Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Paris, wie es jetzt ist,

oder

Neuestes Gemälde

dieser

Hauptstadt und ihrer Umgebungen.


In Briefen

von einem reisenden Deutschen.

Chemnitz

bei Carl Maucke.

1810.

Karl Christian Freiherr von Berckheim


Verzeichniß des Inhalts.[]

Erster Brief. Abreise von Straßburg. Pfalzburg. Lüneville. Nancy. Bar. Ankunft in Paris. Seite 1

Zweiter Brief.. Menschenmenge und Ausrufer auf den Straßen. Sprengmaschinen, Wasserträger. Vervollkommnung des Tanzes. Luxus im Ameublement. Einrichtung großer Häuser. S. 8

Dritter Brief. Art zu leben in Paris. Moden. Eleganz der Pariserinnen. Civiluniformen. Equipagen. Miethskutschen, Fiakers und Cabriolets. S. 19

Vierter Brief. Palais-royal. Gallerieen. Boutiken. Restaurateurs. Kaffeehäuser. Spieltische. Oeffentliche Mädchen. Beutelschneider. Schilder an Häuser. Colporteurs. S. 33

Fünfter Brief. Theater Montansier. Theater françois. Fitz-James. S. 61

Sechster Brief. Der kaiserliche Hof. Die große Parade. Der Cercle Montags in den Tuilerieen. Das Schloß der Tuilerieen. Der Carrousel-Platz. S. 82

Siebenter Brief. Der Frühling in Paris. Der Kay Bonaparte. Die Straße Rivoli, der Pont des Arts, der Kay des Louvre; Pont-neuf. Der Platz Desaix. Die Cité. Die Insel Saint-Louis und Louvier. Der Kay de la Megisserie. Der Pont au Change. Das Theater Feydeau. Herr von Marescalchi. Cherubini. S. 106

Achter Brief. Das Louvre. Restauration des Louvre. Antiken-Gallerie. Spaziergang nach Long-Champ. Die elysäischen Felder. Der Eintrachts-Platz. Die Magdalenen-Kirche und der Magdalenen-Kirchhof. Das Vaudeville-Theater. Der Garten der Tuilerieen. Restaurateur Veri. S. 130

Neunter Brief. Münz-Kabinet. Sicard's Taubstummen-Institut. Hauy's Blinden-Institut. Das Hospital der Quinze-Vingts. Die Große Oper. Das Ballet. Das Pantheon. Die Kirche Notre Dame. Die Morne. S. 166

Zehnter Brief Grève-Platz. Das Rathhaus. Das Palais de Justice, Saint-Chapel. Ehecontrakt und Vermählung des Churprinzen von Baden mit der Prinzessin Stephanie Napoleon. Illumination. Pariser Märkte. Freudenmädchen. Polizei. Invalidenhaus. S. 193

Eilfter Brief. Pallast des gesetzgebenden Corps. Das Luxenburg. Die Gallerie des Rubens. Der Maler David. Die Gallerie Lesueurs und Vernets. Das Boulogner Wäldchen. Die Boulevards. Frascati. Der Garten der Kapuziner. Die Panorama's, der Tempel. Die Thore Saint-Denis und Saint-Martin. Das Theater Louvois. Die Opera Buffa. S. 223

Zwölfter Brief. Festlichkeit in den Tuilerieen. Museum der französischen Denkmähler. Montgolfier. Museum der Künste und Handwerker. Die sogenannte Pots de Chambres. Pumpenleute. Feuermaschine in Chaillot. S. 250

Dreizehnter Brief. Die Kirche von Saint-Sulpice. Das Waisenhaus. Malmaison. Das Theater des Thors Saint-Martin und der Cité. Die Sternwarte. Die Pariser Steinbrüche. Das Trauerspiel: die Tempelherren. Straßen-Beleuchtung. S. 270

Vierzehnter Brief. Vorstellung von Molieres Tartüffe auf dem Theater françois. Der Pflanzengarten. Bicetre. Leonce. Spectakel Pierres. S. 290

Funfzehnter Brief. Die Salpetriere. Die Brücke von Austerlitz. Die Kays an der Seine. Das Theater der jungen Troubadours. Saint-Cloud. Aufenthalt des Hofes daselbst. Porcellan-Manufactur zu Sevres. S. 309

Sechszehnter Brief. Saint-Denis. Thal von Mont-Morency. Saint-Lew. Gemälde-Gallerie des Museums. Der Cardinal Mory. Der Mont Calvaire. Voltaire bei Ninon. S. 333

Siebenzehnter Brief. Versailles. Die Kaiserliche Bibliothek. Tivoli. Manufactur der mineralischen Wasser. Der türkische Gesandte. Abreise von Paris. S. 364

Achtzehnter. Zurückkunft nach Paris. Lothringen. Die Champagne. Weinlese. Aufenthalt des Kaisers in Fontainebleau im Oktober 1807. Das Dorf Tomery. S. 384

Neunzehnter Brief. Illumination in Paris. Carrousel-Platz. Straße Rivoli. Vendome-Platz. Kay Napoleon. Schauspiel. Hotel der Invaliden. Vigiers Bäder. Ausstellung der eroberten Kunstwerke im Museum Napoleon. Das Louvre. Die Tuilerieen. Le Rocher de Cancalle. Das Feydeay-Theater. S. 402

Zwanzigster Brief. Picard's und das Vaudeville-Theater. Das Pantheon. Die Spiegelmanufactur. Barriere des Throns. Das Schloß von Vincennes. Luxenburg. Der Triumph Trajans. Spontini. Der Hausvater, ein Krämerladen. Crawfurd's Gemäldesammlung im Hotel Monaco. Der Pallast des Vicekönigs von Italien. Das Pariser Klima. S. 420


Sechster Brief.[]

Paris am 30sten März 1806.

Am 15ten dieses Monats sah ich zuerst den Kaiser seit seiner Zurückkunft von dem so berühmt gewordenen österreichschen Feldzuge in einem der Privatkoncerte der Kaiserin wieder. Diese Koncerte, die, seit der Hof in Paris wohnt, alle Mittwoch und Sonnabend gegeben werden, haben die Zimmer der Kaiserin zum Local. Um 10 Uhr Abends fangen sie an, und gewöhnlich haben nur die Pallast-Damen und alle diejenigen, welche Aemter bei der Person des Kaisers oder der Kaiserin bekleiden, dabei Zutritt. Da der Kaiser die gute Vocalmusik der Instrumentalmusik vorzieht, so besteht in diesen kleinen Koncerten das Orchester gerade nur aus so viel Tonkünstlern, als zur Begleitung des Gesanges erforderlich sind. Rhigel, den Sie auf seiner Reise durch Deutschland und die Schweiz haben kennen lernen, spielt das Klavier und Kreutzer, einer der berühmtesten Musiker, die erste Violine. Crescentini, ein Kastrat, welchen der Kaiser in Wien in seine Dienste nahm, und der eine außerordentlich liebliche Stimme hat, singt mit dem Ausdruck und dem feinen Geschmack, welche der italiänischen Schule ausschließlich eigen sind. Er ist der einzige Kastrat, unter allen die ich je gehört habe, dessen Stimme sich einer schönen Weiberstimme nähert, und daher äußerst sanft und lieblich klingt. Das Koncert dauerte beinahe eine Stunde, und Martin, ein sehr lieblicher Sänger, der in der italiänischen Schule gebildet zu seyn scheint, so wie Lais, der Mitglied des kaiserlich musicalischen Conversatoriums ist, trugen einige schöne Singstücke vor. Nach Beendigung des Koncerts ward das Abendessen servirt. Die Kaiserin nahm mit allen ihren Damen an der Tafel Platz, während die Herren standen. Nach dem Souper sprach die Kaiserin noch mit einigen Anwesenden und entfernte sich dann gegen ein Uhr Morgens.

Der kaiserlich französische Hof fängt an, sich durch Zahlreichheit und Pracht auszuzeichnen, und wird in kurzen einer der glänzendsten in Europa seyn. -- Der Hofstaat der Kaiserin besteht aus einer dame d'honneur, einer dame d'atour und einer gewissen Anzahl dames du palais, von welchen immer vier vierteljährlich abwechselnd den Dienst haben. Außerdem sind bei dem Hofs der Kaiserin noch ein Hofkavalier, ein Oberstallmeister einige Stallmeister, Kammerherren und Pagen angestellt.

Bei dem Kaiser haben täglich zwei General-Adjutanten, zwei Kammerherren, zwei Stallmeister, ein Pallastpräfekt, und zwei Pagen den Dienst. Hierzu kommen noch die großen Hofchargen, als der Oberkammerherr, Obermarschall, Oberstallmeister, Oberjäger- und Oberzeremonienmeister, welche vermöge ihres Amts sich täglich beim Lever des Kaisers einfinden müssen, er mag in Paris oder in St. Cloud seyn.

Das Etiquette am jetzigen französischen Hofe ist übrigens größtentheils nach demjenigen geformt, was am vormaligen Hofe herrschte, jedoch mit denjenigen Abänderungen, welche die Zeitverhältnisse nothwendig machen. Die Kleidung der Damen an großen Gallatagen ist wie überall ein Schleppkleid und Staatsmantel. Da der Kaiser mit allen angesehenen Staatsämtern in Frankreich mehr oder weniger reich gestickte Uniformen verbunden hat, so erscheinen bei großen Hoffeierlichkeiten alle Herren in Uniform. Der Mantel, den sie dazu tragen, ist nach spanischer Mode, von derselben Farbe und Stickerei, als das Kleid; dazu wird ein Hut à la Henri IV und Schuhe mit Rosetten getragen. Die Uniform der Senatoren ausgenommen, welche dunkelblauer Sammt oder dergleichen Tuch, reich mit Gold gestickt, ist, sind sämmtliche sowohl Hof- als Civil-Uniformen mit Silber gestickt. Alle Hofchargen haben gleiche Stickerei, und nur die Farbe des Kleides unterscheidet die verschiedenen Departements, deren Chefs, welche die obern Hofämter bekleiden, ihre Uniformen zur Auszeichnung, auf allen Nähten reich gestickt tragen. Dieselbe Auszeichnung wird auch den Reichs-Marschällen zu Theil; sie sind die Einzigen, die neben der Militair-Uniform an großen Gallatagen den Staatsmantel und den Hut à la Henri IV trage dürfen. Die Prinzen Cambaceres und Lebrun, der eine als Erzkanzler, der andre als Erzschatzmeister, haben ein ihnen eigenthümliches Hofkleid, welches jedoch im Schnitt von dem übrigen Costume nicht abweicht. Die Prinzen von Geblüt tragen Kleid und Mantel von weißem Sammt, worauf gestickte goldne Adler angebracht sind. Das Hofkleid des Kaisers bei großen Feierlichkeiten hat den Schnitt der Hoftracht unter Ludewig dem Vierzehnten. Es ist von Ponceau-Sammt auf allen Nähten mit Gold gestickt und so wie der Mantel mit goldnen Bienen besäet. Dazu trägt er einen Hut à la Henri IV, an welchem eine prächtige Agraffe von Diamanten befestigt ist, und ein breites reichgesticktes Bandelier, woran ein Degen mit goldenem Griffe hängt, welchem der berühmten Diamant, der Regent genannt, zum Griffe dient. Wenn nicht große Hoffeste sind, erscheint der Kaiser niemals im Staatskleide, und seine Tracht zeichnet sich nur durch die größeste Einfachheit aus. Man sieht ihn stets in der Uniform der Garde mit den Epaulets, welche die Obersten tragen, einen ganz simpeln Hut mit schwarzer Schleife, und kleine Kokarde ohne irgend ein weiteres Abzeichen. Er trägt außer der großen Decoration des Ordens der Ehrenlegion auch noch das Kreuz der bloßen Legionairs und das kleine Kreuz von dem Orden der eisernen Krone. Wenn der Kaiser nicht zu Pferde ist, erscheint er immer in seidenen Strümpfen. Als Jagdkleid hat er eine Uniform eingeführt, welche bei der Parforce-Jagd dunkelgrün mit goldenen und silbernen Tressen, und bei der gewöhnlichen Schießjagd dunkelgrün, ganz einfach ohne Tressen ist. Die grüne Farbe ist überhaupt allgemein bei der Dienerschaft des Kaisers eingeführt. Seine Liverei ist grün mit Gold; seine Equipagen haben dieselbe Farbe, und an den Wagenthüren ist das französische Wappen gemalt.

Der Kaiser erscheint selten öffentlich. Wenn er ausfährt, geschieht es in einem achtspännigen Wagen, vor und hinter welchem ein Detachement entweder von der Garde oder von den Chasseurs der Garde, welche sonst Guiden hießen, folgt.

Vor acht Tagen sah ich zum erstenmal die berühmte Parade in den Tuilerien. Unter der consularischen Regierung fand sie alle zehn Tage Statt; jetzt wird sie nur alle vierzehn Tage oder drei Wochen, und zwar gewöhnlich Sonntags, wenn der Kaiser aus der Messe kommt, gehalten. Es war gegen eilf Uhr Morgens, als man sich nach den Tuilerien in die großen Zimmer des Kaisers begab, wo in dem ersten Vorzimmer, das zum Thronsaal führt, in welchem der Kaiser und die kaiserliche Familie sich befanden, alles was zum Hofstaat des Kaisers und der Kaiserin, der kaiserlichen Prinzen und Prinzessinnen gehört, beisammen war; außerdem war hier auch noch der Staatsrath, die französischen Oberoffiziere, so wie diejenigen versammlet, welche zur Suite des Kronprinzen von Baiern und Churprinzen von Baden gehören. Im zweiten Vorzimmer befand sich das gesetzgebende Corps, das Tribunat, und diejenigen Magistratspersonen und Officiere, welche Zutritt bei Hofe haben. Ungefähr um halb eilf Uhr verfügten sich der Kaiser und die Kaiserin, denen die kaiserliche Familie folgte, und der ganze Hof vorausging, über die große Treppe, an welcher die Garden vom Corps d'Elites ein Spalier formirten, nach der Schloßkapelle. Hier nahm der Kaiser, die Kaiserin, die Prinzen und Prinzessinnen, von ihrem Gefolge und den hohen Hofbeamten umgeben, in der kaiserlichen Tribüne, dem Hochaltar gegenüber, Platz. Die Hofdamen begaben sich in eine Tribüne, die der kaiserlichen zur linken Hand war, und der übrige Hof ging in einen Saal, welcher der kaiserlichen Tribüne rechts liegt, durch große Gitterfenster mit der Kapelle in Verbindung steht, und zugleich den Sitzungen des Staatsrahts zum Local dient.

Nach Beendigung der Messe begab sich der ganze Hof nach den Gemächern des Kaisers zurück, der sich sogleich in den Hof der Tuilerien verfügte, wo bereits die Infanterie, regimenterweise geordnet, aufmarschirt war, so wie sie in der Armee rangirt ist; außerhalb der Schranken aber, auf dem Carousselplatz, hielt die Cavalerie und leichte Artillerie. Die Zahl der hier und auf dem Hofe der Tuilerien versammelten Truppen mochte ungefähr acht tausend Mann betragen; sie bestanden aus zwei Regimentern, welche im Dienst der Stadt Paris sind, drei leichten Infanterieregimentern, die hier in Garnison liegen, drei kaiserlichen Garderegimentern, einigen Escadronen reitender Garde, der Escadron der Gensd'armerie d'Elites, einer Escadron Chasseurs de la Garde, und einer Batterie von acht Kanonen von der leichten Artillerie Garde. Der Kaiser, von seinen Adjutanten, den Reichsmarschällen Bessieres und Moncey, so wie von den Erbprinzen von Baiern und Baden begleitet, stieg zu Pferde und ritt, während das wiederholentlich: Es lebe der Kaiser! gerufen wurde, im vollen Galopp durch die Reihen. Hierauf stieg er ab, ließ jedes Corps mehrere Manoeuvres machen, und dann sämmtliche Truppen bataillonsweise beim Schall der Musik jedes Regiment bei sich vorbei defiliren. Dießmal dauerte die Parade beinahe drei Stunden; denn der Kaiser untersuchte persönlich die Tornister der leichten Infanterieregimenter, um überzeugt zu seyn, daß alles dasjenige, was zur Equipirung des Soldaten gehört, wirklich und in der vorgeschriebenen Qualität vorhanden sey. Nichts entgeht bei solchen Gelegenheiten dem Forscherblick des Kaisers, und der Himmel sey dem Chef gnädig, der sich in dieser Hinsicht etwas vorzuwerfen hätte!

Eine solche Parade gewährt einen herrlichen Anblick. Die kaiserliche Garde zeichnet sich, ob sie gleich mit der Linieninfanterie einerlei Uniform trägt, vor allen andern Truppen, sowohl durch ihre schöne Haltung, ihre Grenadiermützen und feineres Tuch, als ganz vorzüglich dadurch aus, daß sie aus einer Auswahl der schönsten Leute zusammengesetzt ist. Als die Parade geendigt war, kehrte der Kaiser in seine großen Zimmer zurück, wo der gesammte Hof ihn erwartete, und wo er noch einige Augenblicke verweilte, um mit verschiedenen Anwesenden zu sprechen, während er Bittschriften annahm und sich mehrere Fremde vorstellen ließ. Seit der Hof wieder in Paris ist, ist in den Tuilerien jeden Montag Abend großer Cercle, zu welchem alle Personen vom Hofe, die hier erscheinen dürfen, das diplomatische Corps, und diejenigen, welche dem Kaiser und der Kaiserin durch die fremden Gesandten vorgestellt sind, Zutritt haben. Doch um Ihnen einen solchen Assemblee-Tag genau zu schildern, muß ich Ihnen erst vor allen Dingen eine geographische Karte des Locals, nämlich der Präsentations-Zimmer des Kaisers im Schlosse der Tuilerien entwerfen. Der erste Saal, zu welchem die große Schloßtreppe führt, heißt der Marschalls-Saal, weil man hier die Bildnisse alle Reichsmarschälle findet. Er ist von einer sehr hohen Gallerie umgeben, und wird gewöhnlich nur an den Tagen, wo Cercle ist, zu Koncerten und Ballets benutzt. Aus diesem Saal tritt man in den zweiten, welcher zum ersten Vorzimmer des Thronsaals führt. Jene sind sämmtlich mit Gobelins Tapeten geschmückt und kostbar meublirt. Auf den Thronsaal folgt noch ein anderer Saal, in welchem man die Fahnen und Standarten der Garderegimenter und der Gensd'armerie d'Elites als Trophäen zusammengestellt findet. Aus diesem Saal kommt man endlich in die große Gallerie der Diana, die mit den Statüen der berühmtesten Männer Frankreichs geziert ist.

Nun, da Sie orientirt sind, will ich den Faden meiner Erzählung wieder aufnehmen, und Ihnen die großen Cercle, die jeden Montag im Tuilerienschloß gehalten werden, genau beschreiben.

Diese fangen um neun Uhr Abends an. Um diese Zeit versammeln sich die des Zutritts fähigen Personen in dem ersten und zweiten Vorzimmer der großen Kaiserlichen Gemächer. Hier sieht man eine nicht geringe Anzahl junger hübscher Damen, welche reich und mit Geschmack gekleidet sind, in einem Cirkel sitzen, ein Anblick, der zur Bewunderung hinreißt, und großen Effekt macht. Die in diesen Zimmern vereinigte Gesellschaft besteht ungefähr aus sechs bis sieben hundert Personen; sie können daher leicht denken, welch' ein Geräusch hier herrscht, wenn die Unterhaltung recht in Zug kömmt und lebhaft wird. Sobald aber die Flügelthüren des Saals sich öfnen, und die Kammerlakaien, welche an den Thüren der innern Zimmer stehen, die Ankunft des Kaisers ankündigen, so verstummt Alles, jeder stellt sich an seinen Platz, und es herrscht das tiefste Schweigen.

