuten zeigen, vermuthlich hat aber die fürchterliche Explosion dieses alles zerstört und zugleich mit dem Felsen in wirkliche Trümmern verwandelt, denn so lang die Luft mit der ungeheuern Menge Feuerfunken gleich nach der Explosion angefüllt war, konnte man durchaus nichts von allen den beschriebenen Herrlichkeiten sehen, und so bald diese Funken verschwunden waren, so war auch alles zugleich finster. Die armen Künstler haben sich dann die letzte Satisfaktion genommen, in den geduldigen Zeitungen zu präsentiren, was in natura mißlungen war.

Schon seit einigen Tagen begegnen mit Wagen, die mit den Säulen der vorhin beschriebenen Tempel auf dem Platze de la Concorde beladen sind: sie werden längs der Ufer des Flusses von den Tuillerien ab nach dem pont neuf hinauf aufgestellt; der elende Ueberzug von Leinewand und die armselige Wasserfarbe hatte durch die Zeit von etwa 8 Tagen ein gar nicht feierliches Ansehen bekommen, vermuthlich sollen sie jetzt bei einer neune Fête Dienste leisten.


Neunter Brief.[]

Fest der Stadt Paris -- Säulen mit Adlern -- Zug des Hofes -- Aufhalten am Platze der Tuillerien -- Feuerwerk -- der Bernhardsberg -- Die Kolonnade -- Austheilung der Kapaunen auf öffentlichen Plätzen -- Austheilung von Wein -- Tanz -- Feuerwerk -- Nähere Ansicht des Festes.

Am 17. December 1804.

Die Zahl der zuletzt erwähnten Säulen wurde in den letztern Tagen mit neuen vermehrt, so daß sie etwa 200 ausmachte und sie wurden in den Zeitungen eine Kolonnade genannt, ja sogar die Höhe und der Umfang dieser unansehnlichen Breterröhren beschrieben. Oben auf einer jeden wurde eine aus einem Brete ausgeschnittene Figur die gemalt war, und für eine etwas lebhafte Phantasie das Bild eines Adlers vorstellen konnte, gesetzt. Diese Kolonnade geht von den Tuillerien aus, an der Seine hinauf bis an das Hotel de ville. Außer diesem bauete man in den letzten Tagen ein fürchterliches Gerüste dem Rathhause gegenüber an dem andern Ufer des Flusses, und kein Mensch errieth, daß dieses in der Folge den Bernhardsberg vorstellen sollte. Es erschien endlich der gestrige Tag, da die Vorbereitungen so vieler Tage endlich zur Ausführung kommen sollten, indem des Kaisers bonne ville de Paris ihm eine brillante Fête auf dem Rathhause geben wollte. In dem Fenster eines meiner Freunde in der rue de Malthe hielt ich volle zwei Stunden aus, um die Abfahrt des Zuges aus den Tuillerien zu sehen, und dies geschah endlich im 3 Uhr in demselben Pomp, wie bei der Krönungsfeier: ich war nun eben so placirt, daß ich den Weg des Zuges von dem Palais ab bis an das eiserne Gitter, und von der Mitte des Platzes bis die rue de Malthe vorbei übersehen konnte. Um drei Uhr stiegen der Kaiser, die Kaiserin und die Prinzen in die Krönungswagen und der Zug setzte sich in Bewegung: sie waren aber nicht so bald aus dem eisernen Gitter gekommen und aus meiner Sehweite, als still gehalten wurde, und alles lief zu der Stelle hin, wo ich die kaiserlichen Wagen vermuthen konnte: es dauerte dieses Stillhalten lang, mir wurde wieder angst und der kalte Schauder, den ihr am Krönungstage das erste Mal fühlte, lief mir, jetzt aus eben der Ursache wieder über den Rücken: es ging endlich weiter und ich erfuhr, daß ein Frauenzimmer sich an der Seite des Wagens auf die Kniee geworfen hätte, worauf der Kaiser zu halten befohlen, und eine Bittschrift, die sie ihm überreicht, angenommen hätte: er passirte nun die rue de Malthe vorbei, und ich konnte sein heiteres Gesicht recht betrachten: drei bis vier Bittschriften wurden auf einmal gegen das Wagenfenster hingeworfen, welcher aber wieder auf die Erde fielen. Der Zug war gleich vorüber und ich folgte der Menge, die Ufer des Flusses hinauf an den Platz des Rathhauses: die Ankunft des Kaisers zu sehen, war wegen der unzähligen Menge der Menschen unmöglich, und erst zwischen 7 und 8 Uhr des Abends wurde das langweilige Warten durch den Genuß eines prachtvollen Feuerschauspiels belohnt. Es behaupten mehrere, daß von allen Feuerwerken, Illuminationen u. dgl., die bei den verschiedenen Festen seit dem Anfange der Revolution von National-Conventen, Assembleen, dem Direktorium und den Consuls dem Publikum zum Besten gegeben worden sind, keines so geschmackvoll eingerichtet und so glücklich ausgeführt worden sey, als dieses: an den Ufer der Seine bei dem Platze des Rathhauses lag eine Prahme, die mit Masten versehen das Ansehen eines Schiffes hatte; ihre Masten und Stangen waren alle mit Feuerwerken bespickt, welche sich auf einmal entzündeten, gleich abgebrannt waren, und nun standen die Masten und Stangen mit unzähligen Lampen schön illuminirt -- dieses nahm sich sehr gut aus. Der Bernhardsberg spie Feuer aus, wie ein zweiter Vesuv, und oben auf demselben sahe man wirklich den Helden zu Pferde den Gipfel hinansprengen, doch nahm er sich nicht eben so hübsch aus, als auf Davids berühmten Gemälde -- -- auch den merkwürdigen Luftballon sah ich aufsteigen, ohne zu denken, daß er den folgenden Tag bei Rom herunterfallen, und 14 Tage darnach den Parisern Stoff zu Debatten 3 bis 4 Tage lang geben würde.

