Luxus, Moden, Bälle, Spaziergänge, Longchamp.[]
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Das Walzen war diesen Winter sehr Mode, besonders auch auf die schnelle Weise, welche die Oestreicher lang aus nennen, und die in der That den meisten hohen graziösen Gestalten der Französinnen sehr wohl ansteht. Die künstliche Gavotte und der spanische Fandango zierten die Privatbälle und die liebliche Montferine war in diesem Fache die Neuigkeit des Winters.
Die Form der Möbels ist hier eben so sehr der Mode unterworfen, als die Kleider; besonders auf die Bettgestelle und auf die Art, die Vorhänge um das Bett zu befestigen und zu drappiren, wird viele Kunst verwandt. Eine Zeitlang wurden alle Bettvorhänge von Adlern getragen, seit Kurzem scheinen die Damen diesen Adlersblick über ihrem Bette zu scheuen, und diejenigen, welche der Mode folgen, haben statt dessen eine blosse Krone von Laubwerk, oder sie lassen, von kriegerischem Eroberungsgeiste beseelt, ihre Vorhänge von Lanzen und Fahnenstangen tragen, und geben denselben auch wohl die Gestalt eines Zeltes. Die Adlersköpfe dienen nun, um eine neue Art von Waschgefässen zu tragen, die man Lavabo nennt. Die Cariatiden, welche schon lange an den Betten prangten, werden nun auch auf die Kommoden und andre Möbels angewandt, auch die antike Leyer-Köpfe und Vasen werden immer allgemeiner nachgeahmt, und überhaupt vermehren sich die griechischen Formen in Zimmergeräthe und Kleidung in demselben Maase, in welchem griechischer Geist und griechische Sprache aus den Köpfen verschwindet.
Auf die Nadeln, womit die Hemden vorne zusammengehalten und verziert werden, wurde seit einigen Jahren viele Sorgfalt verwandt; seit der Wiedereinführung der Hemdekrausen ist dieser Luxus weniger häufig, doch sieht man noch dergleichen Nadeln mit Perlen, und andre von mosaischer Arbeit. Für Frauenzimmer oder für sehr elegante Stuzer werden seit Kurzem dergleichen Nadeln mit ausgehöhlten kostbaren Steinen, worein einige Tropfen Rosen-Essenz gegossen wird, verfertigt.
Die theuern Kaschemirshawle wurden diesen Winter täglich allgemeiner, reiche Frauen finden es sehr bequem, durch ein kostbares Kleidungsstück weitläufigen Putz zu ersetzen, und selbst im grösten Negligee zu zeigen, daß sie zu der sehr eleganten Welt gehören.
Der längst vergessene Suwarow ist vor Kurzem an den Beinen der hiesigen Stutzer wieder erschienen, man nannte nämlich nach seinem Nahmen eine besondre Art weiter Stiefel; die Falten dieser Stiefel nannte man eben so, und die Schuster rühmten an den wohlgerathensten dieser Beinkleidungen qu'ils font bien le Souwarof.
Die Stunden der Promenade ändern sich in dieser Jahrszeit nach einem so unwandelbaren Gesetze, daß man die Tuilerien die Sonnenuhr der schönen Welt nennen könnte. Im Winter geht man von zwölf bis zwey Uhr auf der sonnigen Terrasse des feuillans auf und nieder, so wie die Sonne ein wenig steigt, verlängert sich diese Zeit, und einige Stühle geben den Spaziergängern Gelegenheit, etwas gemächlicher des neuen Glanzes zu geniessen. Kurz darauf wird diese Terrasse öde, weil die Sonne daselbst zu warm wird, dieß ist dißmal schon in der Mitte des Märzes geschehen. Man sieht alsdann die schöne Welt zuerst zwischen drey und vier, bald aber zwischen vier und fünf in der langen Kastanien-Allee auf- und untergehen, oder sich in grosser Menge auf die Stühle niederlassen. Bald wird auch dort die Sonne unangenehm, und die Tuilerien sind des Morgens öde, aber Abends desto glänzender besetzt. Die (hier vormittäglichen) Promenaden zwischen drey und fünf waren dißmal in den Tuilerien desto zahlreicher, weil die strengen Untersuchungen an den Barrières die Spaziergänge in den bois de Bologne, die sonst in dieser Zeit vom allerbesten Tone sind, unbequem machten. Nun locken die Spaziergänge nach Longchamp, für welche jene Hindernisse aufgehoben wurden, die spazierlustige Welt in die Champs Elisées, wo auch schon die Ballspiele verschiedner Art und andre Vergnügungen der Jugend wieder angefangen haben. Lieblich ist es zu sehen, wie die ersten lauen Lüfte des Frühlings die elegante Welt aus ihren Besuchzimmern und Cirkeln, und die untern Volksklassen aus ihren dumpfen Gewölben und schmutzigen Strassen, wie mit Zaubergewalt hervorlocken, und alle diese, so weit von der Natur entfernten, Menschen wenigstens auf einige Augenblicke in eine Art von Schäferwelt versetzen.