Gewöhnlich erscheint die Kaiserin gegen zehn Uhr Abends in Begleitung der Prinzen und Prinzessinnen von Geblüt. Nach einem ganz kurzen Gespräch setzt man sich zum Spiel, welches höchstens eine halbe Stunde dauert. Die Kaiserin und die Prinzessinnen spielen im Fahnensaal; die andern spiellustigen Personen machen ihre Partien im ersten Vorzimmer. Das hier eingeführte Etikette gestattet nicht, um Geld zu spielen. Auch steht man schnell vom Spiel auf, sobald der Kaiser eintritt, welcher nach dem Marschallssaal zum Koncert geht. Im Innern dieses Saals, der ein längliches Viereck bildet, ist eine prächtige Estrade angebracht, wo der Kaiser und die Kaiserin auf Lehnstühlen sitzen, hinter welchen das diensthabende Personale steht. Neben dem Monarchen und seiner Gemahlin sitzen die Prinzen und Prinzessinnen vom Hause, und entlängst den beiden Seiten des Saals nehmen die Damen Tabourets ein, hinter welchen die Herren, so gut sie können, sich einen Platz suchen. Das Orchester befindet sich am andern Ende des Saals, dem Kaiser gegenüber, und das ganze Koncert besteht in der Regel nur aus einigen Singstücken. Sobald das Koncert aus ist, fängt das Ballet an, wo nur die ersten Tänzer des Ballets der großen Oper tanzen. Diese sind bis dahin in dem daran stoßenden Saal versammlet, und treten aus demselben wie aus Coulissen gruppirt und in den Stellungen, mit welchen das Ballet anfängt, hervor. Obgleich nur die vorzüglichsten Tänzer hier auftreten dürfen, so wird doch in diesen Ballets, weil man sie so nahe sieht, die Täuschung gestört, welche sie auf dem Theater der großen Oper veranlassen; indem hier die weitere Entfernung der Tanzenden, und der magische Effekt der Beleuchtung mancher schlechten Gestalt einen leidlichen Anstrich geben.

Das Ballet dauert ungefähr eine halbe Stunde. Sobald es geendigt ist, geht der Hof in die Gallerie der Diana, wo an mehreren kleinen runden Tischen soupirt wird. Auch hier ist nur den Damen gestattet, zu sitzen; die Männer stehen, und bilden einen Kreis um den Kaiser, der im Saal umher geht, und mit einigen der Anwesenden spricht. In der Regel dauert das Souper eine Viertelstunde; hierauf begiebt sich der Hof in die andern Säle zurück, und die ganze Feierlichkeit hat fast immer gegen halb eins, oder ein Uhr Morgens ein Ende.

Ungeachtet aller Strapazen und Anstrengungen, welche der Kaiser seit einigen Jahren ausgestanden hat, und obwohl ihm seine tägliche Lebensweise zu unaufhörlicher Thätigkeit veranlaßt, so ist doch seine Gesundheit seit dem Jahre 1797, wo ich ihn zum erstenmal auf dem Rastadter Kongreß sahe, sichtlich stärker geworden. Einige Stunden Schlaf abgerechnet, widmet er Tag und Nacht seine ganze Zeit den Geschäften. Da er niemals einen Augenblick der Erholung hat, so muß ihm die Thätigkeit zur Erholung dienen. Bei seiner unaufhörlichen Geschäftigkeit scheint es wirklich, als ob er alle physische Bedürfnisse bezähmt, und sie sich unterwürfig gemacht hätte. Er kann, ohne müde zu werden, mehrere Nächte hintereinander wachen, und auch, so lange er will, schlafen. Oft hat man gesehen, daß er seinen Arbeitstisch, vierzehn Tage oder drei Wochen lang gar nicht verlassen hat, und dann sogleich auf die Parforcejagd geritten ist; nicht minder kann er fünf und zwanzig Lieues in sieben Stunden reiten, ohne daß es ihn angreift. Die Parforcejagd gehört zu den Lieblingsvergnügungen des Kaisers, und ist auch seiner Gesundheit sehr zuträglich. Seine Lieblings-Pferde sind Araber, die er aus Aegypten mitgebracht hat; ihr leichter und sicherer Gang paßt sehr gut zu der bewundernswerthen Gewandtheit und Kühnheit, mit welcher der Kaiser zu Pferde sitzt. Zu geschweigen, daß die politischen Verhältnisse von Europa ausschließlich von ihm bestimmt werden, präsidirt der Kaiser in allen Sitzungen des Staatsraths, welcher alle Verwaltungszweige des großen Kaiserreichs in sich vereinigt. Ueberdieß dirigirt er das Kriegsconseil, läßt mehrmals wöchentlich die Minister zusammenkommen, und wohnt den Kapiteln des Ordens der Ehrenlegion bei. Ungeachtet aller dieser Beschäftigungen, deren jede einzeln jedem andern Regenten zu thun machen würde, bleibt ihm Zeit genug übrig, sich mit der Literatur zu beschäftigen, und nichts zu übersehen, was an neuen interessanten Geistesproducten erscheint.

Die Mammelucken-Garde ist nicht in Paris selbst, sondern in der umliegenden Gegend in Garnison; auch erscheint sie nur selten bei der großen Parade. Rustan, der Leibmammeluck des Kaisers, gehört nicht zu dieser Garde, er dient dem Kaiser persönlich, welcher ihn auch jetzt zum Kammerdiener ernannt hat. Rustan sieht gut aus, und hat einen Ausdruck von Gutmüthigkeit im Gesicht, den man selten bei seinen Landsleuten findet. Er ist nicht sehr schwarzbraun von Farbe, aber groß und dick, und man sollte eher in ihm einen Bewohner der Alpenthäler, als der brennenden Sandwüsten Aegyptens vermuthen. Er trägt stets die Tracht seines Landes, und begleitet den Kaiser, dem er sehr ergeben ist, überall. Vor kurzen hat er sich, wie ich höre, mit einer hübschen Pariserin verheirathet.

Jeden Sonntag speiset gewöhnlich die ganze kaiserliche Familie beim Kaiser, und dann bleibt man länger als zehn bis zwölf Minuten, wie sonst gewöhnlich, bei Tische.

Das Schloß der Tuilerien, welches der Kaiser jetzt bewohnt, hat seinen Namen von einer Ziegelbrennerei, die vorher auf dem Platze dieses Pallastes stand, den Katharine von Medicis im Jahr 1564, nach Philibert Delorme's Zeichnung zu bauen anfing. Unter Heinrich dem Vierten ward mit dem Bau fortgefahren, und derselbe unter Ludewig dem Vierzehnten vollendet. Der Pallast der Tuilerien steht mit dem Louvre in Verbindung, und hat von dieser Seite die Aussicht nach dem Kay der Seine, dem vormaligen Pont-royal gegenüber. Er hat zwei Façaden, wovon eine nach dem Garten, die andre nach dem Karousselplatz hinliegt. Sie bestehen aus fünf Pavillons, und vier Hauptgebäuden, die in einer Reihe stehen. Die Bauart des großen Mittel-Pavillons, der über die andern hervorragt, und auf welchem die Flagge mit dem kaiserlichen Wappen weht, ist aus der dorischen und ionischen Säulenordnung zusammen gesetzt. Im Vorhofe sind fünf Durchgänge angebracht, durch welche man dem Garten der Tuilerien entlängst bis nach den elisäischen Feldern hinauf sehen kann. Die Säulen, welche diesen Vorhof zieren, sind von braunem und rothem Marmor und die Consolen, die sowohl nach dem Hofe als Garten zu an einem Theil des Gebäudes sichtbar werden, sind mit zwey und vierzig marmornen Brustbildern berühmter Männer des Alterthums ausgeschmückt. In den Säulengängen, welche nach dem Garten führen, stehen acht marmorne Statuen in römischer Kleidung und an jeder Seite des Thors siegt man einen Löwen, der sich auf einen Globus stützt.

Der Hof der Tuilerien, der sonst mit mehreren Häusern verbauet war, steht jetzt seinem ganzen Umfange nach frey, und bildet ein längliches Viereck, das von dem Karousselplatze durch ein auf einer Mauer angebrachtes drei Fuß hohes Gitter getrennt wird. Dieses Gitter hat drei Thore; in der Mitte ist das Hauptthor, welches mit vier Waffenbündeln verziert ist; über jedes derselben schwebt ein Hahn mit ausgebreiteten Flügeln. Dieß Thor soll aber bald eine Aenderung erleiden, denn der Kaiser will es in einen Triumphbogen verwandeln lassen, der die Siege seiner Armee in Böhmen und Oesterreich verherrlichen soll. Wirklich legt man auch schon jetzt den Grund dazu. Es ist aber zu besorgen, daß dieser Triumphbogen, wenn man ihm die erforderliche Höhe giebt, der Façade des Pallastes nachtheilig werden und sie zum Theil dem Augen entziehen kann. Auf der Plate-forme der beiden Seiten-Thore des oben erwähnten Gitters hat man die vier Pferde von Bronze gestellt, die sonst den Markusplatz in Venedig schmückten. Diese Pferde gehören zu den ältesten Denkmälern der Kunst; so sehr man sich jedoch in Hypothesen zum Beweise ihrer Alterthümlichkeit erschöpft hat, so weiß man doch den Namen des Künstlers nicht, der sie verfertigte. So viel ist gewiß, daß sie aus Aegypten nach Griechenland gekommen, und von da durch die Venetianer nach Venedig gebracht worden sind, von wo das Gebot des Siegers sie nach Paris führte. Diese Pferde, welche schon ihr Alterthum merkwürdig macht, sind es auch in Hinsicht der Kunst durch die treue Nachahmung der Natur, die man an ihnen bemerkt. Zwar hat der Künstler nicht eigentlich die schöne Natur an ihnen copirt, aber dagegen kann man sich unmöglich eine treuere Nachbildung eines starken, kraftvollen, und nach den Regeln der Anatomie richtig gezeichneten Pferdes denken. Schade ist es jedoch, daß man für diese Pferde keinen schicklichen Standort gewählt hat; denn die ihnen zur Seite befestigten Reverberen machen, daß man einen Theil von ihnen gar nicht sehen kann. Ueberdieß scheint es auch, als on die Art, wie man sie von einander getrennt aufgestellt hat, nicht der Absicht dieses Verfertigers entspräche, der sie wahrscheinlich zu einer Quadriga bestimmte.

Der Karousselplatz, welcher ein längliches Viereck bildet, ist von den Kays der Seine durch die große Gallerie des Louvre getrennt, die auf der kürzesten Seite des Oblongums ihn umgiebt, indem sie an den Tuilerien-Pallast stößt. Drei gewölbte Säulengänge, auf welchen die Gallerie des Louvre ruht, verbinden den Karousselplatz mit dem Kay der Seine, und durch das Pontroyal mit der Vorstadt St. Germain. Da hier viel Passage ist, und wegen der herzuströmenden Menschenmenge bei der Enge des Raums oft großes Gedränge entsteht, so ist der Befehl ertheilt worden, hier noch einige Durchgänge zur Erleichterung der Kommunikation anzubringen. Hierdurch wird dieser Platz noch verschönert werden, der schon jetzt noch einmal so groß ist, als vormals, und mehr als funfzehn tausend Menschen fassen kann.

Auf diesem Karousselplatze versammelten sich am zehnten August 1792 viele Bewaffnete, an deren Spitze Detachements von Marseillern und Bretagnern standen, und bestürmten das Schloß der Tuilerien, welches von allen Seiten umringt war. Die Schweizergarden, so wie ein Theil der Pariser Nationalgarde vertheidigten es lange gegen eine bedeutende Uebermacht, die sich desselben endlich bemächtigte. Der Hof dieses Pallastes war das Schlachtfeld, wo sich der Pöbel nach seinem Siege den schändlichsten Ausschweifungen überließ, und wo man den grössten Theil der Schweizergarden und viele andere, welche sich mit ihnen vereinigt hatten, um die königliche Familie zu erhalten, mordete, während letztere kaum so viel Zeit gewann, sich zu der Versammlung des gesetzgebenden Corps zu flüchten. Von dieser Zeit an hielt die National-Versammlung im Tuilerien-Pallast ihre Sitzungen. Mehrmals noch wurden diese durch Volksaufruhr unterbrochen, und erst seit die Hydra der Revolution erstickt ist, hat dieser Pallast seine ursprüngliche Bestimmung, zum Wohnsitz der Beherrscher Frankreichs zu dienen, wieder erhalten.


Siebenter Brief.[]

Paris den 2ten April 1806.

Wir haben seit einigen Tagen herrliches Wetter, und seit mehreren Jahren den ersten wirklich angenehmen Frühling: och meine solchen Frühling, der an seiner rechten Stelle steht, indem er den Uebergang vom starrenden Winterfrost zur brennendsten Hitze des Sommers bildet. Ich mache mir ihn aber auch recht emsig zu Nutze, und wandere, so wie die Sonne scheint, in ganz Paris umher, welches niemals schöner ist als in dieser Jahrszeit, wo die fast immer schmutzigen Straßen anfangen abzutrocknen, und man doch noch nicht durch die furchtbare Sonnenhitze leidet, die man im Sommer aussteht, wenn die brennenden Sonnenstrahlen etwas anhaltend die engen Straßen und hohen Häuser dieser Stadt durchglühen, und durch Austrocknung der Rinnsteine die Luft mit einem verpesteten Geruch anfüllen. Auch bietet jetzt Paris den Genuß aller Blumen und Früchte späterer Jahrszeiten das. Veilchen, dieses Kinder des Lenzes, Maiblumen und Rosen werden überall von Blumenhändlerinnen ausgeboten, vor denen man nicht eher Ruhe hat, bis sie etwas von ihrer Waare abgesetzt haben, die in großen Körben aufgehäuft ist, und die Luft mit den lieblichsten Düften schwängert.

Paris soll sich seit den letzten zehn Jahren und vorzüglich seit dem Antritt der Regierung des Kaisers außerordentlich verschönert haben. Ihm verdankt man den schönen Kay-Bonaparte auf dem linken Ufer der Seine zwischen dem Pont-royal und dem Pont de la Concorde; die neue Straße Rivoli, welche mit dem Garten der Tuilerien und der Straße Saint-Honoré parallel läuft, nebst mehreren Brücken über die Seine, die theils schon fertig, theils im Werke sind. Ferner den Spaziergang auf den neuen Boulevards unweit des botanischen Gartens; die bereits angefangene Restauration im Pallast des Louvre, und die Verschönerungen, welche dem Platz Vendome bevorstehen, welcher nach den Petits-Champs führt, und wo eine Straße angelegt werden soll, auf welcher man ohne weitern Umweg nach den Boulevards kommen kann. Es ist wirklich erstaunenswerth, mit welcher Schnelligkeit man in Paris baut und zerstört. Das größte Hotel wird in l:angstens vier oder fünf Tagen niedergerissen, und in sechs bis acht Wochen sieht man ein massives Haus, das fertig bis unter das Dach dasteht. Wahr ist es, daß die Beschaffenheit der Steine, deren man sich in Paris zum Bauen bedient, und die man aus den nahe bei der Stadt belegenen Steinbrüchen holt, dem schnellen Fortschreiten der Bauten sehr förderlich ist; denn diese Steine sind sehr zerbrechliche Sandsteine, die sich leicht behauen und sägen lassen. Sie sind von hellgelber Farbe, welche sie jedoch verlieren, und bald dunkelgrau werden.

Ich habe einen sehr interessanten Spaziergang gemacht; ich bin nämlich die Kays der Seine von dem Pont de Tuilerie bis zum Pont des Arts entlängst gegangen. Dieser liegt dem neuen Louvre und dem College-Mazarin gegenüber, welches jetzt Palais des Arts genannt wird. Diese Brücke, die 1804 vollendet ward, ruht auf neun eisernen Bogen, die auf Brücken-Mauern stehen; dieß ist die erste Brücke dieser Art in Frankreich, die nach dem Muster der alten Rheinbrücke in Schafhausen erbaut worden ist. Im Sommer ist sie mit Orangerie und den seltensten Blumen geschmückt, und wird vorzüglich an schönen Sommer-Abenden zu einem sehr angenehmen Spaziergange benutzt, wo man viele Lustwandler, Miethskutschen, einen Limonadier und Musik hier antrifft. Mitten auf der Brücke sind auf beiden Seiten Gewächshäuser mit Glasfenstern angebracht, in welchen die trefflichsten Blumen und fremden Gewächse mit Geschmack und Eleganz Treppenweise ausgestellt sind. Diese Gewächshäuser werden allmählig von Reverberen erleuchtet.

Diese Brücke ist auf Kosten einer Privatgesellschaft erbaut worden, welche die ganze Anzahl übernahm, und dafür auf zwanzig Jahr von der Regierung die Erlaubniß erhielt, von jedem, der die Brücke passirt, einen Sous fordern zu dürfen. Die Passage ist hier so stark, daß an manchen Tagen eilfhundert Franken eingenommen worden sind, so daß bereits jetzt, obwohl erst zwei Jahre verflossen sind, die Actionairs ihr darauf verwandtes Kapital bereits zu zwanzig Procent benutzen.

Der Kay, der die Façade des Louvre entlängst bis zum Pont des Arts und von da bis zum Pont au Change ist sehr breit und stets mit Menschen angefüllt. Hier sieht man unaufhörlich ein bewegliches Gemälde von Kommenden und Gehenden, Wagen und Kabriolets, Karren, Reitern und Fußgängern. Da man sich jetzt mit der Wiederherstellung der Façade des Louvre beschäftigt, so ist dieser Kay nach der Seite jenes Pallastes zu mit vielen behauenen Steinen bedeckt, die, bis sie gebraucht werden, so wie die Stufen des Trottoirs an der Seine, den Kleinhändlern als Tische dienen, um ihre Waaren darauf auszulegen. Dieß gewährt einen höchst possierlichen Anblick, und es ist äußerst interessant, alle die Mittel zu bemerken, deren sich die Industrie dieser Leute bedient, um den Absatz ihrer Waaren zu befördern. Schon um sechs oder sieben Uhr Morgens finden sich diese Trödler auf den Kays ein, wo sie den Vorübergehenden Schwefelhölzchen, Stöcke, Bücher und alte Lumpen anbieten. Unter diesen kleinen Krämern habe ich vorzüglich einen bemerkt, der mich ergötzt, so oft ich hier vorbei gehe. Sein Magazin, das er auf den Straßenpflaster auslegt, besteht in einem alten Lappen von Haute-Lisse, und einigen zerbrochenen Nachtgeschirren von Fayence, in etlichen Paaren alter Schuhe, in einer ganz zerbrochenen Laterne und einigen alten durchlöcherten Hüten. Der Besitzer, der selbst mit Lumpen bedeckt ist, geht mit Würdevoller Miene und übereinander geschlagenen Armen vor seinem Waarenlager auf und ab, und schreit sich heiser, indem er alle Vorbeigehende einladet, ihm etwas abzukaufen. Findet ein solcher Trödler an dem Platze, wo er sich niedergelassen hat, nicht den gehofften Absatz, und glaubt er, an einer andern Straßen-Ecke bessere Geschäfte zu machen, so packt er seinen Kram zusammen, und faßt anderswo Posto. Das bewegliche Gemälde dieser Kays wird noch mannichfaltiger durch eine gewisse Gattung Restaurateurs, welche hier ihre tragbaren Etablissements aufgestellt haben. Diese bestehen in Kesseln, die auf Kohlen stehen, worin man Kaldaunen, Fleisch- und Blutwürste kocht; während andere auf kleinen Tischen durch einige kleine Flaschen Cyder und Brandtwein die Leckermäuler anzulocken suchen.