Die vorhin erwähnte Kolonnade war nun mit rothen, weißen, gelben und blauen Feuer erleuchtet, so wie auch hier und da ein Haus an den Ufern des Flusses, wo der Zug vorbei passiren mußte. Ich ging den langen Weg nach Meinem Logis zurück, doch erwarteten mich auf dem Platze des Odeon noch einige interessante Scenen: es wurden nämlich an 12 öffentlichen Plätzen in der Stadt kleine Feuerwerke abgebrannt, Tanz und Musik gegeben und Kapaunen und Wein ausgetheilt: dies hat nachher zu Gesängen Veranlassung gegeben; worin es unter andern in einem heisst:

vive, vive Napoleon
il nous donne des dindons –
c'est pour gagner la canaille
qu'il nous donne du volaille ect.

Zwischen diesen war der Platz de l'Odeon, wo die Ruinen des vor einigen Jahren abgebrannten prachtvollen Lokale des Theater français noch stehen. In der Mitte des Platzes befanden sich die Zubereitungen zu dem Feuerwerk: an den Treppen zum Theater hinauf war eine Loge voll Musikanten, und unten an der Straße tanzten wirklich einige einen Contretanz, welches doch das erstemal war, daß ich bei dieser Fête außer den Zeitungen habe tanzen sehen: an der einen Seite stand ein Gerüste, welches der Menge der Menschen und ihrer Unruhe wegen mich hinzog; es befanden sich oben auf diesem Castel drei bis vier Männer mit ein Paar Weintonnen, und von diesen wurde den Leuten ein Becher nach dem andern gefüllt: es ging hierbei eine Zeit lang recht ordentlich zu: die Trinkenden schienen aber nach je dem Humpen nur noch mehr Durst zu bekommen, und es schien ihnen zu langsam zu gehen, oder wollten sie allen den ganzen Vorrath theilen, genug sie liefen einen förmlichen Sturm, bestiegen das Castel und nahmen es mit vollen honneurs in Besitz: jetzt floß der Wein so, daß die unten stehenden ihre Hüte unterhielten und die ganze Herrlichkeit hatte bald ein Ende. Die Raketen und Schwärmer wurden angezündet, einige drohten in die Fenster hineinzugehen, dieses war endlich auch vorbei, ein jeder ging nach Hause, und die Fête der bonne ville de Paris des Kaisers war gegeben.

In dem Innern des Festes, in dem Rathhause selbst hat es indessen folgendermaßen ausgesehen: so bald die steifen Präsentationen, Reden und Antworten beendiget waren, hat die Heiterkeit des Kaisers die Versammlung so allgemein belebt, daß man hätte glauben können, daß wirklich Freude und Zufriedenheit in diesem großen Zirkel einige Augenblicke Statt gefunden hätten: er befahl seinen Brüdern und Schwestern zu tanzen und ging unterdessen selbst umher, und unterhielt sich mit dem Frauenzimmer, welche Affabilité und Herablassung die Zeitungen mehrere Tage durch nicht vergessen konnten: den Mangel von jungen Edelleute ersetzten die Generale, deren Söhne, die Söhne der Municipalitäts-Herren u. dgl. und machten die tanzenden Kavalliere, und nach Maßgabe des Standes wurden auch die Mädchen gewählt.

Als nach dem Tanze das Feuerwerk abgebrannt werden sollte, hatte folgendes unangenehme Ereigniß statt: man gab dem Kaiser eine Lunte, daß er selbst den Drachen anzünden sollte, durch den das Uebrige in Feuer gesetzt wurde; indem er aber dieses that, kam eine seiner großen Federn auf dem Hute dem Feuer zu nahe und fing an zu brennen; ein Sekretair bei der Municipalität, der dabei stand, ergreift den sonderbaren Entschluß, ohne ein Wort zu sagen, nach dem Hute zu greifen, um das Feuer zu löschen: Napoleon, der sogleich nicht einsah, was der Mensch wollte, auch dergleichen Annäherungen nicht zu lieben scheint, sprang zurück und setzte sich mit geballten Fäusten und einer fürchterlichen Miene in Vertheidigungsstand, wornach aber das Mißverständniß bald gelöst wurde.


Zehnter Brief.[]

Audienz der Deputirten -- Bittschriften -- Wirkungen derselben.

