Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Der neue königliche Pallast.[]

SectieMadridPalacioReal

Plan von Madrid.

Es war ein sehr unglücklicher Gedanke, auf einer Anhöhe, welche eher zu einer kleinen Festung bestimmt schien, einen königlichen Pallast zu erbauen. Wie schon bemerkt worden ist, fehlt es ihm außer noch an Zugängen, die der Größe und Bestimmung des Gebäudes würdig wären, und eine Gartenanlage zunächst an dasselbe anzuschließen, das erlaubte das Lokal gar nicht.

Dies ist wohl Alles, was man diesem Pallaste vorwerfen kann, wenn man sich nicht beklagen will, daß es nicht vollendet ist. Die Architektur desselben ist wirklich in einem sehr edlen Style, und die hocherhabene Lage gestattet dem Gebäude wieder andre Vortheile, unter denen der einer herrlichen Aussicht, sowohl auf die Stadt, als auf die sie umgebende Gegend, keiner der unbedeutendsten ist.

Unter allen Fürsten, welche im vorigen Jahrhundert gebaut haben, besaß Karl III. zuverläßig den besten Geschmack. Dabei leiteten ihn große Ideen in Rücksicht auf die Festigkeit und die Dauer, und es ist nur ein Unglück, daß gerade diese Erfordernisse die meisten seiner großen Werke in Spanien und Neapel unvollendet gelassen haben.

Dem edlen Styl, in welchem dieser Pallast als ganze Masse gebaut ist, entspricht auch die geschmackvolle und mit größtem Aufwand gemachte innere Einrichtung. Was die Kunst in der Zeit seiner Erbauung in Bildhauerkunst und Malerei vermochte, hat sie geleistet, und Raphaël Mengs besonders fand hier Gelegenheit, sich in großen Plafondwerken zu verewigen.

Über die übrigen Kunstwerke von Raphaël, von Urbino, von Tizian, Velazquez, Murillo und andern ist schon viel, und mich dünkt, alles Nöthige gesagt. Mengs scheint mir noch nicht ganz gewichtet zu seyn; aber, wenn je einst gründlich über seinen Verdienst entschieden werden soll, so muß man hauptsächlich in diesem Pallaste Nachfrage halten, um seinen ganzen Werth richtig abzuwägen.

Leider erkennt man aber gerade hier, daß tiefe Kunststudien, selbst bei schönen Anlagen und einer glücklichen Ausbildung, nicht zu der Vollendung führen, denen das Genie allein theilhaftig wird. Mengs ist vielleicht korrekter, als die meisten der ersten Maler, seine Kompositionen sind tiefer durchdacht, Alles künstlicher berechnet -- aber seine Werke riechen nach der Lampe, wenn ich mir diesen Ausdruck erlauben darf, sie ermangeln des Siegels, welches nur das Genie aufzudrücken vermag, wodurch das Kunstwerk zur Schöpfung eines einzigen glücklichen Augenblicks, der Geburt Minerva's aus Jupiters Haupte, ähnlich wird.

Man führt sich eigentlich in Verlegenheit vor einem solcher Kunstwerk, besonders wenn es durch Umfang, Größe des Gegenstands und Ruf des Künstlers ungewöhnliche Ansprüche macht. Man findet gar viel zu loben, wenig zu tadeln, und bleibt dennoch kalt, wie vor jedem Werke des langüberlegenden, geduldig zusammenrechnenden Verstandes. Dies ist der Eindruck, den die meisten Gemälde von Mengs auf mich gemacht haben, und hier ist mir noch geschehen, was mir in Caserta, im Vatikan und bei so vielen andern Werken von ihm nicht begegnete, selbst der Ausdruck ist mir in den meisten Köpfen der Götter gemein vorgekommen. Die, welche es selbst gesehen haben, erinnere ich z. B. nur an Juno und Minerva; denn von Mengs konnte man doch wohl erwarten, in der Götterkönigin mehr, als nur eine Xantippe, und in der Schutzgöttin von Athen etwas besseres, als ein böotisches Bauernmädchen zu sehen.

An dergleichen großen Werke scheitert gewöhnlich der Ruhm der Mittelmäßigkeit! Wie viel ist an den ungeheuren Gemälden von Luka Giordano in buen Retiro zu tadeln! Aber wer wird nicht von der himmlischen Flamme, welche die durchglühet, weggerissen, und vergißt nicht allen Tadel völlig? Mengs bleibt weit hinter Giordano zurück; aber es scheint sogar, als ob er das nicht einmal selbst gefühlt habe. Sein Ringen mit den Kunstschwierigkeiten hat ihn freilich das fleißige Verdienst sicher schätzen gelernt, ihn aber auch manchmal beinahe blind gegen die höchste Vortrefflichkeit gemacht, welche ohne große Genialität in allen Dingen unmöglich ist.

Quellen und Literatur[]

  • Spanien. Nach eigener Ansicht im Jahr 1808 und nach unbekannten Quellen bis auf die neueste Zeit von P. J. Rehfues, Bibliothekar des Kron-Prinzen von Würtemberg Frankfurt am Main, bei Varrentrapp und Sohn 1813.
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