Die Vornehmsten dieser Höker und Hökerinnen befestigen, um sich gegen das unfreundliche Wetter zu schützen, einen Regenschirm entweder an den Tisch, auf welchem sie ihre Waaren auslegen, oder an den Stuhl, worauf sie daneben sitzen. Diese Vorsichtsmaaßregel gewährt ihren auch im Sommer Schutz gegen die Sonnenstrahlen.

Auf diesen Kays, die von zehn Uhr Morgens bis fünf Uhr Abends von Menschengedränge nicht leer werden, findet man eine Menge von Bänkelsängern, die in dem Kostüme des Pierot auf der Bühne einen kleinen Tisch oder Stuhl besteigen, den sie bei sich tragen, und auf welchem sie Lieder absingen, die sie zugleich gedruckt abzusetzen suchen. Außer dieser Ergötzlichkeit findet man hier auf noch Gukkasten, Polichinells, die auf einem kleinen dazu errichteten Katheder alle erdenklichen Possen machen; Luftspringer, Taschenspieler, und endlich einen schon etwas bejahrten Mann, der aus den Karten prophezeit, und den ich auch einigemal auf den Boulevards angetroffen habe. Dieser Mann, der blind ist, oder doch sehr natürlich den Blinden spielt, wird immer von einer alten Frau begleitet, welche eine Uhr mit einem Glocken-Spiel, einen kleinen Tisch, ein Spiel Karten und ein kleines Buch bei sich führt. Vermittelst des letztern wahrsagt er den Neuigkeiten, die er durch eine wohlgesetzte Rede über die Erhabenheit der geheimen Wissenschaften und die Gabe der Weissagung herbeilockt. Diese schöne, mit bewundernswürdiger Ernsthaftigkeit hergesagte Rede ist gerade von der Art, wie Moliere's Vertheidigung des Petit-Jean, indem dieser den Advocaten bei George Dandin spielt. Tagtäglich werden diese Volksergötzlichkeiten wiederholt, und niemals fehlt es an ganzen Schaaren von Leuten, die sie bewundern. Hierüber darf man sich nicht wundern; denn die Pariser, die sehr schaulustig sind, stehen um der geringsten Kleinigkeit willen still, und versammeln sich, so daß nichts leichter ist, als sie zum Besten zu haben und sie hernach auszulachen.

Wenn man jenseits die Seine entlängst geht, kommt man zum Pont-Neuf, der schönste, größten und besuchtesten Brücke von Paris. Sie ward unter der Regierung Heinrichs des Dritten angefangen, und von Heinrich dem Vierten vollendet, dessen Statue zu Pferde auf einem kleinen viereckigten Vorsprunge ausserhalb der Brücke aufgestellt war, welcher daher Platz Heinrich des Vierten hieß. Im Jahre 1714 ward diese Statue errichtet. Während der Revolution warf man sie 1792 um, und pflanzte an ihre Stelle die Lärmkanone auf.

Jene, beinahe mitten in Paris gelegene Brücke ist einer der vorzüglichsten Kommunikationen zwischen beiden Ufern der Seine, und führt nach dem Viertel der Cité, welche auf einer Insel in der Seine erbaut ist, deren äußerste Spitze den Pont-Neuf in zwei Abschnitte theilt. Dieser Brücke ist, wie alle Brücken in Paris, aus Quadersteinen erbaut, und ruht auf zwölf Bogen. Die Mitte der Brücke ist für Fuhrwerke bestimmt, und auf beiden Seiten sind Trottoirs einen Schuh hoch für die Fußgänger angebracht, welche mit steinernen Armlehnen oder Geländern versehen sind, neben denen man an den Pfeilern halbmondförmige Vorsprünge findet. Mitten auf der Brücke, dem Eingange zur Cité gegenüber ist jetzt, an der Stelle, wo die Bildsäule Heinrichs des Vierten stand, ein sehr gut eingerichtetes Kaffeehaus und ein Garten angelegt; seitwärts ist eine Militairwache, und am Wallgange im Strom hat man Bäder angelegt.

Auf dem zweiten Bogen des Pont-Neuf, nach dem Louvre zu, sieht man ein kleines Gebäude, la Samaritaine genannt, worin eine Wasserkunst und eine Uhr mit einem Glockenspiel befindlich sind, und was sonst den Titel Chateau royal führte. Es wird von dem Aufseher der Pumpe bewohnt, die das Wasser der Seine nach dem Louvre, dem Tuilerien-Garten, und den benachbarten Vierteln führt.

Von dem Pont-Neuf ging ich nach dem Platz Desaix, sonst Place-Dauphine genannt, und in der Cité belegen. Hier sieht man das Monument, das die Freunde dieses berühmten Feldherrn ihm errichtet haben. Es liegt dem Wallgange des Pont-Neuf, wo sonst die Bildsäule Heinrichs des Vierten stand, gegenüber.

Dieses mit einem Springbrunnen verzierte Monument stellt das kriegerische Frankreich vor, das die Büste des Generals Desaix mit Lorbeern krönt. Auf den vier Seiten des Fußgestelles sieht man Bas-reliefs und Inschriften, welche die verschiedenen Großthaten verewigen, wodurch Desaix die gerechtesten Ansprüche auf den Lorbeer des Helden sich erwarb; unten sind die Namen der Errichter des Monuments eingegraben. Alle Häuser, die diesen Platz umgeben, sind von gleicher Bauart, und stehen von beiden Seiten zweien Kays gegenüber; nämlich dem de l'horloge und dem des orfêvres, wo man die größten Magazine von Gold- und Silbergeschirr und Bijouterien findet.

Ich komme niemals nach der Cité, ohne auf den Gedanken zu rathen, daß ich sehr weit von Paris entfernt sey. In der That herrscht hier eine ganz andre Lebensart, und ein völlig von dem übrigen abweichender Ton. Die Einwohner der Cité sind größtentheils Handelsmänner, Kaufleute und Handwerker, die sich so kleiden, und einrichten, wie es für ihren Stand paßt. Da sie nur von dem Ertrage ihres Gewerbes und ihrer Industrie leben, sind sie viel zu gute Wirthe, um sich dem Geschmacke an den Vergnügungen und kostspieligen Lustbarkeiten gleich den andern Bewohnern von Paris zu überlassen. Man findet in dem weiten Umfange dieses großen Viertels nur wenige zu öffentlichen Zusammenkünften bestimmte Oerter und nur einen einzigen Schauspielsaal, der aber jetzt beschlossen ist, weil keine stehende Truppen hier ihren Unterhalt finden kann. Man bedient sich seiner nur alle vierzehn Tage, wo die Schauspieler-Gesellschaft von dem Théâtre de la porte Saint-Martin aus Spekulationsgeist hier eine Vorstellung giebt. Die in Paris sonst überall herrschende Gewohnheit aus Tag Nacht, und aus Nacht Tag zu machen, ist den Bewohnern dieses Viertels noch unbekannt. Um eilf, höchstens halb zwölf Uhr Abends ist jeder zu Hause, und die Straßen sind leer und einsam. Man findet in diesem Theile der Stadt noch jene alten Gebräuche, jene Einfachheit der Sitten jene Zurückgezogenheit und Gutmüthigkeit, durch welche sich in der Regel Handelsstädte vom zweiten Range auszeichnen. Dieß muß um so mehr Verwunderung erregen, da die Cité im Mittelpunkt von Paris liegt, und daher einem Kerne gleicht, der sich, obwohl seine ganze Schaale verfault ist, unversehrt erhalten hat. Das Viertel der Cité ist eigentlich die Wiege von Paris, diesem alten Lutetia, dessen Cäsar schon gedenkt, und an welches sich Kaiser Julian mit Vergnügen erinnerte.

Ich will Sie eben so wenig mit der Etymologie der Namen Lutetia und Paris als mit den gelehrten Untersuchungen unterhalten, welche über diesen Gegenstand Statt gefunden haben; denn schwerlich würden Sie mir es verzeihen, wenn ich meine Zeit mit Erzählung alter Hypothesen zubrächte, Indeß Sie wünschen mit neuern und interessanteren Gegenständen unterhalten zu werden.

Aus der Cité kommt man durch eine Kommunikation nach der Insel Saint-Louis; dieses Stadtviertel enthält lauter grade Straßen, einige schöne Hotels, hübsche Häuser und Kays von Quadersteinen. Die mehrsten Einwohner sind Privatleute, die von ihrem Vermögen leben, und sich diese stille friedliche Wohnung, wo man fast niemals Geräusch hört, gewählt haben, um in die der Abgeschiedenheit dem Tumulte zu entgehen, der in den andern Vierteln von Paris herrscht. Die Insel Saint-Louis, wo die Gassen so wenig betreten werden, daß man Gras darin wachsen sieht, und wo alle Häuser sorgsam verschlossen sind, ist in einem Gewirre von Paris eine so seltene Erscheinung, daß man sie nicht eher für möglich hält, als bis man sie selbst sieht. Ganz in der Nähe liegt die kleine Insel Louviers, die nicht bewohnt ist, aber bedeutende Schiffswerfte hat.

Der Kay de la Megisserie am rechten Ufer der Seine gehört zu denen, die am meisten besucht werden; gewöhnlich nennt man ihn Kay de la Ferraille, wegen das vielen alten Eisens, welches dort verkauft wird. Dieser Kay, der zwischen dem Pont-Neuf und Pont-au-Change liegt, ist gewöhnlich gedrängtvoll von Menschen, und berühmt wegen des Blumen-, Kräuter- und Obsthandels, der dort getrieben wird. Die mehresten Vogelhändler haben eine vollständige Menagerie, die aus allen Arten Vögeln, Hunden und Affen besteht. Das verschiedene Geschrey aller dieser Thiere, welches sich mit dem Rufen der Kolporteurs und Höker, so wie mit den Gesprächen der Vorübergehenden, die sich unaufhörlich drängen und stoßen, vereinigt, wirkt ganz seltsam auf das Ohr. Gewöhnlich ist hier etwas Neues für müßige Zuschauer zu sehen: entweder wilde Thiere, Wachsfiguren, oder andere Dinge dieser Art, zu deren Beschauung gedungene Ausrufer mit der größten Anstrengung ihrer Lungen die Vorübergehenden einladen. Der Pont-au-Change, der auf den Kay de la Ferraille stößt, ist sehr breit; dieser Name rührt noch von der Zeit her, wo auf dieser Brücke, die damals noch hölzern war, und jetzt von Steinen aufgeführt ist, mehrere Wechselladen standen.

Ich habe in diesen Tagen bei dem Prinzen Cambaceres gespeiset, der vormals zweiter Konsul der französischen Republik war, und jetzt Reichs-Erzkanzler ist. Man ißt in ganz Paris bei ihm am besten, und er macht einen sehr guten Wirth. Er ist ein Mann schon bei Jahren mit einem geistreichen Gesicht; vor der Revolution war er ein berühmter Rechtsgelehrter.

Da er nach dem Mittagsessen Besuche erhielt, so schlich ich mich durch die Menge von Gästen, welche alle Zimmer füllten, nach dem Theater Feydeau. Hier ward Richard Löwenherz gegeben; ein zwar altes Stück, dessen Vorstellungen aber im Jahr 1792 unterbrochen werden mußten, um den blutigen Auftritten zu steuern, welche er damals veranlaßte, als das Ungestüm der damals herrschenden, sich gerade entgegengesetzten Meinungen jede, auch die geringste Gelegenheit benutzte, um blutige Streitigkeiten anzufangen. Erst seit kurzem ist diese Oper, welche jetzt nicht mehr auf die Zeitverhältnisse anspielt, wieder auf die Bühne gebracht, und mit der enthusiastischen Bewunderung aufgenommen worden, welche im französischen National-Charakter liegt.

Gretry, der brave Gretry, der Lieblingskomponist der französischen komischen Oper, hat vor kurzem einer Vorstellung dieses allerliebsten Stücks beigewohnt, und sich mit erneutem Vergnügen über den Effekt seiner Komposition und den ausgezeichneten Beifall, welchen ihm das Publikum schenkte, gefreut. Gretry, der in der Revolution beinahe sein ganzes Vermögen einbüßte, hat sich das kleine Haus gekauft, welches Rousseau in Montmorenci bewohnte. Hier bringt er den Sommer zu, und lebt als wahrer Weltweiser nur für die Natur, die Kunst und seine Familie.

Elleviou, der mit Gefühl und Ausdruck die Rolle des Blondel spielte, wurde unaufhörlich beklatscht, als er die Arie: "O Richard! ô mon roi, l'univers t'abandonne!" sang. Madame Saint-Aubain, die erst seit einigen Tagen die Bühne verlassen hat, und jetzt nur noch aus Gefälligkeit spielt, hatte die Rolle des jungen Mädchen übernommen, und führte sie mit hoher Vortrefflichkeit aus. Den Antonio spielte Gavaudan, dem Charakter sehr getreu und mit liebenswürdiger Naivetät.

Das Theater Feydeau oder das kaiserliche Theater der komischen Oper ist in allen Rücksichten eins der vorzüglichsten Pariser Schauspiele. Das Local ist gut eingerichtet, und geschmackvoll verziert; und das Orchester, in welchem die trefflichsten Künstler spielen, ist, man mag auf das Ensemble oder auf die Ausführung sehen, das erste in Paris. Grasset, den Sie auf seiner im Jahr 1790 gemachten Reise durch Deutschland haben kennen lernen, spielt die erste Violine, und Frederic, ein Zögling des Punto, den er noch an Lieblichkeit und Mannigfaltigkeit der Töne übertrifft, bläst das erste Horn.

Madame Saint-Aubain, welche den Platz der Dugazon ausfüllt, ist wirklich eine vollendete Schauspielerin. Sie hat so viel Grazie, so viel Ausdruck in der Physionomie, und eine so edle Kunstlosigkeit des Geberdenspiels, daß man gern ihr zunehmendes Alter vergißt, und es bedauert, daß sie dieses Theater verlassen hat, bei welchem man keine andre Schauspielerin findet, die sie ersetzen könnte.

So gern ich Madame Saint-Aubain spielen sehe, so muß ich doch noch immer den Verlust der Dugazon bedauern, die mit einer niedlichen Figur, welche selbst durch ihr Embonpoint nicht entstellt ward, alle Vorzüge vereinigte, welche Kunst und ein seltenes Talent hervorbringen können. Niemals, nein wahrlich niemals! kann eine andre die Rolle der Nina in so hoher Vollendung darstellen. Madame Saint-Huberti, von welcher ich sie in der Provinz spielen sahe, hat mich bis zu Thränen gerührt; aber Madame Dugazon hat durch das schauervolle Entsetzen, welches sie mir einflößte, gemacht, daß diese Thränen vertrockneten. Elleviou, der Liebling der Damen, gehört zu den ausgezeichnesten Schauspielern des Theaters Feydeau; er ist ein schöner Mann, und einer der vortrefflichsten Sänger in Paris. Seine Hauptstärke hat er in der Gattung leichter Musik, welche die französische Operette charakterisirt. In den Liebhaber- und Stutzerrollen läßt Elleviou nichts zu wünschen übrig; weniger gelingen ihm die sentimentalen und anstandsvollen, welche zu Gavaudan's Fache gehören. Martin, der durch seine Stimme und die treffliche Methode, welche er der italienischen Schule verdankt, bekannt ist; Baptiste, ein liebenswürdiger Schauspieler, und Chenard, einer der ersten Pariser Bassisten, sind sämmtlich bei diesem Theater angestellt. Ich habe hier vor einigen Tagen die erste Vorstellung de Sargines, einer Oper, deren Text von Monvel, und die Musik von Daleyrac ist, gehört. Dieses Stück war seit der Revolution nicht mehr auf die Bühne gebracht worden. Demoiselle Pingenet spielte die Sophie mit dem ganzen Ausdruck des Edelsinns und der Empfindung, welcher diese Rolle fähig ist, und Chenard gab den alten Bauer so vortrefflich, daß ihm allgemeiner Beifall zu Theil ward.

Eine Annehmlichkeit, welche alle Theater von Paris und sogar die kleinen Theater der Boulevards haben, ist die, daß man in jedem Theater geschmackvolle und sogar mitunter elegant eingerichtete Nebenzimmer findet, wo man sich im Winter wärmen und im Sommer abkühlen kann. In demselben Local findet man auch Limonadeverkäufer, so wie auch kleine Bücherbuden, in denen die Texte aller Stücke, die auf dem Theater, wo sie sich befinden, gegeben werden, zu bekommen sind.

Eine in allen Pariser Theatern eingeführte und, wie es mir vorkommt, zuletzt unerträglich werdende Sitte ist, in allen Zwischenakten das unaufhörliche Umherlaufen einer ganzen Menge von Burschen, die Limonade verkaufen. Diese durchstreifen die Logen, die Gallerien, das Parterre und Parquet, und bieten mit einem ganz eigenthümlichen Sprachtor Erfrischungen, als Orgeade, Limonade und Gefrornes feil. Außer diesen laufen noch andere kleine Jungen durch den Saal, die mit kreisender Stimme den Text des aufgeführten Stücks, oder das Journal de l'Empire, oder das Journal du Soir ausbieten. Höchst sonderbar ist es, daß Leute, die seit dreißig bis vierzig Jahren die Pariser Theater besuchen, mich versichert haben, daß der seltsame Ton dieser Ausrufer sich niemals verändert hat, und stets derselbe geblieben ist.

Ich habe in diesen Tagen auf einem Diner beim Herrn von Marescalchi, dem Minister der auswärtigen Verhältnisse des Königreichs Italien, eine zweite Ninon-Lenclos, in Madame Visconti aus Mailand, kennen gelernt. Diese Frau, welche eben so sehr durch ihren Verstand als durch ihre Liebenswürdigkeit Bewunderung erregt, soll sich den Funfzigen nähern; dennoch ist sie eine der schönsten Frauen in Paris, und erwirbt sich jeden Tag neue Anbeter. Sie ist groß, hat einen herrlichen Wuchs, einen majestätischen Anstand, und bietet das vollendeste Ideal der Mutter der Götter dar. Als Landsmännin des Ministers machte sie neben ihm die Wirthin bei der Tafel, die zu der ausgesuchtesten der Hauptstadt gehört.

Der gute Cherubini, der bekannte Componist der Oper: der Wasserträger, ist vor kurzem von einer Reise nach Wien zurückgekehrt, wo er mit dem Enthusiasmus aufgenommen wurde, den sein Talent, welches Haydn's und Mozart's Landsleute nach seinem Werthe zu würdigen wissen, verdient. Cherubini, der ein eben so bescheidener als interessanter Mann ist, hat nach dem Wasserträger noch einige Opern componirt, die durch Schuld der Kabale den verdienten Beifall nicht erhalten haben. Gerade jetzt setzt er eine neue Oper für das Theater Feydeau, dem er alle seine Arbeiten gewidmet hat, in Musik.

Doch der Schlaf überfällt mich, und erinnert mich, daß ich diese Epistel beendigen muß, die ich mit der Erwähnung einer der liebenswürdigsten Damen und eines der trefflichsten Komponisten in Paris schließe. Möchten diese beiden Gegenstände nach einer sehr gewöhnlichen Verkettung der Ideen Ihre Phantasie angenehm beschäftigen, und Ihnen liebliche Träume vorsaubern, in welchen sich die Freuden der Liebe und die Hochgenüsse der Harmonie Ihnen vergegenwärtigen.