Am 20. December 1804.

Ich habe dir schon vorher etwas geschrieben über die Hoffnungen der Deputirten aus den Provinzen, eine oder andere Belohnung für ihre Wasserprobe, ihre in Paris erleichterten Beutel xc. xc. zu bekommen: am verflossenen 10. December wurde ihnen eine Art Audienz gegeben: sie waren in dem großen Saal der Gallerie auf dem Louvre aufgestellt in zwei Reihen; hier passirte der Kaiser mit seinen Brüdern und einer Menge Generale bei ihnen vorbei: Bedienten mit Körben, worin eine ungeheure Zahl von Bittschriften geworfen wurden, folgten dem Zuge; viele nahm Napoleon selbst an, viele von den Deputirten redete er an, fragte aus welchem Departement, von welchem Range sie wären, ob sie etwas bei der Regierung zu suchen hätten xc.? Da nun bei dieser Gelegenheit keine Medaillen, keine Kreuze erfolgten, so hoffte dich jeder, der ihm eine Bittschrift überreicht hatte, das Gewünschte zu erhalten: wie es aber hier im Ganzen gegangen ist, kann ich wohl aus einigen einzelnen Fällen schließen, von welchen ich nur einen anführen will. Ein braver Franzose aus einem der südlichen Departements, mit welchem ich in Paris auf einem vertrauten Fuß lebte, befand sich unter den Deputirten; er hatte gesucht, dazu gewählt zu werden, weil er auch im entgegengesetzten Falle nach Paris gegangen seyn würde, um zu versuchen, ob er in der Hauptstadt selbst sein Recht auswirken könnte, welches er in den Provinzen seit Jahren vergebens gesucht hatte: sein Vater und er hatten einige Zeit Lieferungen für die Armeen gehabt, wofür der Staat ihnen noch bedeutende Summen schuldig geblieben war: die Rechnungen hierüber waren attestirt, visirt, ja sogar von den General-Commissairen das Auszahlen befohlen, nur war das Letztere nicht erfolgt; er hatte nun seit Jahren bei dem Kriegs- und Finanzministern, Herren, denen die comptabilité nationale anvertraut ist, sein Geld zu erhalten gesucht, -- alles vergebens; er kam nun nach Paris, und wendete sich an diese Herren, deren Gehülfen und Gehülfens Gehülfen -- alles vergebens; nun, dachte er, wenn du dem Herrn aller dieser Kreaturen und ihrer Herren deine Bittschrift zu eigenen Händen übergeben kannst, so wird er sie doch wohl lesen, und wenn er sie lieset, wird er die Gerechtigkeit deiner Gründe einsehen und deine Bitte erfüllen: er schrieb nun eine hübsche Supplik, legte die vidimirten Rechnungen bei, übergab alles dem Kaiser selbst, und hoffte die glücklichste Wirkung dieses Schrittes. -- Nach acht Tagen bekam er einen Brief von einem der Herren, bei dem er schon lange angehalten hatte, und von dem er zuletzt nach einem heftigen Auftritt in höchstem Unwillen weggegangen war, worin ihm dieser meldete, daß ihm Se. Majestät seine Bittschrift zugesandt hätte, und daß dabei vor der Hand nichts zu thun wäre. –

Es hieß nachdem, daß Champagny den Präfekten befohlen hätte, über den bürgerlichen Zustand eines jeden dieser Deputirten Bericht abzustatten; daraus schöpfte man neue Hoffnungen, die aber bald wieder vereitelt wurden, da es sich zeigte, daß dieses Gerücht ungegründet war. Die sämmtlichen Deputirten sind jetzt ziemlich gewiß, daß die Ausleerung ihrer Beutel und ein kupferner Abdruck der elenden Krönungsmedaille, jenes auf einige Zeit, dieses zum ewigen Andenken an diese Merkwürdigkeit ihnen dienen solle.


Eilfter Brief.[]

Napoleon als Mensch—seine Jugend -- auffallende Handlungen desselben -- was zu ihrer Entschuldigung gesagt werden kann -- Napoleon als Kaiser -- sein Aeußeres -- die Assemblee bei ihm -- seine Vertraulichkeit mit denen, die ihn umgeben -- seine guten Eigenschaften -- Guter Wille -- unermüdete Arbeitsamkeit -- sein Lohn -- Meyer -- Reichardt -- Kotzebue -- Josephine -- Joseph -- Hortensie -- der Papst in einer öffentlichen Erziehungsanstalt -- sein Betragen -- Testa sein Sekretair -- Kupferstiche von den verschiedenen Festen und den Hauptpersonen.

Paris im Januar 1805.