Die ehemals religiöse, jezt blos modische Spazierfahrt nach Longchamp war übrigens dißmal gar nicht brillant, woran theils der Mangel an Fremden und an Geld, theils die unangenehmen und beunruhigenden Begebenheiten des Moments Schuld seyn mochten. Die elegantesten Damen, statt die Spazierfahrt mitzumachen, giengen zu Fuß und in Ueberröcken von Tuch in die Alleen.
Moden u. s. w.[]
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Es erscheint hier alle fünf Tage ein kleines Mode-Journal, das mit vielem Witze geschrieben ist, und zuweilen Aufsätze von guten Schriftstellern enthält; aus diesem ziehen die andern Journale meistens ihre Moden-Artikel, die daher dieselben Perioden halten. Da diese Quellen auch in Deutschland geschriebenen Journalen offen stehen, und wir an Ort und Stelle lieber aus eigener Ansicht oder aus weniger bekannten Quellen schöpfen, so ziehen wir aus dieser nur zuweilen einige pikante Bemerkungen oder Einfälle. So sind z. B. in einem Stücke dieses Journals, die wöchentlichen Abendvergnügungen einer eleganten Dame, auf folgende Weise vorgeschrieben. "Eine Frau nach der Mode darf nicht vergessen, Montags ins Théâtre françois zu gehen, um Mlle Contat zu sehen, aber sie muß spät in ihrer Loge erscheinen; Dienstags muß sie in die Oper fahren, aber erst zum Ballet anlangen; Mittwochs wird sie wohl thun, in die Opera buffa zu gehen, um daselbst nach Italienischer Sitte ihre Freunde in ihrer Loge zu empfangen. (Dieß scheint mir jedoch hier noch nicht sehr gebräuchlich zu seyn) Donnerstags darf sie bey Picard im Théâtre Louvois lachen; aber in einer Gitter-Loge. Freytags kann sie ins Theéâtre de la Gaîeté fahren, wo der dankbare Löwe ganz wie ein Engel spielt. Samstags muß sie bey sich empfangen, und Sonntags (wo der Lehrmeister von den Abendstunden in die Morgenstunden überspringt) muß sie die milden Beysteuern in ihrer Pfarrey sammeln." Wenige Damen werden diese Vorschriften pünktlich folgen, und die elegantesten würden viel dabey verliehren, da für diese, besonders in Paris, Privatgesellschaften, wo sie selbst eine Rolle spielen, weit amusanter sind, als das Theater. Vor der Revolution übrigens wurde das Schauspiel als der einzige öffentliche Ort angesehen, wo sich eine Dame, die ein Haus hält, zeigen könne.
Für eine gewisse Classe von jungen Leuten werden die Moden ein immer ernsteres Geschäft. Der grosse Sänger G. . . . hat den Ruf, darin den Ton anzugeben, und in der That hat wohl nie ein römischer Censor ernster über die Sitten gewacht, als dieser Virtuose sich für die Moden interessirt. Wenn er in Gesellschaft erscheint, so beschaut er die Menschen von Kopf bis zu den Füssen, und spricht zuerst mit dem, der am elegantesten gekleidet ist, wer nicht nach der Mode ist, den würdigt er keiner Aufmerksamkeit, wer sich ihr aber nähert, wird einer desto strengern Untersuchung gewürdigt, je mehr er dem Urbild gleichkommt. G. vergleicht alsdann die Farben, den Schnitt, die Art genau mit den seinigen, und seine beredten Blicke geben seine Zufriedenheit oder sein Misfallen zu erkennen. Der Modelustige merkt sich diese Winke, läßt am andern Morgen gleich beym Erwachen seinen Schneider hohlen, und sucht das Verfehlte zu verbessern.
Die neuesten Damenmoden sind für den Morgenanzug ein auf einer Seite aufgestülpter Hut und ein Ueberrock mit sehr breitem Kragen. Abends sieht man viele Guirlanden von Rebblättern, noch immer eine beträchtliche Menge Antiken, fleischfarbne Bänder mit weissen Streifen am Rande, runde Coleretten, welche fest anliegen, und die Umrisse der Brust sehen lassen. Statt Shawls von Caschemire trägt man Dolimans oder weisse Shawls. Bey Spazierfahrten müssen die Bedienten nebenher reiten, und der Cavalier auf dem vordern Sitze eines offenen Wagens sitzen, und selbst die Zügel halten. Die Tuilerien sind jezt nur in den späten Stunden des Abends mit schöner Welt besezt, schon eilen viele Familien aufs Land, wo der Hauch der leiseglühenden Frühlingsluft die duftendsten Blüthen mit Macht entfaltet, und des frischen Grünes holden Anblick vor dem fliehenden Auge entfaltet.
Quellen.[]
Literatur.[]
- Paris zur Zeit der Kaiserkrönung. Nebst einer Schilderung der Hauptpersonen bei diesem merkwürdigen Schauspiele. Aus den Briefen eines Augenzeugen. Kölln, bei Peter Hammer. 1805.