Neunter Brief.[]

Paris am 8ten April 1806.

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Gestern Abend war ich in der großen Oper in der Rue de la loi, die man jetzt die kaiserliche musikalische Akademie nennt. Der Saal dieses Schauspiels ist zirkelrund, und erhält vier Reihen Logen über einander; er ist mit Säulen geschmückt, die zwar gut ins Auge fallen, aber zuviel Platz einnehmen, und an einigen Stellen am Sehen hindern. Gestern gab man die Oper Saul, deren Musik aus den besten musikalischen Werken der berühmtesten Komponisten, als Haydn, Mozart, Winter, Paisiello, Martini, Cimarosa, und andern zusammengesetzt ist. Der Kompilator dieser Musik hat sich auch nicht einmal Mühe gegeben, sein Plagiat zu verbergen; denn man erkennt sehr bald in dieser Mischung, die wirklich einen vortrefflichen Effekt macht, die Bestandtheile, aus welchen sie zusammengesetzt ist.

Die große Oper, die ehemals wegen ihrer reichen Decorationen, die einen höchst magischen Effekt thun, durch die Schönheit und Pracht ihres Kostums, durch die Vortrefflichkeit ihres Orchesters und Ballets, und die ausgezeichneten Talente der dabei angestellten Künstler, so sehr berühmt war, erreicht jetzt nicht mehr den hohen Grad der Vollendung, der ihr sonst die erste Stelle unter allen hiesigen Schauspielen zusicherte. Die Decorationen und die Maschinerie, die in einem Augenblick die erstaunenswerthesten Veränderungen bewirkt, verdient noch immer Bewunderung. Das Ensemble des Orchesters, dessen richtige und genaue Ausführung, der schöne Einklang aller Instrumente, gewähren noch immer denselben Genuß; nur kann man dem Talent der Sänger und der Ausführung der Vocalmusik nicht mehr dasselbe Lob beilegen. Keine einzige Stimme zeichnet sich jetzt bei diesem Theater aus, und es erregt ein sehr unangenehmes Gefühl, wenn man die herrlichste Musik durch Sänger entstellen hört, welche die italienische Methode mit der französischen vereinigen wollen, und dadurch einen geschmack- und ausdruckslosen Mischmasch hervorbringen. Da hört man Stimmen, die sich überschreien, dissonirende Cadenzen, und Triller ohne Ende; so daß man ohne Anmaßung diesen Künstlern aus der neuen Schule die Gerechtigkeit wiederfahren lassen muß, zu gestehen, daß sie das Talent, der guten Musik allen Effekt zu benehmen, in der höchsten Vollkommenheit besitzen. Wenn unser guter Gesanglehrer diese Singweise vernähme, er würde mit der Miene der Zerknirschung, die er im höchsten Unwillen annahm, sagen: "lieben Leute, schreien heißt nicht singen."

Ich habe neulich eine Vorstellung der Oper Don Juan mit untermischten Balletten auf diesem Theater beigewohnt. In Hinsicht des Kostum's, der Decorationen und Ballets war das Ganze vortrefflich; was dagegen die Ausführung der Musik dieses Meisterwerks des unsterblichen Mozart betrifft, welches die Zartheit, den Einklang, den feinen Geschmack und die gefällige Behandlung erfordert, die allein die Methode der italienischen Schule geben kann, so ward diese gänzlich verfehlt. Es ist wirklich zu bedauern, daß dieses Theater, welches bei so vielen vereinten Vorzügen das Erste in der Welt seyn könnte, nicht mit mehr Sorgfalt dirigirt wird, und daß man sich nicht eifriger bemüht, Künstler von vorzüglichern Talenten dabei anzustellen. Es scheint aber fast, als ob Madame Saint-Huberti, nachheriger Markisin von Entraigues, eine Zöglingin des berühmten Ritters Gluck, deren einfache und kunstlose Methode, so wie ihr vortreffliches Mienenspiel, ihr die allgemeine Bewunderung erworben hatten, diesem Theater, als sie es verließ, den Vorzug, glänzende Talente zu besitzen, geraubt habe. Madame Armand und Laïs sind jetzt das Vorzüglichste, was die Oper besitzt; denn der Demoiselle Maillard kann ich nicht mehr erwähnen; da ihre immer zunehmende Körperfülle sie gezwungen hat, von der Bühne abzutreten.

Ich weiß nicht, welchen Grad der Vollkommenheit das Ballet vor der Revolution erlangt hatte; aber darin ist jedermann einig, daß es seitdem noch vorzüglicher geworden ist. Wirklich kann man, ohne es gesehen zu haben, sich keine richtige Vorstellung von der Schönheit eines Anblicks machen, der an Reichthum und Eleganz der Kostum's, an Grazie, Gruppirungen, Stellungen, und hinreißender Schönheit der Formen alles gewährt, was nur Kunst und sinnlicher Reiz darbieten können. Der berühmte Vestris, Madame Gardel, bei deren Reizen und hohem Kunsttalent man vergißt, daß sie nicht mehr jung ist, Henry, die jugendliche Millier, die reizende Clotilde, die Schwestern Faulnier bilden einen Verein, der die Magie des Sinnreizes zu einer schwindelnden Höhe erhebt. Die Krone der Tänzer ist aber jetzt der junge Duport, den Vestris, wegen des großen Umfangs seines Talents beneidet, und in ihm einen Mitbewerber sieht, der ihm jeden Augenblick den Ruhm: der erste Tänzer zu seyn, entreißen wird. Er hat neuerdings ein Ballet, der Barbier von Sevilla, verfertigt, das schon mehrmals getanzt worden ist, und worin er und seine Schwester den allgemeinsten Beifall verdienten.

Vor einigen Tagen habe ich eine himmlische Musik gehört: es war die Ouverture, der Barden, einer großen Oper, die Jean-François LesueurLesueur, Kapellmeister beim kaiserlichen Conservatorium komponirt hat. Zwölf Harfen im Orchester, welche sich mit einemmale hören lassen, machen einen Eindruck, der sich nicht beschreiben läßt; man glaubt Harmonien himmlischer Töne zu hören, welche an Wohlklang noch die der Harmonika übertreffen, und die Seele in überirdische Räume, welche die Phantasie bildet, erheben. Eine neue Oper, Uthal, von demselben Komponisten, die vor einigen Tagen auf dem Theater Feydeau vorgestellt wurde, macht denselben Harmonischen Effekt, wenn Fingal, die Harfe in der Hand, im Gefolge der Druiden auftritt. Lesueur's Kompositionen sind im Ganzen im großen Styl und von der ernsthafteren Gattung. Sie scheinen mehr für die Kirche als für die Schaubühne geeignet zu seyn, für welches Mehul, der Komponist des Irato und der Chasse du petit Henri ein entschiedeneres Talent gezeigt hat, da er die Kunst verstand, die wahre Methode der italienischen Schule s|ich vollkommen eigen zu machen.

Auf einer meiner letzten Wanderungen durch Paris habe ich das berühmte Pantheon besucht, welches so oft in den Jahrbüchern der französischen Revolution erwähnt wird. Es liegt an dem Berge der heiligen Genovefa, und man hat von seinem Thurm eine weite Aussicht über Paris und dessen Umgebungen. Ursprünglich war dieses Monument für die neue Kirche der heiligen Genovefa bestimmt; es ward aber zu Anfange der Revolution zur Nachahmung des römischen Pantheons durch ein Decret der National-Versammlung zum Pantheon der großen Männer Frankreichs und zur Aufbewahrung ihrer Asche bestimmt. Mit großer Pracht setzte man hier Mirabeau's Leiche, die Asche Voltaire's und Rousseau's, so wie den Körper des ermordeten Marats und die Leichname einiger andern Heröen der Nation bei. Dieser Enthusiasmus war jedoch von kurzer Dauer; und gleich dem Jupiter, der nach Willkühr die Götter in den Olymp aufnimmt, und daraus verjagt, nahm das Volk die Asche des einen heraus, und stellte die eines andern wieder herein; bis endlich vor einigen Monaten der Kaiser diesen Tempel aufs neue der Gottesverehrung weihte, und ihn zugleich zum Begräbnißplatz der Reichsmarschälle, Senatoren, und berühmten Männer Frankreichs bestimmte. Diese Kirche, welche im Jahr 1757 unter Ludewig des Funfzehnten Regierung nach Soufflot's Rissen zu bauen angefangen wurde, hat die Gestalt eines Andreas-Kreuzes, und sein Portal hat, wie das Pantheon zu Rom, ein Peristyl von zwei und zwanzig korinthischen Säulen, von denen achtzehn isolirt stehen.

Das Portal hat drei Thore, an welchen allerlei Verzierungen und Bas-reliefs von vortrefflicher Arbeit angebracht sind; unter dem Peristyl sieht man vier schöne kolossale Bildsäulen. Das Innere der Kirchen hat vier Schiffe, in deren Mitte der Dom steht, der von außen gesehen, einen zirkelförmigen Tempel vorstellt, und von zwei und dreißig korinthischen Säulen getragen wird. Unter der Kirche ist ein weites Souterrain; hier sieht man zwei Sarkophage, deren eins die sterblichen Ueberreste des Philosophen von Ferney, der andere Rousseau‘s Asche einschließt. Die Zwietracht, in welcher diese beiden großen Männer dadurch, daß sie sich einander ihren Ruhm beneideten, lebten, hat doch nicht hindern können, daß der Drang der Zeitumstände sie nach dem Tode vereinigt hat. Man will jedoch sagen, daß Rousseau's Asche dem Herrn von Girardin, dem Besitzer von Ermenonville werden wieder gegeben werden, der sie zurück begehrt hat. Das Innere des Pantheons ist nicht ganz vollendet; aber man ist sehr eifrig damit beschäftiget, und es läßt sich erwarten, daß dieses Gebäude, nach seiner Beendigung, eins der schönsten Monumente der französischen Baukunst seyn werde.

Die Metropolitan- oder Cathedral-Kirche von Paris ist die Kirche Notre-Dame, welche fast mitten in der Cité unweit des Hotel-Dieu liegt. Sie ward unter dem Kaiser Valentinian dem Ersten gegen das Jahr 365 der christlichen Zeitrechnung auf den Ruinen eines Tempels erbaut, den die Bewohner der alten Lutetia dem Castor und Pollux errichtet hatten. Unter Childebert's des Ersten Regierung ward sie vergrößert, und im Jahr 1185 unter Philipp August vollendet. Die Hauptfaçade dieses Tempels, eines Ueberbleibsels der edlern gothischen Bauart, hat drei Thüren, an welchen Figuren und Statuen angebracht sind. Ueber den beiden Seitenthüren ragen zwei ungeheuer große viereckige Thürme hervor, deren jeder zweihundert und vier Fuß hoch ist, und zu welchem man auf einer Treppe von dreihundert neun und achtzig Stufen steigt. Zwischen beiden Thürmen ist eine sehr schöne Gallerie, die von gothischen Säulen getragen wird.

Das Schiff und das Chor haben doppelte Nebenflügel, über welchen großen Gallerien schweben, in deren Zwischenräumen kleine, aus einem Stück gehauene Säulen angebracht sind. Auf der mittlern Gallerie des Chors, dem großen Haupteingange gegenüber, sind die den Russen und Oesterreichern in der Austerlitzer Schlacht abgenommenen Fahnen als Trophäen aufgestellt.

Diese große Kirche, welche die Parochialkirche des Erzbischofs von Paris ist, besaß sonst mehrere vorzügliche Gemälde, welche aber während der Revolution herausgenommen wurden. Sonst befanden sich in verschiedenen Kapellen, welche diesen Tempel verzieren, die Grabmäler der berühmtesten französischen Familien, deren Mausoleen in der Revolution theils herausgenommen, theils zerstört wurden. Diejenigen, welche man vor der Zerstörung hat bewahren können, sind von Herrn Lenoir gesammelt, und im Museum der französischen Denkmäler aufgestellt worden.

Dieser Tempel, der während der Anarchie durch den sogenannten Gottesdienst der Vernunft entweiht worden war, ward unter der consularischen Regierung am achtzehnten April 1801 dem katholischen Cultus zurückgegeben, und im Dezember 1804 ward Napoleon als erster Kaiser der Franzosen von dem Pabste Pius dem Siebenten hier gesalbt und gekrönt.

Man findet in dieser Kirche sehr schöne antike Fensterscheiben. In der Sacristei werden die schönen Geschirre von vergoldetem Silber, welche der Kaiser dieser Kirche schenkte, so wie der Mantel, welchen er bei der Krönungs-Ceremonie trug, gezeigt. Dieser Mantel ist von carmesin rothem Sammt, mit goldenen Bienen besäet und mit Zobel gefüttert. Der königliche Mantel mit dem der Kaiser bei der Krönungs-Ceremonie in Mailand geschmückt war, wird hier gleichfalls aufbewahrt; er ist von dunkelgrünem Sammt mit Kronen übersäet, das Futter ist von weißem Atlas, mit Vorstoß von Zobelfell.

In der Nähe dieser Kirche sieht man auf einer Seite das Hotel-Dieu, das vornehmste und größte Pariser Hospital, und nicht weit davon den Pallast des Erzbischofs von Paris. Wenn man von der Kirche Notre-Dame nach dem Pont-Neuf geht, kommt man bei einem Gebäude vorbei, das dicht am Ufer der Seine erbaut ist: man nennt es die Morne, und es ist ein sprechendes Memento mori. Dieses Gebäude enthält im Erdgeschoß ein großes Eingangszimmer, welches in ein anderes Gemach führt, dessen Glasfenster bis auf den Boden gehen. Hier stellt man mehrere Tage hintereinander die Leichname der Unglücklichen aus, die in der Seine oder in den Pariser Straßen todt gefunden werden, damit diejenigen Einwohner von Paris, welche einen ihrer Angehörigen vermissen, Zeit und Gelegenheit haben, nachzusehen, ob sich sein Leichnam unter denjenigen, welche hier ausgestellt werden, befindet. Dieses Zimmer, dessen Fenster hermetisch verschlossen sind, läßt auch nicht den geringsten Geruch der Verwesung sich verbreiten. Seilten vergehen einige Tage, in welcher die Morne nicht einige Schlachtopfer aufnähme. Die Mehrzahl derselben wird in der Seine gefunden; diese ist die verschwiegene Zeugin der Verzweiflung so vieler Unglücklichen, die von Kummer und Elend niedergedrückt, in den Wellen das Ziel ihrer Leiden suchen.

Eilfter Brief.[]

Paris am 16ten April 1806.

Ich darf mir schmeicheln, daß Sie, mein geliebter Freund, die Anstrengung dankbar erkennen werden, mit welcher ich, ungeachtet der furchtbaren Hitze, die hier seit einigen Tagen herrscht, unermüdet fortfahre, Ihnen auf sorgfältigste allerlei Neues von Ihrem lieben Paris zu erzählen.

Der hiesige Aufenthalt fängt an, je näher der Sommer rückt, täglich weniger angenehm zu werden. Theils verläßt die Mehrzahl der reichern und vornehmern Einwohner die Hauptstadt, um auf dem Lande zu leben, theils machen die Hitze und die Ausdünstungen der von den Sonnenstrahlen ausgetrockneten Rinnsteine das Wohnen in der Stadt höchst unangenehm.

Der Pallast des gesetzgebenden Corps, der sonst Palais-Bourbon hieß, ward im Jahr 1772 von Girardini, einem italienischen Architekten, erbaut, und sehr vergrößert, nachdem ihn der Prinz von Condé gekauft hatte. Dieses Gebäude, das ganz im römischen Geschmack ist, und nur ein Stockwerk hat, giebt den schönsten Pallästen in Italien nichts nach. Man tritt durch einen Triumphbogen von korinthischer Säulenordnung in den Hof des Pallastes; neben jenem Triumphbogen sieht man Gallerien von einzeln stehenden Säulen, und auf beiden Seiten sind Pavillons erbaut. Links und rechts läuft eine schöne Colonnade, die einen Säulengang bildet, welcher zu den Zimmern des Pallastes führt. Diese haben von der einen Seite die Aussicht nach dem Hofe, und von der andern nach einem schönen Garten, welcher den Kay der Seine entlang, den elisäischen Feldern gegenüber liegt.

Der Saal, in welchem die Sitzungen des gesetzgebenden Corps gehalten werden, ist von seltener Schönheit. Er wird von oben durch Spiegelscheiben, die man im Plafond angebracht hat, erleuchtet, und bildet einen Halbzirkel, in dessen Peripherie Bänke gestellt sind, die ein Amphitheater bilden, auf welchem die Mitglieder des gesetzgebenden Corps Platz nehmen. Ueber diesem Theater sind Tribünen für die Zuschauer angebracht; und gegenüber in der Mitte des Diameters, auf welchem der Halbzirkel ruht, sieht man eine Tribüne, die durch einige Stufen über die andern hervorgehoben wird. Hier steht der Sessel des Präsidenten, der die Gestalt einer Sella curulis hat, und aus Akajou-Holz gemacht und mit Maler-Gold bronzirt ist; einige Stufen niedriger sitzen die Secretaire und Huissiers. Vor der Tribüne steht ein schönes Bas-relief von carrarischem Marmor, und auf beiden Seiten sind die marmornen Bildsäulen der berühmtesten griechischen und römischen Gesetzgeber aufgestellt. Dem Sitze des Präsidenten gegenüber steht auf dem höchsten Punkt des Amphitheaters auf einem Fußgestell von Marmor die wenig ähnliche Bildsäule des Kaisers; er ist mit einer Toga bekleidet, und hat das Gesetzbuch in der Hand. Die Thüren dieses Saals sind von Akajou-Holz mit Malergold bronzirt, und mit Bas-reliefs von weißem Marmor verziert. In dem Vorzimmer, das zum Versammlungssaale führt, sieht man mehrere schöne Gemälde. Eins derselben, das den Kaiser in dem Moment vorstellt, wo er den Frieden von Leoben unterzeichnet, hat das Verdienst der vollkommensten Aehnlichkeit.

Der Pallast des Senat-Conservateur, sonst der Pallast von Luxenburg genannt, ward 1615 von Marie von Medicis, der Wittwe Heinrichs des Vierten zu bauen angefangen. Der Architekt Jean de Brosse leitete den Bau, bei welchem man den Pallast Pitti zu Florenz zum Muster nahm. Die Façade dieses Pallastes, die nach der Tournon-Straße geht, ist von einer schönen Architektur, und zeichnet sich durch die Richtigkeit ihrer Verhältnisse aus. Sie formirt eine Terrasse, die mit Geländer-Säulen geschmückt ist, und in deren Mitte sich ein Pavillon von toscanischer und dorischer Bauart erhebt, über welchen eine Kuppel schwebt. Diese Terrasse hat auf beiden Enden zwei große viereckige Pavillons, die durch Gallerien mit dem Hauptgebäude verbunden sind. Jede dieser Gallerien ruht auf neun Schwibbögen, durch welche breite hochgewölbte Corridors beleuchtet werden. Dieser Pallast, in dessen Innern man jetzt große Verbesserungen vornimmt, ist ein vollkommnes Viereck, hinter welchem man einen schönen Garten antrifft. Ein Theil desselben ist jetzt ganz neu bepflanzt; er wird als öffentlicher Spaziergang benutzt, und gewährt allen Bewohnern dieses Theils der Stadt eine große Annehmlichkeit.