Endlich habe ich dir versprochen, einige nähere Betrachtungen über die Hauptpersonen jener heroischen Oper, welche ich beschrieben habe, anzustellen: deine Bitte giebt mir um so mehr ein Recht dazu. -- Hunderte haben über Napoleon geschrieben -- alle mit gleicher Competence, und ich schließe mich an diese Hundert mit demselben Rechte, mit der kurzen Einleitung an, die einer meiner akademischen Lehrer zu . . . . . brauchte, wenn er bei einer Doktorpromotion zu opponiren anfing -- etiam ego. Ich weiß wohl, daß er in so fern mit seinen lieben Unterthanen von einerlei Geschmack in Rücksicht der Kritiken ist; daß er, so wie diese über litterarische Werke keine Kritiken, sondern nur Ankündigungen vertragen, über seine Handlungen keine Kritik, sondern nur rühmliche Erwähnung derselben leitet; ich kann ihm aber nicht helfen, denn ein Regent ist alle Mal in einem jeden aufgeklärten Lande als ein gedrucktes und öffentlich verkauftes Buch anzusehen, und den anständigen Urtheilen der Menschen ausgesetzt. -- Napoleon Bonaparte ist von den mehrsten als Mensch, als General, und als Regent beurtheilt worden; da aber das, was den Krieg und die Krieger betrifft, nicht mit meiner Denkungsart zusammenstimmet, und außer der Sphäre meines Wissens liegt, so will ich bei dem ersten und letzten Gesichtspunkte nur verweilen, und bleibe erst bei ihm als Mensch stehen; weil er vorher Mensch war, ehe er Kaiser wurde (als geschworner Feind aller Calembourgs bitte ich in diesem Ausdrucke keinen zu suchen). Ich habe, besonders während meines Aufenthalts in Marseille, Gelegenheit gehabt, Menschen kennen zu lernen und zu sprechen, die ihn in seiner Jugend gekannt haben; alle behaupten, etwas außerordentliches in seinem Karakter schon früh bemerkt zu haben; ein in diesem Alter ungewöhnlicher Ernst war in allen seinen Handlungen sichtbar: früh schien seine militairische Erziehung sein Herz für zärtliche Gefühle zu verschließen, doch ohne daß dieß auf seinen Biedersinn und auf sein von Natur gutes Herz Einfluß gehabt hätte, eine der grausamsten Begebenheiten der Revolution, der er, und leider nicht als bloßer Zuschauer, beigewohnt hat, was die mehr als unmenschliche Metzelei zu Toulon: er war aber damals nur Subaltern-Officier und sogar die obersten Befehlshaber dabei führten nur die Befehle der Regierungscommissaire aus. Es ist mir auch aus dieser Periode seines Lebens kein Schritt bekannt, welcher seinem Herzen zur Last gelegt werden, oder nur das geringste unvortheilhafte Licht auf seinen Karakter werfen könnte; ich leugne es nicht, einige seiner Handlungen als Regent (als erster Consul und als Kaiser) scheinen nicht ganz von dieser Beschaffenheit zu seyn: so wie ich aber bei allen meinen Untersuchungen den goldenen Spruchs Epiktets: eine jede Sache hat zwei Seiten, von denen sie betrachtet werden kann, nicht zu vergessen strebe; so macht mein eigenes Interesse bei dem Urtheile über meinen Helden, daß ich seine Handlungen nie einseitig betrachte, und dadurch habe ich bis jetzt weder meine gute Meinung von ihm, noch meine Hoffnungen auf ihn für das Wohl der Menschheit verloren. Eben diesen Gesichtspunkt wünschte ich auch nun dir mitzutheilen -- ich bedarf nicht dir zu nennen die revolutionairen Exekutionen, die vor und nach der Affaire mit der Höllenmaschine Statt fanden; daß diese ersten Opfer an der That, für die sie eigentlich verhaftet, angeklagt und verurtheilt wurden, eben so unschuldig waren als ich und du, will ich mit tausend Andern gern glauben, und daß dieses auch jetzt täglich mit allen denjenigen, die überall in Frankreich von militairen Tribunalen in die Ewigkeit spedirt werden, derselbe Fall ist, will ich auch nicht in Zweifel ziehen; aber daß alle diese immer in etwas, wäre es auch nur in dem bösen Willen und Vorsatze, schuldig sind, darauf kann ich einen Eid ablegen. -- Gefährliche Menschen sind sie immer gewesen, und wäre auch die Beraubung der Freiheit die angemessene Strafe der Gefährlichen, so sind die letzten doch in so fern Schuld an ihrem eigenen Tode, da sie aus dem Schicksal ihrer Vorgänger gesehen haben konnten, daß die jetzige Regierung mit einem gegen alle contrarevolutionaire Bewegungen unfehlbar befundenen Radikalmittel gleich vom Anfange an begann.