Dieser Pallast, welcher vormals Monsieur, Bruder Ludewigs des Sechszehnten gehörte, wurde während der Schreckenszeit zum Gefängniß gebraucht, und beinahe fünf Jahr lang nachher vom Directorium bewohnt. Jetzt ist er der Sitz des Erhaltungs-Senats, der hier seine Zusammenkünfte in einem sehr schönen vortrefflich verzierten Saale hält, zu welchem man durch eine breite vortreffliche Treppe gelangt.

In mehreren Sälen dieses Pallastes befindet sich ein an Meisterwerken sehr reichhaltiges Museum von Gemälden und Bildhauerarbeiten moderner Künstler. Unter den Statuen zeichnet sich ein liegender Faun aus, den der königlich schwedische Hofbildhauer Sergel in Rom verfertigt hat. Er ist einer der trefflichsten jetztlebenden Künstler dieses Fachs; vor einigen Jahren habe ich mit großem Vergnügen sein Arbeitszimmer in Stockholm besucht;

Eine liebliche Gruppe, auf welcher Amor und Psyche mit vieler Wahrheit und Lebendigkeit des Ausdrucks dargestellt sind. Der Künstler hat den Moment gewählt, wo Psyche in der Nacht beim Schimmer einer Lampe, mit einem Dolche bewaffnet, aufsteht, um ihren Gatten zu ermorden, den sie für ein Ungeheuer hält. Delaistre, ein französischer Bildhauer, hat diese Gruppe in Rom verfertigt;

Die badende Nymphe. Sie sitzt auf einem Felsen, unter dem Wasser fließt; neben ihr weidet eine Ziege. Die Nymphe versucht vor dem Baden das Wasser mit den Fuß; da sie aber Geräusch zu hören glaubt, ist sie im Begriff, sich zu verhüllen. Diese Statue, über welcher ein himmlischer Liebreiz schwebt, rührt von Julien, einem französischen Künstler her.

In dem ersten Saale, der in das Museum führt, hängen fünf schöne Gemälde von Philipp de Champagne, von welchem das Vorzüglichste das heilige Abendmahl vorstellt. Sämmtliche in diesem kleinen Saale befindliche Gemälde, unter welchen ein schöner Wouwermann und Ruisdael ist, sind aus der niederländischen Schule.

Auf diesen Saal folgt eine große Gallerie, die von oben vortrefflich beleuchtet wird, und deren Decke mit zwölf Gemälden von Jordaëns, einem niederländischen Maler, geschmückt ist, und die Zeichen des Thierkreises vorstellt. In ihrer Mitte hängt ein Gemälde von Callet, einem französischen Künstler, den Anbruch der Morgenröthe vorstellend. Diese Gallerie ist unter der Benennung der Gallerie des Rubens bekannt, und stellt in zwanzig großen Gemälden von der Hand dieses berühmten Malers die Geschichte der Maria von Medicis mit allegorischen Ausschmückungen vor.

Außer den Gemälden von Rubens, schließt diese Gallerie noch Kunstwerke der Malerei von andern berühmten Künstlern in sich, nämlich:

Die Anbetung der Weisen aus Morgenland von Poussin;

Einen schlafenden Einsiedler, von Vien, einem noch lebenden Maler. Der Ausdruck der Natur und Wahrheit in diesem Gemälde ist wirklich bewundernswerth;

Eine heilige Familie, die man dem Raphael zuschreibt, die aber von den Kennern für ein Werk des Andreas del Sarto gehalten wird. Dieses Gemälde, welches sonst im Pallast Pitti zu Florenz aufbewahrt wurde, stellt die heilige Elisabeth vor, wie sie aus den Händen der Jungfrau Maria das Kind Jesus empfängt, dessen Blicke auf die heilige Catharina gerichtet sind, die es mit Entzücken betrachtet, Indeß der heiligen Catharina gegenüber der heilige Johannes steht, der den Zuschauern mit lebhafter Freude das Jesus-Kind zeigt. Die schöne Komposition trefflicher Einzelheiten zu einem vollkommnen Ganzen, der himmlische Ausdruck auf dem Gesicht der heiligen Catharina, ihr von Entzücken strahlendes Auge, das sanfte Lächeln ihres Mundes, die stille Freude in dem Blicke der Jungfrau, machen dieses Gemälde zu einem Meisterwerk der Kunst.

Nahe bei demselben sind zwei Gemälde von David, einem berühmten Geschichtsmaler und einem der größten jetzt lebenden Künstler aufgehängt. Eins stellt den ältern Brutus vor, wie er seine Wohnung zum erstenmal wieder betritt, nachdem er seine beiden Söhne zum Tode verurtheilt hatte. Der Consul, in seine Toga gehüllt, überläßt sich ganz dem Schmerz. Er sitzt in dem Winkel eines großen Saals; zu seinen Füssen ruht die Bildsäule Roms, die ihn mit ihrem Schatten bedeckt. Seine Gesichtszüge und seine Stellung drücken den nagenden Gram aus, der sein Inneres durchbohrt, und den Kampf, welchen die Stimme der Natur und das Pflichtgebot in seiner Seele kämpfen. Im Hintergrunde sieht man die Lictoren die entseelten Leichname seiner unglücklichen Söhne herbeibringen, und auf der andern Seite die Gattin und die Töchter des Brutus in der heftigsten Verzweiflung.

Das andere Gemälde stellt den Moment vor, wo die drei Horatier ihrem Vater melden, daß die Wahl zur Bekämpfung der Curiatier auf sie gefallen ist; vor Freude außer sich, fordert er ihnen den Eid ab, zu siegen oder zu sterben. Der kriegerische Muth, die trotzige und furchtbare Stellung der drei Horatier; die rührende Gruppe, welche ihre Mutter und Schwester, und die Gattin des ältern Horatius mit ihren Kindern bilden, der Ausdruck des Jammers über das schreckliche Gefecht, das ihre Söhne, Brüder und Väter liefern sollen, macht einen bewundernswürdigen Effekt.

Die große Wahrheit des Ausdrucks, die Regelmäßigkeit der Zeichnung und die Lebhaftigkeit des Kolorits sind Vorzüge, durch welche diese Gemälde sich besonders auszeichnen. Es ist jedoch zu bedauern, daß sich der Künstler in beiden von der Einheit der Handlung entfernt hat, von welcher die alten Meister nie abwichen. Er hat nämlich in beiden Gemälden zwei Sujets von ganz verschiedenem Interesse zusammengestellt, welche beide die Aufmerksamkeit fesseln, und deren jedes für sich hinreichenden Stoff zu einem Gemälde dargeboten hätte.

David, der sehr oft in den Jahrbüchern der Revolution unter den enthusiastischen Verehrern derselben figurirt hat, nimmt nicht durch sein Aeußeres ein. Weder sein hochfahrendes unfreundliches Wesen, weder seine Phantasie, noch sein Pinsel sind für den Ausdruck der Zartheit und Milde und deren Neigungen, denen sie das Daseyn giebt, gemacht. Für ihn eignen sich nur diejenigen Sujets, in welchen die Heftigkeit der Leidenschaften durch die Verhältnisse der abgebildeten Personen aufgeregt wird, deren Charaktere in Erstaunen setzen, und deren Handlungen Schauder einflössen.

Da David Hofmaler ist, und im Solde des Kaisers steht, so muß er sich jetzt zufolge höchsten Befehls mit dem großen Gemälde der Krönungs-Feierlichkeit beschäftigen, welches eine lange und beschwerliche Arbeit ist; denn alle Personen der kaiserlichen Familie und alle hohe Beamte der Krone, die bei dem Krönungs-Akt zugegen waren, müssen auf diesem Gemälde als Portraits erscheinen. Wenn er dieses Werk vollendet haben wird, will er sich, wie er mir gesagt hat, vom Kaiser Urlaub erbitten, nach Italien gehen und dort ein schönes Gemälde vollenden zu dürfen, welches den Leonidas und die Lacedämonier bei Thermopylä vorstellt, und wozu er bereits seit einiger Zeit die Zeichnungen entworfen hat. Nach den Details, die er mir darüber mitgetheilt hat, läßt sich von diesem Gemälde sehr viel erwarten. Die Unterhaltung mit David ist übrigens interessant und belehrend, indem er nicht nur sehr einsichtsvoll über seine Kunst spricht, sondern auch die alte Geschichte gründlich studirt hat.

Am Ende der Gallerie des Rubens fängt die Gallerie Lesueur's an. Dieser berühmte Maler, den man oft den Raphael Frankreichs nennt, war niemals in Italien, sondern bildete sich bloß nach den antiken Statuen und nach den Gemälden Raphaels, die er in seinem Vaterlande fand. Dennoch ließ ihn sein sorgfältiges Studium, von seinem Künstler-Genius unterstützt, die hohe Vollkommenheit erreichen, die seinen Werken eigenthümlich ist. Seine Gemälde charakterisirt eine reine und korrekte Zeichnung, eine edle und einfache Komposition, ein bewundernswürdiger Ausdruck und derselbe edle und hohe Geist, der den Werken des großen Meisters, den er sich zum Vorbild wählte, eigen, und sonst bei den Künstlern der französischen Schule so selten ist. Frankreich verlor ihn zu früh; er starb acht und dreißig Jahr alt, und nahm ein Talent mit sich ins Grab, das keiner seiner Landsleute nach ihm sich wieder anzueignen gewußt hat.

Die Gallerie Lesueur's stellt in vier und zwanzig Gemälden die Geschichte des heiligen Bruno, Stifters des Karthäuser-Ordens, vor. Er fing dieses Werk im Jahr 1648 an, malte diese Gemälde auf Holz, und vollendete sie in Zeit von drei Jahren. Nach Lesueur's Tode wurden diese Gemälde, welche das Karthäuser-Kloster zu Paris schmückten, äußerst beschädigt. Späterhin 1776 nahm man sie aus jenem Kloster, um sie in der Gallerie des Louvre aufzustellen. Sie wurden von dem Holze auf Leinwand getragen, und geschickte Händen anvertraut zur Wiederherstellung der beschädigten Partien. Man bewundert an dieser vortrefflichen Sammlung die große Wahrheit des Ausdrucks in den Gesichtern der Mönche, unter welchen doch immer ganz besonders der heilige Mann hervorsticht, dessen Begebenheite_ hier abgebildet werden.

Außer diesen beiden Gallerien bewundert man auch noch die des Vernet, welcher nebst Huë, einem noch lebenden Maler, auf Befehl der Regierung alle französische Häfen gemalt hat. Diese Gemälde, vier und zwanzig an der Zahl, sind in drei Zimmer vertheilt, und machen um so mehr Effekt, je grösser das Interesse ist, das die abgebildeten Gegenstände für jeden Franzosen haben.

Ich habe Ihnen noch nichts von dem Bois de Boulogne gesagt, das doch durch die täglichen Lustpartien, welche die Pariser dahin machen, ziemlich berühmt ist. Dieses Wäldchen, das ohngefähr eine Viertelmeile weit von der Barriere der elisäischen Felder entfernt liegt, dient unaufhörlich zu Zusammenkünften, theils zu solchen, bei welchen Liebesverständnisse zum Grunde liegen, theils um Ehrensachen durch Zweikämpfe hier abzumachen. Der Park, der von allen Seiten mit Mauern umgeben ist, diente den Beherrschern von Frankreich, und dient ihnen noch jetzt zur Parforce-Hirschjagd, einem Vergnügen, das der Kaiser, den ich hier selbst habe jagen gesehen, zuweilen genießt. Er kommt immer zu Wagen auf dem Versammlungs-Platze an, wo das erste Relais gesattelter Pferde auf ihn wartet.

Dieser Wald, der vormals zu einem sehr angenehmen Spaziergange diente, und wo man Schutz gegen die brennend heißen Sonnenstrahlen fand, wurde in den ersten Jahren der Revolution von den Parisern, denen es an Brennholz fehlte, verbrannt und verheert; so daß man jetzt, einige junge Schößlinge ausgenommen, nichts als Strauchwerk und mithin gar keinen Schatten findet. Dieser Unbequemlichkeit ungeachtet, wird dieses Wäldchen noch eben so häufig als sonst besucht. Es führt (ohne der Restaurateurs zu gedenken, die hier wohnen,) nach verschiedenen Vergnügungsörtern, nämlich nach dem vormaligen Schloß de la Muette nach Ranelagh, wo zweimal in der Woche Ball ist, und nach dem Lustschloß Bagatelle, das der Graf von Artois, ein Bruder Ludewigs des Sechszehnten, erbaut hat, und das wegen eines schönen englischen Gartens merkwürdig ist, der vortreffliche Pflanzungen hat.

Ich habe in diesen Tagen die großen Boulevards besucht, die bei der Magdalenen-Kirche am Ende der Rue de la Concorde anfangen, und sich bis zur Rue Saint-Antoine erstrecken. Diese Boulevards, welche eine der breitesten und Hauptstraßen von Paris bilden, bestehen aus vier Reihen Bäumen, auf deren beiden Seiten schöne Gebäude stehen, in denen Gärten und Terrassen befindlich sind. Hier findet man Kaffeehäuser, Restaurateurs, Schauspielhäuser, kleine Buden, in welchen Kupferstiche, Musikalien, Landcharten und Stickmuster feil geboten werden. Die mittlere Allee ist für Fahrende und Reitende, und die Seiten-Alleen sind ausschließlich für Fußgänger bestimmt.

Diese Boulevards erhalten verschiedene Benennungen nach dem verschiedenen Theil der Stadt, welche sie durchschneiden, z. B. der Boulevard Mont-Martre, der Boulevard des Italiens, der des Thors Saint-Martin, des Tempels, u. s. w. Sie dienen zu Spaziergängen während des Sommers und werden niemals menschenleer. Es ist ein genußreiches Vergnügen, sie zu verschiedenen Tagszeiten zu durchlaufen, um die unendliche Verschiedenheit dieses beweglichen Gemäldes zu bemerken. Von zwölf Uhr Mittags bis um vier oder fünf Uhr Abends werden die Boulevards am meisten besucht. Die Herren und Damen vom guten Ton gehen hier spazieren, um die Vorzüge ihrer Gestalt und Kleidung zur Schau zu tragen, und die Langeweile zu verscheuchen.

Unter den Kaffeehäusern, die in den Boulevards belegen sind, findet man am Ende der Straße Cerutti Hardi's Kaffeehaus, wo Geschäftsmänner zusammen kommen; das chinesische Kaffeehaus unweit des berühmten hannöverischen Pavillons, der in der Form eines chinesischen Tempels gebaut, sich auf Felsen lehnt, die man auf einander gethürmt und mit Pagoden verziert hat. Man trifft in den Hof dieses Kaffeehauses, den man zu einem niedlichen kleinen Garten eingerichtet hat, durch eine Felsengrotte. In jenem Kaffeehaus findet man äußerst geschmackvoll angelegte Bäder; man kann hier nach Belieben entweder ein gewöhnliches oder ein morgenländisches Bad mit wohlriechender Seife und allerlei duftenden Essenzen nehmen, welches letztere jedoch ziemlich theuer ist. Auf dem Boulevard Montmartre ist das niedliche Kaffeehaus Frascati, das in einem sehr großen Gebäude sein Locale hat, und mehrere schöne Säle, nebst reich und geschmackvoll verzierten Kabinetten, hat. Dieses Kaffeehaus hat sich vorzüglich einen Ruf erworben durch das vortreffliche Gefrorne, welches man hier bekommt; ganz besonders aber durch die musterhaft eingerichteten Festlichkeiten und Bälle, die der Unternehmer dieses Instituts im Winter in den Sälen, und im Sommer in einem allerliebsten kleinen Garten, der bei dem Hause liegt, giebt, wo sich die liebenswürdigsten und elegantesten Damen von Paris versammeln. Da in Paris Alles von der Mord und der Laune des Augenblicks abhängt, und eben daher das, was jetzt Beifall findet, in vierzehn Tagen als widrig und langweilig erscheinen muß, so kann es nicht fehlen, daß dieß seinen Einfluß auch auf die Versammlungs- und Vergnügungs-Oerter äußert. Wirklich ist dieß gerade jetzt mit Frascati der Fall, das, weil die größere Anzahl der Besucher solcher Lustörter sich nach Tivoli gewandt hat, jetzt so sehr verlassen ist, daß ich mehrmals beim Herausgehen aus dem Schauspiel hieher gekommen bin, und nie mehr als drei Menschen getroffen habe.

Der Garten der Kapuziner liegt auch auf den Boulevards, wird aber bald in eine breite und schöne Straße verwandelt werden, welche von den Boulevards gerade nach dem Vendome-Platz führen soll. Dieser Garten gehörte sonst einem Kapuziner-Kloster, das zum Theil zerstört worden ist, dessen Ueberbleibsel aber, so wie der Garten, zu einem öffentlichen Vergnügungsort dienen. Man findet in seinem Umfange die Reitbahn des Franconi, der für den Preis von zwölf Franken für jede Lection im Reiten und Voltigiren unterrichtet, und mit seinen Luftspringern und Pferden, Trauerspiele, Melodrame, Ballette und Pantomimen auf seinem kleinen Theater giebt.

Außer diesem Schauspiel findet man noch in diesem Bezirk den Saal des Apollo, wo zu einem sehr mäßigen Eintritts-Preise alle Abend Ball ist; ferner das Theater der jungen Zöglinge, ein Marionettenspiel und hölzerne wandernde Buben, wo man Wachsfiguren, eine lebende Schlange mit Schellen und den sogenannten fleißigen Floh sieht, der in kurzem eine Reise nach Deutschland machen wird, um dort seine Künste sehen zu lassen.

Auch die Panorama's sieht man auf den Boulevards. Dieses Schauspiel ist erst seit einigen Jahren bekannt geworden, und von England zu uns herüber gekommen, wo man die ersten Versuche damit angestellt hat. Jetzt ist hier nur ein einziges Panorama zu sehen, indem die andern nach Lyon unterweges sind; es ist das Panorama von Neapel, das einen bewundernswürdigen Effekt macht. Man glaubt auf einem Hügel zu stehen, von welchem man die Stadt übersehen kann, und wo man aus verschiedenen Gesichtspunkten die mannichfaltigsten Aussichten hat. Nahe bei diesem Panorama ist eine Gallerie mit Glasscheiben, welche der Durchgang des Panorama genannt wird, und zur Kommunikation dient, um sich nach dem Feydeau-Theater zu begeben. Diese Gallerie, die ihr Licht nur von oben erhält, befaßt eine Menge von Boutiken aller Art, Kaffeehäuser und Restaurationen. Außer dem findet man noch auf den Boulevards allerlei kleine, zur Volksverlustigung dienende Possenspiele; z. B. optische Vorstellungen, Marionetten, Polischinell auf seinem Katheder, Hunde, die frisirt und geputzt sind, und nach dem Schall einer Trommel und eines Dudelsacks tanzen, nebst einer Menge ähnlicher Vergnügungen, welche Kinder des Erwerbfleißes sind, der wiederum dem Bedürfnisse des Broderwerbs sein Daseyn verdankt.

Vor nicht gar langer Zeit habe ich auch den Tempel gesehen, der seit der Zerstörung der Bastille zum Staatsgefängniß gedient hat. Aber nur aus der Ferne habe ich ihn betrachtet, um den unruhigen Blicken und Fragen der Soldaten, denen man die Wache bei demselben anvertraut hat, zu entgehen. In diesem Gefängniß waren der letzte Großmeister der Tempelherren, Johann Jakob Molay, Bourguignon und auch der letzte der französische Könige, der unglückliche Ludewig der Sechszehnte, eingekerkert, ehe sie zum Richtplatz geführt wurden.