Was nun aber die unter dem Schein einer gerichtlichen Form geschehene Hinrichtung des unglücklichen . . . . . . . die Ermordung des rasenden . . . . . . . . die unwürdige Behandlung des braven . . . . . . betrifft, so weiß ich wohl, daß ich mehr Mühe haben werde, die erträgliche Seite dieses durchdachten Planes und seiner Ausführung, so wie ich beide jetzt zu kennen glaube, aufzusuchen, auch thäte ich vielleicht besser, diese Arbeit nie anzufangen; doch darf ich nicht unterlassen, das wenige, was ich dir zu geben weiß, so zu geben, wie ich es von einigen seiner getreuesten Anhänger empfangen habe: stelle dir also vor, daß er an eine Art von Prädestination, einen Glücksstern, eine Bestimmung wirklich glaubt, und daß er so sich selbst als von der Vorsicht bestimmt um die Ruhe und das Glück Frankreichs wieder herzustellen ansieht: die Nothwendigkeit, nach so vielen Umwandlungen und Verunstaltungen der Regierung, ihr einmal die möglichste Festigkeit zu geben, kann doch wohl den Fall, in dem er sich befindet, außerordentlich machen und ihm hier und da auch den Gebrauch außerordentlicher Mittel erlauben, die in der Türkey beständig, und vor kurzem noch in Rußland einige Zeit zur Ordnung des Tages gehörten. Daß sein Herz nicht boshaft ist, daß er sich von der harten Nothwendigkeit gezwungen glaubt, wenn er einen in den Augen der Welt grausam scheinenden Schritt thut, darüber benimmt uns seine Kaltblütigkeit und Hartnäckigkeit, mit welcher er solchen ausführt, allen Zweifel: dieses ist mein Glaubensbekenntniß über sein Herz und über die Handlungen, durch welche dieses verkannt werden könnte.

Unter den mächtigen Fürsten Europas hat dieser das eigene, daß man noch nicht eine Beschäftigung kennt, womit er seine wenigen Freistunden zubringt: von dem Fürsten eines mächtigen Staats weiß man doch, daß ihn die Gärtnerei amüsirt, einen andern die Janitscharenmusik seiner Leibgarde u. s. w. Napoleons Lieblingsbeschäftigung kennt man aber noch nicht, denn das Jagen scheint er nur als diätetisch des Genusses der freien Luft wegen anzusehen. Daß er sogar allen Freuden der Jugend entsagt habe, glaubt man gewöhnlich außer Frankreich; in Paris will man aber hierüber schon lange besser unterrichtet seyn.

So viel über den Menschen Napoleon -- der Kaiser Napoleon äußerlich betrachtet, nimmt sich recht vortheilhaft aus, aber doch ganz anders, als ich mit ihn vorgestellt habe: denke dir, ein sehr bleiches, ziemlich fettes Gesicht, mit einem weit hervorstehenden Kinn, ganz wie auf den 5 Frankstücken vom Jahre XII (hierin hat Kotzebue Recht) -- schwarze Haare, auf dem Kopfe einen kleinen dreieckigen Hut mit einem Knopfe vorne und einem überaus großen Straußfederbusche, einem rothen sammtnen Mantel mit unzähligen Sternen, weiße seidene Unterkleider, so hast du sein Ansehen und sein kaiserliches Kostume, welches er bei allen Feierlichkeiten anzieht: sein Gang, seine Sprache, alles hat ein Air, welches Ehrerbietung einflößt, und wodurch er sogar seine Familie und seine vormaligen Freunde in einem gewissen Abstande hält. So weiß ich, daß bei einer Assemblee (er giebt gewöhnlich jeden Sonntag eine Art Assemblee, wo das corps diplomatique, die Französischen Minister, die grands dignitairs etc. sind, und zwischen 8 und 9 Uhr anfängt) alles mit Kartenspiel oder in gesellschaftlicher Conversation beschäftigt war, als er um 10 Uhr im Saale erschien, gleich war alles auf den Füssen (auch die Kaiserin) er ging langsam herum, von einem zum andern, und alle, die er anredete, ob sie gleich mit andern im Gespräche waren, (auch seine Brüder) machten Front, so oft er vorbei passirte; um 11 Uhr war er schon verschwunden. Es scheint, als ob sich unter den Menschen, die ihn umgeben, sich auch kein einziger befinde, der seine Vertraulichkeit genösse, und man glaubt sogar, daß im diplomatischen Fache Talleyrand nur seine Maschine sey: in Kriegsoperationen ist es ziemlich gewiß, daß er seine Plane niemanden eher mittheilt, als bis sie ausgeführt werden sollen, und daß kein Mensch auf Gottes Erdboden außer ihm weiß, was z. B. aus der Landung in England werden wird. Unter denen, die ihn täglich umgeben, scheint er dem General Clarke, der in Toskana war, besonders geneigt zu seyn.