Dieses Gebäude, welches mit hohen Mauern umgeben ist, gehört zu den ältesten in Paris. Sein großer Thurm, dem vier Thürmchen zu beiden Seiten stehen, ward im Jahr 1200 von einem Tempelherrn, Namens Bruder Hubert, erbaut, und war sonst der Hauptsitz des Ordens der Tempelherren. Nachdem aber Philipp der Schöne und Clemens der Fünfte diesen Orden zerstört hatten, und auf ihren Befehl die mehresten Ritter ermordet und verbrannt worden waren, ward der Orden des heiligen Johannis von Jerusalem in den Besitz aller Güter der Tempelherren gesetzt. Dadurch ward der Tempel der Provinzialsitz des Gross-Priorats des Johanniter-Ordens in Frankreich. Zuletzt bewohnte ihn der Graf von Artois, jüngerer Bruder der Ludewigs des Sechszehnten.

Man findet auf den Boulevards zwei Meisterwerke der Baukunst, die Thore Saint-Denys und Saint-Martin, deren jedes am Anfang der Straße und am Eingang der Vorstadt gleiches Namens gelegen ist. Das Erste dieser Thore wurde von der Stadt Paris Ludewig dem Vierzehnten geweiht, um dadurch den berühmten Uebergang über den Rhein, die Wegnahme von vierzig Festungen und die Eroberung dreier unter seinem Zepter vereinigten Provinzen zu verewigen. Der obere Theil dieses Thors ist nach der alten Triumphbogen offen, und der Eingang, der zum Hauptthor dient, ist auf beiden Seiten mit einer Pyramide von Trophäen geschmückt, welche auf Fußgestellen ruhen, in denen man Thüren angebracht hat, um den Fußgängern den Durchgang zu erleichtern. -- Das Thor Saint-Martin, welches in einem edeln und hohen Styl gebauet ist, wurde im Jahr 1674 errichtet. Es hat drei Oefnungen, und ist mit vier Bas-reliefs verziert, welche die Einnahme von Besançon, die Triple-Allianz, die Eroberung von Limburg, und die Niederlage der Deutschen vorstellen.

In den letzten Wochen habe ich mehrere Abende im Theater Louvois oder dem Theater der Kaiserin sehr angenehm zugebracht. Es ward von dem ältern Picard dirigirt, der zu gleicher Zeit dramatischer Dichter, Schauspieler und Schauspieldirector ist. Die gute Auswahl, die muntere Laune, die in den hier aufgeführten Stücken herrscht, machen, in Verbindung mit dem ausgezeichneten Talent der hier auftretenden Schauspieler, dieses Theater zu einem der vorzüglichsten in Paris. Die Schauspieldichter, welche für diese Bühne arbeiten, suchen nicht die Sitten und den Ton der höhern Stände zu kopiren; dagegen haben sie die Lebensweise der mittlern Klassen der bürgerlichen Gesellschaft, d. h. der ehrlichen Pariser Bürger gründlich studirt und stellen sie getreu dar; diese Klassen, welche über die gewöhnlichen Vorurtheile der höhern Stände spotten, und die festeste Stütze, der Grundlage der Wohlfahrt des Staats sind. Auf diesem Theater würde man die Schauspiele Iffland's geben können, die, so lange er sich drauf beschränkt, den Ton, die guten und schwachen Seiten des Cirkels, in welchem er lebt, zu schildern, vortrefflich sind, aber höchst mittelmäßig werden, sobald er es wagt, sich in höhere Sphären zu versteigen. Vor einigen Tagen wurden hier zwei niedliche Stücke gegeben, die beide den ältern Picard zum Verfasser haben: nämlich die Leute aus der Provinz in Paris und die Marionetten. Dieß letzte, welches ganz neu ist, liefert eine vollständige Kritik der Denk- und Handelsweise der Leute von gutem Ton. Clozel, einer der vorzüglichsten Schauspieler bei diesem Theater, spielte die Rolle des Parasiten, so wie Vigny die des Schulmeisters in den Marionetten. Der Kaiser, der von diesem Lustspiel gehört hatte, ließ es von den Schauspielern des Louvois-Theaters, auf seinem Privat-Theater zu Saint-Cloud aufführen, und war so zufrieden damit, daß er den Verfasser und einige darin auftretende Schauspieler kaiserlich belohnt hat.

Die italienische Opera-Buffa, die kein eigenthümliches Local hat, spielt abwechselnd mit Picard's Truppe im Theater Louvois. Dieß Schauspiel wird wenig besucht, theils weil der Inhalt dieser kleinen italienischen Opern weniger als mittelmäßig ist, theils weil unter den Schauspielern keiner ein so ausgezeichnetes Talent besitzt, das für die Langeweile entschädigen könnte, die man bei den elenden Sujets dieser Oper aussteht. Vor einigen Tagen habe ich die Cantatrice Villana aufführen sehen, und so herrlich die Musik auch war, mich doch furchtbar gelangweilt. Die vorzüglichsten Sängerinnen dieses Theaters sind Madame Ferlandis und Cannevasi. Bei ihrer guten Methode kann man bisweilen einige Augenblicke die wenige Gewandtheit, die unedeln und übel nachgeahmten Manieren, so wie das schlechte Spiel der andern Schauspieler und Schauspielerinnen der Opera-Buffa vergessen. Schwerlich wird sich dieses Schauspiel lange an einem Orte wie Paris ist, erhalten, wo man mit dem Mittelmäßigen nicht zufrieden, sondern gewohnt ist, etwas Vorzügliches zu sehen.


Dreizehnter Brief.[]

Paris am 30sten April 1806.

Vor einigen Tagen habe ich die Parochial-Kirche von Saint-Sulpice in der Vorstadt Saint-Germain besucht, vor welcher man jetzt, durch Wegräumung mehrerer Gebäude, die den Zugang verengten, einen schönen freien Platz angelegt hat. Diese Kirche ward im Jahr 1646 nach den Rissen des Louis le Vau zu bauen angefangen, und unter der Regierung Ludewigs des Funfzehnten vollendet. Das Portal dieser Kirche ist eins der herrlichsten Meisterwerke der Baukunst. Es besteht aus zwei Säulenordnungen, die über einander angebracht sind, von welchen die des Erdgeschosses einen Säulengang bildet, der aus einer doppelten Reihe dorischer Säulen bestehet. Im Innern dieser Kirche, deren Schiff eben so groß als schön ist, sind mehrere Kapellen befindlich, die sonst Familiengrabmähler enthielten, aber zur Zeit der Revolution zerstört wurden. An der Decke des Saals sieht man schöne Gemälde, die einen bewundernswürdigen Effekt machen. Die Kapelle der heiligen Jungfrau ist ein köstliches Kunstwerk, sowohl wegen der hier befindlichen vortrefflichen Bildsäulen der Jungfrau Maria und der sie umgebenden Gruppen von weißem Marmor, als auch wegen der künstlichen Art ihrer Beleuchtung.

Dieser Tempel war unter der Directorial-Regierung und dem Vorsitze des Lareveillere-Lepaux der Hauptvereinigungspunkt der Sekte der Theophilantropen, welche hier ihre religiösen Zusammenkünfte hielten. Auf der Spitze eines Thurms dieser Kirche, von wo man eine weite Aussicht über Paris und die umliegenden Gegenden hat, ist ein Telegraph und die Mittagslinie angebracht, welche der berühmte Astronom Cassini von den Küsten des südlichen Frankreichs bis zu den mitternächtlichen Provinzen dieses Reichs zog.

Nachdem ich diese Kirche in Augenschein genommen hatte, besah ich das in der Straße Saint-Victor belegene Institut für Waisenkinder, welches man sonst Maison de la pitié nannte. Diese Anstalt, in welcher nur Waisenknaben erzogen werden, (für die Waisenmädchens besteht eine ähnliche Einrichtung in der Straße der Vorstadt Saint-Antoine,) nimmt seit einiger Zeit auch Fündlinge des männlichen Geschlechts auf. Diese werden, wenn es nöthig ist, auf Kosten des Instituts zu einer Amme oder aufs Land in Pension gethan, bis sie sechs oder sieben Jahr alt sind, in welchem Alter sie in das Institut aufgenommen werden. Hier steht es ihnen frei, sich irgend ein Handwerk zu wählen, welches sie lernen wollen. Sie können Tischler, Weber, Schlösser, oder was sie sonst wünschen, werden, da sich in dem Institute selbst die Werkstätten aller dieser Handwerker befinden. Sobald diese jungen Leute in dem von ihnen gewählten Handwerk einen gewissen Grad der Vollkommenheit erlangt haben, so reicht man ihnen wöchentlich ein gewisses Lohn, welches ihnen so lange aufgehoben wird, bis sie die Anstalt verlassen, was gewöhnlich geschieht, wenn sie achtzehn bis zwanzig Jahr alt sind. Außer der Vergünstigung, jedes beliebige Handwerk lernen zu können, werden die Zöglinge dieser Anstalt auch noch von Lehrern, welche die Regierung besoldet, unentgeltlich in den Anfangsgründen der Wissenschaften unterrichtet.

Alle in dieser Anstalt erzogenen Waisen, deren Anzahl sich auf einige Tausende beläuft, sind in mehrere große Schlafsäle vertheilt, die luftig und reinlich sind, und in welchen jedes Kind sein besonderes Bette hat. Sie sind anständig und gleichmäßig gekleidet, und erhalten eine gesunde und gut zubereitete Nahrung. Täglich haben sie einige Erholungs-Stunden, in welchen sie in einem großen Hofe der freien Luft genießen können, und an bestimmten Tagen werden sie wöchentlich einigemal unter der Leitung ihrer Aufseher spazieren geführt.

Vorgestern habe ich einen interessanten Spaziergang in den Umgebungen von Paris und zwar nach Malmaison gemacht. Der angenehme Weg, der dahin führt, geht durch das niedliche Dorf Neuilly an den Ufern der Seine, über welche hier eine prächtige steinerne Brücke gebaut ist, die ihre Entstehung Ludewig dem Funfzehnten verdankt. -- Das Schloß Malmaison ist eine Privatbesitzung der Kaiserin, welche sie vor ungefähr zehn Jahre kaufte, die aber, seit der Kaiser zu der höchsten Würde des Reichs gelangte, sehr vermehrt und verschönert worden ist. Hier entäußert sich der Kaiser alles ihn sonst umgebenden Prunks; hier lebt er als Privatmann nur sich selbst, und theilt seine Zeit unter Arbeit, Lustwandeln und Jagd. Sein Gefolge besteht hier nur aus den Personen, die der Dienst nothwendig erfordert, da im Schlosse nicht genug Gelaß für viele Dienerschaft ist.

Das kleine Schloß ist nach der Gartenseite mit einem trocknen Graben umgeben. In diesem Garten sieht man das schönste Geflügel der seltensten Arten; es ist mit vielen ausländischen Gewächsen und mit duftenden Holundersträuchen bepflanzt.

Im Innern gleicht das Schloß wirklich einem Schmuckkästchen, und läßt nichts zu wünschen übrig. Man mag auf die Anordnung oder auf die Zierlichkeit und Pracht des Ameublements Rücksicht nehmen. Mehrere Säle sind von polirtem Stuck, der höchst vortrefflich ist. In demjenigen, der zu den von der Kaiserin bewohnten Zimmern führt, findet man eine interessante Sammlung von Bildnissen aller Scheiks, mit welchen der Kaiser in Aegypten in Verbindung stand, und die zu seinem Conseil gehörten. Diese Bildnisse haben viel Wahrheit des Ausdrucks, und alle Personen, die den Kaiser auf seiner Expedition nach Aegypten begleiteten, versichern einstimmig, daß sie sprechend ähnlich sind.

Der Saal, welchen die Kaiserin gewöhnlich bewohnt, ist mit dem feinsten Geschmack verziert, und man findet hier mehrere anziehende Gegenstände. Unter andern ist hier einer von den beiden schönen Kaminen angebracht, die der Pabst der Kaiserin geschenkt hat. Er ist von weißem Marmor, ganz vortrefflich gearbeitet, und mit Medaillons von Mosaik und ausgelegten florentinischen Steinen geschmückt. Außer dem sieht man hier noch zwei schöne Tische aus Stuck, die in Florenz verfertigt sind, auch schöne Vasen von Berliner Porcellan, die die Königin von Preußen vor einigen Jahren der Kaiserin schenkte, und auf welchen einige der schönsten Partien des Gartens in Malmaison gemalt sind. In diesem Saale hängen auch zwei schöne Gemälde von Girardeau. Eins stellt die Apotheose mehrerer französischen Feldherren vor; das Sujet des andern, das vorzüglich durch eine hohe und edle Komposition sich auszeichnet, ist aus dem Ossian genommen. Seitwärts im Saale ist eine niedliche kleine Gallerie angelegt, die eine Auswahl von Gemälden enthält, unter denen sich ein vorzüglich schöner Claude Lorrain, eine Raphael und einige schätzbare Rubens auszeichnen.

Die Kaiserin bewahrt in einem Zimmer zu Malmaison eine kostbare Antikensammlung auf, die noch nicht geordnet ist, zu welcher sie aber künftig eine Gallerie erbauen lassen wird.

Unter den hier vereinigten Merkwürdigkeiten ist vorzüglich ein außerordentlich schöner Fussboden von Mosaik erwähnenswerth. Man hat ihn zu Pompeji gefunden; er ist sehr gut erhalten, und ein Geschenk, welches der König Ferdinand von Sicilien der Kaiserin übersandt hat. Zugleich überschickte er ihr mehrere hier aufbewahrte hetrurische Gefäße von seltener Größe und Schönheit, Dreifüße von Bronze, Lampen, Rauchfässer, Opfer-Geschirre und verschiedenes Haus- und Toiletten-Geräth. Unter dem letztern bemerkt man Ohrgehänge, goldne Ringe, Arm- und Fußspangen, sämmtlich in Pompeji und Herculanum aufgefunden. Die Kaiserin will, wie man sagt, ein kleines Zimmer ganz im römischen Styl erbauen lassen, in welchem statt der Dielen der Fussboden von Mosaik angebracht, und das mit den vorhin beschriebenen römischen Antiken meublirt werden soll.

Man findet auch noch in dieser trefflichen Sammlung einen römischen Sarg von Korkholz, worin das gut erhaltene Skelett eines Kindes liegt, nebst einer Trauerlampe und anderem Geräth, was die Römer in die Särge ihrer Todten zu legen pflegten; ferner mehrere gut erhaltene Mumien, unter andern die eines durchaus unbeschädigten Ibis.

Das Arbeitszimmer des Kaisers in Malmaison ist gleichfalls sehenswerth. Es ist mit Acajouholz getäfelt, und enthält eine kleine Bibliothek von klassischen Werken; in einem entlegenen Fensterwinkel ist der Tisch angebracht, an welchem der vertraute Secretair des Kaisers arbeitet, und im Vorgrunde des Zimmers steht ein kleiner runder Tisch, dessen sich der Kaiser als Bureau bedient. Nahe bei demselben hängt ein sehr schönes Bildniß Friedrichs des Zweiten. Mehrere Brustbilder berühmter Männer schmücken dieß Zimmer.

Der Park von Malmaison, der schon mehrmals erweitert worden ist, wird noch sehr vergrößert werden, und sich bis Versaille erstrecken. Er ist nach Art der englischen Gärten eingerichtet, und man findet hier, Hügel, Wasser und hochstämmige Bäume. In dem ganzen Park sieht man hie und da Garten-Beete, die in Rabatten getheilt sind, auf welchen die seltensten und schönsten Blumen und ausländischen Bäume und Sträucher stehen, deren buntes Farbenspiel einen entzückenden Anblick gewährt, und deren liebliche Düfte die Luft mit Wohlgeruch schwängern. Dieser Park enthält auch eine kleine Menagerie von seltenen Thieren, die in abgesonderten Behältnissen aufbewahrt werden. Unter andern sieht man hier die Känguruhs, Thiere aus Neuholland, welche die Kaiserin aus der Menagerie des Pflanzen-Gartens wieder zurück genommen hat, wohin sie sie als eine große Seltenheit verschenkt hatte, wo sie aber, ich weiß nicht aus welchem Grunde, nicht recht gedeihen wollten. Unter den ausländischen Vögeln bemerkt man vorzüglich einen schönen Strauß, eine große Anzahl großer und kleiner Papageien von allen Arten, Kakadu's, schwarze Schwäne, Tauben von den moluckischen Inseln, die sehr groß und schön sind, und deren eigenthümlicher Ton das Wirbeln der Trommel nachahmt; endlich auch ein Paar fliegende Eichhörnchen, deren Weibchen eben geworfen hatte.

Das vortreffliche Treibhaus, das sich in diesem Park befindet, steht unter der besondern Aufsicht der Kaiserin, welche die Botanik sehr eifrig studirt hat, und bei ihrem glücklichen Gedächtnisse alle Kunstnamen der ausländischen Gewächse und Sträucher kennt, die sich in diesem Treibhause befinden. Vorzüglich anziehend war mir der Anblick des Brod-Fruchtbaums, und der ägyptischen Papyrusstaude.

Seitwärts vom Schlosse hat der Kaiser einen niedlichen kleinen Schauspielsaal bauen lassen, den die kaiserliche Familie mehrmals als Gesellschafts-Theater benutzt hat.

Unweit Malmaison hat der Kaiser ein hübsches Gebäude zur Kaserne für ein Detaschement seiner Leibgarde errichten lassen, die, so oft der Kaiser sich hier aufhält, den Dienst versieht.

Neulich habe ich die Bekanntschaft Isabey's eines der berühmtesten Pariser Maler gemacht. Sein Haupttalent zeigt sich in der Miniaturmalerei, worin er es zu einer seltenen Vollkommenheit gebracht hat. Doch hat er auch vor einigen Jahren ein schönes Gemälde in getuschter Manier von der großen Parade verfertigt, welche unter der consularischen Regierung alle zehn Tage gehalten wurde. Die Bildnisse des Kaisers und der ihn umgebenden Militairpersonen vom höchsten Range haben sämmtlich eine sprechende Aehnlichkeit.

In den letzten Tagen habe ich auch das Theater de la Porte Saint-Martin besucht. Dieser Schauspielsaal, der sechs Reihen Logen hat, ist einer der größten in Paris, und diente sonst der großen Oper zum Local. Jetzt spielt hier eine Gesellschaft, die Lustspiele, Pantomimen, und große Melodramen aufführt, und Ballette giebt. Ich sahe hier vor einigen Tagen ein großes pantomimisches Ballet in drei Aufzügen, Jenny oder die strafbare Mutter, betitelt; es war kein Menschenverstand darin, dennoch ward es wüthend beklatscht. Ich wußte so wenig, wir ich mit diesem Schauspiele dran war, daß ich mich nur mit Mühe davon überzeugen konnte, daß ich in Paris sey. Denn das Publicum, welches gewöhnlich das Theater de la Porte Saint-Martin besucht, ist, so wie das Kostume, was man hier sieht, durchaus von demjenigen verschieden, was man auf andern Theatern dieser Hauptstadt findet.

Die Gesellschaft, welche hier Vorstellungen giebt, spielt auch beinahe alle vierzehn Tage einmal auf dem Theater de la Cité. Ich hörte hier vor Kurzem ein artiges Melodrama, welches den Titel führte: Friedrich der Zweite in Spandau. Das Kostume war aber durchaus verfehlt; und die Garde des Monarchen, die ihn wie sein Schatten niemals verließ, so wie der Name Quinzel, den man dem guten General Quintus-Icilius gegeben hatte, boten reichen Stoff zum Lachen dar. Auf dieses Melodrama folgte ein niedliches Ballet: der unbeständige Page, wozu das Sujet aus der Hochzeit des Figaro genommen war. -- Der Saal, der sehr groß, schön verziert und mit vier Reihen Logen versehen ist, was mehrentheils mit den Bewohnern dieses Stadtviertels angefüllt, die weniger auf Vergnügungen erpicht sind, als die andern Pariser, und daher die übrigen Theater dieser Hauptstadt nur selten besuchen. Es war beinahe zehn Uhr Abends, als das Schauspiel geendigt ward. Es war eine dunkle regnichte Nacht, und ich ging die Kays der Seine entlang nach Hause. Als ich in die Nähe des Pont des Arts in der Gegend der am wenigsten besuchten Durchgänge des Louvre kam, zog eine schöne Weiberstimme meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich stand still, und erblickte bei dem schwachen Licht einer Reverbere unter den Trümmern der Bausteine, die hier zur Reparatur des Louvre aufgehäuft sind, ein weißgekleidetes und dicht verschleiertes Frauenzimmer, welches mit rührender ausdrucksvoller Stimme Romanzen sang; in ihrer Nähe hielt sich eine Mannsperson verborgen, die jene zu bewachen schien. Ich stand eine Weile still, um zuzuhören, ohne diese seltsame Erscheinung mir erklären zu können; erfuhr aber den Tag darauf, daß viele pauvres honteux aus guten Fam lien, die ohne ihr Verschulden durch die Revolution unglücklich geworden sind, zur Nachtzeit auf den Straßen das Mitleiden der Vorübergehenden zu erregen, und so sich einige ärmliche Mittel zur Fristung ihres Lebens zu erwerben suchen. Die Mannsperson, welche sich in der Nähe meiner Unbekannten verborgen hielt, war der Ehemann dieser Frau, dessen Gegenwart darauf abzweckte, sie zu vertheidigen, und nöthigenfalls vor Beleidigungen zu schützen.

Gestern habe ich das Observatorium besucht, welches am äußersten Ende der Vorstadt Saint-Jacques belegen ist, und im Jahr 1667 auf Befehl des berühmten Colbert's nach den Rissen Claude Perrault's gebauet wurde. Dieses Gebäude, welches einen großen Horizont beherrscht, liegt auf einem etwas hohen Felsen, und kann daher zu allen astronomischen Beobachtungen sehr gut benutzt werden. Es ist ganz von Stein gebaut, und durchaus gewölbt; was ihm aber eine eigenthümliche Sonderbarkeit giebt, ist, daß man bei diesem Bau weder Eisen noch Holz angewandt hat. Die vier Seiten des Observatoriums sind genau nach den vier Himmels-Gegenden gerichtet. In einem der Säle im ersten Stockwerk dieses Gebäudes findet man die von Cassini gezogene Mittagslinie, welche dasselbe in zwei Theilen theilt, und durch ganz Frankreich von Barcelona bis nach Dünkirchen geht.

In einem andern Saal ist die sehr zahlreiche Bibliothek aufgestellt. Hier findet man auch einen großen Vorrath der vortrefflichsten astronomischen Instrumente, namentlich: ein Teleskop von Herschel, das zwei und zwanzig Fuß lang ist. Oben auf dem Observatorium, welches ein plattes Dach hat, genießt man eine sehr weite Aussicht über Paris und die umliegende Gegend. Von da steigt man auf einer Wendeltreppe von dreihundert sechszig Stufen in die Souterrains des Observatoriums herunter. Da wo sonst die Spindel der Wendeltreppe zu seyn pflegt, hat man einen leeren Raum gelassen, der von der Tiefe des Souterrains bis zu dem höchsten Gewölbe des Gebäudes führt, und eine Röhre von mehr als hundert funfzig Fuß Höhe bildet, durch welche man am hellen Tage die am Zenith sichtbaren Sterne erkennen kann.

Diese Souterrains, die sich nach verschiedenen Richtungen hin erstrecken, sind ausgemauert, und werden durch Balken gestützt, um Erdfälle zu verhüten, die, da hier der Grund untergraben ist, sehr leicht sich ereignen und den Ruin der darauf gebauten Häuser nach sich ziehen könnten. Diese unterirdischen Gänge bilden eine Art von Labyrinth, in welches man sich allein und ohne Führer nur mit großer Gefahr wagen kann. Denn sie stehen mit den Steinbrüchen in Verbindung, auf welche ein großer Theil der Vorstädte Saint-Germain und Saint-Jacques gebaut ist.

Die Stadt Paris, welche ihre sämmtlichen Bausteine aus den nahe gelegenen Steinbrüchen holt, wußte lange nichts von der Gefahr, in welcher sich dieser Theil der Stadt befand. Erst um die Mitte des vorigen Jahrhunderts veranlaßte das Versinken mehrerer Häuser genaue Untersuchungen, deren Resultat dahin ausfiel, daß ein Theil der Stadt auf ausgeleerten Steinbrüchen gebauet und daß an manchen Stellen das Erdreich gesunken war, daß an andern Orten Risse entstanden waren, weil mehrere Felsen, denen es an einem Stützpunkt fehlte, nachgegeben hatten. Da man besorgen mußte, ganze Viertel von Paris in die Abgründe der Steinbrüche versinken zu sehen, so sahe man sich genötigt, zur Abwendung dieses Unglücks unerhört mühsame Anstalten zu treffen, mit denen man sogleich den Anfang machte, und wobei viele Arbeiter das Leben verloren. Man suchte theils die unterirdischen Tiefen auszufüllen, theils durch Aufführung von Mauren die Erschütterung der Felsen und das Nachsinken der Erde zu verhüten. -- Man findet in diesen unterirdischen Gewölben sehr schöne Stalaktiten, die durch das Durchsickern des Wassers durch die Felsen gebildet werden.

Neulich habe ich einer Vorstellung eines Trauerspiels von Raynouard: die Tempelherren, beigewohnt, welches vor einigen Jahren erschien und mit großem Beifall aufgenommen ward. Talma zeigt in der Rolle des jungen Marigny ein bewundernswürdiges Talent. Molay ward von Saint-Prix mit allem dem Anstand und der Würde gegeben, mit welcher die Einbildungskraft den Großmeister dieses berühmten Ordens zu schmücken pflegt. Demoiselle Georges spielte die Rolle der Königin ganz vortrefflich.

Die Beleuchtung der Straßen wird in Paris unglaublich vernachlässigt, und ist wirklich unter aller Kritik. Man scheint dabei viel auf das helle Licht gerechnet zu haben, was überall aus den Kaufläden und Krämerbuden in die Straßen fällt. Da diese aber nur bis um eilf Uhr Abends offen bleiben, so hat man nachher alle erdenkliche Mühe, vor und um sich zu sehen. Theils sind die Reverberen sehr weit von einander entfernt, und theils verbreiten sie auch nur einen sehr matten Lichtschimmer, entweder weil es ihnen an Oel fehlt, oder weil sie nicht reinlich genug erhalten werden.

Doch es schlägt schon zwei Uhr nach Mitternacht, und ich wünsche Ihnen, die Reverberen in den Pariser Straßen m:ogen nun so helle oder so dunkel brennen, wie sie wollen, eine recht sanfte Ruhe. Auch ich will mich dem Orpheus in die wohlthätigen Arme werfen, und mich blindlings den Leitungen überlassen, welche er meiner Phantasie geben will, deren Thätigkeit man mit dem räthselhaften Namen Traum zu belegen pflegt.


Siebenzehnter Brief.[]

Paris am 10ten Juni 1806.

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Vor einigen Tagen besuchte ich den Garten Tivoli, der in dem Viertel de la Chaussee d'Antin belegen ist. Sein Umfang beträgt vierzig Arpens, und er ist zum öffentlichen Vergnügungsort bestimmt. Der Eintrittspreis ist sehr mäßig, und man findet hier an feierlichen Tagen, Bälle, Feuerwerk, Seiltänzer, Illuminationen, Musik, Eßwaren und Erfrischungen aller Art.

Unweit dieses Erlustigungsorts ist die Fabrik künstlicher mineralischer Wasser angelegt. Hier kann man alle mineralischen Wasser, sie mögen Namen haben, wie sie wollen, aufs getreueste nachgeahmt und von eben der Stärke, als die von der Natur hervorgebrachten haben, erhalten; wie dieß durch die Analyse, welche die geschicktesten Chymisten damit vorgenommen haben, mit unumstößlicher Gewißheit dargethan ist. Man findet hier nicht nur mineralische Wasser zum Trinken, sondern auch zum Baden. Zugleich sind hier Zimmer zu vermiethen; ein Restaurateur hat sich hier niedergelassen; ein Arzt führt die Aufsicht über diese Anstalt, bei welcher auch ein großer Garten befindlich ist, worin die Badenden und Kranken lustwandeln können.

Am fünften dieses Monats habe ich einer interessanten Feierlichkeit beigewohnt, die im Tuilerien-Pallast Statt fand, nämlich der Antrittsaudienz des neuen türkischen Gesandten bei'm Kaiser, der eigends dieserhalb zur Stadt gekommen war. Der Gesandte, welcher mit der kaiserlichen Equipage abgeholt, und von den Chasseurs der Garde escortirt worden war, wurde durch den Ober-Ceremonien-Meister in den Audienzsaal geführt; hier empfing ihn der Kaiser, welchen die Prinzen vom Geblüte und die Großdignitarien des Reichs umgaben, auf dem Thron sitzend. Während dessen legte das Gefolge des Gesandten auf einem großen Tische in dem ersten Vorzimmer des Thronsaals die Geschenke des Großsultans für den Kaiser aus. Sie bestanden in einem Reiherbusch mit Diamanten besetzt; in einer goldenen Dose, worauf der Namenszug des Großherrn in arabischen Schriftzügen mit Brillanten angebracht war; in wollenen Schabracken, in mehreren Stücken Kasimir, in einer Garnitur Perlen, in Wohlgerüchen aus dem Serail und einigen Fläschchen persischem Rosen-Oel. Als die Audienz geendigt war, ging der türkische Gesandte heraus, und die holländische Gesandtschaft, an deren Spitze sich der Admiral Verhuel befand, ward vorgelassen. Der Kaiser nahm die ihm angebotene Krone an, und ernannte seinen Bruder, den Prinzen Louis, zum Könige von Holland. Napoleon ging hierauf ins Vorzimmer, um die Geschenke des Großherrn in Augenschein zu nehmen. Der Gesandte überreichte sie ihm, worauf der Kaiser erwiederte: "sagen Sie Ihrem Herrn, daß ich diese Geschenke mit Vergnügen angenommen habe, weil ich weiß, daß Er sie mir mit willigem Herzen überschickt." Wie man sagt, wird dieses Geschenk noch durch einige arabische Hengste vermehrt werden, mit welchen der Großsultan den Marstall des französischen Kaisers bereichern wird.

Dieß ist der letzte Brief, den Sie jetzt von mir erhalten; denn meine Angelegenheiten machen meine baldige Abreise von Paris nothwendig. Ich denke übermorgen von hier abzureisen, und wünsche, daß meine Briefe Ihnen einige Unterhaltung gewährt, und Sie mit dieser Interessanten Stadt bekannt gemacht haben mögen, die, wenn gleich Fremde aus allen Gegenden sie besuchen, doch noch nicht genug bekannt ist, und oft sehr schief beurtheilt wird.


Achtzehnter Brief.[]

Fontainebleau am 10ten October 1807.

Ich bin nur einen Tag in Paris geblieben, theils um meine Geschäfte abzumachen, theils um einen Paß nach Fontainebleau und einen Erlaubniß-Schein der Ober-Postdirection zur Erhaltung von Pferden mir auszuwirken; denn diese sind auf dem ganzen Wege von Paris nach Fontainebleau sämmtlich für den Kaiser in Beschlag genommen. Sonach kann ich Ihnen nichts weiter über Paris sagen, als daß mir die Stadt sehr menschenleer vorkommt. Dieß kommt daher, weil ein Theil der Einwohner noch auf dem Lande lebt, viele hier wohnende Militair-Personen bei der Armee und die Regimenter der kaiserlichen Garden noch nicht zurück sind. Hierzu kommt noch, daß der Hof jetzt in Fontainebleau residirt, wo daher die Büreaux des Departements der auswärtigen Angelegenheiten, alle angesehenen Fremden, so wie die sämmtliche Dienerschaft des Kaisers, der Kaiserin und der Prinzen und Prinzessinnen vom Geblüte, sich aufhalten.

Der Weg von Paris nach Fontainebleau, welches von da ungefähr sieben und eine halbe Meile entfernt liegt, ist breit, gut gepflastert, und wohl unterhalten. Er führt durch eine ziemlich fruchtbare Gegend, in welcher viele Landhäuser und hübsche Schösser liegen, die zum Theil dem verstorbenen Prinzen von Conti gehörten, der mehrere Güter in dieser Gegend besaß. Man kommt bei Corbeille, einer niedlichen kleinen Stadt vorbei, deren Mühlen Paris mit Mehl versehen. In der Ferne sieht man das Schloß Saint-Arcise, den Landsitz des Herzogs von Orleans, des Vaters von Philipp Egalité. Er vermachte es an Frau von Montesson, mit welcher er verheirathet war. Ungefähr eine Meile von Fontainebleau kommt man in den Wald dessen Namens, worin man viele Felsen von grauer Farbe sieht, die sich leicht verarbeiten lassen. Sie liefern die Steine zum Pariser Straßenpflaster, dessen Unterhaltung wegen des kostbaren Transports der Steine bedeutende Summen erfordert.

Fontainebleau war sonst das Jagdschloß des königlich französischen Hofes. Dieser brachte hier alljährlich einige Monate zu, um sich mit der Hirschjagd zu erlustigen. Dieses Wild fand sich im Fontainebleauer Walde in so großer Anzahl, daß man es truppweise bis an die Landstraße kommen sah.

Die Stadt Fontainebleau ist ziemlich groß, und könnte eine Bevölkerung von beinahe dreißigtausend Einwohnern fassen. Da sie aber nur vom Hofe lebt, und sich weder durch Handel noch Gewerbfleiß nährt, so hat sie wie Versailles durch die Revolution die Mittel ihrer Subsistenz verloren, und die Zahl der Einwohner beläuft sich jetzt nicht über neun bis zehntausend. Indeß hat der jetzige Aufenthalt des kaiserlichen Hofes die Hoffnung einer glücklichern Zukunft bei den Bürgern von Fontainebleau wieder geweckt. Da man weiß, daß der Kaiser die Jagd sehr liebt, so schmeichelt man sich, daß er die Jagdzeit alljährlich in Fontainebleauer Wald, in welchem die Hirsche während der Revolution beinahe ganz vertilgt waren, fängt jetzt wieder an, sich zu bevölkern. Seitdem eine weise Forstadministration den Mißbräuchen einer unbeschränkten Jagdfreiheit gesteuert hat.

Seit der Kaiser in Fontainebleau ist, geht er wöchentlich zwei oder dreimal auf die Hirschjagd, wobei ihn die Prinzen vom Hause und die jetzt hier versammleten fürstlichen Fremden begleiten. Außerdem vergnügt er sich aber auch mit der Schießjagd, so oft es ihm seine überhäuften Geschäfte gestatten.

Die Einwohnerzahl von Fontainebleau ist jetzt um zehntausend vermehrt, die durch den Aufenthalt des Hofes hieher gezogen werden. Mehrere Detaschements der kaiserlichen Garde sowohl zu Pferde als zu Fuß, und ein Detaschement der Gensd'armerie d'Elite, thun die Wachen im Pallast. Der Kaiser hat überdiess die Großdignitarien der Krone, die Minister der auswärtigen Staatsangelegenheiten, und die Minister Staatssecretairs von Frankreich und Italien in seinem Gefolge. Außerdem befinden sich noch jetzt in Fontainebleau die Kaiserin, die Königin von Holland, der König und die Königin von Westphalen, der Großherzog und die Großherzogin von Berg, nebst dem Hofstaate dieser hohen Herrschaften; und überdiess noch der Prinz Borghese, der Fürst Primas, der Großherzog von Würzburg, der Erbgroßherzog und die Erbgroßherzogin von Baden und die Fürsten von Nassau Weilburg und Waldeck. Alle diese Fürsten wohnen im kaiserlichen Pallast, werden von den Leuten des Kaisers bedient, und aus der kaiserlichen Küche gespeist, mit Ausnahme des Königs von Westphalen und des Großherzogs von Berg, die ihre eigene Hofhaltung haben. Die Anzahl der Betten, die in dem Schlosse zum Gebrauch des kaiserlichen Hofes dienen, beläuft sich auf eilfhundert; hierzu kommen noch viertausend Betten für diejenigen, welche auf Kosten des Hofes hier logiren. Aus der kaiserlichen Küche werden zwei und funfzig verschiedene Tafeln servirt.

Fontainebleau wimmelt jetzt von Fremden. Alle auswärtige Minister, die beim kaiserlichen Hofe accreditirt sind, haben hier Absteige-Quartiere. Hierzu kommt noch die Anwesenheit vieler deutschen Fürsten, welche hier theils ihr Interesse wahrnehmen, theils die Bestimmung ihrer künftigen Verhältnisse, vorzüglich in Hinsicht auf ihren jetzt erfolgten Zutritt zum rheinischen Bunde erwarten, dessen Protektor der Kaiser ist, mit welchem der Fürst Primas über die künftige innere Einrichtung jener Konföderation zu verhandeln scheint. Er ist dieserhalb schon seit einiger Zeit in Paris, wo er die Ceremonie der Trauung des Königs von Westphalen mit der Prinzessin Katharine von Würtenberg verrichtet hat. Sie war mit denselben Feierlichkeiten verknüpft, die bei der Vermählung des Erbgroßherzogs von Baden mit der Prinzessin Stephanie Napoleon im vorigen Jahre Statt fanden, und die ich Ihnen damals umständlich beschrieben habe.

Der Kaiser hat die Schauspieler des Theater François nach Fontainebleau kommen lassen. Diese geben abwechselnd Trauer- und Lustspiele auf dem Hoftheater, welches man aber ohne specielle Einladung nicht besuchen darf. Da das Theater hier der einzige Ort ist, wo man sich versammelt, und der größte Theil der anwesenden Personen von Stande sich in den Hofzirkeln vereinigt, so ist der hiesige Aufenthalt für jeden, der nicht Zutritt bei Hofe hat, unerträglich langweilig. Ueberdieß ist er aber auch noch unerhört kostbar. Es hält sehr schwer, ein Unterkommen zu finden, und man muß das schlechteste Zimmer beinahe mit Gelde aufwiegen. Die Einwohner von Fontainebleau, die seit zwanzig Jahren der Anwesenheit des Hofes haben entbehren müssen, benutzen den gegenwärtigen Zeitpunkt, um sich dafür an den vielen hier anwesenden Fremden schadlos zu halten. Dieser jetzt unvermeidliche Mißbrauch wird indessen in der Folge gewiß aufhören, vorausgesetzt, daß der Hof fortfährt, einen Theil des Jahres hier zuzubringen. Ich habe für ein elendes kleines Zimmer täglich achtzehn Franken, und für eine Tasse Thee und einige Weintrauben sechs Franken bezahlt. Es macht hier auch jetzt niemand ein Haus, als Herr von Marescalchi, welcher jeden Abend, wo er nicht bei Hofe oder im Schauspiel seyn muß, Fremde sieht; ferner der Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Herr von Champagny, der Gross-Marschall des Pallastes Duroc, der Minister Staats-Secretair Maret, und Frau von Rochefaucault, Staatsdame der Kaiserin, welche in jeder Woche mehrmals Mittagsmahlzeiten geben.