In dem ich von der Betrachtung seines Aeußerlichen auf sein Inneres zurückkomme, habe ich nur weniges dem beizufügen, was ich schon vorher darüber gesagt habe. Was ihn in meinen Augen achtungswerth macht, und meine innigsten Wünsche für sein Wohl erregt, ist erstens sein guter Wille, von welchem ich glaube überzeugt zu seyn: daß er Frankreichs Glück wünscht, daß er, um dieses zu gründen, alles, was in seiner Gewalt stehet, anwendet, darüber ist bei mir kein Zweifel; ob er nun dieses thut, weil es der einzige Weg ist, wodurch er sich selbst souteniren kann, oder weil es ihm die Menschenliebe und eine warhaft patriotische Gesinnung eingiebt, darüber will ich eben so wenig raisonniren, als es im Allgemeinen meine Gewohnheit nicht ist, die Beweggründe der menschlichen Handlungen aufzusuchen: -- achtungsvoll bleibt er mit zweitens wegen seiner unermüdeten Arbeitsamkeit, die weiter geht, als man glaubt; durch einen meiner vertrautesten Freunde, der in der Regierung angestellt ist, ohne sein Anbeter zu seyn, weiß ich, daß der Minister des Innern an den mehrsten Tagen der Woche um 7 Uhr des Morgens im Kabinette des Kaisers seyn muß, und da gewöhnlich bis Mittag, ja zuweilen bis 3 bis 4 Uhr mit ihm arbeitet: auf dieselbe Art wendet er den übrigen Theil des Tages mit den andern Ministern an; selten, wenn das Wetter recht schön ist, habe ich zu dieser Zeit ihn gesehen auf der Terrasse gegen den Tuilleriengarten außer seinen Fenstern in der Gesellschaft eines Adjutantens einigemal auf und nieder gehen. Ob die Nation ihm sein Anstrengnug belohnt, ob er geliebt ist, geschätzt? ist eine Frage, die ich nicht aufwerfen will, weil du schon in einem meiner ersten Briefe ihre Antwort findest: Leichtsinn und Undankbarkeit sind die Hauptzüge in der Karakteristik dieser Nation: die schändlichen Frevler, die einen unschuldigen König ermordeten, und darauf Jahre lang die Gleichheit der Menschen von Geburt über den ganzen Erdboden ausschrien und verbreiten wollte; diese können jetzt gar nicht vergessen, daß ihr jetziger Beherrscher ein Fremder ist, und aus keiner königlichen Familie herstammt: ich bin gewiß, daß, wenn ein Einziger von der feigen aussterbenden Familie, die einst Frankreich beherrschte, den Kopf gehabt hätte, wie Napoleon (einen Brief, wie dessen letzterer an den König von England selbst hätte schreiben können) sie hätten ihn vergöttert, Tempel hätten sie den noch lebenden gebauet. Ob er fühlt, daß er nicht geliebt ist, ob er unglücklich dabei ist? habe ich mich oft selbst gefragt -- ich glaube es nicht; ich glaube, daß er Stolz genug besitzt, die Lobreden und den Tadel der jetzigen Generation in Frankreich zu verachten: der von jedem in Frankreich Reisenden zu verehrende Meyer in Hamburg hat aus meinem Herzen gesprochen, wenn er das Urtheil fällt, daß "Bonaparte nicht geliebt seyn wolle, wie es ein Ludwig XIV war. Er lebt nicht für die Pariser, er lebt für die bessere Menschheit." *) Anderwärts **) sagt Meyer: "Ein hohes Selbstbewußtseyn des Uebergewichts seiner Größe und seiner Kraft erhebt sich auf dieser breiten offenen Stirn, mit zuversichtlicher Ruhe gemischt, die jene ihm fremde Besorgniß für sein Leben ableugnet, womit er von außen her mit Bajonetten umgeben wird. Feste Selbstständigkeit des Regentenkarakters ist unverkennbar der herrschende Zug in dieser Physiognomie." Und da in die Rede von Schriftstellern für Reisende in Frankreich ist, so empfange Meyer den herzlichsten Dank eines Unbekannten für alle seine unterhaltende Schriften und für die mit Fleiß, Genauigkeit und Anstand bearbeiteten Briefe über Paris und das Innere Frankreichs: hätten Kotzebue, Reichardt und Konsorten diese Schrift als Vorbild angesehen und diesem gefolgt, so hätten sie weder den Lesern mit den kalten Küchen der Gesellschaften, zu denen sie unverdienter Weise eingeladen wurden, aufgewartet, noch den nach ihnen Reisenden durch ihre schändliche Gewohnheit, allerlei Personalien dem Publikum zu erzählen, geschadet; ja, da ihnen sonst nur wenig Materie übrig geblieben wäre, so hätten sie uns wohl gar mit ihren Kleinigkeiten verschont. –

*) Meyers Briefe aus der Hauptstadt und dem Innern Frankreichs. 1. Th. S. 182.
**) S. 81.

Von der kaiserlichen Familie dir zwei zu nennen, für die die allgemeine Achtung und Liebe zunimmt, werde ich nicht vergessen: die eine Person ist die Kaiserin selbst; ihre Güte und Anspruchslosigkeit nimmt gleich das Herz eines jeden ein, den sie nur anredet; in den nördlichen Departements, die sich durchreiste, machte sie sich durch ihre Milde und ihre Wohlthaten allgemein beliebt, und die Achtung, die sie von ausgezeichneten Männern im diplomatischen Corps zu Paris genießt, ist keine der, dem Manne abgezwungenen Aeußerungen, sondern eine Folge ihres sanften zuvorkommenden Betragens gegen Jeden. Die zweite nicht weniger geschätzte Person in der Familie ist Joseph, der älteste Bruder des Kaisers; er wird für einen biedern und sehr aufgeklärten Mann gehalten, und Frankreich kann die gerechteste Hoffnung nähren, wenn der Tod Napoleons sterbliche Hülle des Geistes beraubt, in Joseph einen seiner würdigen Nachfolger zu sehen.