Der König von Westphalen, und der Großherzog von Berg, richten ihren Hofstaat auf einen sehr glänzenden Fuß ein. Beide haben viele Adjudanten, Kammerherren und Stallmeister, deren Uniformen eben so reich als glänzend sind; ihre Dienerschaft ist zahlreich und ihre Hofhaltung ihrem Range angemessen; doch zeichnet sich die des Großherzogs von Berg durch ihre Pracht vorzüglich aus. Der König von Westphalen hat viele Deutsche von Adel, die seine Unterthanen geworden sind, an seinen Hof gezogen, und die Erbprinzen von Hohenzollern Hechingen und von Salm sind seine Adjudanten. Die Uniform der Linientruppen des Königs von Westphalen und des Herzogs von Berg ist weiß. Wie es heißt, soll auch die ganz französische Linieninfanterie Uniformen von dieser Farbe erhalten, statt der Hüte aber, welche sie bisher trug, sogenannte ungarische Mützen bekommen, die sonst nur bei der leichten Infanterie üblich waren. Mehrere Kompagnieen Jäger zu Fuß von der kaiserlichen Garde und ein Pariser Stadtregiment haben schon diesen neuen Kopfschmuck erhalten. Letzteres hatte sich im östreichschen Kriege ausgezeichnet, und ist daher zum ersten Linienregiment ernannt worden; es trägt bereits die weiße Uniform.

In der innerlichen Verfassung des kaiserlichen Hofstaats hat sich seit dem vorigen Jahre nichts Wesentliches geändert; ausgenommen daß bei der Person des Kaisers seit dem letzten Kriege immer ein Kapitain von der Garde die Wache hält, der den Namen des Kapitains d'Ordonnance führt.

Die Hofetiquette hat seitdem einige Veränderungen erlitten. Die souverainen Fürsten, welche Mitglieder des Rheinbundes sind, haben die Erlaubniß erhalten, morgens um neun Uhr bei dem Lever des Kaisers gegenwärtig zu seyn. Erst seit einigen Tagen ist das Verhältniß des Ranges der auswärtigen Fürsten und der Prinzen, Großdignitarien der Krone festgesetzt worden. Die letzteren stehen nur denjenigen fremden Fürsten, welche königlichen Rang haben, nach; die übrigen fürstlichen Personen, welche diese Auszeichnung nicht genießen, rangiren nur mit den Großdignitarien der Krone.

Das Schloß in Fontainebleau ist nächst dem in Versailles das größte und weitläufigste in Frankreich. Es fast vier Hofräume in sich, ist mit vielen Gräben umgeben, die man zugeworfen und in Gärten verwandelt hat, und trägt die Spuren des entfernten Zeitalters, dem es sein Daseyn verdankt, an sich. Auch dieses Schloß hat während der Revolution gelitten, und ist zum Theil zerstört worden. Es ist auch noch nicht ganz wieder in wohnbaren Stand gesetzt; und sämmtliche Gebäude, die den sogenannten Hof der Minister umgeben, und wo sonst diese mit ihren Büreaux einquartirt waren, können noch immer nicht wieder bewohnt werden. Zu den Merkwürdigkeiten im Innern des Schlosses gehört die große Gallerie der Diana, wo auf Befehl der Königin Christine von Schweden der unglückliche Monaldeschi, ihr Stallmeister und Liebling, enthauptet, oder, wie andre wollen, erdolcht wurde; durch welche Mordthat die Königin mit dem französischen Hofe zerfiel, und Fontainebleau verließ, um nach Rom zu gehen. Mit Vergnügen sieht man auch noch hier die Gallerie Franz des Ersten, des biedersten, tapfersten und der Minne ergebensten französischen Ritters.

Diese Gallerie, welche einen Theil der Zimmer ausmacht, die jetzt in Fontainebleau vom Kaiser bewohnt werden, ist ganz getäselt, und mit Kupferstichen im Geschmack des Zeitalters, in welchem sie erbaut wurde, verziert; auch sind hier einige Wappenschilde aufgehängt, auf welchen der Namenszug jenes guten Königs angebracht ist. In der neuesten Zeit hat man hier mehrere Marmorbüsten berühmte Männer aufgestellt, die auf Fußgestellen von Granit stehen, als Friedrich des Zweiten, Lavoisiers, Diderots, und mehrerer auf dem Schlachtfelde gebliebener Adjudanten des Kaisers. Außerdem sieht man hier viele Gemälde in Wasserfarben, welche alle Schlachten und Gefechte vorstellen, bei welchen der Kaiser seit seinem ersten italiänischen Feldzuge zugegen war.

In einem Flügel des Schlosses ist das Local der Militairschule, wo sechshundert junge Leute erzogen werden. Die Organisation und ganze Einrichtung dieses Instituts kann bis in die kleinste Details als musterhaft gelten. Die hier erzogenen jungen Leute tragen die Uniform der Linieninfanterie und zeichnen sich durch ihr gutes Exercitium und durch ihre Bekanntschaft mit Allem, was zum Kriegswesen gehört, aus.

Ich verschone Sie mit einer ausführlichen Beschreibung der Fontainebleauer Gärten; sie sind im altfranzösischen Geschmack eingerichtet, und haben nichts, was ausgezeichnet oder erwähnenswerth wäre. Dagegen empfehle ich Ihnen recht angelegentlich, wenn Sie einmal in diese Gegend kommen, einen Spaziergang nach Thomery, einem Dorfe eine kleine halbe Meile von Fontainebleau, zu machen. Es liegt an den Ufern der Seine, und hat die schönsten Umgebungen. Hier rathe ich Ihnen, bei einem ehrlichen Winzer, Namens Larpenteur, eine treffliche Matelotte von Fischen zu essen. Auch vergessen Sie nicht, in seinem Weinberg den Chasselas-royal zu kosten, dessen Wohlgeschmack die Trauben von Fontainebleau ihren großen Ruf verdanken.


Zwanzigster Brief.[]

Paris am 23sten October 1807.

Picard's Theater, oder wie es heißt, das Theater der Kaiserin, behauptet noch immer den Ruhm, welchen es erwarb, seit der ältere Picard Director desselben ist. Die treffliche Auswahl der hier gegebenen Stücke, und die vorzüglichen Künstler, die hier auftreten, erhalten dieser Bühne ein außerordentlich zahlreiches Publicum. Unlängst gab man hier ein Paar neue Stücke: die Kleinstädter und den Unbeständigen. Beide wurden vortrefflich gegeben, und Clozel und Vigny, hier die Matadors unter den Schauspielern, zeichneten sich besonders aus.

Das Vaudeville-Theater, dem vormals unstreitig unter den sogenannten kleinen Schauspielen der ersten Rang gebührte, ist sehr herunter gekommen, seit Madame Belmont es verlassen hat. Ich sahe hier Mademoiselle Severin, eine junge reizende Schauspielerin, in der Rolle der Fanchon debütiren. So viel Mühe sie sich aber auch gab, diese anziehende Rolle hat durchzuführen, war es ihr doch unmöglich, das Andenken der Madame Belmont zu verdrängen, deren Triumph dieser Charakter war, und die ihn so durchaus vortrefflich spielte, daß schwerlich irgend eine Schauspielerin es je wieder ihr darin gleich thun wird. Es wäre wirklich schade, wenn dieses kleine Schauspiel, das sich nur in Frankreich dauernd erhalten kann, und daher als national betrachtet werden muß, eingehen sollte; und doch wird dieß gewiß der Fall seyn, wenn die Directoren dieser Bühne nicht ernstlich darauf bedacht sind, bessere Schauspieler dabei zu engagiren.

Das französische Pantheon, von welchem ich Ihnen in einem meiner frühern Briefe schrieb, ist noch immer nicht vollendet; und es scheint, daß, wenn man mit gleicher Langsamkeit fortfährt, daran zu arbeiten, es sobald noch nicht fertig werden dürfte. Noch immer ruht Voltaire's und Rousseau's Asche in den Gewölben des Pantheons, wo jetzt auch die Ueberbleibsel mehrerer Senatoren und die Leiche des vormaligen Ministers des Cultus Portalis beigesetzt sind.

Die Spiegelmanufactur in der Vorstadt Saint-Antoine ist sehr sehenswerth. Sie verdankt ihre erste Anlage dem berühmten Colbert, und wird jetzt von einer Gesellschaft, welche Actien zusammengeschossen hat, als Privatunternehmer betrieben. Die Glasscheiben werden in Saint-Gobin, der vormaligen Picardie gegossen, und ganz roh nach Paris gebracht, wo man sie abschleift, polirt und schneidet. Zu jedem dieser Geschäfte hat man eine besondere Werkstatt, und es gewährt viel Vergnügen, die mannichfaltigen Abstufungen bei diesen Arbeiten zu beobachten. Das Spiegelmagazin ist jetzt sehr reichhaltig, und der Werth der hiesigen Vorräthe beläuft sich gewiß auf einigen Millionen Franken. Man findet hier außerordentlich schöne Spiegel. Man zeigte mir unter andern einen, der neun Fuß acht Zoll hoch und sechs Fuß und einige Zoll breit war. Ob man gleich in der kaiserlichen Spiegelmanufactur zu Petersburg noch weit höhere und breitete Glastafeln gießt, so hat man es doch noch nicht dahin bringen können, ihnen die Reinheit und Klarheit der Pariser zu geben, gegen welche die russischen Spiegel düster und schwärzlich aussehen. Es wäre wohl der Untersuchung werth, ausfindig zu machen, ob dieser Fehler von dem Material, dessen man sich zur Verfertigung der Spiegel bedient, oder von der verschiedenen Art sie zu poliren und zu verzinnen, herrührt.

Musée Carnavalet, Paris

Man findet in der Vorstadt Saint-Antoine die sogenannte Barriere des Throns, die von zwei großen und hohen Säulen gebildet wird. In jeder derselben ist eine Treppe angebracht, die bis zum Gipfel der Säule führt. Unweit dieser Barriere auf dem vor ihr liegenden Platze war in der letzten Zeit der Regierung Robespierre's die permanente Guillotine aufgestellt. Jedes Niederfallen des Schlachtbeils hallte in den Ohren der unglücklichen Schlachtopfer der Revolution wieder, die in der Abtei Picpus ganz in der Nähe der Guillotine eingesperrt waren. Dieser Kerker ist aber seitdem niedergerissen worden. Jene tägliche Erinnerung an den Tod, wodurch die unglücklichen Gefangenen mit der Vorstellung des Schicksals, das sie erwartete, allmälig vertraut wurden, Ueberzeugung von ihrer Unschuld, und ein reines Gewissen, waren die Quellen des Muths und der männlichen Standhaftigkeit, mit welcher die Mehrzahl das Schafot bestieg.

Nahe bei der Barriere des Throns, ungefähr eine kleine viertel Meile von Paris, liegt das düstere und unfreundliche Schloß von Vincennes, das von großen viereckigen Plätzen umgeben und mit Gräben eingefaßt ist. Dieses bereits im Jahre 1270 errichtete Gebäude diente in mehreren Zeitaltern den Beherrschern Frankreichs zur Residenz. Der höchste Thurm, welcher auch der Kerker genannt ward, wurde neben der Bastille zum Staatsgefängniß benutzt. Da diese seit der Revolution nicht mehr existirt, so gebraucht man noch jetzt das Schloß zu Vincennes nebst dem Tempel zu Staatsgefängnissen. Der Wald von Vincennes, wegen seines vielen Wildes berühmt, hat vierzehn hundert Arpens im Umfange. In dem Flecken Vincennes, unweit des Kerkers im Schlosse, findet man eine gut eingerichtete Porcellanmanufactur.

Ich war in diesen Tagen in dem Pallast des Erhaltungs-Senats, um den Saal und die Zimmer zu sehen, wo dieses Collegium zusammenkommt und seine Sitzungen hält. Dieser Saal hat ganz dieselbe Gestalt, wie der des gesetzgebenden Korps, den ich Ihnen früher beschrieben habe; jedoch ist er viel größer. In der Mitte des Diameters, auf welchem der Halbzirkel ruht, ist eine Vertiefung in Gestalt eines halben Mondes angebracht, auf welcher man auf eine Estrade den Thron des Kaisers gestellt hat, zu dem eine marmorne Treppe von sechs bis sieben Stufen führt, deren Geländer von Ahornholz ist. Der Thron hat eine sehr zierliche Form, eine Decke von Kramoisi-Sammet und reich gestickt, wird von sechs Caryatiden getragen, die auf marmornen Fußgestellen stehen; so schwebt sie über den kaiserlichen Thron, der gleichfalls mit Kramoisi-Sammet, in welchen goldene Bienen gewirkt sind, überzogen ist. Eine Stufe tiefer als der kaiserliche Thron sieht man den Sessel und Tisch des Präsidenten. Die Wände des Saals, der gleich dem des gesetzgebenden Corps sein Licht durch die Decke erhält, sind von Stuck; der Fussboden aber ist von Marmor. Die Senatoren haben auf einem Amphitheater, dem kaiserlichen Throne gegenüber, ihre Sitze; in der Mitte, gerade vor dem Kaiser, ist der für die Redner bestimmte Platz. Ueber demselben ist eine große alabasterne Platte in der Mauer befestigt, in welche mit goldenen Buchstaben die Rede eingegraben ist, welche der Kaiser im Jahr 1805 nach dem östreich-russischen Kriege hielt, als er dem Senat eine Anzahl der dem Feinde genommenen Fahnen schenkte. Diese sind in vier Trophäen getheilt, und an der Wand aufgehängt, die das Amphitheater einschließt. Zu beiden Seiten der Vertiefung, innerhalb welcher der Thron angebracht ist, stehen Bildsäulen berühmter Männer des Alterthums.

Der Versammlungssaal, aus welchem man in den Saal, wo die Sitzungen gehalten werden, tritt, ist groß und reich verziert. Unter andern sieht man hier einen sehr schönen Spiegel und zwei große Gemälde, von welchen eins den Kaiser im großen Staats-Kostüme vorstellt. Dieses sehr ähnliche Bild ist von Lefebüre gemalt. Der Künstler, von welchem das andre Gemälde, das allegorisch ist, und auf die Krönung des Kaisers Bezug hat, herrührt, heißt Regnault. Ehe man in diesen Saal eintritt, geht man durch die Säle der Huissiers und der Staatsboten. In dem erstern sieht man eine herrliche kolossalische Bildsäule des Herkules aus Marmor, von Pujet. Außerordentlich schön ist die große Treppe des Luxenburgs, die zu diesen Sälen führt; sie ist den Bildnissen der berühmtesten Männer Frankreichs aus den Zeiten der Republik, als Mirabeau's, Bearnave's, Kleber's u. a. geschmückt; zu bedauern ist es jedoch, daß diese Treppe nicht von Marmor ist, weil sie sodann mit der übrigen Pracht, die in diesem Gebäude herrscht, übereinstimmen würde.

Heute giebt man im kaiserlichen Conservatorium der Musik eine neue Oper, den Triumph des Trajans, welche Lesueur in Musik gesetzt hat. Wie man sagt, soll die Pracht des Costumes und der Decorationen, die über zweimal hunderttausend Franken gekostet haben, alles übertreffen, was man jemals von dieser Art gesehen hat. In kurzen wird man zum erstenmal eine neue große Oper, die Vestalin, in Musik gesetzt von Spontini, geben. Dieser schätzbare Künstler, der sonst bei der Kapelle des Königs von Neapel stand, ist jetzt beim Privatorchester des französischen Kaisers angestellt.

Unter den zahlreichen Kramläden in Paris, erwähne ich nur den des sogenannten Hausvaters, wo man ein vollständiges Magazin der erforderlichen Geräthschaften zu allen nur erdenklichen weiblichen Arbeiten, nebst den geschmackvollsten Mustern zum Sticken und Tapezereiwirken findet. Ein großer Vorzug dieser Anstalt besteht darin, daß man jeder Dame, welche hier Materialien und Geräthschaften zu dieser oder jener Arbeit kauft, unentgeltlich Anleitung zu derselben ertheilt, es mag Sticken oder Tapezerei-Arbeit betreffen.

Vor einigen Tagen habe ich eine wenig bekannte, aber vortreffliche Sammlung von Gemälden besehen, die Herrn Crawfurd, einem reichen Engländer, gehört, der schon mehrere Jahre in Paris wohnt, und hier eins der schönsten Häuser, das Hotel de Monaco, in der Rue de Varennes bewohnt. Diese Gemäldesammlung ist besonders in historischer Hinsicht merkwürdig, da sie die Bildnisse der merkwürdigsten Hofleute Ludewigs des Dreizehnten und Vierzehnten und der berühmtesten damals lebenden Personen enthält. Vorzüglich bemerkenswerth ist das Bildniß der Frau von Montespan und mehrere Portraits der Frau von Maintenon, von welchen eins sie in der Blüthe der Jugend, und das andere in spätern Jahren vorstellt. Beide haben viel Charakteristisches im Ausdruck.

Eins der schönsten Gebäude in Paris ist das Hotel der Ehrenlegion in der Rue de Lille und der Pallast des Vicekönigs von Italien in derselben Straße. Das Ameublement des letztern, das über eine Million und achtmal hunderttausend Franken gekostet hat, zeigt, was seiner und geläuterter Geschmack, mit Reichthum verbunden, Schönes und Vortreffliches leisten kann.

Gerade jetzt überzeuge ich mich von der Richtigkeit der Bemerkung, welche ich bei meinem vorigen Pariser Aufenthalt nicht gemacht habe: nämlich die, daß das Pariser Klima äußerst mild und angenehm ist. Dieß ist so sehr der Fall, daß selbst jetzt, da der Herbst schon ziemlich weit vorgerückt ist, die Nächte noch so warm und lieblich sind, daß man kein einziges der Verwahrungsmittel nöthig hat, mit welchen wir Bewohner der Rheinufer uns gegen die unfreundlichen und kalten Herbstwinde schützen müssen. Die Bäume haben noch das frische Laub, wie im Sommer, und das Grün der Wiesen ist noch nicht verbleicht; es ist noch immer so warm, daß wir erst noch vor zwei Tagen ein furchtbares Gewitter hatten. Ueberhaupt scheint das Klima von Paris auch der Gesundheit vortheilhaft zu seyn; denn in wenig Städten hört man so selten von epidemischen Krankheiten reden, und an wenig Orten findet man so alte Leute, als in Paris. Unstreitig vereinigt der hiesige Aufenthalt große und seltene Annehmlichkeiten; denn man findet hier Gelegenheit zur Befriedigung aller sinnlichen und geistigen Bedürfnisse; man kann hier, wenn man will, völlig ungekannt und unabhängig leben, und auch wieder ganz nach Belieben die Freuden der Geselligkeit in dem Maaße, wie es einem Jeden behagt, genießen.

Leben Sie wohl. Ich verlasse Sie, um einzupacken, indem ich morgen von hier abzureisen, und bald wieder bei Ihnen zu seyn gedenke.

Quellen.[]

  • Paris, wie es jetzt ist, oder Neuestes Gemälde dieser Hauptstadt und ihrer Umgebungen. In Briefen von einem reisenden Deutschen. Chemnitz bei Carl Maucke. 1810.
  • Lettres sur Paris, ou Correspondance de M.***, dans les années 1806 et 1807.
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