Die ehemalige Hortense Beauharnois, jetzt Prinzessin Louis, habe ich oft gesehen -- sie ist noch schön, ob sie gleich in den Kindbetten viel verloren haben soll -- auch soll sie noch immer der Liebling Napoleons seyn.

Daß ich nicht eine Hauptperson, die ich lieber eine stumme Person nennen möchte, den ehrwürdigen Greis Pius VII vergesse: ich war in Paris 4 Monate ohne diesen Mann in der Nähe zu sehen: eingeschlossen in seinen Kasten am Krönungstage, so wie nachher, so oft er aus den Tuillerien geführt wurde, um in einer oder der andern Kirche die heiligen Mysterien zu celebriren, oder eine oder andere öffentliche Anstalt zu besuchen, war er nur den zu den Messen zuströmenden alten Weibern, oder dem bei den Anstalten angestellten Personale sichtbar: endlich sollte er eine solche Anstalt besuchen, wo ich freien Zutritt genoß, und nachdem dieser Besuch so oft aufgeschoben worden war, daß man schon anfing, an der Ausführung beinahe zu zweifeln, so fand er doch endlich Statt, und verstattete mir sowohl des nähere Anschauen dieses immer merkwürdigen Mannes, als es mit eine Idee von der Art hab, wie er bei andern Anstalten empfangen worden, und sein Benehmen bei diesen Gelegenheiten. Zwei bis drei Stunden vor seiner Ankunft kamen Kardinäle, Bischöffe u. dgl., der eine oder der andere Administrateur der Anstalt empfing Jeden, und man hörte nichts als Monseigneur -- Monseigneur -- endlich kamen verschiedene schwarz gekleidete Menschen, welche Bücher, sammtne Kleidungsstücke u. dgl. trugen, unter diesen bemerkte ich einen schmuzzigen gelbbleichen Italiener mit einer schwarzen Calotte auf dem Kopfe, dessen finstere geheimnißvolle Miene gleich meine Aufmerksamkeit auf sich zog; ich durfte nicht fragen, denn meine Nachbaren überhoben mich der Mühe: es ging die Frage von einem zum andern, wer das wäre? Ein Geistlicher, der in der Nähe stand, antwortete mit Gravität: der Beichtvater Seiner Heiligkeit -- wie denn, der Beichtvater Seiner Heiligkeit? der Mensch, der die Jahre lang begangenen und noch zu begehenden Sünden anderer Menschen mit einem Worte vergeben kann, der muß selbst die seinigen einem andern Menschen erzählen und bei ihm Vergebung derselben suchen!!!

Es dauerte noch eine Stunde bis verschiedene Stafetten meldeten, daß der heilige Vater im Anzuge wäre: die ganze Administration dieser Anstalt und die Geistlichen mit einem großen Krucifix gingen ihm entgegen, und nach einigen langen lateinischen Gebeten, die in der Thüre verlesen wurden, trat er in den Saal hinein, welcher vorher in dieser (Erziehungs-) Anstalt das einzige Erholungszimmer der Zöglinge war, jetzt aber in eine Kapelle *) umgewandelt wurde, und die Zöglinge bringen nun ihre Freistunden auf den Treppen oder in dem schmutzigen Hofe zu. Bei dem Eintritt des Papstes in diese Kapelle kniete die ganze Versammlung, ob vor ihm oder vor dem Krucifixe, welches vor ihm getragen wurde, weiß ich nicht. Reihen von alten Weibern, die vermuthlich bestellt waren, machten eine Straße bis zum Altare, und indem er durchhin ging, faßten 4 bis 5 Hände auf ein Mal seine Hand, um sie zu küssen: andere küßten seine sammtene Sutane. Er hatte ein äußerst schwaches bejahrtes Ansehen: ein weißgelbes faltiges Gesicht und scharfe Gesichtszüge, schwarze Haare, einen runden rothen Hut von Sammt auf dem Kopfe, und eine rothe sammtene Sutane. Mit gebeugtem Kopfe und halb verschlossenen Augen trat er hinein, und schien leise zu beten, als die Geistlichen ihr Kauderwelsch aus einem großen Buche vorlasen, zu welchem eine Menge andere gleichsam wie interpunktirten, indem sie immer dem Kollern der Truthähne nicht unähnlich einmal über das andere mal, mit einem ora pro nobis domine einfielen. Nachdem dieses Beten bei dem Altare noch etwa eine Viertelstunde gedauert hatte; ging der Papst einmal im ganzen Saale herum mit zwei Geistlichen, die ein Gefäß mit Wasser trugen, aus welchem er die seidenen Teppiche der Wände bespritzte und so diesen Ort zum heiligen Gebrauche weihte. Noch einmal wurde am Altare schlechtes Latein gelesen, und man verließ diese Kapelle, um sich in den Saal der öffentlichen Prüfungen zu begeben. Hier blies nun drei Stunden durch ein ungehörter, unglaublicher und unbeschreiblicher Wind, dem ich aber nicht näher treten darf, daß er mir nicht den Schleier der Anonymität wegrafft; man kann aber Blumauern glauben, daß

-- -- wo itzt Paris zu sehen
-- -- -- -- -- -- --
Da hält, wenn er nicht wehen mag.
Aeol in einem großen Sack
Die Winde eingesperret.
*) Ganz in der Nähe dieser Anstalt befindet sich eine öffentliche Kirche.

Ob ich wohl gerne glaube, daß er in ganz Paris residirt, so wollte ich doch fast schwören, daß seinen großmächtigen Windsack, der in der Fauxbourg St. Jacques deponirt ist, das Alter und der häufige Gebrauch so vieler Jahre hindurch mögen löcherich gemacht haben, woher es denn wohl kommt, daß zu allen Zeiten ewige Winde von Paris ausströmen.

Täglich siehst du nun aus den Zeitungen, daß der Papst diese oder jene öffentliche Anstalt besucht, daß dieser oder jener Vorsteher eine Anrede an ihn hält, und daß er mit vieler Güte solches aufgenommen habe, dabei mußt du dir aber nicht etwa vorstellen, als wäre er aufmerksam auf das, was gesagt wird; wie ein alter schwacher Mann wird er von zweien oder dreien auf den Thron geleitet, wo er sitzen soll: da sitzt er ruhig mit hängendem Kopfe bis alles vorbei ist, und nun geht er wieder fort. Es sind die Kardinäle, die ihn umgeben und besonders ein gewisser Testa, sein Sekretair, welche ihn regieren; und an diesen wendet sich Jeder, der seinen Besuch wünscht, oder um irgend eine Gnadenbezeugung anhält: hierbei finden nun allerlei Kabalen statt; ich stand auf einen vertraulichen Fuß mit einem berühmten Manne, der in einem Briefe an den heiligen Vater sich erbot, ein Subjekt zu Rom zu bilden, für eine Art humaner Erziehungsanstalt, wozu bis jetzt noch nur in Frankreich eine und von eben demselben Manne gestiftete, existiret: sein Feind, der den genannten Testa eingenommen hatte, macht vermuthlich, daß Seine Heiligkeit den Brief nie bekam, wenigstens bekam mein Freund keine Antwort, welches aber ihn als einen Franzosen von Geburt doch nicht abhielt, die Zeitungen sagen zu lassen: Mr. H... a fait un hommage à da Saintété, qu'elle a accueilli avec bonté.

Schon den 4. oder 5. Tag nach der Krönung waren alle Wände um das Palais royal und längs der Boulevards mit Kupfern, die das Krönungsceremoniell vorstellten, bedeckt: eins der ersten, jetzt gewiß zum zehntenmal aufgelegten, war der Maulesel mit dem alten gebeugten Kreuzträger: noch immer schreien die Colporteurs, daß dir die Ohren wehe thun, voila la mule du Pape, voila, voila pour 12 Sous (im Anfang kostete dieses Thier nur 6 Sous); noch immer, wenn Eltern mit ihren Kindern vor diesem freilich unansehnlich dargestellten Krönungsfeste vorbei gehen, so heißt es: vois-tu la mule du Pape? ich sende dir diese drollige Abbildung und andere ähnliche, die, ob sie gleich schlecht sind, doch immer einen ungefahren Begriff von der Sache geben. Das, welches das Innere der Notre Dame Kirche am Krönungstage vorstellt, ist recht gut, ob es schon eben nicht fein ist. Unter den vielen Kupfern, welche den Kaiser vorstellen, finde ich kein einziges recht ähnlich: am besten kommt mir Indeß das neue von Dien gestochen vor, welches ich dir übersende. Sehr unähnlich sind alle die den Papst vorstellen sollen, dasjenige von Ribault ausgenommen, wo er in einer andächtigen Stellung abgebildet ist. Wenn ich ihn so betrachte, steht er vor meinen Augen gerade so, wie er in das oben gedachte Institut eintritt, wo ich ihm zum ersten und letzten Male nahe war. -- -- -- --

Hier hast du, mein Freund! was ich über das seltene Schauspiel der Kaiserkrönung und die Personen, denen die Hauptrollen zugetheilt waren, zu sagen habe. Es geschehen neue Zurüstungen zu etwas ähnlichem en miniature in Italien: die Krönungsfeier zu Paris ist längst vergessen, ja ich möchte sagen, ist nie von den Parisern selbst erwähnt worden, und wenn ich die Gemüthsbewegungen dieses Volks bei dem Ende dieses Winters, und der fast ununterbrochenen Feierlichkeiten dir recht lebhaft schildern will, so kann ich, so wie ich mit einer Stelle aus meinem Lieblingsdichter anfing, auch mit ihm endigen und sagen:

So nahm das schöne Schattenspiel
Für dieses Mal ein Ende
Ein Theil der Gaffer hielt sich still,
Ein Theil klopft in die Hände;
Der eine pfiff, der andere schalt,
Dem Dritten ward nicht warm noch kalt:
Und war doch alles gratis.

Musée Carnavalet, Paris


Quellen.[]

  • Paris zur Zeit der Kaiserkrönung. Nebst einer Schilderung der Hauptpersonen bei diesem merkwürdigen Schauspiele. Aus den Briefen eines Augenzeugen. Kölln, bei Peter Hammer. 1805.
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